Patent- und Markenrecht

Markenbeschwerdeverfahren – “Reichsburger” – zum Verfahrensmangel der Nichtbestellung eines Inlandsvertreters – Übersehen eines Verfahrenshindernisses in der Vergangenheit – kein Anspruch auf Wiederholung von Verfahrensfehlern – zur elektronischen Unterzeichnung von Beschlüssen

Aktenzeichen  26 W (pat) 525/17

Datum:
10.4.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Gerichtsort:
München
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 96 MarkenG
§ 36 Abs 4 MarkenG
Art 20 Abs 3 GG
§ 20 Abs 1 S 4 DPMAV 2004
§ 5 Abs 3 EAPatV
§ 6 Abs 2 EAPatV
§ 6 Abs 3 EAPatV
Art 3 Nr 11 EUV 910/2014
Art 3 Nr 12 EUV 910/2014
Spruchkörper:
26. Senat

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2016 229 908.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 10. April 2019 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter Kätker und Schödel
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Anmelderin, eine französische société à responsabilité limitée (SARL) mit Sitz in der französischen Hauptstadt Paris, hat am 24. Oktober 2016 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Anmeldung der Wortmarke „Reichsburger“ für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 21, 25 und 43 eingereicht. Einen Inlandsvertreter gemäß § 96 Abs. 1 MarkenG hat sie nicht benannt.
2
Mit Bescheid vom 23. November 2016 hat die Markenstelle für Klasse 21 des DPMA der Anmelderin mitgeteilt, dass sie mangels Sitz oder Niederlassung im Inland nach § 96 Abs. 1 MarkenG einen Inlandsvertreter benötige, der die Anforderungen von Absatz 1 oder 2 dieser Vorschrift erfüllt, und eine Äußerungsfrist gesetzt mit dem Hinweis, dass bei Ausbleiben einer Antwort die Anmeldung zurückgewiesen werden könne.
3
Hierauf hat die deutsche Geschäftsführerin der Anmelderin mit Telefax vom 5. Dezember 2016 mitgeteilt, dass sie ihren ersten Wohnsitz in Deutschland habe, weshalb kein Eintragungshindernis bestehe.
4
Mit gleichlautenden, an die Anmelderin und deren Geschäftsführerin gerichteten Bescheiden vom 7. Februar 2017 hat die Markenstelle unter Einräumung einer weiteren Äußerungsfrist mit erneutem Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung die Beanstandung aufrechterhalten. Sie könne nur fallengelassen werden, wenn die Anmeldung auf die Geschäftsführerin persönlich übertragen werde. Hierauf hat diese mit am 22. Februar 2017 beim DPMA eingegangenem Telefax entgegnet, dass es keine juristische Begründung für die Beanstandung der Markenstelle gebe und dass die Anmeldung einer anderen Marke für ihre französische Firma anstandslos akzeptiert und eingetragen worden sei.
5
Mit Beschluss vom 27. Februar 2017 hat die Markenstelle für Klasse 21 des DPMA die Anmeldung wegen mangelnder Bestellung eines inländischen Vertreters gemäß § 36 Abs. 4 i. V. m. § 96 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die Anmelderin unter Fristsetzung zur Bestellung eines Inlandsvertreters aufgefordert worden, dieser Aufforderung aber nicht nachgekommen sei. Da es sich bei deren Geschäftsführerin nicht um die französische Anmelderin und bei der von ihr angegebenen Anschrift auch nicht um eine Zweigniederlassung handele, sei sie auf die Möglichkeit der Umschreibung hingewiesen worden. Im Hinblick auf die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Pflicht der Behörde zur richtigen Rechtsanwendung vermöge auch der Hinweis auf die Eintragung einer anderen Marke für die nicht ordnungsgemäß vertretene Anmelderin nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.
6
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, dass der Zurückweisungsbeschluss rechtswidrig sei. Nach § 96 MarkenG benötige sie keinen Inlandsvertreter, da ihr erster Wohnsitz in Deutschland liege. Der Umstand, dass für sie bereits eine andere Wortmarke unbeanstandet eingetragen worden sei, ohne dass das Amt die Bestellung eines Inlandsvertreters verlangt habe, zeige, dass der angefochtene Beschluss einer gesetzlichen Grundlage entbehre und auf Willkür beruhe. Im Übrigen fehle die Unterschrift der Person, die den Beschluss erlassen habe. Der Hinweis, „Dieses Dokument wurde elektronisch signiert“ sowie die angelegte „Signaturprüfung“ seien mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schriftform und die elektronische Form gemäß §§ 126 ff. BGB nicht vereinbar, so dass der Beschluss an einem eindeutigen Formmangel leide.
7
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
8
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 21 des DPMA vom 27. Februar 2017 aufzuheben.
9
Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Oktober 2017 ist die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen worden, dass der angefochtene Beschluss Bestand haben dürfte.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
11
Die nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss ist rechtmäßig.
12
1. Die Anmelderin hat den Verfahrensmangel der Nichtbestellung eines Inlandsvertreters gemäß § 96 MarkenG trotz Aufforderung und Fristsetzung durch das DPMA nicht behoben.
13
Das Wortzeichen „Reichsburger“ ist von einer französischen société à responsabilité limitée (abgekürzt SARL, S. A. R. L. oder Sàrl) mit Sitz in Paris angemeldet worden. Diese französische Rechtsform für haftungsbeschränkte Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit entspricht der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Es handelt sich somit um eine juristische Person, deren Sitz sich außerhalb Deutschlands befindet. Mangels eines Sitzes oder einer Niederlassung im Inland benötigt die Anmelderin damit zur Teilnahme am Verfahren vor dem DPMA oder dem Bundespatentgericht gemäß § 96 Abs. 1 MarkenG einen Rechts- oder Patentanwalt als Vertreter. Solange diese prozessuale Voraussetzung fehlt, liegt ein Verfahrenshindernis vor. Eine Sachentscheidung kann somit erst ergehen, wenn dieser Mangel behoben ist. Hierzu ist die Anmelderin vom Amt mit Schreiben vom 23. November 2016 unter Fristsetzung aufgefordert worden. Da dieser Mangel aber nicht behoben worden ist, hat die Markenstelle die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen.
14
Entgegen der Ansicht der Anmelderin reicht es nicht aus, dass ihre Geschäftsführerin über einen Wohnsitz in Deutschland verfügt. Denn das Gesetz verlangt bei einer juristischen Person, dass diese selbst einen Sitz oder eine Niederlassung im Inland hat.
15
Soweit eine andere Marke der Anmelderin trotz Fehlens eines Inlandsvertreters unbeanstandet eingetragen worden ist, beruht dies offensichtlich darauf, dass dieses Verfahrenshindernis vom DPMA übersehen worden ist. Die Anmelderin hat indes keinen Anspruch darauf hat, dass ein solcher Fehler wiederholt wird und das DPMA damit erneut unrechtmäßig handelt. Denn Amt und Gericht sind zur Beachtung der geltenden Gesetze verpflichtet (Art. 20 Abs. 3 GG).
16
2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin leidet der angefochtene Beschluss auch nicht unter einem Formmangel.
17
Beschlüsse können gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 DPMAV i. V. m. § 5 Abs. 3 EAPatV elektronisch unterzeichnet werden, indem der Name der unterzeichnenden Person eingefügt und das Dokument entweder mit einer fortgeschrittenen Signatur nach Artikel 3 Nr. 11 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 oder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 3 Nr. 12 dieser Verordnung versehen wird. Wird die Abschrift eines elektronischen Dokuments gefertigt, das mit einem Herkunftsnachweis nach § 5 Absatz 3 EAPatV versehen ist, genügt es gemäß § 6 Abs. 2 EAPatV, den Namen der Person, die das Dokument unterzeichnet hat, und den Tag, an dem das Dokument elektronisch signiert wurde, in den Ausdruck aufzunehmen. Zusätzlich ist nach § 6 Abs. 3 EAPatV zu vermerken, dass die Ausfertigung elektronisch erstellt worden und daher nicht unterschrieben ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die elektronische Unterschrift ist zudem beim Bundespatentgericht einer Verifizierung unterzogen und erfolgreich auf ihre Gültigkeit überprüft worden.

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