Aktenzeichen XI ZR 175/11
§ 5 AGBG vom 09.12.1976
Leitsatz
1. Zur Frage, ob eine arglistige Täuschung darin zu sehen ist, dass in einem Verkaufsprospekt für eine Eigentumswohnung angegeben wird, dass für “Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing” 76,70% des kalkulierten Gesamtaufwandes aufzuwenden sind, ohne dass ausgewiesen wird, dass hierbei eine Innenprovision in Höhe von 18,24% eingepreist wurde.
2. Zur Auslegung eines formularmäßigen Vermittlungsauftrages und vorformulierter Angaben in einem Berechnungsbeispiel.
Verfahrensgang
vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 10. März 2011, Az: 8 U 61/10vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg), 8. März 2010, Az: 9 O 87/07
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 10. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde, die im Zusammenhang mit dem von der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank (im Folgenden: Beklagte) finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung errichtet wurde.
2
Die Kläger wurden 1993 von einem Anlagenvermittler geworben, zwecks Steuerersparnis eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der Wohnanlage M. in O. zu erwerben. Das Auftragsformular des Vermittlers und das von ihm verwandte Berechnungsbeispiel weisen eine an den Vermittler zu zahlende Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3% zzgl. Umsatzsteuer aus. Im Vermittlungsauftrag heißt es außerdem:
“Die Vertriebsbeauftragte hat ihrerseits verschiedene Vermittler beauftragt, die als Nachweismakler für diese und als Vermittlungsmakler für den/die Erwerber tätig werden. Der jeweilige Vermittler ist berechtigt, vom Auftraggeber eine Bearbeitungsgebühr von 3% des kalkulierten Aufwandes zzgl. Umsatzsteuer in jeweiliger Höhe auf eigene Rechnung zu vereinnahmen.”
3
In den auf der Rückseite des Vermittlungsauftrags abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird unter “IV. Vergütung, Provision” unter anderem ausgeführt:
“Der Vermittler hat in der Regel einen Vergütungsanspruch gegenüber den vorgenannten Prospektanbietern, Beteiligungs- oder Betriebsgesellschaften auf der Grundlage der mit diesen geschlossenen Verträgen.”
4
Des Weiteren verwandte der Vermittler einen Verkaufsprospekt, der hinsichtlich des kalkulierten Gesamtaufwandes folgende Angaben enthält:
100,00
VIII. Aufteilung (in %) des kalkulierten Gesamtaufwandes, der sichaufgrund der vorgesehenen Konzeption ergibt:
a)
Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb undMarketing
76,70
b)
Technische Baubetreuung
0,25
c)
Konzeption, Aufbereitung, Prospektgestaltung
1,50
d)
Finanzierungsvermittlung
4,00
davon für:
– Zwischenfinanzierung
1,80
– Endfinanzierung
2,00
– EK-Vorfinanzierung
0,20
e)
Nebenkostengarantie
0,50
f)
Zinsgarantie
2,00
davon für Leistungen:
– gem. Ziff. II. des Zinsgarantievertrages
1,50
– gemäß Ziff. III. des Zinsgarantievertrages
0,50
g)
Mietvermittlung
0,20
h)
Mietgarantie
0,50
i)
Steuerberatung
2,30
davon für Leistungen:
– gem. Ziff. II. 2., 5. des Stb.-Vertrages
0,58
– gem. Ziff. II. 1., 3., 4., 6. des Stb.-Vertrages
1,72
j)
Abwicklungsauftrag
2,30
k)
Bauzeitzinsen
5,50
l)
Notar, Gewerbesteuer und sonstiges
4,25
5
In der Position a) “Grundstück, Gebäude incl. Vertrieb und Marketing” waren Provisionen an Dritte in Höhe von 18,24% brutto des Gesamtaufwands enthalten.
6
Die von den Klägern bevollmächtigte C. Steuerberatungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Treuhänderin) schloss namens der Kläger mit der Bauträgerin am 30. März 1993 einen notariellen “Kauf- und Werklieferungsvertrag mit Auflassung” über die Eigentumswohnung Nr. … zum Preis von 113.935 DM. Zugleich übernahmen die Kläger in Höhe eines Betrages von 148.546 DM die persönliche Haftung und unterwarfen sich der persönlichen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
7
Darüber hinaus schloss die Treuhänderin namens der Kläger im Jahr 1993 mit der Beklagten mehrere Darlehensverträge, deren Valuta in Höhe von insgesamt 148.546 DM – neben Eigenkapital – zur Finanzierung des Gesamtaufwands zuzüglich Disagio und Bearbeitungsgebühr (Agio) verwandt wurde. Nachdem die Kläger die Bedienung der Finanzierungsdarlehen im Jahr 2002 eingestellt hatten, kündigte die Beklagte die Darlehen mit Schreiben vom 11. November 2002 und betrieb die Zwangsvollstreckung.
8
Mit der Klage wenden sich die Kläger – gestützt unter anderem auf Schadensersatzansprüche wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung – gegen die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Kauf- und Werklieferungsvertrag in ihr persönliches Vermögen. Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.