Aktenzeichen I R 46/13
§ 36 Abs 7 KStG 1999
§ 37 Abs 1 KStG 1999
§ 34 Abs 13f KStG 2002
§ 34 Abs 13g KStG 2002
§ 164 Abs 2 AO
§ 164 Abs 4 AO
§ 179 Abs 3 AO
§ 181 Abs 5 S 1 AO
§ 79 Abs 2 S 1 BVerfGG
Leitsatz
1. NV: Die Erhöhung des Körperschaftsteuerguthabens auf der Grundlage der Neufassung der § 36, § 37 Abs. 1 KStG durch das JStG 2010 ist rechtlich nicht möglich, wenn der Bescheid über die Feststellung der Endbestände bereits vor Inkrafttreten des JStG 2010 in Bestandskraft erwachsen war.
2. NV: Eine die Anwendung der Neufassung versperrende Bestandskraft der Feststellung der Endbestände ist auch dann gegeben, wenn der Feststellungsbescheid gemäß § 36 Abs. 7 KStG keine ausdrückliche Feststellung des Endbestands des EK 45 mit 0 € enthielt.
3. NV: Ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Feststellungsbescheid kann nach Ablauf der Feststellungsfrist wegen des damit verbundenen Wegfalls des Vorbehalts der Nachprüfung nicht mehr nach § 164 Abs. 2 AO geändert werden. Die Regelung in § 181 Abs. 5 Satz 1 AO führt nicht zu einem Wiederaufleben des Nachprüfungsvorbehalts und damit der Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO.
Verfahrensgang
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 21. Mai 2013, Az: 1 K 284/10, Urteil
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die § 36, § 37 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) –KStG 2002 n.F.– anzuwenden sind, was zu einer Erhöhung des bisher festgesetzten Guthabens führen würde.
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Gegenüber der Klägerin, einer GmbH, ergingen am 28. Februar 2003 zusammengefasste Bescheide über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 –KStG 1999– (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG 1999 (im Folgenden: Feststellungsbescheid vom 28. Februar 2003). Bei der Ermittlung der nach § 36 Abs. 7 KStG 1999 festzustellenden Endbestände gliederte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) in Übereinstimmung mit der abgegebenen Erklärung den mit einer Körperschaftsteuer von 45 % belasteten Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals –vEK– (EK 45) nach Maßgabe des § 36 Abs. 3 KStG 1999 vollständig um. Hieraus ergaben sich bei dem mit 40 % Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des vEK (EK 40) ein Endbestand von 52.775 DM und bei dem nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbetrag des vEK (EK 02) ein solcher von 0 DM, die in eben dieser Höhe festgestellt wurden. Unter der Zwischenüberschrift „Ermittlung der nach § 36 Abs. 7 KStG festzustellenden Endbestände“ wurden die Umgliederungsschritte im Einzelnen anhand einer Tabelle dargestellt. Unter „Nachrichtlich“ erfolgte schließlich die Angabe des ermittelten Körperschaftsteuerguthabens mit 8.796 DM (4.497 €). Dieser Betrag entsprach einem Sechstel des „neuen“ Endbestands des EK 40. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Klägerin legte keinen Einspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 28. Februar 2003 ein.
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Das FA erließ ferner auf die Stichtage 31. Dezember 2002, 31. Dezember 2003, 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG, mit denen unter anderem das Körperschaftsteuerguthaben –in unveränderter Höhe– festgestellt wurde.
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Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 erfolgte zum 31. Dezember 2006 eine weitere Feststellung gemäß § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 1, § 38 Abs. 1 KStG. Das zu diesem Stichtag verbleibende Körperschaftsteuerguthaben wurde nicht bei den festzustellenden Beträgen, sondern unter der Rubrik „Nachrichtlich“ mit dem ermittelten Betrag von 4.497 € angegeben. Der Bescheid (im Folgenden: Bescheid vom 6. Mai 2008) wurde mit einem Nachprüfungsvorbehalt versehen.
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Schließlich setzte das FA mit Bescheid vom 26. September 2008 den Anspruch auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens in genannter Höhe gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. des Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4) fest (im Folgenden: Auszahlungsbescheid vom 26. September 2008).
6
Mit Schreiben vom 18. Mai 2010 stellte die Klägerin den Antrag, sämtliche vorgenannten Bescheide aufzuheben. Zur Begründung führte sie den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05 (BVerfGE 125, 1) an, mit dem die Umgliederung der Teilbeträge des vEK gemäß § 36 Abs. 3 und 4 KStG 1999 für verfassungswidrig erklärt worden war. Mangels wirksamer gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage seien sämtliche Feststellungen rechtswidrig und daher aufzuheben.
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Das FA folgte dieser Argumentation nicht und blieb auch in der Einspruchsentscheidung bei seiner Auffassung, dass der Feststellungsbescheid vom 28. Februar 2003 bereits vor der Entscheidung des BVerfG in Bestandskraft erwachsen sei und auch gemäß § 164 Abs. 2 AO nicht mehr geändert werden könne. Der Nachprüfungsvorbehalt sei mit Ablauf der Feststellungsfrist zum 31. Dezember 2006 entfallen. Die Regelung in § 181 Abs. 5 Satz 1 AO stehe dem nicht entgegen. Wegen der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides vom 28. Februar 2003 käme auch eine Änderung oder Aufhebung der anderen Bescheide nicht in Betracht.
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Die Klage blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) legte das Klagebegehren in dem Sinne aus, dass die Klägerin nicht mehr die Aufhebung, sondern die Änderung des Feststellungsbescheides vom 28. Februar 2003 unter Anwendung der im Nachgang zur Entscheidung des BVerfG erfolgten Neuregelung der § 36, § 37 Abs. 1 KStG 2002 n.F. begehrte. In der Sache folgte das FG mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1605 veröffentlichen Urteil vom 21. Mai 2013 1 K 284/10 im Wesentlichen der Auffassung des FA, dass die Endbestände i.S. des § 36 Abs. 7 KStG 1999 bereits bestandskräftig festgestellt seien.
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Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Sie beantragt (sinngemäß), das FG-Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 22. Juni 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 3. November 2010 aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Bescheid vom 28. Februar 2003 über die gesonderte Feststellung der Endbestände gemäß § 36 Abs. 7 KStG 1999 zum 31. Dezember 2001 zu ändern und die Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals unter Anwendung des § 36 Abs. 3 bis 6a KStG 2002 n.F. zu ermitteln und entsprechend festzustellen,
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hilfsweise, das FG und das FA zu verpflichten, den Bescheid vom 6. Mai 2008 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 und § 38 Abs. 1 KStG zu ändern und ein höheres Körperschaftsteuerguthaben zu ermitteln und festzustellen.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das dem Revisionsverfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen hat keine Anträge gestellt.