Aktenzeichen II R 23/16
§ 170 Abs 5 Nr 2 Alt 2 AO
§ 30 ErbStG 1997
Leitsatz
NV: Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das FA aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Gegenstände.
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 5. November 2015, Az: 14 K 14205/14, Urteil
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. November 2015 14 K 14205/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt –neben ihrem Bruder und ihrer Schwester– mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 5. November 2002 (Übertragungsvertrag) von ihrer Mutter (M) Eigentumsanteile von jeweils 1/3 am Grundbesitz (Grundbesitz B) sowie an zwei Eigentumswohnungen (übriger Grundbesitz) gegen Einräumung eines lebenslangen Nießbrauchs.
2
In der durch den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) geführten Schenkungsteuerakte befindet sich eine durch die seinerzeit für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzbehörde übersandte Veräußerungsanzeige des Notars in Bezug auf den Grundbesitz B vom 7. November 2002 sowie eine Anlage zur Veräußerungsanzeige vom 7. November 2002, in welcher der Übertragungsvertrag erwähnt wird. In der Veräußerungsanzeige war angegeben, dass der Grundbesitz B aufgrund Schenkung an Verwandte in gerader Linie gemäß anliegender Liste übertragen worden sei, der Tag der Übergabe der 5. November 2002 gewesen sei und der von den Parteien zu Grunde gelegte Wert des Grundbesitzes 575.000 € sowie der Wert des Nießbrauchs 38.000 € betragen hätten. In der Anlage zur Veräußerungsanzeige war u.a. die Klägerin als Erwerberin namentlich mit ihrer Wohnadresse bezeichnet. Außerdem wurde die Höhe ihres Erwerbs mit 1/3 angegeben.
3
M verstarb im Dezember 2009. Im Oktober 2011 erklärte der Bruder der Klägerin in einer Erbschaftsteuererklärung den gesamten im Jahr 2002 durch Schenkung erworbenen Grundbesitz unter Angabe der drei Erwerber als Vorerwerb.
4
Mit Schenkungsteuerbescheid vom 1. November 2012 setzte das FA für die Zuwendungen vom 5. November 2002 gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer fest. Mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2014 wurde der Grundbesitz B nicht mehr für die Schenkungsteuer berücksichtigt und die Steuer entsprechend auf 81.615 € herabgesetzt. Der Einspruch gegen die Besteuerung des übrigen Grundbesitzes blieb erfolglos.
5
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die Schenkungsteuer für den Erwerb aufgrund des Übertragungsvertrags sei –mit Ausnahme der auf den Erwerb des Grundbesitzes B entfallenden Steuer– noch nicht festsetzungsverjährt gewesen. Aufgrund der Anlaufhemmung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) habe die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2009, in dem M verstorben sei, begonnen. Im Jahr 2002 habe das FA durch die Veräußerungsanzeige lediglich Kenntnis von dem Erwerb des Grundbesitzes B, nicht hingegen von dem Erwerb des übrigen Grundbesitzes erlangt.
6
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO geltend.
7
Sie beantragt, die Vorentscheidung und die Schenkungsteuerbescheide vom 1. November 2012 und 12. Mai 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. September 2014 aufzuheben.
8
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.