Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Anpassung – Auslegung einer Versorgungszusage – Gesamtversorgung – Gesamtrentenfortschreibung

Aktenzeichen  3 AZR 485/17

Datum:
25.9.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2018:250918.U.3AZR485.17.0
Normen:
§ 16 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hamburg, 2. Februar 2017, Az: 12 Ca 371/15, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg, 18. Juli 2017, Az: 4 Sa 33/17, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. Juli 2017 – 4 Sa 33/17 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte Zinsen ab dem 26. September 2018 zu zahlen hat.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger von der Beklagten gewährten Betriebsrente.
2
Der Kläger war vom 1. September 1977 bis zum 30. Juni 2009 zunächst bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten und zuletzt bei der Beklagten – ein in den deutschen G-Konzern eingebundenes Unternehmen – tätig. Ihm wurden zunächst Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes“ (im Folgenden BVW) zugesagt. Diese lauten auszugsweise:
        

Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes
         
        
…       
        
        
§ 6     
Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
           
        
1.    
Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt.
        
        
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).
        
2.    
Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
        
3.    
Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
        
        
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
        
4.    
Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit und solange die nach § 5 der Ausführungsbestimmungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4 der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge, erreichen oder überschreiten.
        
        
Betriebsangehörige, die eine Pensionsergänzung zu den Leistungen der Versorgungskasse zunächst nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebenenfalls bei Veränderungen nach der Ziffer 1 oder 3 später eine Pensionsergänzung allein durch das in der Ziffer 1 oder 3 dargestellte Verfahren.“
3
Der Kläger schied auf der Grundlage des Frühpensionierungsvertrags vom 29. Juni/2. Juli 2009 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni 2009 aus. § 9 des Frühpensionierungsvertrags lautet wie folgt:
        
„§ 9   
        
Die Gesellschaft gewährt Herrn Z unabhängig von der Höhe außerbetrieblicher Leistungen oder Leistungen der Versorgungskasse der Volksfürsorge VVaG mit Beginn des Kalendermonats, von dem ab er erstmals eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ggf. auch mit Abschlägen oder eine mit ihr vergleichbare Leistung (Leistung einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens, wenn sie von der Versicherungspflicht befreit ist, sowie Knappschaftsausgleichsleistungen und ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art) in Anspruch nehmen kann, eine monatliche Rente in Höhe von 1.436,89 EURO brutto. Diese Rente wird in der Folge nach den jeweils maßgebenden betrieblichen Versorgungsregelungen angepasst.“
4
Der Kläger trat nach der Vollendung seines 63. Lebensjahres zum 1. Februar 2015 in den Altersruhestand und erhielt – neben seiner gesetzlichen Rente – bis zum 30. Juni 2015 von der Beklagten nach der Regelung in § 9 Satz 1 Frühpensionierungsvertrag eine Betriebsrente iHv. 1.436,89 Euro brutto sowie eine Rente der Versorgungskasse iHv. 661,43 Euro brutto.
5
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 vH erhöht.
6
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20. November 2015 mit, dass die Geschäftsführung der Beklagten beschlossen hat, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes normierten Regelung zum 01.07.2015 für diesen Stichtag um 0,5 % zu erhöhen“.
7
Nach der Entscheidung der Beklagten sollten im Geltungsbereich der BVW entweder die Gesamtversorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die – erhöhte – gesetzliche Rente sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um 0,5 vH erhöht werden. Da letztere Variante letztlich für alle nach den BVW versorgungsberechtigten Betriebsrentner günstiger war, wurde die dem Kläger nach § 9 Satz 1 Frühpensionierungsvertrag zustehende Betriebsrente iHv. 1.436,89 Euro entsprechend um 0,5 vH gesteigert. Demgemäß gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2015 eine Betriebsrente iHv. 1.444,07 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin eine Rente der Versorgungskasse iHv. 661,43 Euro brutto.
8
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab dem 1. Juli 2015 eine höhere Betriebsrente zahlen. Nach § 9 Satz 2 Frühpensionierungsvertrag iVm. § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im Folgenden AB) BVW hätte jedenfalls seine Betriebsrente zu diesem Zeitpunkt um 2,09717 vH angehoben werden und die Beklagte ihm monatlich weitere 22,99 Euro zahlen müssen. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3 BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Voraussetzungen nicht erfüllt.
9
Der Kläger hat beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 1. März 2017 über die bisher gezahlten betrieblichen Versorgungsbezüge iHv. monatlich 1.444,07 Euro brutto hinaus weitere 22,99 Euro brutto, insgesamt demnach die betrieblichen Versorgungsbezüge iHv. monatlich 1.467,06 Euro brutto zu zahlen;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Beträge der betrieblichen Versorgungsbezüge für die Zeit von Juli 2015 bis Februar 2017 iHv. insgesamt 505,78 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 22,99 Euro ab dem 1. Juli 2015 und dem jeweils 1. des Folgemonats zu zahlen.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Anpassung zum 1. Juli 2015 sei auf der Grundlage von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar.
11
Das Arbeitsgericht hat der Klage – nach Rücknahme eines weiteren Antrags und einer Beschränkung der Zahlungsanträge – in der Hauptsache stattgegeben, jedoch Zinsen erst ab der Rechtskraft der Entscheidung zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten lediglich einen monatlichen Differenzbetrag iHv. 22,95 Euro brutto zuerkannt und hinsichtlich des übersteigenden Teils (0,04 Euro monatlich) die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

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