Aktenzeichen 10 ZB 20.31115
VwGO § 60, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 2
Leitsatz
1. Ein mittelloser Rechtsmittelführer, der innerhalb einer Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt hat, ist bis zur Entscheidung über den Antrag grundsätzlich ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert, so dass regelmäßig eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist in Betracht kommt. Voraussetzung ist allerdings, dass innerhalb der Rechtsmittelfrist ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht wird (Rn. 5). (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch bei einem anwaltlich nicht vertretenen Rechtsschutzsuchenden ist geboten, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrundes zumindest in groben Zügen erkennen lässt (Rn. 9). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 21a K 17.41920 2020-03-16 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 16. März 2020 (Az. M 21a K 17.41920) wird abgelehnt.
Gründe
Der isolierte Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Berufungszulassungsverfahren hat keinen Erfolg.
Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Denn der vom Kläger beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlt es an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre bereits unzulässig, weil er nicht fristgerecht gestellt und dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren wäre.
Der Zulassungsantrag wäre verfristet. Die Monatsfrist für die Stellung und Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung (§ 78 Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 AsylG) ist mit Ablauf des 27. Mai 2020 verstrichen (§ 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB), nachdem das Urteil des Verwaltungsgerichts der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 27. April 2020 zugestellt worden ist.
Dem Kläger wäre keine Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist gemäß § 60 VwGO zu gewähren. Zwar ist ein mittelloser Rechtsmittelführer, der innerhalb einer Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag grundsätzlich ohne sein Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert, so dass regelmäßig eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist in Betracht kommt. Voraussetzung ist aber, dass innerhalb der Rechtsmittelfrist ein ordnungsgemäß begründetes und vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingereicht wird (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.2016 – 3 PKH 7.16 – juris Rn. 3; B.v. 28.1.2004 – 6 PKH 15/03 – juris Rn. 5; B.v. 19.4.2010 – 8 PKH 6.09 – juris Rn. 3 jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Kläger hat die erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 VwGO) trotz entsprechender Ankündigung nicht vorgelegt.
2. Unabhängig davon hätte der beabsichtigte Antrag auf Zulassung der Berufung auch in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
In Verfahren, auf die das Asylgesetz Anwendung findet, ist die Berufung nach § 78 Abs. 3 AsylG nur zuzulassen, wenn (Nr. 1) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (Nr. 2) das Urteil auf einer Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung beruht oder (Nr. 3) ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Beantragt ein anwaltlich nicht vertretener Rechtsschutzsuchender die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung, müssen die Voraussetzungen einer Grundsatz-, einer Divergenz- oder einer Verfahrensrüge so weit dargetan werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Es kann zwar nicht verlangt werden, dass die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet wird, wie dies gem. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG für die Begründung des Zulassungsantrags selbst erforderlich wäre. Geboten ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrundes zumindest in groben Zügen erkennen lässt (BVerwG, B.v. 4.5.2011 – 7 PKH 9/11 – juris Rn. 2 zur Nichtzulassungsbeschwerde). Daran fehlt es vorliegend.
Der Kläger hat das Vorliegen von Zulassungsgründen zwar (pauschal) behauptet, inhaltlich aber in keine Weise ausgeführt. Das Vorliegen von Zulassungsgründen ist auch sonst nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht ist nach Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 16. März 2020, zu der der Kläger über seine Bevollmächtigte unter Einführung einer Erkenntnismittelliste ordnungsgemäß geladen worden war, zu der Überzeugung gelangt, dass der Vortrag des Klägers zu einer behaupteten Verfolgung schon nicht glaubhaft sei. Darüber hinaus seien zwischen dem behaupteten Vorgang und der Ausreise acht Jahre verstrichen, sodass es an der nötigen Kausalität zwischen Verfolgung und Flucht mangele. Unabhängig davon bestünden interne Fluchtmöglichkeiten. Der Kläger sei jung und arbeitsfähig und könne seinen Lebensunterhalt in Nigeria auch fernab seiner Herkunftsregion sichern. Insofern seien auch keine Abschiebungsverbote erkennbar.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht zu erkennen. Auch ein Abweichen des Erstgerichts von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) ist insofern nicht ersichtlich. Gleiches gilt für das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da weder Gerichtskosten anfallen (§ 83b AsylG) noch Kosten erstattet werden können (§ 166 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4, § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).