Baurecht

Nichtzulassung der Berufung

Aktenzeichen  1 ZB 19.190

Datum:
22.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9449
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
VwGO § 124a Abs. 5 S.  2

 

Leitsatz

Fehlt die Rentabilität eines landwirtschaftlichen Betriebs im Außenbereich, führt dies zur Verneinung des Merkmals des Dienens i.S.d. § 35 BauGB. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 17.2874 2018-11-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Klägerin betreibt auf dem im Außenbereich gelegenen Grundstück FlNr. …, Gemarkung H… (nachfolgend: Baugrundstück), eine Pferdezucht. Mit Vorbescheid vom 7. März 2014 hatte das Landratsamt die planungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzungsänderung des bestehenden Stallgebäudes zu Stallungen für Pferdezucht festgestellt und mit Bescheid vom 22. Dezember 2014 die Baugenehmigung erteilt. Die Beigeladene hatte in beiden Fällen die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens verweigert. Den weiteren Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Berge- und Maschinenhalle und einer landwirtschaftlichen Betriebswohnung lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 24. Mai 2017 ab. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. November 2018 abgewiesen. Das geplante Vorhaben sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Dabei könne offen bleiben, ob die Klägerin, deren Betrieb überwiegend auf Pachtgrund betrieben werde, einen landwirtschaftlichen Betrieb führe. Denn das zur Genehmigung gestellte Vorhaben sei schon nicht dienlich im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, da ein vernünftiger Landwirt eine Investition von knapp 467.000,00 Euro unter Berücksichtigung der Laufzeit der Pachtverträge, die alle mit einem Verpächter bis maximal Ende 2030 abgeschlossen worden seien, nicht tätigen würde. Insbesondere könne dem vorgelegten Betriebskonzept nicht entnommen werden, dass diese Investition sich nach den Gegebenheiten des Betriebs der Klägerin in der genannten Zeitspanne amortisieren könne. Die von der Klägerin vorgelegten Kaufverträge belegten überwiegend geringere als die vorgetragenen Verkaufserlöse in Höhe von 15.000,00 Euro bis 20.000,00 Euro pro Pferd. Als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtige es öffentliche Belange.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 19; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das geplante Vorhaben – ohne dass es auf die Frage des Bestehens eines landwirtschaftlichen Betriebs ankommt – jedenfalls nicht dienlich im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist.
Bei der Auslegung des Merkmals „Dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nicht schon dann, wenn es nach den Vorstellungen des Betriebsinhabers für seinen Betrieb förderlich ist. Da aber auch nicht verlangt werden kann, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, bilden die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Maßgeblich ist innerhalb dieses Rahmens, ob ein vernünftiger Landwirt – auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebotes größtmöglicher Schonung des Außenbereichs – das Bauvorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Mit dem Tatbestandsmerkmal des „Dienens“ in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB soll sichergestellt werden, dass das Bauvorhaben zu dem privilegierten Betrieb tatsächlich in einer funktionalen Beziehung steht (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.1991 – 4 C 11.89 – NVwZ-RR 1992, 401; U.v. 16.5.1991 – 4 C 2.89 – NVwZ-RR 1992, 400; U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – NVwZ 1986, 644; U.v. 3.11.1972 – IV C 9.70 – BVerwGE 41, 138; BayVGH, B.v. 20.8.2019 – 15 ZB 18.2106 – juris Rn. 21; U.v. 29.1.2019 – 1 BV 16.232 – BayVBl 2019, 562; U.v. 11.4.2017 – 1 B 16.2509 – BayVBl 2018, 168; U.v. 20.7.2005 – 2 BV 04.1088 – juris Rn. 17). Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion nach den objektiven Gegebenheiten ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 – 4 B 254.92 – juris Rn. 5; U.v. 16.5.1991 a.a.O.).
Gemessen an diesen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht das Merkmal des Dienens aus der Perspektive eines „vernünftigen Landwirts“ zu Recht verneint, weil es an der Rentabilität des Vorhabens fehlt. Das Vorhaben ist mit betrieblichen (Kosten-)Risiken verbunden, die in einem klaren Missverhältnis zu den angestrebten betrieblichen Vorteilen stehen. Maßstab ist insoweit nicht eine mathematisch exakte Kostenkalkulation, sondern eine Gesamtbetrachtung. Die Gewinnperspektive hat nur die Funktion eines Indizes für die Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob ein vernünftiger Landwirt das Vorhaben auch unter Berücksichtigung des Gebots der Außenbereichsschonung mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb realisieren würde (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 a.a.O. Rn. 3; OVG NW, U.v. 15.3.2017 – 7 A 937.15 – BauR 2017, 1151; VGH BW, U.v. 30.9.2011 – 8 S 1947/11 – BauR 2012, 164). Das Verwaltungsgericht hat für die gebotene objektive Gesamtbetrachtung der Entwicklung der bestehenden Pferdezucht der Klägerin die Gesamtherstellungskosten des Vorhabens und die überwiegend auf Pachtflächen mit begrenzter Laufzeit beruhende Flächenausstattung des Betriebs der Klägerin in den Blick genommen. Dass es dabei die Gesamtherstellungskosten in Höhe von rund 467.000,00 Euro zugrunde gelegt hat ohne Abzug der Kosten für das Betriebsleiterwohnhaus in Höhe von 266.304,00 Euro, ist am Merkmal des „Dienens“ ausgerichtet und nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.1993 – 4 B 254.92 – juris Rn. 4). Die von der Klägerin in Bezug genommene Maßgabe der Ziffer 5.3 des LMS vom 2. Februar 2016 (A2/L5-7242-1/256) vermag daran nichts zu ändern. Denn sie findet nur Anwendung bei Neugründungen und nicht wie hier bei Bestandsbetrieben. Sie betrifft auch nur die Kosten für den Erwerb der Flächen für das zu errichtende Wohnhaus. Auch die weiteren Einwände der Klägerin vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils nicht zu begründen. Angesichts des zur Genehmigung stehenden (Gesamt-)Vorhabens kommt es hier nicht entscheidend darauf an, dass der Klägerin bereits die Nutzungsänderung des bestehenden Stalls zu Stallungen für die Pferdezucht genehmigt worden war. Denn das aktuell geplante Vorhaben bedarf einer neuen Genehmigung. Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch, dass die Klägerin über (maximal) 3,6 ha Eigenflächen verfügt und die Pachtflächen bis maximal zum Jahr 2030 von einem Pächter gepachtet wurden. Künftig zu pachtende Flächen im Umkreis der Hofstelle können, da auf den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist, nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die von der Klägerin zu Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt. Soweit sie weiter einwendet, dass der wirtschaftliche Betrieb für den Fall des Wegfalls der Pachtflächen auf den vorhandenen Eigenflächen weitergeführt werden könne, da jedenfalls eine ausreichende hofnahe Koppelfläche von 3,45 ha vorhanden sei und eine außenbereichsferne Nutzung nach Einstellung des Betriebs somit nicht drohe, übersieht sie, dass diese Fläche – selbst bei Unterstellung der Richtigkeit der Größenangaben – den hier notwendigen Flächenbedarf von 8,05 ha (0,35 x 23 für eine landwirtschaftliche Nutzung) nicht annähernd zur Hälfte zu decken vermag. Dass von diesem Flächenbedarf für landwirtschaftliche Pferdehaltung von mindestens 0,35 ha je Pferd bei einer Mischhaltung von Groß- und Kleinstpferden zu ihren Gunsten abgewichen werden müsste, legt die Klägerin nicht substantiiert dar. Die pauschale Behauptung, bei den von ihr gehaltenen Pferden handle es sich um Kleinstpferde, genügt nicht dem Darlegungsgebot im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Es hätte der Klägerin oblegen, darzutun, aus welchen Gründen eine Abweichung von diesem anerkannten Flächenbedarf geboten gewesen wäre. Soweit sie vorträgt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Schwerpunkt des Betriebs aus wirtschaftlicher Sicht bei der Pferdezucht liege und der Betrieb auch mit wenigen Zuchtpferden einschließlich der Aufzucht aufrechterhalten und geführt werden könne, ist Grundlage einer Baugenehmigung das angegebene Betriebskonzept. Der Vortrag steht zudem mit der erklärten Absicht der Klägerin in Widerspruch, den durchschnittlichen Pferdebestand im Zusammenhang mit dem Ausbau dauerhaft zu erhöhen. Die von der Klägerin zur Frage der Dienlichkeit des Vorhabens ohne weiteren Bezug zu den Feststellungen des Verwaltungsgerichts herangezogenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2012 (4 C 9.11) und des Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Januar 2005 (1 CS 04.1598) sind zum Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ ergangen. Ob es sich hier angesichts des geringen Anteils an Eigenflächen um einen auf Dauer angelegten Betrieb handelt, hat das Verwaltungsgericht jedoch offen gelassen. Schließlich ergeben sich ernstliche Zweifel auch nicht aus der Beanstandung, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht auf widersprüchliche Angaben zu den Einnahmen aus Pferdeverkäufen hingewiesen und dabei nicht beachtet, dass ihr Betrieb sich nach wie vor in der Aufbauphase befinde. Dieses Vorbringen legt bereits nicht substantiiert dar, dass die erforderliche Investition sich nach den Gegebenheiten des Betriebs der Klägerin in der genannten Zeitspanne amortisieren könne. Denn auch die vermehrten Verkäufe von Pferden im Jahr 2018 im Vergleich zu den Vorjahren können nichts daran ändern, dass die Verkäufe ausweislich der vorgelegten Unterlagen Schwankungen unterliegen. Im Übrigen weist auch der vorgelegte Jahresabschluss 2018, der entgegen der im Verfahren vorgetragenen Einkünfte aus dem Pferde- und Pensionsbetrieb in Höhe von 61.288,00 Euro nur geringere Einkünfte in Höhe von 52.885,20 Euro ausweist, nur einen Jahresüberschuss in Höhe von 11.799,85 Euro auf. Damit und auch mit dem in der Stellungnahme des AELF vom 9. Februar 2017 (S. 54 der Bauakte) ausgewiesenen Gewinn in Höhe von rund 27.000,00 Euro kann eine Amortisation bei Auslauf der Pachtverträge im Jahr 2030 unabhängig von den behaupteten Widersprüchen bei der Höhe der Verkaufserlöse für die Pferde der Klägerin jedenfalls nicht erwartet werden. Im Übrigen finden sich in dieser Stellungnahme und in der Stellungnahme vom 10. November 2016 keine nachvollziehbaren Angaben zu einer Wirtschaftlichkeit des Vorhabens, es wird nur auf die Angaben der Klägerin verwiesen.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsache keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Ungeachtet der Frage der hinreichenden Darlegung des Zulassungsgrunds kann die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Dienlichkeit eines privilegierten Bauvorhabens ohne Weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und der Rechtsprechung bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht billigem Ermessen, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die mit ihrer Stellungnahme das Verfahren gefördert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag. Einwände gegen die Höhe des Streitwerts wurden im Zulassungsverfahren nicht erhoben.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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