Aktenzeichen 3 AZR 483/16
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Berlin, 8. Mai 2015, Az: 31 Ca 18244/14, 31 Ca 18247/14, Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg, 25. Mai 2016, Az: 4 Sa 1471/15, Urteil
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen – das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2016 – 4 Sa 1471/15 – im Kostenpunkt insgesamt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Mai 2015 – 31 Ca 18244/14, 31 Ca 18247/14 – hinsichtlich der Zahlung rückständiger Sonderzuwendungen für die Jahre 2009 bis 2014 iHv. insgesamt 12.615,16 Euro brutto zzgl. Zinsen zurückgewiesen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob der inzwischen verstorbene Ehemann der Beklagten und ehemalige Arbeitnehmer des Klägers (im Folgenden Erblasser) einen Anspruch auf ein zusätzliches monatliches Ruhegehalt als jährliche Sonderzuwendung hatte. Der Kläger begehrt insoweit die Rückzahlung jeweils im Monat November 2006 bis 2008 geleisteter Sonderzuwendungen. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage Jahressonderzahlungen für die Jahre 2009 bis 2014.
2
Der am 15. August 1932 geborene Erblasser, dessen Alleinerbin die Beklagte ist, war bei dem Kläger in der Zeit vom 1. Juli 1972 bis zum 31. August 1997 beschäftigt. Dieser hatte ihm zuletzt mit Schreiben vom 13. August 1980 unter dem Betreff „Altersversorgung“ Folgendes mitgeteilt:
„Sehr geehrter Herr S,
nach Anstellung bei der VdTÜV haben Sie die Mitteilung erhalten, daß Sie Anspruch auf eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung in Anlehnung an die Regelung für Bundesbeamte haben. Um eine Deckung hinsichtlich der späteren Versorgungsbezüge zu erreichen, führen wir Sie bei der Alters- und Hinterbliebenen-Versorgungsstelle der TÜV (AHV) als Versorgungsanwärter. Zur Klarstellung künftiger Versorgungsansprüche teilen wir Ihnen mit, daß die Grundlage bei Berechnung späterer Versorgungsbezüge die Bundesbesoldungsgruppe (B.Bes.O.) ist, nach der sich Ihr Gehalt anlehnt und zum Zeitpunkt des Leistungsfalles bemißt. Mit Ende der Wartezeit am 01.07.1982 ist ein Anspruch von 35 % erreicht. Ohne Ansatz bei der Berechnung der späteren Versorgungsbezüge bleiben eventuell gezahlte Zulagen.
Die zugesagten Versorgungsleistungen umfassen:
1.
ein Ruhegehalt nach Vollendung des 65. Lebensjahres oder bei nachgewiesener dauernder Berufsunfähigkeit,
…
Andere als die hier zugesagten laufenden Versorgungsleistungen werden nicht gewährt. Auch bezieht die Anlehnung an die Grundsätze der Beamtenbesoldung sich nicht auf gesetzliche Anrechnungszeiten oder irgendwelche anderen Berechnungsfaktoren oder Ansprüche, die nicht ausdrücklich zur Grundlage dieser Zusage gemacht worden sind.
Der Rentenanspruch wird auch ausgelöst, wenn ein männlicher Versorgungsberechtigter eine Altersrente bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres beantragt, sofern er Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei befreienden Lebensversicherungen wird sinngemäß verfahren. Die vorgezogene Altersrente wird in Höhe der erreichten Altersrente errechnet und wegen der längeren Laufzeit für jeden Monat des vorzeitigen Beginns um 0,5 % ihres Betrages gekürzt. Fällt das Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung wieder weg, so wird auch die Zahlung der vorgezogenen betrieblichen Altersrente eingestellt.
Auf das betriebliche Ruhegeld werden angerechnet:
a)
Renten aus der Angestellten- und Arbeiterrentenversicherung, gleichgültig, ob aus einer Pflicht- oder freiwilligen Versicherung, soweit sie entstanden sind aus
1)
Beitragsleistungen früherer Arbeitgeber (Arbeitgeberanteile)
2)
der Hälfte der Ausfall-, Ersatz- und Zurechnungszeiten
3)
Beitragsleistungen der VdTÜV.
Grundlage für die Ermittlung des auf das betriebliche Ruhegehalt anzurechnenden Rentenanteils ist der amtliche Rentenbescheid. Daraus werden die Werteinheiten aus den Beiträgen der Zeiten nach 1) bis 3) ermittelt und zur Summe aller Werteinheiten aus der gesamten Versicherungszeit in Beziehung gesetzt. Nach diesem Verhältnis wird die Gesamtrente aufgeteilt.
VdTÜV-Angehörigen, deren betriebliches Ruhegehalt wegen fehlender Versorgungsdienstjahre nicht den Höchstsatz von 75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge erreicht, wird ein Ausgleich in der Form gewährt, daß der Betrag von der Anrechnung gemäß 1) bis 2) ausgenommen bleibt, der zur Erreichung des Höchstsatzes von 75 % erforderlich ist, jedoch nicht mehr als 5 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge.
…
Auf das Ruhegehalt können in besonderen Fällen und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Gegebenheiten angerechnet werden Renten, Kapitalabfindungen und andere Bezüge aus
d)
der berufsgenossenschaftlichen Unfallversicherung,
e)
Unfällen und Schädigungen, soweit die oben bezeichneten Ansprüche des Betroffenen sich nicht aus privaten Versicherungsverträgen ergeben.
…
Die Anrechnungsklausel gilt seit 01.01.1968.
Betriebliches Ruhegeld wird insoweit gewährt, als die Gesamtversorgung (betriebliches Ruhegeld und sonstige Ruhegeldbezüge aus früheren Arbeitsverhältnissen) 75 % des ruhegeldfähigen Gehaltes nicht übersteigt. Unberücksichtigt bleiben hierbei jedoch eventuelle Bezüge nach d) und e).
Im übrigen gelten die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19.12.1974.
Wir behalten uns vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei der Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, daß uns die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.
…“
3
Entsprechende Schreiben erteilte der Kläger sämtlichen AT-Angestellten.
4
Der Kläger zahlte seit Jahrzehnten den Betriebsrentnern – auch den AT-Angestellten mit Einzelzusage – jährlich im Monat November eine Sonderzuwendung in Höhe des jeweiligen monatlichen Ruhegehalts für den Monat November. Für die Versorgungsempfänger, die wie der Erblasser eine Einzelzusage haben, stellte er die Zahlung dieser Sonderzuwendung im Jahr 2009 ein, nachdem das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 16. Oktober 2009 (- 17 Sa 1035/09 -) entschieden hatte, dass sich die Betriebsrente dieser Versorgungsempfänger dynamisch nach dem Beamtenversorgungsrecht des Bundes richtet, das seinerzeit die Leistung einer Jahressonderzahlung als Einmalleistung nicht vorsah.
5
Der am 24. Oktober 2015 verstorbene Erblasser bezog seit dem 1. September 1997 ein Ruhegehalt vom Kläger. Daneben erhielt er in den – für den Rechtsstreit bedeutsamen – Kalenderjahren 2006 und 2007 eine Sonderzahlung iHv. jeweils 1.841,84 Euro und im Kalenderjahr 2008 iHv. 1.923,11 Euro, also insgesamt 5.606,79 Euro. In den Kalenderjahren 2009 bis 2014 zahlte der Kläger an ihn im Monat November nur noch das jeweilige Ruhegehalt.
6
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dem Erblasser habe weder aus der Versorgungszusage noch aus betrieblicher Übung ein Anspruch auf eine jährliche Sonderzuwendung zugestanden. Er habe in der Vergangenheit lediglich gesetzliche Zahlungspflichten erfüllen wollen. Dies habe der Erblasser – auch durch die regelmäßigen Mitteilungen über Gehaltsänderungen und eine Einmalzahlung – erkennen müssen.
7
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 7.149,14 Euro zu zahlen.
8
Der Erblasser und vormalige Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorsorglich die Einrede der Verjährung erhoben sowie sich auf Verwirkung berufen. Zudem hat er widerklagend beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an ihn 12.615,16 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.876,02 Euro seit dem 30. November 2009, aus 1.975,80 Euro seit dem 30. November 2010, aus 1.994,51 Euro brutto seit dem 30. November 2011, aus 2.162,76 Euro brutto seit dem 30. November 2012, aus 2.259,70 Euro brutto seit dem 30. November 2013 und aus 2.346,37 Euro brutto seit dem 30. November 2014 zu zahlen.
9
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben, nachdem es zunächst am 16. August 2010 im Einverständnis mit den Parteien beschlossen hatte, neuen Termin nur auf Antrag einer der Parteien anzuberaumen und der Erblasser und damalige Beklagte mit – am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem – Schriftsatz vom 17. Dezember 2014 den Rechtsstreit mit Erhebung der Widerklage aufgenommen hatte. Das Landesarbeitsgericht hat – nachdem die Beklagte für den Erblasser in das Verfahren eingetreten ist und die Parteien einen auf Feststellung künftiger Leistung gerichteten Widerklageantrag zu 2. übereinstimmend für erledigt erklärt haben – die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt – nach Rücknahme der Revision im Übrigen – in der Revision noch die Rückzahlung der in den Jahren 2006 bis 2008 geleisteten Sonderzuwendungen iHv. 5.606,79 Euro nebst Zinsen und die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.