Aktenzeichen 3 AZR 515/16
§ 1b Abs 1 S 4 BetrAVG
Leitsatz
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, wenn der Arbeitgeber freiwillig eine Betriebsrente zahlt, bei deren Berechnung er auch Beschäftigungszeiten zugrunde legt, auf deren Berücksichtigung nach seiner Auffassung kein Rechtsanspruch besteht, diese Begünstigung stichtagsbezogen jedoch nur den Versorgungsempfängern, nicht aber den Versorgungsanwärtern gewährt.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Lübeck, 23. Juli 2015, Az: 1 Ca 563/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 28. Juni 2016, Az: 1 Sa 286/15, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 28. Juni 2016 – 1 Sa 286/15 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob bei der Berechnung der Betriebsrente der Klägerin Beschäftigungszeiten nach dem 31. Dezember 1994 zu berücksichtigen sind.
2
Die im Juli 1949 geborene Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin – der W GmbH – vom 28. Oktober 1968 bis zum 31. Juli 2012 beschäftigt. Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestand eine Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersversorgung (BV 2/88), deren Bestandteil eine als Anlage beigefügte Versorgungsordnung (VO) war. Nach Abschnitt VI Nr. 1 Buchst. a VO beträgt die monatliche Alters- und Invalidenrente nach einer anrechenbaren Dienstzeit von 40 vollendeten Jahren für außertarifliche Mitarbeiter 400,00 DM, für Mitarbeiter der Tarifgruppen K/T 6 und M 4 300,00 DM und für die übrigen Mitarbeiter 200,00 DM. Die anrechenbare Dienstzeit ist nach Abschnitt VII Nr. 1 Buchst. a VO die Zeit, während der in ununterbrochener Folge bis zum Erwerb eines Anspruchs auf Betriebsrente ein Arbeits- oder Berufsausbildungsverhältnis zum Unternehmen bestanden hat.
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Die Rechtsvorgängerin der Beklagten kündigte die BV 2/88 unter dem 30. Juni 1993 schriftlich mit Wirkung zum 31. Dezember 1994. In der Annahme hierzu verpflichtet zu sein, gewährte sie – ebenso wie nachfolgend die Beklagte – auch nach Ablauf der Kündigungsfrist der BV 2/88 den ausgeschiedenen Mitarbeitern bei Vollendung des 65. Lebensjahres zunächst eine Betriebsrente, bei deren Berechnung sie eine anrechenbare Dienstzeit bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zugrunde legte. Den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern wurden zumindest teilweise entsprechende Anwartschaftsbescheinigungen erteilt.
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Anfang September 2010 übertrug die Rechtsvorgängerin der Beklagten – inzwischen firmierend als F GmbH – durch Spaltungs- und Übernahmevertrag vom 18. August 2010 den Teilbetrieb Compacting auf die Beklagte. Zeitgleich wurden aufgrund zweier Spaltungs- und Übernahmeverträge vom 18. August 2010 der Teilbetrieb Werkzeugtechnik auf die Werkzeugtechnik GmbH & Co. KG (im Folgenden Werkzeugtechnik KG) und der Teilbetrieb Shared Services auf die Shared Services GmbH & Co. KG (im Folgenden Services KG) übertragen.
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Im Rahmen der Vorbereitung der Unternehmensspaltung fiel einer Mitarbeiterin der Personalabteilung der F GmbH auf, dass die in einem Gutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausgewiesenen künftigen Betriebsrenten nach der BV 2/88 wesentlich geringer waren als die von ihr errechneten. Auf Rückfrage teilte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit, dass die Mitarbeiter, die Ende 1994 noch keine Betriebsrente bezogen, nur noch Anspruch auf eine quotierte Betriebsrente hätten. Die Geschäftsführung der Beklagten entschied daraufhin zum Jahreswechsel 2010/2011 den ehemaligen Mitarbeitern, die bereits eine Betriebsrente erhielten, diese in voller Höhe weiter zu gewähren. Ferner sollten diejenigen 13 ehemaligen Arbeitnehmer, die im Rahmen der mit der Unternehmensspaltung verbundenen Betriebsänderung im Jahr 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden waren, eine auf den Zeitpunkt ihres Ausscheidens quotierte Rente erhalten. Den übrigen Betriebsrentenanwärtern, die nach dem 31. Januar 2011 eine Rente nach der BV 2/88 in Anspruch nehmen, sollte diese nur noch unter Zugrundelegung der bis zum 31. Dezember 1994 erbrachten Dienstzeit gewährt werden.
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Die Beklagte verfügte Ende Dezember 2010 über 76 Betriebsrentner und weitere 95 Anwärter auf eine Betriebsrente nach der BV 2/88. Im Januar 2011 trat bei keinem der Anwärter ein Versorgungsfall ein.
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Der Betriebsrat der Services KG leitete im Jahr 2012 ein Beschlussverfahren ein, in dem er die Feststellung begehrte, „dass durch die Kündigung vom 30. Juni 1993 der Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersversorgung … durch die W GmbH … nicht dergestalt in die erworbenen Betriebsrentenanwartschaften und die Betriebsrenten der Arbeitnehmer, die bis zum 31. Dezember 1994 unter die Betriebsvereinbarung Nr. 2/88 über die betriebliche Altersversorgung … fallen, eingegriffen wurde, dass die zu gewährende Betriebsrente quotal auf den 31. Dezember 1994 berechnet wird“. An dem Verfahren waren neben der Services KG auch die Beklagte und die Werkzeugtechnik KG beteiligt. Das Landesarbeitsgericht wies den Antrag des Betriebsrats durch rechtskräftigen Beschluss vom 2. Mai 2013 ab.
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Die Klägerin bezieht seit dem 1. August 2012 eine vorgezogene monatliche Betriebsrente iHv. 53,13 Euro brutto. Bei der Berechnung der Betriebsrente quotierte die Beklagte die nach einer anrechenbaren Dienstzeit von 40 vollendeten Jahren erreichbare fiktive Vollrente iHv. 102,26 Euro (= 200,00 DM) im Verhältnis der Dienstzeiten der Klägerin vom Beginn ihres Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Dezember 1994 zu einer Dienstzeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres. Den sich ergebenden Betrag iHv. 58,54 Euro kürzte die Beklagte wegen des vorgezogenen Rentenbezugs um einen in Abschnitt VI Nr. 1 Buchst. b VO vorgesehenen versicherungsmathematischen Abschlag iHv. 9,6 vH auf 53,13 Euro.
9
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, bei der Berechnung der Betriebsrente auch ihre nach dem 31. Dezember 1994 zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen. Die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Personengruppen bei der Entscheidung, die Betriebsrente freiwillig auch unter Zugrundelegung der nach dem 31. Dezember 1994 erbrachten Dienstzeiten zu gewähren, sei sachlich nicht gerechtfertigt.
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Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Interesse – zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie
1.
für die Monate August 2012 bis Februar 2015 einen Betrag iHv. 1.093,37 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 14. März 2015 zu zahlen;
2.
künftig ab dem 1. März 2015 Rentenzahlungen iHv. weiteren 35,27 Euro brutto monatlich zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, die von ihr vorgenommene Differenzierung zwischen den Versorgungsempfängern und den Versorgungsanwärtern sei wegen der unterschiedlichen Lage dieser Personengruppen sachlich gerechtfertigt. Auch die Begünstigung der im Rahmen der Unternehmensspaltung im Jahr 2010 vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmer sei nicht zu beanstanden. Die Gewährung einer ungekürzten Betriebsrente an diese Arbeitnehmer solle – zusätzlich zur Sozialplanabfindung – den Verlust des sozialen Besitzstandes kompensieren, der durch den Wegfall des Arbeitsplatzes entstanden sei.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.