Arbeitsrecht

Eingruppierungsklage – Fachkraft für Abwassertechnik

Aktenzeichen  4 Ca 5592/19

Datum:
20.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42532
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO 256 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Streiten die Arbeitsvertragsparteien über die richtige Eingruppierung, kann der Arbeitnehmer seine Rechte mittels einer Klage auf Zahlung der Vergütungsdifferenz und/oder einer Feststellungsklage geltend machen, da nur letztere zu Rechtskraftwirkungen auch für künftige Ansprüche führt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Eingruppierungsklagen gelten für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozessrechts. Im Hinblick darauf muss daher der Kläger die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungen der begehrten Vergütungsgruppe einschließlich der darin vorgesehenen Qualifizierungen bzw. Richtbeispiele im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt. Hierfür genügt es nicht, lediglich die ausgeübten Tätigkeiten nebst ihren Zeitanteilen unter Verweis auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung aufzuführen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf € 9.824,59 festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG gegeben.
2. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 12, 17 Abs. 1 ZPO.
3. Das nach §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist zu bejahen. Streiten die Arbeitsvertragsparteien über die richtige Eingruppierung, kann der Arbeitnehmer seine Rechte mittels einer Klage auf Zahlung der Vergütungsdifferenz und/oder einer Feststellungsklage geltend machen, da nur letztere zu Rechtskraftwirkungen auch für künftige Ansprüche führt (vgl. Hamacher, Antragslexikon Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2019, Eingruppierung). Die begehrte Entgeltgruppe ist vom Kläger genau bezeichnet worden.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA bzw. Die Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2.
Für die Eingruppierung des Klägers ist der BTV Nr. 2 maßgeblich, da der TVöD keine Eingruppierungsvorschriften enthält. Deshalb gelten nach dem Überleitungstarifvertrag TVÜ-VKA im Arbeiterbereich die landesbezirklichen Lohngruppenverzeichnisse fort. In Bayern handelt es sich dabei um das Lohngruppenverzeichnis des Bezirkstarifvertrages Nr. 2 (Arbeiter der Städte und Gemeinden) zum ehemaligen BMT-G II vom 28.02.1991 in der Fassung vom 24.09.1997. Die vom Kläger begehrte Vergütung nach bzw. Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 ergibt sich unter Anwendung der Anlage 3 TVÜ-VKA aus der Eingruppierung in die Lohngruppe 7 nach dem Lohngruppenverzeichnis des § 2 BTV Nr. 2. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 (VKA) Eingruppierung TVöD legt dabei fest, dass die gesamte auszuübende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe entspricht, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Grundlage für die begehrte Eingruppierung ist damit die Bewertung einzelner Tätigkeiten des Klägers. Für jede Teiltätigkeit ist das zeitliche Maß der Inanspruchnahme im Verhältnis zur Gesamttätigkeit festzustellen.
Die vom Kläger begehrte Entgeltgruppe 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA setzt mithin voraus, dass er mindestens zur Hälfte seiner Arbeitszeit Tätigkeiten der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 verrichtet. Hierzu hat er jedoch keine ausreichenden Tatsachen vorgetragen. Insbesondere genügt es nicht, die ausgeübten Tätigkeiten nebst ihren Zeitanteilen unter Verweis auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung aufzuführen. Bei Eingruppierungsklagen gelten für deren Schlüssigkeit sowie für die Darlegungs- und Beweislast der Klagepartei die allgemeinen Grundsätze des Zivilprozessrechts. Im Hinblick darauf muss daher der Kläger die Einzelheiten seiner Tätigkeit und darüber hinaus diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungen der begehrten Vergütungsgruppe einschließlich der darin vorgesehenen Qualifizierungen bzw. Richtbeispiele im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt. Er hat konkret die Tatsachen darzulegen, aus denen das Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen oder Gesamt- bzw. Teiltätigkeiten vornehmen kann (vgl. BAG v. 18.11.2015, 4 AZR 534/13, NZA 2016, 310 ff.).
Die Betreuung der Kläranlage setzt sich ausweislich der vorgelegten Arbeitsplatzbeschreibung des Klägers (Bl. 25 ff. d.A.) aus einer Vielzahl einzelner Tätigkeiten zusammen, welche unabhängig voneinander bewertet werden können. Für den Inhalt sowie den Umfang der streitigen Zeitanteile ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Er hat hierzu auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung (Bl. 99 d.A.) mit Prozentanteilen verwiesen und im Einzelnen zu bestimmten Tätigkeiten sowie der behaupteten Selbständigkeit vorgetragen. Es fehlt jedoch bereits am Vortrag, welche seiner Tätigkeiten aus welchen Gründen über die Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 hinausgehen. Bei aufeinander aufbauenden Lohngruppen mit Heraushebungsmerkmalen ist immer ein wertender Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten erforderlich. Hierfür genügt nach dem Bundesarbeitsgericht die bloße Darstellung der Tätigkeiten nicht für eine schlüssige Begründung des Höhergruppierungsbegehrens. Denn allein aus der Betrachtung der Tätigkeiten lassen sich noch keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob sich die Tätigkeit entsprechend den Qualifizierungsmerkmalen von denjenigen der niedrigeren Lohngruppen hervorhebt. Dies erfordert vielmehr einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten, also den „Normaltätigkeiten“ und setzt einen entsprechenden Tatsachenvortrag voraus, welcher erkennen lassen muss, weshalb sich eine bestimmte Tätigkeit von der Grundtätigkeit abhebt (vgl. BAG v. 23.10.2012, Az. 4 AZR 48/11). Insoweit fehlt trotz der Darstellung der einzelnen Tätigkeiten des Klägers sowie des Verweises auf die von seinem Vorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung ein substantiierter Sachvortrag, weshalb seine Tätigkeiten statt in Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 als Ausgangsgruppe in die darauf aufbauende Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 einzuordnen seien. Insbesondere ist die Lohngruppe 7 des BTV Nr. 2 gegenüber den Lohngruppen 5 und 6 des BTV Nr. 2 hervorgehoben, welche bereits über die Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 hinaus die Verrichtung hochwertiger bzw. besonders hochwertiger Arbeiten erfordern. Hierzu ist bereits festzuhalten, dass nicht jede Tätigkeit, welche ohne ständige Überwachung und Weisungen alleinverantwortlich ausgeübt wird, als hochwertig oder besonders hochwertig anzusehen ist. Eine höhere Vergütung ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn die ausgeübte Tätigkeit mit dem entsprechend geforderten Hälftemaß inhaltlich anspruchsvoller ist als die in der niedrigeren Lohngruppe genannte Tätigkeit. Zu diesem wertenden Vergleich hat der Kläger nichts vorgetragen.
Nichts Anderes gilt in Bezug auf die vom Kläger dargestellte selbständige Ausführung der von ihm aufgelisteten Tätigkeiten. Auch hiermit nimmt er nicht ausreichend Bezug zu den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm in Anspruch genommenen Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2. Diese Fallgruppe erfordert über die Anforderungen der Lohngruppen 5 und 6 des BTV Nr. 2 hinaus die selbständige Wartung und Instandsetzung von bestimmten Anlagen oder Maschinen. Selbst bei Annahme der von ihm beschriebenen Tätigkeiten als „selbständig“ kommt die vom Kläger begehrte Eingruppierung nicht in Betracht. Eine selbständige Tätigkeit in diesem Sinne kann nicht damit begründet werden, dass er bei vielen seiner Aufgaben alleine und ohne Weisung seines Dienstvorgesetzten mit einem eigenen Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum arbeite. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Tarifrecht des öffentlichen Dienstes ist unter „selbständiger Leistung“ eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Entgeltgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges sowie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend ist insbesondere ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung des Arbeitsergebnisses. Vom Arbeitnehmer werden Abwägungsprozesse verlangt und Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt. Er muss also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dies dürfe jedoch nicht mit „selbständig arbeiten“ im Sinne von „allein arbeiten“, d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig sein, verwechselt werden (vgl. BAG v. 15.11.1995, 4 AZR 557/94, m.w.N.). Dem klägerischen Vortrag kann zwar unterstellt werden, dass er viele seiner Aufgaben im Rahmen seines Verantwortungsbereichs – z.B. im Zusammenhang mit der Pumpenwerkskontrolle, der Reinigungs- und Pflegearbeiten, der Rattenbekämpfung, der Kamerabefahrungen – selbständig ohne Weisung seines Dienstvorgesetzten abarbeitet. Jedoch ist jeder Facharbeitertätigkeit in diesem Rahmen ein selbständiges Arbeiten mit gewissen Beurteilungsspielräumen für eigenständige Handlungen und Entscheidungen immanent und gehört zur täglichen Arbeitsausführung. Ansonsten wäre die Tätigkeit als ungelernt oder angelernt zu qualifizieren und würde es im Facharbeiterbereich trotz entsprechender Ausbildung keine eigenverantwortliche Tätigkeit geben. Soweit der Kläger seine Tätigkeiten beschreibt, sind dies nach Auffassung der Kammer schwerpunktmäßig auch typische Tätigkeiten eines Facharbeiters, bei deren routinemäßiger Ausführung naturgemäß auch eigene Entscheidungen ohne ständige Rücksprache mit dem Dienstvorgesetzten zu treffen sind. Dies gilt neben den Arbeiten auf der Anlage auch für die eigenverantwortlich zu erfüllenden organisatorischen und administrativen Tätigkeiten, wie beispielsweise der Erstellung von Berichten und Dokumentationen, welche zu einem gewissen Anteil mittlerweile nahezu fast jedem Berufsbild immanent sind. Dem Kläger obliegt nach dem Dafürhalten der Kammer auch nach seiner eigenen Darstellung primär die Überwachung und die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs der Anlage. Selbst wenn die von ihm beschriebene Selbst- oder Eigenständigkeit bei den diversen von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten unterstellt wird, führt dies allein noch nicht zur Einordnung seiner Tätigkeiten unter das Tatbestandsmerkmal der Selbstständigkeit der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2. Vielmehr lassen sich die von ihm beschriebenen Facharbeitertätigkeiten ohne weiteres immer noch unter die Aufgabenbeschreibung der Lohngruppe 4 des BTV Nr. 2 subsumieren.
Entscheidend für die vom Kläger begehrte Eingruppierung in Lohngruppe 7, Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 ist zudem das Tatbestandsmerkmal der „Wartung und Instandsetzung von schwierigen Heizungsanlagen oder komplizierten Maschinen oder Anlagen“, wozu jeglicher Sachvortrag fehlt. Der Kläger ist zwar in der Kläranlage der Beklagten mit 25.000 Einwohnergleichwerten eingesetzt. Allein sein Einsatzgebiet führt jedoch noch nicht automatisch zur Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsmerkmale. Selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags nebst Verweis auf die von seinem Dienstvorgesetzten erstellte Tätigkeitsdarstellung machen die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten von Kompressoren, Pumpen und Antrieben bzw. von Anlageteilen wie Räumerbrücken, Rechen, Seil- und Kettenzüge – welche nach Auffassung der Kammer nicht zu schwierigen bzw. komplizierten Anlagen oder Maschinen zählen – lediglich wenige Prozent der Gesamttätigkeit aus. Damit sind weder die Tatbestandsmerkmale der Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 des BTV Nr. 2 sowie das geforderte Hälftemaß erfüllt.
Nach alledem war die Klage als unbegründet abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG; 495, 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG; 42 Abs. 2 Satz 2 GKG. Insofern war der Wert des dreijährigen Unterschiedsbetrages der Entgeltgruppen 5 und 8 der Anlage 3 TVÜ-VKA anzusetzen (vgl. Aufstellung des Klägers im Schreiben vom 26.11.2018, zuletzt monatlich € 216,61, Bl. 22 d.A.).
V.
Die Berufung war nicht gesondert zuzulassen, da diese bereits nach allgemeinen Vorschriften eingelegt werden kann, § 64 Abs. 2 b) ArbGG.

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