Aktenzeichen M 10 S 19.34493, M 10 K 19.34492
VwZG § 7 Abs. 1 S. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz
1. Im Senegal gibt es Regionen, in denen die weibliche Genitalverstümmelung wenig oder gar nicht mehr praktiziert wird. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eltern können im Falle von konkreten Anhaltspunkten für eine drohende Zwangsbeschneidung durch andere Familienangehörige staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu I. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Verfahren M 10 S 19.34493 und M 10 K 19.34492 wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die senegalesische Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet.
Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt das Gericht zunächst Bezug auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 11. November 2019, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
Die Antragstellerin ist am … März 2018 in der Bundesrepublik Deutschland geboren und ist Volkszugehörige der Mandingo.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2019 stellten ihre Eltern als gesetzliche Vertreter einen Antrag auf Asyl. Zur Begründung wurde von den Eltern im Wesentlichen vorgetragen, sie hätten Angst vor einer Rückkehr in ihr Heimatland aufgrund einer der Antragstellerin dort drohenden Zwangsbeschneidung.
Mit Bescheid vom 11. November 2019 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab (Nrn. 1 bis 3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Zudem forderte sie die Antragstellerin auf, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, drohte für den Fall der Nichtausreise die Abschiebung in den Senegal an (Nr. 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG auf dreißig Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Bescheid wurde den gesetzlichen Vertretern der Antragstellerin laut Postzustellungsurkunde am 20. November 2019 zugestellt.
Mit Schreiben vom 3. Dezember 2019 verwies der Bevollmächtigte der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin auf eine bereits bestehende Bevollmächtigung und bat um Zustellung des Bescheids an ihn. Er fügte eine Ablichtung seiner Vertretungsanzeige gegenüber der Antragsgegnerin vom 4. Februar 2019 bei, die einen Fax-Vermerk vom selben Tag enthält. Zudem fügte er eine Ablichtung seiner schriftlichen Vollmacht bei, die ebenfalls einen Fax-Vermerk vom 4. Februar 2019 aufweist.
Unter dem 9. Dezember 2019 wurde dem Bevollmächtigten der Bescheid zugesandt. Dabei führte die Antragsgegnerin aus, dass dem Bundesamt zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids keine Mandatsanzeige und keine Vollmacht vorgelegen hätten.
Am 10. Dezember 2019 erhob der Bevollmächtigte der gesetzlich durch die Eltern vertretenen Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 11. November 2019 zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 10 K 19.34492) und beantragt zudem,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 11. November 2019 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
Außerdem beantragt er,
der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen.
Zur Begründung bezog er sich weitestgehend auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt. Im Übrigen wird auf die Begründung Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 12. März 2020 beantragt die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Zudem enthielt der Schriftsatz die Aussage, dass die im angefochtenen Bescheid verfügte Abschiebungsandrohung dahingehend geändert werde, dass die Antragstellerin aufgefordert werde, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Ablehnung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO zu verlassen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
a) Der Antrag ist zulässig. Insbesondere wurde die Antragsfrist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gewahrt.
Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§§ 36 Abs. 1, 29a Abs. 1 AsylG) innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids zu stellen.
Ausweislich der in der Bundesamtsakte enthaltenen Postzustellungsurkunde wurde den Eltern der Antragstellerin der Bescheid am 20. November 2019 zugestellt, sodass die Antragsfrist bei Antragstellung am 10. Dezember 2019 bereits abgelaufen wäre. Allerdings ist vorliegend für die Bekanntgabe auf die unter dem 9. Dezember 2019 erfolgte Übermittlung des Bescheids an den Bevollmächtigten abzustellen, sodass die Antragsfrist als gewahrt anzusehen ist.
Entscheidungen des Bundesamts, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten gem. § 31 Abs. 1 Satz 3 AsylG unverzüglich zuzustellen. Die Zustellung selbst erfolgt nach dem Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) unter Berücksichtigung der Sondervorschriften des § 10 AsylG (BVerwG, B.v. 24.3.2015 – 1 B 6/15 – juris Rn. 6; Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 31 AsylG Rn. 15). Gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG sind Zustellungen an den Bevollmächtigten zu richten, wenn er eine schriftliche Vollmacht vorgelegt hat.
Das Gericht geht vorliegend davon aus, dass sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin bereits mit Fax vom 4. Februar 2019 gegenüber der Antragsgegnerin als Bevollmächtigter bestellt hat und eine Ablichtung der schriftlichen Vollmacht übersandt hat.
In der Bundesamtsakte befindet sich eine Ablichtung des Schreibens des Bevollmächtigten vom 3. Dezember 2019, mit dem dieser um Zustellung des Bescheids gebeten hat. Auf diesem Schreiben befindet sich sowohl am oberen, als auch am unteren Rand ein Fax-Vermerk, sodass davon auszugehen ist, dass es nicht per Post, sondern am 4. Dezember 2019 per Fax übermittelt wurde. Als Anlage waren diesem Fax eine Ablichtung der Vertretungsanzeige vom 4. Februar 2019 sowie der schriftlichen Vollmacht beigefügt. Dies ergibt sich daraus, dass sich auch auf diesen Dokumenten entsprechende Fax-Vermerke vom 4. Dezember 2019 befinden. Zu beachten ist hier wiederum, dass sich auf den Ablichtungen der Vertretungsanzeige und der Vollmacht jeweils sowohl am oberen, als auch am unteren Ende wiederum jeweils zwei Fax-Vermerke befinden, also insgesamt vier pro Seite. Eine derartige Doppelung ist dadurch zu erklären, dass ein Dokument gefaxt wurde, auf dem sich bereits zuvor ein Fax-Vermerk befunden hat. Die innerhalb der Fax-Vermerke enthaltenen Fax-Nummern sind identisch. Bei der Empfängernummer handelt es sich um die des Bundesamtsreferats … … … Ausweislich des oberen der beiden Vermerke am unteren Ende der Seiten wurden sowohl die Vertretungsanzeige, als auch die Vollmacht am 4. Februar 2019 an die Nummer des Bundesamts gefaxt. Diese Fax-Vermerke enthalten zudem die Angabe „OK S. 001/002 bzw. OK S. 002/002“. Daraus ergibt sich, dass beide am 4. Februar 2019 gefaxte Seiten erfolgreich übermittelt wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass das Bundesamt sowohl die Vertretungsanzeige, als auch die schriftliche Vollmacht am 4. Februar 2019 per Fax erhalten hat.
Damit wäre die Zustellung gem. § 7 Satz 2 VwZG an den Bevollmächtigten zu richten gewesen (Preisner in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, 24. Edition Stand: 1.11.2019, § 10 AsylG Rn. 24).
Eine Heilung dieses Mangels trat gem. § 8 VwZG in dem Moment ein, in dem der Bescheid dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Ob dem Bevollmächtigten der Bescheid bereits vor seinem Schreiben vom 3. Dezember 2019 von den Eltern der Antragstellerin übermittelt wurde, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Daher ist unabhängig von der Frage, ob für eine Heilung ein entsprechender Bekanntgabewille zu fordern ist, auf die Übermittlung per Post durch die Antragsgegnerin abzustellen. Das entsprechende Schreiben der Antragsgegnerin datiert auf den 9. Dezember 2019, sodass mit Antragstellung am 10. Dezember 2019 die einwöchige Frist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG jedenfalls gewahrt wurde.
§ 31 Abs. 1 Satz 7 AsylG, nach dem eine Entscheidung im Falle der Bevollmächtigung an den Bevollmächtigten nur in Abdruck zugeleitet werden soll und damit für die Bekanntgabe nicht auf die Zustellung an den Bevollmächtigten abzustellen ist, ist vorliegend nicht anzuwenden. Diese Regelung bezieht sich nach dem Gesetzeszusammenhang nur auf die in § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG genannten Fälle der Ablehnung des Asylantrags nur nach § 26a AsylG oder § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG (vgl. Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 31 AsylG Rn. 15; Heusch in Kluth/ders., BeckOK Ausländerrecht, 24. Edition Stand: 1.8.2019, § 31 AsylG Rn. 8), die hier nicht gegeben sind.
b) Der Antrag ist nicht begründet.
Im Rahmen der Prüfung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht in einer eigenen Ermessensentscheidung zwischen dem sich aus § 75 AsylG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragstellerin abzuwägen. Dabei sind insbesondere die sich nach summarischer Prüfung ergebenden Erfolgsaussichten der Hauptsache zu berücksichtigen, da das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin regelmäßig dann zurücktritt, wenn die Klage in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 50. Edition Stand: 1.7.2018, § 80 Rn. 188).
Nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i.V.m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Solche liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung eines Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen vorliegend im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung. Insofern wird ebenfalls auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
aa) Das Bundesamt hat zu Recht die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus nicht zuerkannt. Die Entscheidung als offensichtlich unbegründet findet ihre Grundlage in § 29a Abs. 1 AsylG, wonach Anträge von Antragstellern aus sicheren Herkunftsstaaten wie dem Senegal nur dann nicht als offensichtlich unbegründet abzulehnen sind, wenn die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel die Annahme begründen, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Eine Widerlegung der Vermutung ist der Antragstellerin nicht gelungen.
Das Gericht teilt nicht die Befürchtung der Eltern der Antragstellerin, diese habe bei einer Rückkehr in den Senegal eine Beschneidung bzw. weibliche Genitalverstümmelung zu erwarten. Die Eltern der Antragstellerin haben es vielmehr in der Hand, eine derartige Genitalverstümmelung an der Antragstellerin zu verhindern. Auch wenn möglicherweise tatsächlich eine Erwartung ihrer Familien oder der Dorfgemeinschaft bestehen sollte, an der Tochter eine traditionelle Beschneidung vornehmen zu lassen, können sich doch die Eltern dagegen wenden bzw. ihre Zustimmung verweigern. Es ist davon auszugehen, dass es die Eltern in der Hand haben, auch eine Zwangsbeschneidung gegen ihren Willen zu verhindern.
Zwar wird im Senegal weibliche Genitalverstümmelung noch immer von einigen Ethnien praktiziert, obwohl sie seit 1999 gesetzlich verboten ist. Laut Unicef (Stand: 2015) sind 26% der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren betroffen und der Eingriff wird meist an sehr jungen Mädchen durchgeführt (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 14.2.2020, Stand: Dezember 2019, S. 12). Nach Terre des Femmes (Weibliche Genitalverstümmelung im Senegal, Stand: Dezember 2019, abrufbar – am 3.4.2020 – im Internet unter https://www.frauenrechte.de/unsere-arbeit/themen/weibliche-genitalverstuemmelung/unser-engagement/aktivitaeten/genitalverstuemmelung-in-afrika/fgm-in-afrika/1464-senegal) sind durchschnittlich 24% der Mädchen und Frauen in diesem Alter betroffen. Nach einem Bericht des European Asylum Support Service (EASO) vom 25. bzw. 26. Dezember 2016 („Female Genital Mutilation / Cutting (FGM/C) & COI“, S. 19, Bericht abrufbar – am 3.4.2020 – im Internet unter http://azil.rs/azil_novi/wp-content/uploads/2018/07/Female-genital-mutilation.2016.EASO_.pdf) beträgt die Häufigkeit bei den Mandingo im Senegal 64,4%.
Damit gehört die Antragstellerin, auch weil ihre Mutter selbst beschnitten ist, zum Kreis derer, für die eine Beschneidung potentiell in Frage kommt. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin im konkreten Fall eine Beschneidung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 29a Abs. 1 AsylG droht.
Zum einen haben sich die Eltern der Antragstellerin im Verfahren vor dem Bundesamt gegen eine Beschneidung ihrer Tochter ausgesprochen, was das Risiko einer Beschneidung bereits deutlich reduziert. Weibliche Genitalverstümmelung im Senegal ist zwar eine Tradition, kann aber hinterfragt werden. Familien können die Entscheidung treffen, diese Tradition aufzugeben. Bei der Frage, ob ein Mädchen beschnitten wird, spielt gerade die Einstellung des Vaters eine wichtige Rolle, da dieser in der Regel auch die Kosten hierfür übernimmt (vgl. EASO, a.a.O. S. 22). Es ist in erster Linie die Entscheidung der Eltern, eine Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung ihrer Tochter nicht zuzulassen (vgl. VG München, U.v. 15.1.2020 – M 10 K 18.33954; Gerichtsbescheid v. 5.12.2018 – M 10 K 17.48643).
Zum anderen ist für die Antragstellerin das Risiko einer Zwangsbeschneidung gegen den Willen ihrer Eltern nicht so hoch einzuschätzen, dass sich daraus die Vermutung des § 29a AsylG wiederlegen ließe.
Zwar sind bei der Entscheidung, ob Mädchen beschnitten werden, gerade die Frauen der (Groß-)Familie, insbesondere die Großmütter, relevant (EASO, a.a.O. S. 25), sodass es grundsätzlich in Betracht kommt, dass andere Personen der (Groß-)Familie die Entscheidung zumindest auch und ggf. gegen den Willen der Eltern treffen.
Die Familie der Antragstellerin hat jedoch die Möglichkeit, sich in einem Teil des Senegals niederzulassen, an dem eine Zwangsbeschneidung nicht zu erwarten ist. Im Senegal gibt es Regionen, in denen die weibliche Genitalverstümmelung wenig oder gar nicht mehr praktiziert wird. Die Häufigkeit der Praktizierung von weiblicher Genitalverstümmelung ist je nach Region sehr unterschiedlich. In einem beträchtlichen Teil des Senegals liegt die Prävalenz bereits unter 10% (Terre des Femmes, a.a.O.). In der Region Kaolack beispielsweise liegt die Prävalenz lediglich bei 6% (EASO, a.a.O. S. 19). Außerdem lehnen bereits große Teile der Bevölkerung die Beschneidung ab. Laut Terre des Femmes befürworteten im Jahr 2017 nur noch 15% der Bevölkerung die Beschneidung. Zu diesem Zeitpunkt lehnten bereits 81% der Mädchen und Frauen zwischen 15 und 49 Jahren und 79% der Jungen und Männer in diesem Alter die Beschneidung ab. Den Eltern der Antragstellerin ist es bei einer Rückkehr in den Senegal damit möglich, sich in ein Umfeld zu begeben, das ihre Einstellung teilt und den Brauch nicht mehr fortführt.
Jedenfalls könnten die Eltern der Antragstellerin im Falle von konkreten Anhaltspunkten für eine drohende Zwangsbeschneidung durch andere Familienangehörige staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine solche würde auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gewährt. Denn das Gesetz, das die Genitalverstümmelung verbietet und unter Strafe stellt, wird von den senegalesischen Strafverfolgungsbehörden vollzogen, wie verschiedentliche Verurteilungen zeigen (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 21.8.2006 – 15 ZB 05.30862 – juris Rn. 3; VG München, U.v. 15.1.2020 – M 10 K 18.33954). Bestraft können dabei nicht nur diejenigen werden, die die Beschneidung durchgeführt haben, sondern alle, die dazu angeregt, dabei mitgeholfen, mitgeplant oder die Tat gedeckt haben (Terre des Femmes, a.a.O.).
Damit konnte die Antragstellerin die Vermutung des § 29a Abs. 1 AsylG nicht widerlegen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ihr im Senegal mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG droht. Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet begegnet daher nach derzeitigem Sach- und Streitstand keinen Zweifeln.
Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG sind weder ersichtlich, noch vorgetragen.
bb) Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Ausreiseaufforderung mit der einwöchigen Ausreisefrist und die gleichzeitig erfolgte Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG begegnet – auch unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Juni 2018 (C-181/16 – Gnandi – NVwZ 2018, 1625) sowie des Beschlusses des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. Juli 2018 (C-269/18 – PPU – BeckRS 2018, 15413) – keinen ernstlichen Zweifeln. Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit der einwöchigen Ausreisefrist gem. § 36 Abs. 1 AsylG mit dem Unionsrecht den überzeugenden Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Münster im Urteil vom 13. Mai 2019 (11 A 610/19.A – juris Rn. 50 ff.) an. Die einwöchige Ausreisefrist beginnt entsprechend der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung des § 36 Abs. 1 AsylG mit Bekanntgabe dieser Entscheidung neu zu laufen (vgl. OVG Münster, a.a.O. Rn. 53, 68 ff.).
Das Bundesamt hat dies mit einem Schreiben an das Gericht vom 12. März 2020 bereits entsprechend zu korrigieren versucht, laut dem die Abschiebungsandrohung entsprechend geändert werde. Dieser Versuch ist jedoch mangels ersichtlicher Bekanntgabe des Änderungsbescheids sowie – ausweislich der Adressierung des Änderungsbescheids allein an das Gericht und der Mitteilung der Änderung allein an die zuständige Ausländerbehörde – auch mangels erkennbaren Bekanntgabewillens an die Antragstellerin als untauglich anzusehen. Gleichwohl führt dies aufgrund der genannten Rechtsprechung nicht zum Erfolg des Antrags.
c) Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge gem. § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist unter anderem Voraussetzung für die Prozesskostenhilfe, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Unabhängig von der finanziellen Situation der Antragstellerin hat ihre Klage nach summarischer Prüfung – wie unter Nr. 1 dargelegt – keine Erfolgsaussichten. Die Anordnungen in den weiteren Nummern des Bescheids vom 11. November 2019 erweisen sich nach derzeitigem Sach- und Streitstand ebenfalls als rechtmäßig. Auch diesbezüglich folgt das Gericht der Begründung des Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG). Somit bleibt auch die Klage auf Verpflichtung des Antragstellers voraussichtlich erfolglos.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher abzulehnen. Die Entscheidung ergeht diesbezüglich kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).