Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Berechnung einer vorgezogen in Anspruch genommenen Betriebsrente – Auslegung einer Versorgungsordnung

Aktenzeichen  3 AZR 401/15

Datum:
24.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2017:240117.U.3AZR401.15.0
Normen:
§ 2 Abs 1 BetrAVG
§ 6 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Köln, 11. Februar 2014, Az: 11 Ca 9976/12, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Köln, 12. Mai 2015, Az: 12 Sa 394/14, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 12. Mai 2015 – 12 Sa 394/14 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
2
Der am 8. März 1926 geborene Kläger war vom 2. Mai 1960 bis zum 30. April 1989 bei der Beklagten als Tarifangestellter beschäftigt.
3
Die Beklagte hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den Richtlinien für die Betriebliche Altersversorgung (Fassung vom 6. Mai 1968) für Arbeiter und Angestellte (im Folgenden Richtlinien 68) zugesagt. Die Richtlinien 68 bestimmen ua.:
        
„I.     
Art der Versorgungsleistungen
        
        
Wir gewähren nach Erfüllung der Wartezeit
        
        
1.    
Erwerbsunfähigkeitsrente
        
        
2.    
Altersrente
        
        
3.    
Witwenrente
        
        
4.    
Waisenrente
        
II.     
Wartezeit
        
        
Die Wartezeit ist erfüllt, wenn der Arbeiter oder Angestellte eine anrechnungsfähige Dienstzeit von 10 Jahren in unserem Unternehmen abgeleistet hat. …
        
III.   
Anrechnungsfähige Dienstzeit
        
        
Anrechnungsfähig sind solche Dienstjahre, die der Arbeiter oder Angestellte nach Vollendung seines 20. Lebensjahres und vor Vollendung seines 65. Lebensjahres ununterbrochen in unserem Unternehmen abgeleistet hat. Angefangene Dienstjahre mit einer anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit von weniger als 6 Monaten bleiben unberücksichtigt, es sei denn, daß der Arbeiter oder Angestellte dieses Dienstjahr noch voll ableistet. Angefangene Dienstjahre mit einer anrechnungsfähigen Beschäftigungszeit von mehr als 6 Monaten gelten als volle Jahre.
        
IV.     
Voraussetzungen für die einzelnen Leistungsarten
        
        
Es werden gewährt
        
        
…       
        
        
        
2.    
Altersrente,
        
        
        
wenn der Arbeiter oder Angestellte nach Vollendung seines 65. Lebensjahres aus unserem Unternehmen ausscheidet.
        
        
…       
        
        
…       
        
        
        
VI.     
Zahlungsweise
        
        
Die Renten werden monatlich nachträglich gezahlt.
        
…       
        
        
VIII. 
Höhe der Leistungen
        
        
…       
        
        
        
B)    
Bei Angestellten:
        
        
        
1.    
a)    
Die Erwerbsunfähigkeits- und Altersrente beträgt bei Ablauf der Wartezeit monatlich 15 % des letzten Grundgehaltes und steigt für jedes nach Erfüllung der Wartezeit im Unternehmen abgeleistete anrechnungsfähige Dienstjahr um monatlich 1 % des letzten Grundgehaltes. Zum Grundgehalt rechnen auch die darüberhinausgehenden, regelmäßigen monatlichen Bezüge; jedoch nicht fallweise bezahlte Überstunden, Sondervergütungen, Abschlußvergütungen, Weihnachtsvergütungen und ähnliche nicht regelmäßige Bezüge.
        
        
        
        
…       
        
        
        
        
2.    
a)    
Die Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt: Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 65 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversicherung beruhen, bleiben unberücksichtigt.
        
        
        
        
b)    
Unabhängig von der Bestimmung in 2 a) wird die betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1) ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt.
        
…       
        
        
X.    
Wegfall von Ansprüchen
        
        
Scheidet ein Begünstigter aus unserem Unternehmen aus, ohne daß ein Leistungsfall gegeben ist, so erlischt jeder Anspruch aus dieser Zusage.“
4
In einem von der Beklagten und dem Betriebsrat unterschriebenen Aushang vom 10. Dezember 1986 wurde Folgendes bekanntgegeben:
        
„Gewährung von Betriebsrenten
        
Die C GmbH gewährt abweichend vom Wortlaut der Altersversorgungszusagen die Firmenrente auch schon vor dem Erreichen des 65. Lebensjahres, ohne versicherungsmathematische Abschläge vorzunehmen. Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung ist verlangt worden, die Altersversorgungszusagen entsprechend zu ändern. Aus diesem Grunde werden die Richtlinien für die betriebliche Altersversorgung in den Fassungen vom 6. Mai 1968 und 1. Januar 1974 wie folgt ergänzt:
        
IV. 2.
‚Die Altersrente wird gezahlt, wenn der Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Dienstverhältnis mit der C ausscheidet.
        
        
Sie wird auch gezahlt, wenn der Mitarbeiter vorher ausscheidet und Altersruhegeld oder vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. In diesen Fällen werden keine versicherungsmathematischen Abschläge vorgenommen.‘“
5
Mit Schreiben vom 21. April 1989 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Übersicht über die Berechnung seiner Altersrente. Hieraus ergibt sich, dass die Beklagte die Altersrente iHv. 1.278,00 DM ausgehend von einem pensionsfähigen Entgelt iHv. 5.919,60 DM unter Zugrundelegung einer Dienstzeit bis zum Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis zum 30. April 1989 und unter Anrechnung der vom Kläger tatsächlich bezogenen, nach VIII B 2 Buchst. a Richtlinien 68 anrechenbaren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iHv. 2.748,10 DM ermittelt hatte.
6
Seit dem 1. Mai 1989 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente und von der Beklagten eine betriebliche Altersrente. Diese belief sich zunächst auf 1.278,00 DM brutto monatlich. Zum 1. Januar 1990 wurde die betriebliche Altersrente auf 1.287,00 DM erhöht. Dies entspricht 658,03 Euro.
7
Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:
        
„Sehr geehrter Herr S,
        
aufgrund der von der C zugesagten Altersversorgung beziehen Sie eine Firmenrente.
        
Diese Zusage, die nur den Personenkreis begünstigen wollte, der mit Erreichung der festen Altersgrenze eine Sozialversicherungsrente bezieht, wurde 1975 durch das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) dahingehend geändert, dass die Firmenrente auch dann zu zahlen ist, wenn z.B. ein vorgezogenes Altersruhegeld bezogen wird, oder wenn ein Mitarbeiter vor dem Erreichen des Renteneintritts ausscheidet und die gesetzlichen Voraussetzungen für die Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft erfüllt sind.
        
Nach dem BetrAVG kommt es für die Berechnung der Firmenrente darauf an, wann der Renteneintritt erfolgt ist. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat schon sehr früh den Gesetzestext so interpretiert, dass der Renteneintritt immer identisch ist mit dem Bezug einer Sozialversicherungsrente. Die C ist deshalb bei der Berechnung der Firmenrente stets von diesem Faktum ausgegangen.
        
In neuerer Zeit hat das BAG seine Auslegung der Gesetzesnorm geändert und geht in seiner jetzt ständigen Rechtsprechung davon aus, dass es nach dem Gesetz nicht mehr darauf ankommt, seit wann der Mitarbeiter tatsächlich eine Sozialversicherungsrente bezieht, sondern darauf, welche feste Altersgrenze die ihm vom Arbeitgeber gegebene Versorgungszusage vorsieht.
        
Diese Änderung der Rechtsprechung führt dazu, dass die Berechnungen aller C-Renten nicht mehr dem BetrAVG entsprechen und zu ändern sind. Es muss nunmehr festgestellt werden, wie hoch die Firmenrente beim Erreichen der festen Altersgrenze gewesen wäre. In einem zweiten Rechenschritt ist festzustellen, welcher Teil des so ermittelten Betrages auf die tatsächliche Dienstzeit entfällt (Quotierung).
        
Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus in neuerer Zeit erstmals entschieden, wie die anzurechnende Sozialversicherung zu berechnen ist und diese Ansicht in einer Reihe von Urteilen konkretisiert, so dass auch hier nunmehr von einer ständigen Rechtsprechung auszugehen ist.
        
Diese Berechnungsweise ist die verbindliche Interpretation des BetrAVG und wurde von uns bei der Neuberechnung der Firmenrenten berücksichtigt. Die Auswirkungen dieser Neuberechnung und die Höhe Ihrer daraus resultierenden Firmenrente bitten wir, der beigefügten Berechnung zu entnehmen.
        
Aus organisatorischen Gründen, werden wir die Änderungen erst zum 01.09.2009 einführen.“
8
Seit dem 1. September 2009 zahlte die Beklagte dem Kläger nur noch eine monatliche Altersrente von 604,00 Euro, seit dem 1. März 2014 iHv. 602,58 Euro. Die Reduzierung des Auszahlungsbetrags beruht darauf, dass die Beklagte nunmehr eine mögliche anrechnungsfähige Beschäftigungszeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zugrunde legte, die anrechenbare Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung fiktiv auf die bei einer Inanspruchnahme ab der Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbare Rente hochrechnete und den sich ergebenden Betrag im Verhältnis der tatsächlichen zu der möglichen Betriebszugehörigkeit bis zum 65. Lebensjahr kürzte.
9
Mit seiner Klage hat der Kläger eine monatliche Altersrente iHv. 658,03 Euro sowie die Zahlung rückständiger Altersrente für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 28. Februar 2014 iHv. monatlich 54,03 Euro und seit dem 1. März 2014 iHv. monatlich 55,45 Euro verlangt.
10
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die ursprüngliche Rentenberechnung sei zutreffend gewesen. Die Beklagte sei weder berechtigt, eine zeitanteilige Kürzung der Rente im Verhältnis der tatsächlichen Dienstzeit zu der bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Dienstzeit vorzunehmen, noch eine auf das 65. Lebensjahr hochgerechnete fiktive Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen.
11
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.161,20 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 Euro, beginnend ab dem 2. Oktober 2009, zu zahlen,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 486,27 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 Euro, beginnend ab dem 2. Februar 2013, zu zahlen,
        
3.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 270,15 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 54,03 Euro, beginnend ab dem 2. Dezember 2013, zu zahlen,
        
4.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 277,25 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von monatlich 55,45 Euro, beginnend ab dem 2. April 2014, zu zahlen,
        
5.    
die Beklagte zu verurteilen, ab dem 1. August 2014 an ihn eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 658,03 Euro zu zahlen.
12
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
13
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte auf die Berufung des Klägers, mit der dieser seine Klage erweitert hat, verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum vom 1. September 2009 bis zum 31. Juli 2014 rückständige Altersrente iHv. insgesamt 3.194,87 Euro (monatlich 54,03 Euro, ab dem 1. März 2014 monatlich 55,45 Euro) nebst Zinsen und ab dem 1. August 2014 eine monatliche Altersrente iHv. 658,03 Euro zu zahlen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und beantragt für den Fall, dass der Kläger mit seiner Hauptforderung ganz oder teilweise unterliegt, widerklagend zuletzt,
        
1.    
den Kläger zu verurteilen, aus der Überzahlung in der Zeit vom 1. September 2009 bis einschließlich 31. August 2015 an sie 3.992,40 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. September 2015 zu zahlen,
        
2.    
den Kläger zu verurteilen, an sie 517,27 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. September 2015 zu zahlen,
        
3.    
den Kläger zu verurteilen, an sie 887,20 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils monatlich 55,45 Euro seit dem 2. Oktober 2015 zu zahlen.

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