Handels- und Gesellschaftsrecht

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG durch Anordnung von Zwangsmitteln in der Zwangsvollstreckung zur Durchsetzung eines Auskunftsanspruchs – hier: fehlende Verhältnismäßigkeit bei Erzwingung einer Aussage mit bestimmtem Inhalt – eidesstattliche Versicherung als milderes Mittel

Aktenzeichen  2 BvR 535/10

Datum:
28.10.2010
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Stattgebender Kammerbeschluss
Normen:
Art 1 Abs 1 GG
Art 2 Abs 1 GG
§ 259 BGB
§ 260 BGB
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
§ 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
§ 17 UWG
§ 767 ZPO
§ 883 ZPO
§ 888 ZPO
Spruchkörper:
2. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend OLG Düsseldorf, 1. Februar 2010, Az: I – 20 W 152/09, Beschlussvorgehend LG Krefeld, 16. Dezember 2009, Az: 12 O 13/04, Beschlussvorgehend LG Krefeld, 24. November 2009, Az: 12 O 13/04, Beschlussvorgehend BVerfG, 11. Juni 2010, Az: 2 BvR 535/10, Einstweilige Anordnung

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts Krefeld vom 24. November 2009 – 12 O 13/04 – in der Fassung des Änderungsbeschlusses des Landgerichts Krefeld vom 16. Dezember 2009 – 12 O 13/04 – und der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2010 – I – 20 W 152/09 – verletzen den Beschwerdeführer zu 1. in seinem Recht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf wird aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.
1
Die Verfassungsbeschwerden betreffen jeweils die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer Auskunft.

2
1. Der Beschwerdeführer zu 1. war bis zum Jahr 2002 mitgeschäftsführender Gesellschafter der Klägerin des Ausgangsverfahrens.
Unmittelbar nach seinem Ausscheiden gründete er die Beschwerdeführerin zu 2., die ein konkurrierendes Unternehmen betreibt.
Mit der Begründung, dieses habe sich nur etablieren können, weil der Beschwerdeführer zu 1. in unlauterer Weise die Kunden-
und Firmendaten genutzt habe, wurden die Beschwerdeführer vor dem Landgericht Krefeld in Anspruch genommen. Der Beschwerdeführer
zu 1. solle Auskunft darüber erteilen, welche Originale und Kopien der Kunden- und Firmendaten er bisher nicht herausgegeben
habe, erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides statt versichern und die mitgenommenen
beziehungsweise kopierten Daten herausgeben. Die Beschwerdeführerin zu 2. solle Auskunft darüber erteilen, mit welchen der
in der vorgelegten Kundenkartei aufgeführten Kunden sie unaufgefordert in Kontakt getreten sei und erforderlichenfalls ebenso
die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Angaben eidesstattlich versichern. Außerdem solle das Landgericht feststellen,
dass die Beschwerdeführer verpflichtet seien, den Schaden zu ersetzen, der aus der unbefugten Verwendung der Firmendaten entstanden
sei und noch entstehen werde.

3
Das Landgericht Krefeld wies die Klage mit Urteil vom 20. Juli 2004 – 12 O 13/04 – ab. Die Klägerin habe nicht nachweisen
können, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. vor seinem Ausscheiden in wettbewerbswidriger Weise Firmenunterlagen angeeignet
habe. Auf die Berufung der Klägerin änderte das Oberlandesgericht Düsseldorf diese Entscheidung durch Teilurteil vom 24. Februar
2009 – I – 20 U 121/04 – ab, verurteilte die Beschwerdeführer zur Auskunftserteilung wie beantragt und stellte fest, dass
diese verpflichtet seien, Schadensersatz zu leisten. Außerdem habe die Beschwerdeführerin zu 2. die weitere Verwendung der
Kunden- und Firmendaten der Klägerin zu unterlassen. Aufgrund der erst- und zweitinstanzlich erhobenen Beweise sowie weiterer
Indizien stehe fest, dass die Beschwerdeführer gegen § 17 UWG verstoßen hätten, indem sie sich die Kundendaten, ein Geschäfts-
und Betriebsgeheimnis im Sinne dieser Norm, unbefugt verschafft beziehungsweise diese unbefugt verwertet hätten. Daraus ergäben
sich Ansprüche auf Herausgabe, Schadensersatz und Unterlassung, zu deren Vorbereitung die Klägerin einen Auskunftsanspruch
aus § 242 BGB habe.

4
2. Zur Erzwingung der Auskunft beantragte die Klägerin beim Landgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Beschwerdeführer.
Diese erteilten daraufhin Auskunft wie folgt: Der Beschwerdeführer zu 1. habe alle die Klägerin betreffenden Unterlagen bei
der anlässlich seines Ausscheidens im Jahr 2002 durchgeführten Beurkundung des Vertrags über die Übertragung seines Geschäftsanteils
in Anwesenheit des Notars übergeben. Weitere Originale und Kopien der Kundendaten habe er nicht. Die Beschwerdeführerin zu
2. habe mit keinen Kunden Verträge abgeschlossen, nachdem sie zu ihnen unaufgefordert in Kontakt getreten sei.

5
Das Landgericht setzte gleichwohl mit Beschluss vom 24. November 2009 – 12 O 13/04 -, hinsichtlich des Betrages abgeändert
durch Beschluss vom 16. Dezember 2009 – 12 O 13/04 -, gegen den Beschwerdeführer zu 1. ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro
und gegen die Beschwerdeführerin zu 2. ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro fest. Durch die abgegebene Erklärung sei der
Auskunftsanspruch der Klägerin nicht erfüllt, denn den rechtskräftigen Feststellungen des Oberlandesgerichts folgend müsse
die Kammer als Vollstreckungsgericht davon ausgehen, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. die Kundendaten noch vor seinem
Ausscheiden verschafft und die Beschwerdeführerin zu 2. diese zur Anbahnung von Geschäftskontakten verwendet habe. Daran sei
die Kammer im Zwangsvollstreckungsverfahren gebunden.

6
3. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 1. Februar 2010 – I – 20 W 152/09
– zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trete die Erfüllungswirkung nicht ein, wenn eine Auskunft unvollständig
oder von vornherein unglaubhaft sei. Davon sei auszugehen, denn die erteilten Auskünfte seien offensichtlich unvollständig.
Aufgrund des Erkenntnisverfahrens stehe nämlich fest, dass der Beschwerdeführer zu 1. unter anderem die Kundendatei der Gläubigerin
bei seinem Ausscheiden mitgenommen habe. Seine Erklärung, keine Unterlagen mitgenommen zu haben, sei damit unvollständig,
denn sie gebe keine Auskunft über diejenigen Unterlagen, die schon nach den Feststellungen im Erkenntnisverfahren mitgenommen
worden seien.

7
Ebenso sei die Auskunft der Beschwerdeführerin zu 2. unvollständig. Die Angabe, sie habe zu keiner der auf der Liste der Klägerin
verzeichneten Kunden unaufgefordert Kontakt aufgenommen, widerspreche sogar dem unstreitigen Parteivorbringen. Die Beschwerdeführerin
zu 2. habe nämlich von vornherein nicht bestritten, sich an eine Vielzahl von Unternehmen gewandt zu haben, von denen ein
Teil zum Kundenkreis der Klägerin gehöre und sich demzufolge auf der von dieser vorgelegten Liste befinde. Im Streit habe
lediglich gestanden, ob dies der Beschwerdeführerin zu 2. nur möglich gewesen sei, weil sie über die Kundendatei der Klägerin
verfügt habe, oder ob der Beschwerdeführer zu 1. die entsprechenden Informationen als ehemaliger Mitgeschäftsführer im Gedächtnis
gehabt oder zumindest habe rekonstruieren können. Hinsichtlich des titulierten Auskunftsanspruchs sei diese Frage jedoch nicht
von Belang, denn danach sei die Beschwerdeführerin zu 2. generell zur Auskunft darüber verpflichtet, mit welchen Kunden der
Klägerin sie unaufgefordert Kontakt aufgenommen habe, unabhängig davon, worauf die entsprechenden Kontaktinformationen beruht
hätten.

8
4. Mit ihren Verfassungsbeschwerden wenden sich die Beschwerdeführer jeweils gegen die sie betreffende Zwangsgeldfestsetzung.
Sie bezeichnen insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG als verletzt. Der Beschwerdeführer zu 1. habe stets erklärt,
keine Kundendaten mitgenommen, sondern diese aus dem Gedächtnis mithilfe von Telefonbüchern und des Internets rekonstruiert
zu haben. Dazu sei er nach über 21-jähriger Zugehörigkeit zum Unternehmen, in der er für den gesamten Ein- und Verkauf der
betreffenden Kundengruppen als alleiniger Ansprechpartner verantwortlich gewesen sei, in der Lage gewesen. Das Oberlandesgericht
habe diese Einlassung zu Unrecht als nicht glaubhaft eingestuft. Die Indizien, auf die sich diese Einschätzung stütze, seien
nicht tragfähig. Der Beschwerdeführer zu 1. könne deshalb nur nochmals wiederholen, über keine Originale oder Kopien der Kunden-
und Firmendaten zu verfügen. Von ihm werde daher Unmögliches verlangt, wenn einerseits eine Erklärung dieses Inhalts erzwungen
werden solle, er sich andererseits aber wahrheitsgemäß erklären solle. Landgericht und Oberlandesgericht könnten ihn nicht
durch Festsetzung von Zwangsmitteln “zu überzeugen versuchen”, sich so einzulassen, wie es aus Sicht des Oberlandesgerichts
gewesen sein müsse. Mit einer “Kette von Zwangsmitteln” werde “die falsche Sanktion” ergriffen.

9
Unter Verweis darauf haben die Beschwerdeführer gleichzeitig beim Landgericht nochmals die Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzungen
beantragt. Im Hinblick auf die die Beschwerdeführerin zu 2. treffende Auskunftspflicht sei erst durch den Beschluss des Oberlandesgerichts
über die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde klargestellt, dass es insoweit lediglich auf die unaufgeforderte Kontaktaufnahme
zu den Kunden der Klägerin ankomme, unabhängig davon, worauf die Kenntnis von den Kontaktdaten beruhe. Diese Auskunft könne
erteilt werden, wofür auf eine dem Schriftsatz beigefügte Liste einschließlich entsprechender Umsatzzahlen verwiesen werde.

II.
10
Das nach § 94 Abs. 2 BVerfGG angehörte Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Äußerung abgesehen.
Die nach § 94 Abs. 3 BVerfGG angehörte Klägerin des Ausgangsverfahrens hält die Zwangsgeldfestsetzungen für verfassungsgemäß
und führt ein Reihe von Indizien an, aus denen sich ergebe, dass die Feststellung des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer
zu 1. habe sich die Kundendaten in wettbewerbswidriger Weise verschafft, zutreffend sei. Daher sei es auch nicht zu beanstanden,
dass sowohl Landgericht als auch Oberlandesgericht die damit nicht übereinstimmende Auskunft als ungeeignet zur Erfüllung
der Auskunftspflicht zurückgewiesen hätten.

III.
11
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu 1. zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung seines
Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die
weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde
der Beschwerdeführerin zu 2. wird dagegen nicht zur Entscheidung angenommen.

12
1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen das Recht des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG, soweit darin gegen diesen ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 Euro festgesetzt wurde.

13
a) Die Auslegung und Anwendung der Vorschriften des Zivilrechts und Zivilprozessrechts ist ebenso Sache der Fachgerichte wie
die Feststellung des Sachverhalts und die Würdigung der Beweise. Werden im Zuge der Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher
Normen jedoch grundrechtlich geschützte Positionen berührt, müssen die Zivilgerichte der Bedeutung und Tragweite der Grundrechte
Rechnung tragen, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewährleistet ist. Das verlangt in
der Regel eine im Rahmen der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorzunehmende Abwägung zwischen der Bedeutung des eingeschränkten
Grundrechts für seinen Träger im konkreten Fall sowie dem Ausmaß der ihm zugemuteten Beeinträchtigung einerseits und der Bedeutung
des von dem angewandten Gesetz geschützten Rechtsguts und der Schwere seiner Beeinträchtigung durch die Grundrechtsausübung
andererseits. Dabei haben die Gerichte beide Positionen hinreichend zu berücksichtigen und in ein Verhältnis zu bringen, das
ihnen angemessen Rechnung trägt. Ein Grundrechtsverstoß, den das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, liegt insbesondere
dann vor, wenn das Zivilgericht den grundrechtlichen Einfluss überhaupt nicht berücksichtigt oder unzutreffend eingeschätzt
hat und die Entscheidung auf einer Verkennung des Grundrechtseinflusses beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 ; 61, 1 ; 95,
96 ; 97, 391 ; 112, 332 ; stRspr).

14
b) Davon ausgehend haben die angegriffenen Entscheidungen keinen Bestand.

15
aa) Ist der Gläubiger auf eine Selbstauskunft des Schuldners angewiesen, um Gegenstand und Umfang seines Anspruchs überhaupt
präzisieren zu können, bleibt stets das Risiko, dass dieser die Auskunft nicht wahrheitsgemäß erteilt, um sich dem Anspruch
ganz oder teilweise zu entziehen. Der Gläubiger kann daher nach §§ 259, 260 BGB die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung
verlangen, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt worden ist und
die Angelegenheit nicht von geringer Bedeutung ist. Nach verbreiteter Auffassung handelt es sich dabei um eine abschließende
Regelung zur Erzwingung der materiellen Wahrheit, das heißt, ist die Auskunft des Schuldners in formaler Hinsicht vollständig
und hinreichend substantiiert, ist er damit seiner Auskunftspflicht nachgekommen, was auch unter Hinweis auf deren mögliche
Unglaubhaftigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 1957 – I ZR 192/56 -, GRUR 1958,
S. 149 ; Urteil vom 23. Januar 1980 – IV ZR 120/78 -, WM 1980, S. 318 ; BGHZ 92, 62 ; Krüger, in: Münchener
Kommentar zum BGB, Bd. 2, 5. Aufl. 2007, § 260 Rn. 43 u. § 259 Rn. 24; M. Wolf, in: Soergel, BGB, Bd. 2, 12. Aufl. 1990, §
260 Rn. 60 u. § 259 Rn. 41).

16
bb) Soweit der Bundesgerichtshof ausgesprochen hat, eine zum Zweck der Auskunft gegebene Erklärung genüge zur Erfüllung des
Auskunftsanspruchs dann nicht, wenn sie “nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft” sei (vgl. BGHZ
125, 322 ; 148, 26 ), ist dies als Frage der Auslegung des einfachen Rechts verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich
zu beanstanden. Das Oberlandesgericht nimmt diese Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Unvollständigkeit der Auskunft
für sich in Anspruch mit der Begründung, der Beschwerdeführer zu 1. habe keine Auskunft über die bereits nach den Feststellungen
des Erkenntnisverfahrens mitgenommenen Unterlagen gegeben. Der Sache nach ist damit allerdings wohl ein Fall der Unglaubhaftigkeit
der Auskunft gemeint, keine Kunden- und Firmendaten mitgenommen zu haben. Soweit das Oberlandesgericht hieraus den Schluss
zieht, eine anderslautende Auskunft könne durch Zwangsgeldfestsetzung erzwungen werden, kann es sich hierfür im Ausgangspunkt
zwar auf die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen. Bei deren Anwendung hat es aber die im konkreten Fall
betroffenen grundrechtlichen Belange nicht berücksichtigt.

17
(1) Durch die Zwangsgeldfestsetzung gegen den Beschwerdeführer zu 1. soll nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts erzwungen
werden, dass dieser den Besitz mindestens eines Datenträgers mit den Kundendaten der Klägerin einräumt und diesen so beschreibt,
dass die Klägerin ihren Herausgabeanspruch hinsichtlich der Kundendaten hinreichend präzisieren kann. Darin liegt zumindest
ein Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers zu 1. aus Art. 2 Abs. 1 GG. Dieser hat insofern eine besondere Qualität, als
nicht ausgeschlossen werden kann, dass diesem damit für den Fall, dass er sich entgegen den Feststellungen des Oberlandesgerichts
tatsächlich keine Kundendaten verschafft hätte, zugemutet würde, entsprechende Angaben zu erfinden. Insofern kommt es nicht
darauf an, ob die Feststellungen des Oberlandesgerichts zutreffend sind, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens unter Verweis
auf zahlreiche Indizien unterstreicht, oder ob sie unrichtig sind, wie die Beschwerdeführer unter Verweis auf andere Indizien
darzulegen suchen. Darüber hat das Bundesverfassungsgericht nicht zu entscheiden, denn die Feststellung des Sachverhalts einschließlich
der erforderlichen Beweiswürdigung ist allein Sache der Fachgerichte. Es ist aber zu berücksichtigen, dass es prinzipiell
stets im Bereich des Möglichen liegt, dass prozessuale und materielle Wahrheit nicht übereinstimmen, wie die gegensätzlichen
Würdigungen von Landgericht einerseits und Oberlandesgericht andererseits im vorliegenden Fall veranschaulichen.

18
Betroffen ist außerdem das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG jedenfalls
insofern, als der Beschwerdeführer zu 1. nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts zugleich die Begehung einer Straftat
nach § 17 UWG (Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen) einräumen müsste. Darin liegt eine Beeinträchtigung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts, als dessen Teil das Bundesverfassungsgericht den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung anerkannt
hat (vgl. BVerfGE 56, 37 ; 95, 220 ; 96, 171 ). Zwar ist ein solcher Zwang nicht generell unzumutbar, insbesondere
dann nicht, wenn – wie im vorliegenden Fall – schutzwürdige Belange Dritter betroffen sind. Die Anordnung von Zwangsmitteln
kann aber im Einzelfall als unverhältnismäßig zu beanstanden sein (vgl. BVerfGE 56, 37 ).

19
(2) Mit diesen grundrechtlichen Positionen, insbesondere der Frage der Verhältnismäßigkeit ihrer Beeinträchtigung, hat sich
das Oberlandesgericht nicht auseinandergesetzt.

20
(a) Zwar kann die Klägerin des Ausgangsverfahrens für sich das für den Zivilprozess durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Recht auf effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Das Oberlandesgericht erörtert
aber nicht, ob die eidesstattliche Versicherung nach §§ 259, 260 BGB insoweit nicht als milderes Mittel anzusehen ist, und
ob der Herausgabeanspruch hinsichtlich der Kundendaten nicht auch ohne weitere Auskünfte durch Vorlage einer entsprechenden
Liste ausreichend bestimmt werden kann, so dass es nicht erforderlich wäre, den Beschwerdeführer zu 1. im Wege des Zwangsgeldes
zu einer Auskunft bestimmten Inhalts zu zwingen. Soweit dadurch eine Identifizierung der entsprechenden Daten zumindest prinzipiell
möglich ist, spricht das Interesse der Klägerin an der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes dafür, ihr auch ohne weitere
Konkretisierung wenigstens den Versuch einer Zwangsvollstreckung zuzubilligen (allgemein Krüger, in: Münchener Kommentar zur
ZPO, Bd. 2, 3. Aufl. 2007, § 704 Rn. 11). Im Hinblick darauf ist es zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dem
vollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis Genüge getan ist, auch wenn die Auffindung der Daten durch den Gerichtsvollzieher
mit erheblichen praktischen Schwierigkeiten verbunden bleibt (dafür Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 8, 22. Aufl. 2004, §
883 Rn. 11; dagegen LG Düsseldorf, Urteil vom 16. März 1994 – 5 O 4/94 -, CR 1995, S. 220 f.; ohne abschließende Festlegung
AG Offenbach, Beschluss vom 27. Januar 1989 – 62 M 841/89 -, NJW-RR 1989, S. 445 f.).

21
(b) Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn fehlt eine Auseinandersetzung damit, dass der effektive Gewinn
an Rechtsschutz auf Seiten der Klägerin durch die Zwangsgeldfestsetzung vergleichsweise gering ist. Selbst wenn man eine Pflicht
zur erneuten Auskunft und Bezeichnung mindestens eines Datenträgers mit der Kundendatei annähme, bliebe es dem Beschwerdeführer
zu 1. – zieht man die Möglichkeit in Betracht, dass seine Negativauskunft nicht der Wahrheit entspricht – ohne weiteres möglich,
den Erfolg der Vollstreckung dennoch zu vereiteln, etwa indem er nicht alle der in seinem Besitz befindlichen Datenträger
angibt. Insofern ist die Klägerin letztlich ohnehin darauf verwiesen, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen.
In jedem Fall ist es ihr außerdem möglich, den bereits geltend gemachten und vom Oberlandesgericht dem Grunde nach festgestellten
Schadensersatzanspruch insbesondere mit Hilfe der von der Beschwerdeführerin zu 2. zu erteilenden Auskunft über die Kundenkontakte
weiterzuverfolgen.

22
2. Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin zu 2. ist unzulässig, da insoweit der Rechtsweg nicht entsprechend § 90
Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ausgeschöpft ist. Aus dem gleichzeitig mit der Verfassungsbeschwerde an das Landgericht gerichteten
Schriftsatz geht hervor, dass die Beschwerdeführerin zu 2. damit erstmals Auskunft über ihre Kundenkontakte erteilt hat, nachdem
das Oberlandesgericht den aus ihrer Sicht zuvor missverständlich formulierten Gegenstand ihrer Auskunftspflicht erst im Beschluss
vom 1. Februar 2010 dahingehend präzisiert hat, Auskunft über die Kundenkontakte sei unabhängig davon zu erteilen, ob die
Kontaktaufnahme auf einer unerlaubten Nutzung der Kundendaten der Klägerin beruhe oder nicht. Im Hinblick auf diese nachträglich
erteilte Auskunft steht ihr die Möglichkeit offen, den Erfüllungseinwand im Wege einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767
ZPO geltend zu machen (vgl. Gruber, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 2, 3. Aufl. 2007, § 887 Rn. 19; Musielak/Lackmann,
ZPO, 7. Aufl. 2009, § 888 Rn. 8). Da die Auskunft erst im Nachhinein erteilt wurde, steht dem auch die Präklusionsvorschrift
des § 767 Abs. 2 ZPO nicht entgegen.

23
3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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