Aktenzeichen 1 BvR 2144/11
Art 20 Abs 1 GG
§ 7 BeratHiG
§ 39 Nr 1 SGB 2
§ 43 SGB 2
Verfahrensgang
vorgehend AG Weiden, 13. Juli 2011, Az: 350 UR II 890/11, Beschluss
Gründe
1
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Sie hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche
Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG); ihre Annahme erscheint auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen
Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht
auf Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Zwar wird die Entscheidung des Amtsgerichts den Anforderungen an eine Sicherung
der Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Abs. 3 GG nicht gerecht, doch wirkt sich
dies nicht entscheidungserheblich aus.
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1. Das Grundgesetz verbürgt in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 3 GG den Anspruch auf grundsätzlich gleiche
Chancen von Bemittelten und Unbemittelten bei der Durchsetzung ihrer Rechte auch im außergerichtlichen Bereich, somit im Hinblick
auf die Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz (vgl. BVerfGE 122, 39 ). Die Auslegung und Anwendung des Beratungshilfegesetzes
obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Diese überschreiten den ihnen zustehenden Entscheidungsspielraum, wenn
sie einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den die Rechtswahrnehmung für unbemittelte Rechtsuchende im Vergleich zu bemittelten
Rechtsuchenden unverhältnismäßig eingeschränkt wird (vgl. BVerfGK 15, 438 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten
Senats vom 30. Mai 2011 – 1 BvR 3151/10 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 11. Mai 2009 – 1 BvR
1517/08 -, juris, Rn. 25 ff.). Allerdings muss Beratungshilfe nicht zugesprochen werden, wenn ein Antrag voreilig gestellt
wird (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2012 – 1 BvR 2852/11 -, juris, Rn. 11); dies ist
der Fall, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ausnahmsweise ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung haben soll.
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2. Ein Gericht verkennt in der Regel das Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit, wenn es für einen Widerspruch, nicht aber
für einen Antrag auf Feststellung einer aufschiebenden Wirkung desselben Beratungshilfe bewilligt.
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3. Vorliegend wirkt sich allerdings die Auslegung des § 7 BerHG durch das Amtsgericht nicht entscheidungserheblich aus.
5
Voraussetzung für eine Bewilligung von Beratungshilfe für den Antrag auf Feststellung oder Anordnung einer aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs ist das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und
Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage, 2010, Rn. 960; Schoreit/Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe,
10. Auflage, 2010, § 1 BerHG Rn. 110). An diesem fehlt es hier. Der von der Beschwerdeführerin eingelegte Widerspruch gegen
den sie noch belastenden Erstattungsbescheid und gegen die Aufrechnung hat aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1 SGB II ist hier
unanwendbar (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 86a Rn. 16b; Eicher, in: Eicher/Spellbrink,
SGB II, 2. Auflage, 2008, § 39 Rn. 12, 15). Deswegen ist der Beschwerdeführerin bereits mit dem Widerspruch gedient. Ein darüber
hinaus gestellter Antrag auf Feststellung einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist ohne Vorliegen außergewöhnlicher
Umstände überflüssig. Wer für einen solchen Antrag keine Beratungshilfe erhält, steht im Ergebnis nicht schlechter als bemittelte
Rechtsuchende.
6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.