Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 6/20
Verfahrensgang
vorgehend Anwaltsgerichtshof Berlin, 5. Dezember 2019, Az: II AGH 1/19
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das dem Kläger an Verkündungs statt am 5. Dezember 2019 zugestellte Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger ist seit 1994 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 13. Dezember 2018 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
2
Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 – AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 7. März 2019 – AnwZ (Brfg) 66/18, juris Rn. 5).
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Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.
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a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder – wenn das Vorverfahren entbehrlich ist – auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 – AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 55/18, juris Rn. 5; jeweils mwN).
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b) Im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids befand sich der Kläger in Vermögensverfall.
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Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten. Gibt es Beweisanzeichen wie offene Forderungen, Titel und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, welche den Schluss auf den Eintritt des Vermögensverfalls zulassen, kann der betroffene Rechtsanwalt diesen Schluss nur dadurch entkräften, dass er umfassend darlegt, welche Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids gegen ihn bestanden haben und wie er sie – bezogen auf diesen Zeitpunkt – zurückführen oder anderweitig regulieren wollte (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 – AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 5 und vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 4).
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Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall lagen im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung hier vor. Es bestanden nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs Steuerrückstände in Höhe von mindestens 189.740,32 Euro, die bereits zu einer Kontopfändung geführt hatten. Der Kläger hat den hieraus gerechtfertigten Schluss auf seinen Vermögensverfall nicht entkräftet. Er hat zu keinem Zeitpunkt eine schlüssige und geordnete Darstellung seiner Verbindlichkeiten sowie seiner Vermögens-, Einkommens- und Ausgabensituation im Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vorgelegt.
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Der unsubstantiierte Verweis des Klägers auf Außenstände gegenüber Mandanten in Höhe von 414.561,31 Euro genügt diesen Anforderungen nicht im Ansatz. Die behaupteten Forderungen gegen Mandanten sind schon nicht nach Höhe und Fälligkeit sowie Realisierbarkeit dargelegt. Ebenso wenig liegt Vortrag dazu vor, dass diese im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung als liquide Mittel zur Verfügung standen und damit eine Tilgung der Verbindlichkeiten bewirkt werden konnte, was aber erforderlich wäre, um diese berücksichtigen zu können (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2019 – AnwZ (Brfg) 6/19, juris Rn. 29 f. mwN). Der Verweis des Klägers auf den Schutz der Vertraulichkeit gegenüber seinen Mandanten ändert hieran nichts. Denn eine nach Höhe und Fälligkeit geordnete Darstellung aller eigenen Forderungen sowie Aussagen zu deren Realisierbarkeit und kurzfristigen Verfügbarkeit wären dem Kläger ohne diesbezügliche Schwierigkeiten möglich gewesen.
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c) Der Vermögensverfall des Klägers gefährdete die Interessen der Rechtsuchenden.
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Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 12. Dezember 2018 – AnwZ (Brfg) 65/18, juris Rn. 7). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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2. Dem Anwaltsgerichtshof ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht zu beanstanden, dass ihm eine Abschrift und nicht eine Ausfertigung des Urteils zugestellt wurde. Der Verweis des Klägers auf § 317 ZPO trägt nicht. Nach § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO in der seit 1. Juli 2014 geltenden und somit für das vorliegende Verfahren über § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, §§ 116 Abs. 3, 56 Abs. 2 VwGO, § 166 ZPO anzuwendenden Fassung werden Urteile grundsätzlich in Abschrift zugestellt. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift entsprach mithin den gesetzlichen Voraussetzungen und setzte die Rechtsmittelfristen in Gang.
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg
Lohmann
Liebert
Wolf
Merk