Steuerrecht

Gewährung von Nachsicht im flurbereinigungsbehördlichen Verfahren

Aktenzeichen  13 A 20.276

Datum:
24.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6734
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 134
VwGO § 60, § 74 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Gegen die Versäumung einer Klagefrist kommt die Gewährung von Nachsicht nach § 134 FlurbG nicht in Betracht, denn diese Vorschrift gilt nur für das flurbereinigungsbehördliche Verfahren, nicht für das gerichtliche Verfahren. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ein Pauschsatz für die baren Auslagen des Gerichts wird nicht erhoben. Die Gebührenpflicht wird nicht angeordnet.

Gründe

I.
Die Klägerin ist in einer Erbengemeinschaft Teilnehmerin des am 7. Januar 1987 angeordneten Flurbereinigungsverfahrens N. Der Flurbereinigungsplan wurde am 7. September 2015 beschlossen; der Anhörungstermin fand am 7. Oktober 2015 statt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Spruchausschuss beim Amt für Ländliche Entwicklung O. mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 zurück. Der Klägerin wurde der Widerspruchsbescheid mit Postzustellungsurkunde am 13. November 2018 zugestellt.
Am 10. Februar 2020 hat die Klägerin hiergegen vorliegende Klage erhoben.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 12. Februar und 6. März 2020 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Klage verfristet sein dürfte. Der Erlass eines Vorsitzendenbescheids wurde angekündigt. Mit Schreiben vom 11. März 2020 hat die Klägerin Stellung genommen.
Im Übrigen wird auf die vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die Klage hat keinen Erfolg. Nach § 145 Abs. 1 FlurbG kann der Vorsitzende des Flurbereinigungsgerichts die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Bescheid abweisen, da das Sach- und Rechtsverhältnis genügend geklärt und die Klage offensichtlich erfolglos ist. Die Klägerin wurde hierzu gehört.
In entsprechender Auslegung ihres Antrags gemäß § 88 VwGO wendet sich die Klägerin gegen die Errichtung eines Rad- und Fußwegs durch ihr Mühlenanwesen und begehrt die unveränderte Zuteilung ihres Mühlengrundstücks. Mit ihrem Antrag auf Änderung des Flurbereinigungsplans vermag die Klägerin aber nicht mehr durchzudringen, weil dieser bereits unanfechtbar geworden und die Klage unzulässig ist. Der Vorstand der beklagen Teilnehmergemeinschaft hat den Flurbereinigungsplan in seiner Sitzung vom 7. September 2015 beschlossen; der Anhörungstermin fand am 7. Oktober 2015 statt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2018 zurückgewiesen und der Klägerin ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde am 13. November 2018 zugestellt. Auch wenn sie Mitglied einer Erbengemeinschaft ist, bedarf es einer Zustellung an jeden Einzelnen (HessVGH, B.v. 14.1.1972 – IV TH 53/71 – RzF 9 zu § 112 I FlurbG; Wingerter in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 112 Rn. 4 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 8.7.1958 – V C 51.56 – DÖV 1958, 715). In der Rechtsbehelfsbelehrung:, die dem Bescheid beigefügt war, wurde darauf hingewiesen, dass gegen den Flurbereinigungsplan innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage erhoben werden kann, also bis zum 13. Dezember 2018 (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die vorliegende Klage wurde allerdings erst am 10. Februar 2020 und damit nach Ablauf der Klagefrist erhoben.
Der Klägerin kann auch keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Gegen die Versäumung einer Klagefrist kommt die Gewährung von Nachsicht nach § 134 FlurbG nicht in Betracht, denn diese Vorschrift gilt nur für das flurbereinigungsbehördliche Verfahren, nicht für das gerichtliche Verfahren (BVerwG, B.v. 11.12.1970 – IV B 73.69 – RzF 16 zu § 134 II FlurbG). Dort ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 60 VwGO Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten.
Unabhängig von der Frage, ob die Antragsfrist nach § 60 Abs. 2 VwGO gewahrt wäre, liegt hier bereits eine verschuldete Versäumung der Klagefrist vor. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm (subjektiv) nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war (BayVGH, U.v. 18.5.2004 – 13 A 02.1985 – NVwZ-RR 2005 – juris Rn. 21, 4; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 9 ff. m.w.N). Dabei schließt auch Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung aus. Die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht dürfen jedoch angesichts der Bedeutung der Wiedereinsetzung für den verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutz der Betroffenen nicht überspannt werden.
Gemessen hieran kommt eine Wiedereinsetzung vorliegend nicht in Betracht. Wie die Klägerin in Ihrem Schreiben vom 11. März 2020 selbst darlegt, hat sie sich sofort nach Erhalt des Widerspruchsbescheids mit ihrem Bevollmächtigten in Verbindung gesetzt, weil ihre Angelegenheit nun dringend sei. Nachdem sie einige Tage nichts mehr gehört und ihn daraufhin ohne Ergebnis angerufen habe, habe sie mit einem weiteren Rechtsanwalt K. aufgenommen, der jedoch das Mandat nicht übernommen habe. Ihr vormaliger Bevollmächtigter habe sich erst am 12. Dezember 2018 um 21.00 Uhr abends gemeldet, als die Frist für eine Klage abgelaufen gewesen sei. Der Beginn des Brückenbaus am Mühlengrundstück im Januar 2020 habe sie „auf den Plan gebracht“, sich persönlich an das Flurbereinigungsgericht zu wenden. Aus diesen Ausführungen lässt sich deutlich entnehmen, dass sich die Klägerin sowohl über den Fristablauf am 13. Dezember 2018, als auch darüber im Klaren war, dass von Seiten der Rechtsanwälte keine Klage erhoben worden war. Dennoch hat sie vor Fristablauf nicht selbst Klage erhoben. Dass sie diese Möglichkeit gehabt hätte und sie sich dessen bewusst war, zeigt sich an der hier vorliegenden Klage, die sie letztendlich – zu spät – selbst erhoben hat. Damit hat die Klägerin die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Prozessführenden geboten ist. Gemessen an ihren eigenen Schilderungen ist auch nicht ersichtlich, dass ihr nach den gesamten Umständen eine Klageerhebung vor Fristablauf nicht zuzumuten gewesen wäre.
Der Ausspruch über die Kosten richtet sich nach § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gebührenpflicht wurde nicht angeordnet. Von der Festsetzung eines Pauschsatzes wurde abgesehen, da die baren Auslagen des Gerichts bislang gering geblieben sind. Die Klägerin hat somit keine Gerichtskosten zu tragen.

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