Aktenzeichen 6 AZR 620/15
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Hannover, 7. Oktober 2014, Az: 7 Ca 144/14 Ö, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 3. September 2015, Az: 7 Sa 1513/14, Urteil
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. September 2015 – 7 Sa 1513/14 – wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des zweitinstanzlich gestellten Antrags zur Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung vom 20. März 2014 zum 1. April 2014 auf den Dienstposten mit der Objekt-ID 7 richtet.
2. Im Übrigen wird die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. September 2015 – 7 Sa 1513/14 – zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über das Zustandekommen einer Härtefallregelung nach § 11 des Tarifvertrags über sozialverträgliche Begleitmaßnahmen im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Bundeswehr (TV UmBw) vom 18. Juli 2001 idF des Änderungstarifvertrags Nr. 3 vom 10. Dezember 2010 sowie über die Wirksamkeit einer Versetzung.
2
Der am 8. Februar 1958 geborene Kläger ist schwerbehindert und seit 1981 bei der beklagten Bundesrepublik als Angestellter in der Zivilverwaltung der Bundeswehr beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet nach Feststellung des Landesarbeitsgerichts der TV UmBw aufgrund vertraglicher Inbezugnahme Anwendung.
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Im Jahr 2012 war der Kläger im Kreiswehrersatzamt H auf einem nach der Entgeltgruppe 5 TVöD bewerteten Dienstposten eingesetzt. Dieses Amt wurde zum 30. November 2012 aufgelöst. Bereits mit Schreiben vom 7. März 2012 hatte der Kläger der Beklagten sein Interesse am Abschluss einer Härtefallregelung nach § 11 TV UmBw bekundet.
4
Der TV UmBw enthält insoweit folgende relevante Regelungen:
„Präambel
1Die Tarifvertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, die mit dem erforderlichen Umstrukturierungsprozess verbundenen personellen Maßnahmen sozial ausgewogen auszugestalten. …
3Die Tarifvertragsparteien sehen in den Kooperationsvorhaben zugleich die Möglichkeit der Arbeitsplatzsicherung. 4Sie weisen darauf hin, dass der Wechsel in andere Bereiche auch zusätzliche Chancen bieten kann.
… 6Auch die Belange von Jugendlichen, die nach erfolgreicher Berufsausbildung in der Bundeswehr für eine Übernahme in das Berufsleben anstehen, sollen gebührende Berücksichtigung finden. 7Die Tarifvertragsparteien erkennen ferner die besondere Bedeutung der beruflichen Förderung und Integration schwerbehinderter Beschäftigter an.
§ 1
Geltungsbereich
(1)
Abschnitt I dieses Tarifvertrages gilt für die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (nachfolgend Beschäftigte), die unter den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) fallen und deren Arbeitsplätze in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Dezember 2017 durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen oder durch eine wesentliche Änderung des Aufbaus oder der Aufgaben einer Dienststelle einschließlich damit verbundener Umgliederung oder Verlegung auf Grund der Neuausrichtung der Bundeswehr wegfallen.
…
Abschnitt I
§ 3
Arbeitsplatzsicherung
(1)
Betriebsbedingte Beendigungskündigungen auf Grund von Maßnahmen im Sinne des § 1 Abs. 1 sind für die Laufzeit dieses Tarifvertrages ausgeschlossen.
(2)
1Soweit der Wegfall von Arbeitsplätzen nicht im Rahmen der normalen Fluktuation aufgefangen werden kann, ist der Arbeitgeber nach Maßgabe der folgenden Kriterien zur Arbeitsplatzsicherung verpflichtet. 2Die/der Beschäftigte kann eine Abweichung von der Reihenfolge nach den Absätzen 4 bis 7 verlangen.
(3)
Die Arbeitsplatzsicherung umfasst erforderlichenfalls eine Qualifizierung des/der Beschäftigten nach § 4.
(4)
1In erster Linie ist der/dem Beschäftigten ein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz im Bundesdienst zu sichern. …
(5)
1Kann der/dem Beschäftigten kein gleichwertiger Arbeitsplatz nach Absatz 4 gesichert werden, hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob ihr/ihm bei einer anderen Dienststelle im Bundesdienst ein anderer Arbeitsplatz angeboten werden kann. …
(6)
Kann der/dem Beschäftigten kein Arbeitsplatz im Bundesdienst gesichert werden, hat sich der Arbeitgeber um einen anderen nach Möglichkeit gleichwertigen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes an demselben Ort oder in dessen Einzugsgebiet – auf Wunsch der/des Beschäftigten auch an einem anderen Ort – zu bemühen.
(7)
Kann der/dem Beschäftigten kein Arbeitsplatz im Sinne der vorstehenden Absätze angeboten werden, unterstützt der Arbeitgeber die Beschäftigte/den Beschäftigten bei der Suche nach einem anderen Arbeitsplatz bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes (Anhang) vorzugsweise an demselben Ort oder in dessen Einzugsgebiet.
(8)
Die/der Beschäftigte ist verpflichtet, einen ihr/ihm nach den vorstehenden Absätzen angebotenen sowie einen gegenüber ihrer/seiner ausgeübten Tätigkeit höherwertigen Arbeitsplatz anzunehmen, es sei denn, dass ihr/ihm die Annahme nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten billigerweise nicht zugemutet werden kann.
…
§ 11
Härtefallregelung
(1)
1Kann einer/einem Beschäftigten im Sinne des § 1 Abs. 1, die/der im Zeitpunkt des Wegfalls des Arbeitsplatzes
a)
das 55. Lebensjahr vollendet hat, frühestens zehn Jahre vor Erreichen des Kalendermonats, für den die/der Beschäftigte eine abschlagsfreie Rente wegen Alters in Anspruch nehmen kann, und
b)
eine Beschäftigungszeit beim Arbeitgeber Bund (§ 34 Absatz 3 Satz 1 und 2 TVöD) von mindestens 15 Jahren zurückgelegt hat,
kein Arbeitsplatz nach § 3 angeboten werden und kann im Hinblick auf den Zeitpunkt des Wegfalls des Arbeitsplatzes keine Altersteilzeitarbeit nach dem Tarifvertrag zur Regelung flexibler Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte vereinbart werden, kann im Rahmen der hierfür festzulegenden Höchstzahl in gegenseitigem Einvernehmen ein Verzicht auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung (Ruhensregelung) vereinbart werden. 2Die/der Beschäftigte erhält statt des Entgelts eine monatliche Ausgleichszahlung. 3Dies gilt nicht, wenn sie/er einen Arbeitsplatz entgegen § 3 Abs. 8 abgelehnt hat oder der Arbeitgeber zu einer nicht betriebsbedingten Kündigung berechtigt wäre.
(2)
1Die Ausgleichszahlung wird in Höhe des um 20 v. H. verminderten Einkommens gezahlt. …
…
(9)
Der Anspruch auf die Ausgleichszahlung entfällt ferner,
…
c)
wenn der/dem Beschäftigten ein zumutbarer Arbeitsplatz im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 3 Buchst. a angeboten wird (Reaktivierung).“
5
Die Beklagte übermittelte dem Kläger auf sein Schreiben vom 7. März 2012 ua. eine „Berechnung Ausgleichszahlung nach § 11 TV UmBw (nur für Beratungszwecke)“. Dieser Berechnung war das Formblatt „Hinweise zur Aushändigung der vorläufigen Berechnung des Einkommens bei Inanspruchnahme der Härtefallregelung nach § 11 TV UmBw zum 01.03.2013“ beigefügt, das mit den Worten schloss:
„Ich hoffe, dass diese zusätzlichen Informationen dazu beitragen, Ihnen die Entscheidung zur Inanspruchnahme der Härtefallregelung zu erleichtern.“
6
Am 31. Oktober 2012 fand ein Personalgespräch statt, an dem neben dem Kläger auch der Leiter des Personalwesens für den einfachen und mittleren Dienst der Zivilangestellten, ROAR D, teilnahm. Aus der vom Kläger unterzeichneten Niederschrift über dieses Gespräch ergibt sich, dass der Kläger ab dem 1. Dezember 2012 ohne Auswirkungen auf die Entgeltzahlung außerhalb von Dienstposten unter Beibehaltung der bisherigen Tätigkeit weiter beschäftigt werden sollte.
7
Ab dem 1. Dezember 2012 führten die ehemaligen Kreiswehrersatzämter die verbliebenen Aufgaben als Außenstellen der Nachfolgeorganisation, des sog. KarriereCenters H, aus. Diese Außenstellen wurden sodann im Laufe der Jahre 2013 und 2014 aufgelöst und die Aufgaben an das KarriereCenter H weitergegeben. In diesem Zusammenhang wurde auch der Kläger bis zum 31. März 2014 mit Rest- und Übergangsarbeiten betraut, wobei er entsprechend der Niederschrift über das Personalgespräch vom 31. Oktober 2012 außerhalb von Dienstposten eingesetzt war.
8
Die Beklagte versetzte den Kläger mit Wirkung zum 1. April 2014 auf einen nach der Entgeltgruppe 5 TVöD bewerteten Dienstposten als Bürosachbearbeiter in das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum in H.
9
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei eine Härtefallregelung iSd. § 11 TV UmBw vereinbart worden. Die Korrespondenz mit der Beklagten im Anschluss an das Schreiben vom 7. März 2012, mit dem der Kläger sein Interesse an einer Härtefallregelung bekundet habe, habe er nur dahin verstehen können, dass die Beklagte alles dafür getan habe, um ihn im Rahmen der Härtefallregelung ausscheiden zu lassen. Diese Einschätzung sei durch das Personalgespräch am 31. Oktober 2012 bestätigt worden. Dort habe Herr D dem Kläger geraten, sich auf keinen Dienstposten setzen zu lassen. Weiter habe er gesagt: „Wir wollen übereinstimmend mit Ihnen, dass Sie ausscheiden. Nur der genaue Zeitpunkt steht noch nicht fest. Sie werden insoweit noch mit Arbeiten außerhalb von Dienstposten zur Restabwicklung beschäftigt“.
10
Jedenfalls habe der Kläger einen Anspruch auf Abschluss einer Härtefallregelung. Die Beklagte habe ihm im Zeitpunkt des Wegfalls seines Arbeitsplatzes am 30. November 2012 keinen gleichwertigen Arbeitsplatz angeboten. Er sei anderthalb Jahre außerhalb von Dienstposten beschäftigt worden. Die persönlichen Voraussetzungen für den Abschluss einer Härtefallregelung habe er erfüllt. Das Ermessen der Beklagten für den Abschluss der Härtefallregelung sei deshalb auf null reduziert gewesen.
11
Die zum 1. April 2014 erfolgte Versetzung sei unwirksam. Insoweit hat der Kläger erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe nach Abschluss der Härtefallregelung nicht mehr über seine Arbeitsleistung verfügen können. Zudem sei die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
12
Der Kläger beantragt zuletzt
1.
festzustellen, dass zwischen den Parteien eine Härtefallregelung nach § 11 TV UmBw abgeschlossen worden ist, wonach dem Kläger monatlich mindestens 1.577,51 Euro netto unter Berücksichtigung eines Zahlungs-Bruttos von mindestens 2.223,22 Euro ohne Gegenleistung des Klägers mit Wirkung ab Rechtskraft zu zahlen sind;
2.
hilfsweise
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers auf Abschluss einer Härtefallregelung gemäß § 11 TV UmBw anzunehmen, wodurch ein Verzicht auf die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Klägers vereinbart wird und wonach die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mit Wirkung ab Rechtskraft monatlich mindestens 1.577,51 Euro netto unter Berücksichtigung eines Zahlungs-Bruttos von mindestens 2.223,22 Euro zu zahlen;
3.
festzustellen, dass die Versetzung des Klägers mit Schreiben der Beklagten vom 20. März 2014 zum 1. April 2014 auf den Dienstposten mit der Objekt-ID 7 beim Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr H, unwirksam ist.
13
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen, eine Härtefallregelung sei nicht vereinbart worden. Es fehle bereits an der dafür erforderlichen, arbeitsvertraglich vereinbarten Schriftform. Auch lägen keine übereinstimmenden Willenserklärungen vor. Den von der Beklagten übersandten Unterlagen lasse sich kein Rechtsbindungswille entnehmen. Es bestehe auch kein Anspruch auf den Abschluss einer Härtefallregelung. Dieser stehe in ihrem Ermessen. Zudem lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 TV UmBw nicht vor. Sie habe dem Kläger zum 1. April 2014 und damit rechtzeitig einen gleichwertigen Arbeitsplatz angeboten.
14
Die Versetzung des Klägers sei wirksam. Sie habe die Schwerbehindertenvertretung ordnungsgemäß beteiligt.
15
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Berufung sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Wirksamkeit der Versetzung richte. Es fehle an der erforderlichen Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil. Im Übrigen sei die Berufung unbegründet. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageziele weiter.