Aktenzeichen VI R 40/17
Leitsatz
1. NV: Ohnehin geschuldeter Arbeitslohn i.S. der entsprechenden Vorschriften –wie beispielsweise § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG oder § 3 Nr. 33 EStG– ist derjenige Lohn, den der Arbeitgeber verwendungsfrei und ohne eine bestimmte Zweckbindung (ohnehin) erbringt.
2. NV: Zusätzlicher Arbeitslohn liegt vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat (Änderung der Rechtsprechung).
Verfahrensgang
vorgehend FG Münster, 28. Juni 2017, Az: 6 K 2446/15 L, Urteil
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 28.06.2017 – 6 K 2446/15 L wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Handelsunternehmen mit rund … Mitarbeitern.
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Im Jahr 2013 traf die Klägerin mit ihren Arbeitnehmern sogenannte “Ergänzende Vereinbarungen zum Einstellungsvertrag”. Betroffen waren ausschließlich Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die nicht tarifgebunden waren und für die keine tarifvertraglich angeordneten Regelungen bestanden. In den ergänzenden Vereinbarungen wurden u.a. folgende Leistungen der Klägerin vereinbart:
“I. Mit Wirkung ab dem … 2013 gewährt der Arbeitgeber folgende Leistungen, die nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallen:
…
3.) Telefonnutzung
Der Arbeitgeber stellt dem Arbeitnehmer ein Telekommunikationsendstellengerät zur Verfügung und übernimmt die für die Telefonie entstehenden Kosten bis zu einer Höhe von max. … € monatlich. Die Überlassung umfasst insbesondere auch die private Nutzung.
….
II. Mit Wirkung ab dem … 2013 gewährt der Arbeitgeber folgende Leistungen, die auch bei mehrfacher Gewährung keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers begründen:
1.) Internetpauschale
Der Arbeitgeber leistet zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetbenutzung einen Zuschuss. Dieser Zuschuss beträgt max … € monatlich. …
2.) Kinderbetreuungskosten
Der Arbeitgeber leistet einen Zuschuss i. H. v. … € zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Betreuung seines Kindes in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen. …
3.) Fahrten Wohnung/Arbeitsstätte
Der Arbeitgeber leistet einen Zuschuss zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für dessen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die Höhe richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben des Einkommensteuergesetzes und der Lohnsteuerrichtlinien. Die Abrechnung erfolgt nicht arbeitstäglich, sondern nach einer Pauschalierungsmethode mit … Arbeitstagen. Der Arbeitgeber trägt die pauschale Lohnsteuer.
III. Der Arbeitgeber verpflichtet sich gegenüber dem Arbeitnehmer zur Kompensation seiner (mit heutigem Datum berechneten) Nachteile bei den Altersrentenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Hierfür richtet er für den Arbeitnehmer eine geeignete arbeitgeberfinanzierte betriebliche Versorgungszusage mit sofortiger vertraglicher Unverfallbarkeit über einen Durchführungsweg seiner Wahl ein. Genaueres regelt die Vorsorgezusage, bzw. ein dieser Vorsorgezusage zugrunde liegender Versicherungsvertrag. Darüber hinaus verpflichtet sich der Arbeitgeber zum Abschluss einer Krankentagegeld- und Arbeitslosengeldversicherung zum Zwecke der Kompensation von Leistungsanwartschaften.
IV. Die Arbeitsvertragsparteien stellen fest, dass der Arbeitnehmer ab dem … auf … € Barlohn verzichtet.”
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Die Klägerin versteuerte die Zuschüsse zur Internetnutzung mit einem Pauschsteuersatz von 25 % und die Zuschüsse zu den Fahrtkosten mit einem Pauschsteuersatz von 15 %. Für die gewährten Zuschüsse zu den Kinderbetreuungskosten und zu den Telefonkosten führte die Klägerin keine Lohnsteuer an den Beklagten und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) ab.
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Im Jahr 2014 führte das FA bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch, welche den Prüfungszeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2013 umfasste. Die Prüferin gelangte dabei zu der Auffassung, dass bezüglich der streitigen Zuschüsse jeweils Gehaltsumwandlungen durch die ergänzenden Vereinbarungen vorgelegen hätten. Die von der Klägerin gewährten Kindergartenzuschüsse, Zuschüsse zu den Fahrtkosten sowie zur Internetnutzung seien nicht steuerbegünstigt, da sie nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht worden seien. Die ergänzenden Vereinbarungen hätten nicht dazu geführt, dass der Arbeitgeber etwas über den bisherigen Arbeitslohn hinaus schulde. Eine “zusätzliche” Leistung zum Lohn liege gerade nicht vor. Daher sei insoweit eine Nachversteuerung vorzunehmen.
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Unter dem Datum 04.09.2014 erließ das FA einen Nachforderungsbescheid und setzte einen Nachforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 6.752,04 € fest. Davon entfiel ein Betrag in Höhe von 2.721,71 € auf die nachzuversteuernden Zuschüsse zu den Internet-, Fahrt- und Kinderbetreuungskosten.
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Am 17.03.2015 erließ das FA einen auf § 129 der Abgabenordnung (AO) gestützten geänderten Nachforderungsbescheid. Die Änderungen stehen zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren nicht im Streit.
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Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2017, 1598 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Das FA habe zu Unrecht die lohnsteuerrechtliche Begünstigung der von der Klägerin an die Arbeitnehmer in den Streitjahren gewährten Zuschüsse zu den Aufwendungen für die Internetnutzung, zu den Fahrtkosten und zu den Kinderbetreuungskosten versagt und stattdessen der lohnsteuerrechtlichen Regelbesteuerung unterworfen. Im Übrigen sei die Klage jedoch unbegründet.
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Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 3 Nr. 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG), § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EStG sowie § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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Es beantragt,das Urteil des FG Münster vom 28.06.2017 – 6 K 2446/15 L aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.