IT- und Medienrecht

Schadensersatzpflicht nach Verdachtsberichterstattung wegen presserechtlich unzulässiger Folgepublikationen

Aktenzeichen  3 U 2445/18

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41235
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 286, § 287
BGB § 823 Abs. 1, § 826
GG Art. 5

 

Leitsatz

Auch wenn eine Zeitung damit rechnen muss, dass andere Medien sich der Berichterstattung anschließen und dabei kleinere Defizite im Hinblick auf Erfassung und Wiedergabe des Inhalts unterlaufen, kann ihr nicht zugerechnet werden, wenn in einer Folgepublikation der zunächst erkennbare Charakter als Verdachtsberichterstattung vollständig verloren geht. Derartige Entwicklungen sind, da sie bei professionellen Akteuren regelmäßig nicht vorkommen, weder beherrschbar noch muss mit ihnen ex ante gerechnet werden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 9597/16 2018-10-25 Endurteil LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25. Oktober 2018, Az. 11 O 9597/16, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt von den Beklagten – einer Zeitungsverlagsgesellschaft, einer Internetverlagsgesellschaft und zwei Redakteuren – Schadensersatz wegen einer ihn betreffenden Presse- und Internetveröffentlichung.
Der Kläger ist bzw. war Mitbegründer, Hauptaktionär und Mitglied des Aufsichtsrats der in Erlangen ansässigen S…M…AG. Er ist ferner geschäftsführender (mittelbarer) Alleingesellschafter der B…D…FZ-LLC und handlungsbefugt für die S…I…SE. In seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats nahm der Kläger am 4. März 2010 an einer Sitzung dieses Gremiums teil, bei der auch der damalige Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. C…(Name) anwesend war. Am 8. März 2010 veranlasste der Kläger bei der Schweizer Bank V…, dass zwei im November 2009 für die ihm gehörende S…M…I SE eröffnete Optionsgeschäfte „geschlossen“ wurden. Eine Kaufoption, die die S…I… SE bezogen auf 30.000 Aktien der S…M… AG bezogen auf einem Kurs von 26,00 € begeben hatte, wurde durch einen entsprechenden Kauf beendet, was – der Aktienkurs bewegte sich an diesem Tag knapp oberhalb von 29,00 € – zu einer Belastung von 12.000,00 € führte. Ferner wurde eine Verkaufsoption, die die S… M… I… zur Andienung von 30.000 Aktien zu einem Kurs von 26,50 € berechtigte, durch Verkauf beendet, was zu einem Ertrag von 99.000,00 € führte. Beide Optionen wären am 19. März 2010 ausgelaufen. C…(Name) legte am 15. März 2010 sein Amt als Vorstandsvorsitzender der S…M… AG nieder; der Aktienkurs fiel in der Folgezeit auf rund 21,00 €. Aufgrund eines im November 2011 gestellten Antrags wurde in der Folgezeit über das Vermögen der S…M… AG das Insolvenzverfahren eröffnet.
In der Ausgabe der von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Süddeutschen Zeitung vom 25. Juni 2013 erschien der von den beiden Beklagten zu 3) und zu 4) verantwortete Artikel „Wetten auf den Absturz“, der taggleich auch durch die Beklagte zu 2) verbreitet wurde. Darin wurde unter Bezugnahme auf Angaben von Informanten berichtet, in der Aufsichtsratssitzung vom 4. März 2010 habe sich abgezeichnet, dass der Vorstandsvorsitzende C…(Name) sein Amt niederlegen werde. Ferner werden der Kläger, seine Rolle bei der S…M… AG und sein Lebensstil detailliert beschrieben sowie über andere Vorwürfe strafbarer Handlungen gegen ihn berichtet. Angesichts der zeitlichen Abfolge wurde die Frage aufgeworfen, ob ein am 8. März 2010 unternommenes Put-Optionsgeschäft und der Verkauf von Call-Optionen auf die Ausnutzung von Insiderwissen zurückzuführen sind, und ausgeführt, dass sogar eine strafbare Handlung vorliegen könnte. Die Stellungnahme des späteren Prozessbevollmächtigten des Klägers, der im Laufe des 19. Juni 2010 mit den Vorwürfen konfrontiert worden war, wurde wörtlich wiedergegeben. Am 26. Juni 2013 erschien in dem in der Schweiz verbreiteten „Tages-Anzeiger“ ein Artikel „Spur in deutschem Insiderfall führt zur Bank V…“, dem zufolge der Kläger einem Bericht der Süddeutschen Zeitung nach am 8. März 2010 ein Geschäft mit einer Put- und einer Call-Option getätigt habe und dabei sein Insiderwissen missbraucht habe. Ferner wurde über andere Ermittlungs-/Strafverfahren, die gegen den Kläger damals liefen, berichtet. In beiden Berichten ist von einem Wetten auf eine negative Kursentwicklung der Solar Millennium-Aktie die Rede und wird erwähnt, dass Belege für entsprechende Transaktionen vorlägen.
Der Kläger stand im damaligen Zeitraum in Verhandlungen mit der in B…(Ort) ansässigen I..RS B…Holding AG (i.F.: I…RS) und weiteren Gesellschaften, die bereits in schriftliche Vereinbarungen gemündet waren. Ziel war die Realisierung eines Kraftwerkprojekts in Indien, bei dem bei der F…(Firma) vorhandene Komponenten Verwendung hätten finden sollen, und die Ausstattung von 3.000 Tankstellen mit Recyclingsystemen in Indonesien.
Der Kläger behauptet, ihm und den beteiligten Gesellschaften sei ein Vermögensschaden entstanden, weil die verantwortlichen Personen der I…RS, insbesondere der Zeuge J…(Name), aufgrund der Berichte von einer Zusammenarbeit mit dem Kläger Abstand genommen hätten. Nach den bereits fortgeschrittenen Vereinbarungen hätten der Kläger und die anderen Gesellschaften, die ihre Schadensersatzansprüche an ihn abgetreten hätten, einen Gewinn in Höhe der Klageforderung von 78.242.500,00 € realisieren können, wenn die Geschäftstätigkeit nicht abgebrochen worden wäre. Die Zeitungsartikel enthielten die unzutreffende Behauptung, die Optionsgeschäfte seien am 8. März 2010 eröffnet worden; die vorgelegten Bankbelege hätten diese Äußerung jedoch nicht gerechtfertigt. Der am 25. Juni 2013 von den Beklagten publizierte Bericht sei Teil einer bereits zuvor begonnenen Medienkampagne gegen die Person des Klägers, die jeder sachlichen Grundlage entbehre. Die Beklagten hafteten daher wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, Kreditgefährdung und Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Die Beklagten stellen ihre Haftung dem Grunde nach unter mehreren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten in Abrede. Der Artikel „Wetten auf den Absturz“ beruhe auf Recherchen und Informationen von Informanten, deren Person aus grundsätzlichen Erwägungen nicht offengelegt werde. Man habe damals die Orderabrechnungen zutreffend interpretiert, dass es jeweils um ein Closing bestehender Geschäfte gegangen sei, und Gegenteiliges in dem Artikel nicht behauptet. Die Beklagten bestreiten, dass Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit der I…RS mit dem Kläger die am 25. bzw. 26. Juni 2013 veröffentlichten Berichte gewesen seien. Der Bericht im Tages-Anzeiger, den die Verantwortlichen damals zur Kenntnis genommen hätten, gehe jedenfalls in mehrerlei Hinsicht über den Ursprungsartikel der Beklagten hinaus, sodass ein Kausalzusammenhang zum Ursprungsartikel nicht hergestellt werden könne. Die Beklagten halten schließlich den behaupteten entgangenen Gewinn für unplausibel und greifen die Darlegungen des Klägers hierzu an.
Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen J…(Name) und L…(Name) und Anhörung des Klägers die Klage abgewiesen. Das Gericht hatte bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Darstellung der beiden Zeugen und deren Glaubwürdigkeit. Zudem sei der Kausalverlauf durch die Berichterstattung im Tages-Anzeiger, die vorverurteilend den Insiderhandel des Klägers als feststehenden Sachverhalt schildere und dadurch wesentlich von dem Artikel der Beklagten abweiche, unterbrochen.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Parteien haben in der Berufungsinstanz ihre Argumentation in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wiederholt und vertieft; die Klagepartei hat zudem neue Angriffsmittel vorgebracht.
II.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der angegriffene Artikel weder kausal (dazu 1. a)) für das Scheitern der Vereinbarungen des Klägers mit der I…RS B…Holding AG war noch dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen der Berichterstattung der Beklagten und dem geltend gemachten Schaden gegeben ist (dazu 1. b)). Darüber hinaus ist auch unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens eine Haftung der Beklagten zu verneinen (dazu 2.).
1) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Klage abgewiesen hat, halten auch bei Berücksichtigung des Vorbringens des Berufungsführers einer Überprüfung durch den Senat stand.
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts, welches keine Überzeugung i.S.v. § 286 Abs. 1 ZPO gewonnen und auch nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 Abs. 1 ZPO als gegeben angesehen hat, kann auch unter Berücksichtigung der Argumente der Klagepartei in der Berufungsbegründung nicht als fehlerhaft oder unvollständig qualifiziert werden.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast (letztere im Hinblick auf das Beweismaß herabgesetzt) für die haftungsausfüllende Kausalität trägt der Geschädigte als Anspruchsteller. Macht er geltend, die Handlung eines anderen (des Schädigers, hier: der Beklagten) habe bewirkt, dass ein Dritter sich in einer bestimmten Weise verhalten habe, muss er beweisen, dass der Entschluss des Dritten zu seinem Handeln jedenfalls auch auf das Handeln des Schädigers zurückzuführen ist. Der Geschädigte muss mithin eine entsprechende innere Tatsache in der Person eines Dritten beweisen bzw. als jedenfalls überwiegend wahrscheinlich i.S.v. § 287 Abs. 1 ZPO belegen.
bb) Die Berufungsinstanz stellt keine vollwertige Tatsacheninstanz dar. Vielmehr ist das Berufungsgericht an die Feststellungen und Würdigung des Erstgerichts gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
cc) Das Landgericht hat detailliert dargelegt, dass und weshalb es nicht davon ausgehen konnte, dass der am 26. Juni 2013 erschienene Bericht im Tages-Anzeiger ursächlich dafür war, dass die I…RS an dem beabsichtigten Geschäft unter Beteiligung des Klägers nicht festhielt.
1) Soweit das Gericht Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen J…(Name) und L…(Name) angeführt hat, sind diese Erwägungen nachvollziehbar und widersprechen nicht den Denkgesetzen.
Der Umstand, dass sich die beiden Zeugen und der Kläger – was für sich genommen noch nicht problematisch wäre – am Vorabend des Beweistermins zum Essen getroffen hatten, der Zeuge J…(Name) aber auf ausdrückliche Frage des Beklagtenvertreters den Eindruck erweckt hat, nur geringen Kontakt mit dem Kläger zu haben, ist nach allgemeinen Grundsätzen und Erfahrungssätzen geeignet, die Glaubwürdigkeit des Zeugen J…(Name) in Frage zu stellen. Ein derartiges Verhalten legt den Schluss nahe, Art und Intensität des Kontakts, und zwar gerade auch im Hinblick auf die vorliegende Angelegenheit, solle gezielt herabgespielt werden, um den Schein der (nicht gegebenen) Neutralität zu wahren.
Die Tatsache, dass beide Zeugen zum Kreis der Partner des Geschäfts zählen, welches nicht verwirklicht wurde, ist zudem geeignet, die abstrakte Möglichkeit zu begründen, dass das Aussageverhalten im Sinne des Klägers erfolgt. Dies allein genügt zwar nicht, von einer Unwahrheit auszugehen, mahnt aber zu besonders kritischer Würdigung der Angaben.
2) Das Landgericht hat zu Recht insgesamt hohe Anforderungen daran gestellt, den Vorgang im Hinblick auf die Kausalität – die im Wesentlichen auf den Entschlüssen der beteiligten Personen und damit naturgemäß nur schwer nachprüfbaren inneren Tatsachen beruht – nachzuvollziehen und als hinreichend gewiss zugrundezulegen. Es hat dabei berücksichtigt, dass der Zeuge J…(Name) von Vorwürfen gegen den Kläger und einem laufenden strafrechtlichen Verfahren wusste und dennoch keinen Anlass gesehen hatte, von einer Geschäftsverbindung mit dem Kläger abzusehen, während bereits der Zeitungsartikel im Tages-Anzeiger genügt habe, das Geschäft „platzen zu lassen“, ohne dem Kläger auch nur die Chance einer Erklärung und Stellungnahme zu geben. Es ist nach der Lebenserfahrung nicht ohne Weiteres erklärbar, warum derjenige, der sich zunächst mit einer bloßen Erklärung des Beschuldigten, die einer erhobenen (wenn auch noch nicht zugelassenen) Anklage zugrunde liegenden Vorwürfe seien unberechtigt, zufrieden gibt, eine Pressemeldung aber zum Anlass nehmen sollte, ein bereits weit fortgeschrittenes Geschäft zu stoppen und der betroffenen Person nicht einmal Gelegenheit zu geben, sich zu diesen Vorwürfen zu erklären.
Der Kläger hat zwar aufgezeigt, dass er die Aussagekraft der Anklage gegenüber dem Zeugen dadurch relativieren haben könnte, dass diese auch nach zwei Jahren noch nicht zur Hauptverhandlung zugelassen war. Es liegt dann aber nahe, dass derjenige, der dies für eine überzeugende Erklärung hält, dem Betroffenen auch bei einem weiteren sogar weniger schwerwiegendem Sachverhalt die Möglichkeit gibt, etwas zu dem Verdacht und dessen Berechtigung auszuführen.
Soweit der Kläger vorbringt, der Bericht habe beim Zeugen J…(Name) und anderen Personen „das Fass zum Überlaufen gebracht“, findet dies keine unmittelbare Stütze in der protokollierten Aussage des Zeugen J…(Name).
3) Das Landgericht hat seine Bedenken ferner darauf gestützt, dass der Zeuge J…(Name), auf dessen Entschluss die Beendigung der Geschäftsbeziehung zum Kläger maßgeblich beruht habe, in dem Projekt mit Indien und Indonesien jedenfalls keine führende Rolle innehatte. Dazu, wie die Willensbildung innerhalb der I…RS abzulaufen hatte, geht aus dem Akteninhalt nichts hervor. Es ist aber eher ungewöhnlich, dass eine Person, die für ein Projekt nicht federführend zuständig ist, eine derartige Entscheidung selbstständig trifft und die anderen Beteiligten nur darüber informiert. Der Senat kann sich der Argumentation der Beklagten nicht verschließen, dass selbst dann, wenn dem Zeugen J…(Name) (vergleichbar mit § 115 Abs. 1 Hs. 2 HGB) eine vetorechtsartige Position zugestanden hätte, zu erwarten gewesen wäre, dass die Sache zunächst zwischen den maßgeblichen Personen besprochen und beraten wird. Immerhin betraf die Entscheidung die Durchführung eines Millionenprojekts als solche, da man weder damals noch in der Folgezeit Alternativen zur Mitwirkung des Klägers besaß.
4) Die Berufungsbegründung zeigt zwar auf, dass in der Zeit zwischen dem 21. und dem 30. Juni 2013 ein Umstand oder Ereignis eingetreten sein muss, das für den Zeugen J…(Name) von essentieller Bedeutung für das Energie-/Tankstellengeschäft mit Indien bzw. Indonesien war. Die Berufungsbegründung hat auch einzelne der theoretisch möglichen Umstände und Ereignisse auszuschließen versucht bzw. Beweis dafür angetreten, dass die Verhaltensänderung des Zeugen nicht auf diese zurückzuführen sein könne. Selbst wenn man dem folgen wollte, bliebe aber eine Vielzahl von alternativen Faktoren denkbar. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil in die beiden Geschäfte eine Vielzahl von Personen und Gesellschaften auf Zulieferer-, Durchführungsund Abnehmerseite involviert waren und die Umsetzung in als nur bedingt politisch und wirtschaftlich stabil geltenden Staaten erfolgen sollte. Bereits Veränderungen oder auch nur eine veränderte Informationslage hinsichtlich eines dieser Aspekte waren geeignet, den Erfolg des Konzepts, in dem die I…RS immerhin (mindestens) 17 Mio € investieren wollte, zu gefährden. In diesem Zusammenhang kann das Gericht auch nicht ausblenden, dass bislang offenbar weder das Kraftwerk in Indien noch die 3.000 Treibstoffrückgewinnungsanlagen in Indonesien realisiert worden sind, was nahelegt, dass technische, politische oder wirtschaftliche Risiken einer Verwirklichung der Projekte entgegengestanden haben und noch stehen. Der Hinweis der Klagepartei, die I…RS habe in der Folgezeit nach einem anderen Partner gesucht, das beabsichtigte Projekt aber endgültig einstellen müssen, nachdem sich auch nach mehreren Wochen kein geeignetes Partnerunternehmen gefunden hatte, gibt keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung. Wäre es alleine auf die Ingenieurkapazität der F…(Firma) mit ca. 25 Kräften angekommen, wäre zu erwarten gewesen, dass sich dieser Beitrag durch ein anderes Ingenieurbüro substituieren hätte lassen können, zumal bei der behaupteten Gewinnmarge auch eine Verteuerung in diesem Bereich nicht ins Gewicht gefallen wäre.
dd) Bei dieser Sachlage erscheint auch eine Vernehmung der in der Berufungsschrift neu angebotenen Zeugen ungeachtet der Frage der Zulässigkeit gem. §§ 530, 531 ZPO nicht geboten. Da die inneren Vorgänge in der Person des Zeugen J…(Name) maßgeblich waren, ist dieser das hierfür unmittelbare und am besten geeignete Beweismittel. Die anderen Zeugen könnten lediglich bekunden, was der Zeuge J…(Name) Ihnen mitgeteilt hat, was wiederum nur geringe Indizwirkung für dessen Motivationslage hat.
b) Der Senat hält ferner die – eine Klageabweisung selbstständig tragenden – Erwägungen des Erstgerichts zum Fehlen eines Zurechnungszusammenhangs für zutreffend.
aa) Die allgemeinen Kriterien dafür, in welchen Fällen bei bestehender äquivalenter Kausalität der Kausalverlauf wegen eines Dazwischentretens Dritter fehlt, sind in Rechtsprechung und Literatur etabliert und werden vom Erstgericht zutreffend wiedergegeben.
Erforderlich ist, dass der weitere Schaden durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten des Dritten ausgelöst worden ist, da unter solchen Voraussetzungen zwischen den beiden Schadensbeiträgen bei wertender Betrachtung nur ein äußerlicher, gleichsam „zufälliger” Zusammenhang besteht und dem Erstschädiger ein Einstehenmüssen auch für diese Folgen deshalb billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1951 – I ZR 31/51, BGHZ 3, 261 (267 f.); BGH, Urteil vom 14. März 1985 – IX ZR 26/84, NJW 1989, 1329 (1331) sub 4 b); BGH, Urteil vom 9. Oktober 1997 – III ZR 4/97, BGHZ 137, 11 = NJW 1998, 138 sub 3. a); BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996, VI ZR 14/96, NJW 1997, 865 (866); BGH, Urteil vom 11. November 1999 – III ZR 98/99, NJW 2000, 947 (948, sub II. 2. b)). Ob der Zusammenhang fehlt, weil der Schaden erst durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden ist, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung festzustellen (BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996, VI ZR 14/96, NJW 1997, 865 (866); BGH, Urteil vom 9. Oktober 1997 – III ZR 4/97, BGHZ 137, 11 = NJW 1998, 138 sub 3.; BGH, Urt. v. 22. Mai 2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 (2025), Rn. 14). Da grundsätzlich jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden könnte, für den eingetretenen Erfolg als kausal anzusehen ist, stellt die Unterbrechung des Kausalverlaufs eine argumentativ zu begründende Ausnahme dar (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1999 – III ZR 98/99, NJW 2000, 947 (948, sub II. 2. b)).
bb) Die Verbreitung einer Behauptung über ein Publikationsmedium ist daher auch dann für eine Entscheidung einer Person als adäquat kausal anzusehen, wenn diese Person die Behauptung nicht diesem Medium entnommen hat, sondern einem anderen Medium, welches den Bericht zum Anlass und als Quelle für eine eigene Publikation genommen hat (siehe nur BGH, Urt. v. 9. April 2019 – VI ZR 89/18, GRUR 2019, 862 (863 ff.) Rn. 16 ff.). Das Verbot, unzutreffende oder aus anderen Gründen unzulässige Äußerungen zu verbreiten, soll nicht nur davor schützen, dass Dritte die Berichterstattung unmittelbar wahrnehmen und zur Grundlage ihres Verhaltens machen, sondern auch, dass diese Auswirkungen mittelbar eintreten, indem die Äußerung über weitere Zwischenstufen einem (ggf. weiteren) Adressatenkreis zugänglich wird und so das Handeln Dritter beeinflusst. Auch und gerade auf diese Weise realisiert sich nämlich die spezifische Gefahr, die von einer unzutreffenden oder sonst unzulässigen Äußerung ausgeht und u.a. durch die Schadensersatzpflicht sanktioniert werden soll.
Allein der Umstand, dass der Zeuge J…(Name) den von den Beklagten zu 3) und zu 4) verfassten Bericht nicht gesehen hat (sondern davon nur vom Hörensagen wusste), insbesondere ihn weder in der Druck- noch der Internetausgabe der Beklagten zu 1) bzw. zu 2) gelesen hatte, lässt daher (was auch das Landgericht nicht angenommen hat) den Kausalzusammenhang nicht entfallen. Dies gilt auch insoweit, als die maßgeblichen Inhalte dem in der Schweiz ansässigen Publikum in nennenswertem Umfang erst dadurch bekannt geworden sein dürften, dass der Tages-Anzeiger die Berichterstattung überhaupt aufgriff und weitergab. Es liegt in der Natur der Sache, dass ausländische Medien dann, wenn sie einem primär in Deutschland erschienenen Bericht bzw. dessen Inhalt Nachrichtenwert auch für ihr Verbreitungsgebiet beimessen (was sich hier offenbar aus der Beteiligung der Schweizer Bank V… ergab), zum Gegenstand einer eigenen Berichterstattung machen. Der Umstand, dass der Tages-Anzeiger den am 25. Juni 2013 erschienenen Bericht der Beklagten als Ausgangspunkt und Grundlage heranzog, kann als unstreitig und erwiesen zugrunde gelegt werden. Es stellt sich daher allenfalls die Frage, ob sowohl das Verhalten der Beklagten zu 1) als auch der Beklagten zu 2) als kausal angesehen werden kann (da es naheliegt, dass sich der Tages-Anzeiger entweder auf die Print- oder die Online-Ausgabe stützte) und wie sich gegebenenfalls entsprechende Zweifel im Hinblick auf diese beiden Parteien auswirken würden (vgl. §§ 830, 840 BGB). Das Bekanntwerden der Äußerungen in der Schweiz in breitem Umfang als solches ist jedenfalls, auch wenn es dazu der Folgepublikation im Tages-Anzeiger bedurfte, in jeder Hinsicht Folge des Verhaltens der Beklagten und damit den Beklagten zurechenbar.
cc) Wie dem Landgericht erscheinen jedoch auch dem Senat die inhaltlichen Unterschiede zwischen dem von den Beklagten am 25. Juni veröffentlichten Bericht und dem am 26. Juni im Tages-Anzeiger erschienenen Artikel geeignet, den Kausalzusammenhang entfallen zu lassen.
1) Während die Beklagten in dem Artikel „Wetten auf den Absturz“ deutlich zu erkennen gegeben haben, dass der Zeitablauf, die Schilderung der Informanten und die personellen Verpflichtungen zwischen dem Kläger und der S…I…SE lediglich eine – wenn auch starke – Vermutung begründen, der Kläger habe die am 8. März 2010 getätigten Optionsgeschäfte aufgrund des am 4. März 2010 gewonnenen Eindrucks getätigt und so Insiderwissen ausgenutzt, stellt der Tages-Anzeiger dies jeweils als feststehend dar. So heißt es bereits im Vorspann im Indikativ und ohne jegliche Relativierungen „Ein deutscher Unternehmer, dessen Solarfirma 2011 pleiteging, ließ dubiose Deals mit Optionen über eine Zürcher Privatbank laufen“. Ebenso ist am Ende des ersten Absatzes die Rede davon, dass ein deutscher Geschäftsmann – der unmittelbar anschließend als der Kläger identifiziert wird – „Optionendeals… abgewickelt hat“. Im folgenden Absatz, der Formulierungen des am Vortag erschienenen Artikels „Wetten auf den Absturz“ teils wörtlich übernimmt, wird zwar wiederholt auf die Berichterstattung in der von der Beklagten zu 1) herausgegebenen Zeitung verwiesen und der Konjunktiv verwendet. Der Leser versteht dies aber nur dahin, dass der Tages-Anzeiger damit zum Ausdruck bringen wollte, seine Informationen ausschließlich dem Artikel der Beklagten zu entnehmen; die Formulierungen legen aber nicht einmal nahe, dass die Beklagten dort selbst lediglich einen Verdacht dargestellt hatten. All dies gilt sowohl in „sachlicher Hinsicht“, weil die Ausnutzung eines bei der Aufsichtsratssitzung am 4. März 2010 gewonnenen Wissens um die alsbald zu erwartende Amtsniederlegung des Herrn C…(Name) als belegt dargestellt wird, als auch in „personeller Hinsicht“, weil der Kläger eindeutig als derjenige bezeichnet wird, der am 8. März 2010 die Optionsgeschäfte getätigt und dabei Insiderwissen missbraucht hat. Die einzige auf einen Verdacht hinweisende Formulierung findet sich in der Überschrift „Spur in deutschem Insiderfall führt zur Bank V…“, bezieht sich aber lediglich auf die Rolle des genannten Kreditinstituts, während der Aspekt, ob überhaupt ein „Insiderfall“ gegeben ist, nicht erkennbar in Frage gestellt wird.
2) Derjenige, der sich rechtswidrig oder sonst in einer zum Schadensersatz verpflichten Weise verhalten hat, haftet zwar auch für Folgeschäden, die erst durch das nachfolgende Verhalten Dritter ausgelöst wurden, und zwar auch dann, wenn dieses eine Straftat (vgl. die Fallgestaltung in BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996, VI ZR 14/96, NJW 1997, 865 (866) oder einen Behandlungsfehler (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 (2025), Rn. 15) darstellt. Alleine der Umstand, dass der Tages-Anzeiger den Artikel in einer Weise formuliert hat, in der er nach den in Deutschland geltenden Vorgaben zur Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung nicht veröffentlicht hätte werden dürfen, wäre daher nicht geeignet, eine Unterbrechung des Kausalverlaufs zu begründen, weil mit einem naheliegenden Fehlverhalten Dritter stets zu rechnen ist und deren Risiko ausgelöst wurde. Bei der vorzunehmenden Gesamtwertung kann aber der Grad der Pflichtwidrigkeit, dem das Verhalten des Dritten zukommt, nicht außer acht bleiben. Dementsprechend wurde z.B. im Fall, bei dem aus einem verunfallten Geldtransportwagen Geldkoffer entwendet wurden, ein Diebstahl an der Unglücksstelle zugerechnet, ein solcher aus der anschließenden polizeilichen Verwahrung des Fahrzeugs jedoch nicht (BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996, VI ZR 14/96, NJW 1997, 865 (866)).
3) Vorliegend muss der Senat das Verhalten der Redaktion des Tages-Anzeigers unter Berücksichtigung presserechtlicher Maßstäbe als völlig ungewöhnlich und unsachgemäß qualifizieren, so dass nicht mehr davon gesprochen werden kann, das von den Beklagten begründete Risiko habe fortgewirkt. Die Veränderungen des Aussagegehalts gehen weit über das hinaus, was üblicherweise bei der Wiedergabe bzw. einem Aufgreifen einer Berichterstattung an Verfälschung vorkommt.
Auch wenn das Medium der Beklagten zu 1) als Referenz genannt und so die (einzige) eigene Quelle offengelegt wird, lässt der Artikel jeden Hinweis darauf, dass das Ausnutzen von Insiderwissen als solches und die Täterschaft des Klägers aufgrund der derzeit bekannten objektiven Umstände lediglich nahe liegen, vermissen. Beides wird als Faktum, welches die genannte Zeitung verbreitet habe, hingestellt. Irgendwelche Umstände, die den Vorgang in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, werden ebenfalls nicht mitgeteilt. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass die Haltung des Klägers, der deutlich zu erkennen gegeben hat, dass er Derartiges nicht einräumen will, weder wiedergegeben noch irgendwie erwähnt wird.
Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass Nr. 3.8 der Richtlinien zur Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten des Schweizer Presserates zumindest in der aktuellen Fassung, deren Inhalt der Senat als allgemeinkundige Tatsache gem. § 291 ZPO einbeziehen kann, bei schweren Vorwürfen ausdrücklich unter Hinweis auf das Fairnessprinzip und das ethische Gebot der Anhörung beider Seiten (“audiatur et altera pars“) sowohl eine Anhörung als auch deren Wiedergabe (wenn auch nicht im selben Umfang wie die eigene Darstellung) vorgibt. Lediglich im Hinblick auf die involvierte Bank V…, die deutlicher im Fokus steht als im tags zuvor erschienenen Artikel „Wetten auf den Absturz“, wird aber mitgeteilt, sie habe eine Äußerung abgelehnt.
Insgesamt lässt daher der Bericht im Tages-Anzeiger in besonders grober und nicht mehr verständlicher Weise die Anforderungen, die bei der öffentlichen Presseberichterstattung über einen bloßen Verdacht gelten, vermissen. Auch wenn eine Zeitung damit rechnen muss, dass andere Medien sich der Berichterstattung anschließen und dabei kleinere Defizite im Hinblick auf Erfassung und Wiedergabe des Inhalts unterlaufen, kann ihr nicht zugerechnet werden, wenn in einer Folgepublikation der zunächst erkennbare Charakter als Verdachtsberichterstattung vollständig verloren geht. Derartige Entwicklungen sind, da sie bei professionellen Akteuren regelmäßig nicht vorkommen, weder beherrschbar noch muss mit ihnen ex ante gerechnet werden. Erst recht wurde durch das Handeln der Beklagten als vom Kläger herangezogenen „Erstschädigern“ nicht – wie nach dem unfallbedingten Außerkraftsetzen personeller und mechanischer Sicherungen oder dem Hervorrufen einer Behandlungsbedürftigkeit – eine Gefahrensituation oder besondere Anfälligkeit für das zu schützende Rechtsgut geschaffen.
4) Aus diesen Gründen kann auch nicht mehr gesagt werden, dass sich das von den Beklagten geschaffene Risiko für fremde Rechte und Rechtsgüter, vor dem die presserechtlichen Vorgaben schützen sollen, verwirklicht hat. Die Pflicht, Sachverhalte zutreffend darzustellen und jedenfalls keine verzerrenden oder irreführenden Formulierungen zu gebrauchen, sollen verhindern, dass der Leser falsche Folgerungen zieht. Selbst wenn die Beklagten das Risiko begründet haben sollten, dass andere Personen den Eindruck gewinnen, am 8. März 2010 seien Spekulationsgeschäfte neu getätigt worden, die nur im Falle eines Kursrutsches zu einem (dann allerdings erheblichen) Ertrag für die S…I…SE führen konnten, wäre damit ein Risiko, dass Personen den so berichteten Gesamtvorgang eines Ausnutzens von Insiderinformationen nicht nur als möglich, sondern als erwiesen ansehen, nicht ausgelöst worden. Es fehlt somit daran, dass der Schaden noch innerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt (vgl. BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 249 Rn. 288 f.). Dies geschah erst durch die Berichterstattung im Tages-Anzeiger.
5) Soweit der Charakter des von den Beklagten zu verantwortenden Artikels „Wetten auf den Absturz“ deshalb verloren gegangen sein sollte, weil die Redakteure des Tages-Anzeigers aufgrund der Erklärung des anwaltlichen Vertreters des Klägers von einem entsprechenden Eingeständnis ausgingen, wäre dies den Beklagten ebenfalls nicht zuzurechnen. Da die Beklagten gehalten waren, den Kläger mit den ihnen bekannten Verdachtsmomenten zu konfrontieren und die Stellungnahme in dem Bericht einfließen zu lassen, und deshalb jedenfalls berechtigt waren, diese vollständig und wörtlich wiederzugeben, kann ihnen keine Verantwortung dafür auferlegt werden, dass ein Dritter aus dem Umstand, dass der anwaltliche Vertreter von einem Ermittlungsverfahren sprach, folgert, dass ein solches Verfahren bereits gegen den Betroffenen (den Kläger) eingeleitet sei, und ggf. weitere Folgerungen zieht. Im Übrigen gelten die o.g. Grundsätze auch insoweit, als der Zurechnungszusammenhang auch bei einer ungewöhnlichen Reaktion des Geschädigten selbst oder eines Dritten, dessen Verhalten er sich zurechnen lassen muss, entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 – II ZR 126/93, NJW 1995, 126 (127)). Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass den Betroffenen keine Mitwirkungs- oder Aufklärungsobliegenheit trifft und ihm daher nicht unter dem Aspekt des Mitverschuldens vorgeworfen werden könnte, entlastende Beweise nicht vorgebracht zu haben (siehe nur BGH, Urt. v. 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74 -, BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288).
6) Das Landgericht hat (was aufgrund des Protokollinhalts in jeder Hinsicht nachvollziehbar ist) die Aussage des von ihm vernommenen Zeugen J…(Name) dahin verstanden, dass gerade die krassen Formulierungen Grund für die Aufkündigung der Zusammenarbeit mit dem Kläger waren, weil dies ihm das Gewicht der Vorwürfe vor Augen geführt hat und ihn befürchten ließ, dass andere Personen deshalb dem Projekt kritisch gegenüberstehen würden. Insgesamt durfte es daher fehlerfrei zu dem Ergebnis kommen, dass erst die Verschärfung des Inhalts bzw. des Verdachtsgrades, die dem Artikel im Tages-Anzeiger gegenüber dem Artikel in der Süddeutschen Zeitung innewohnte, ihn zu dieser Reaktion veranlasst hatte. Gerade weil ein Ausnutzen von Insiderwissen durch den Kläger und ein Spekulieren auf einen Misserfolg des Unternehmens, welches von ihm gegründet worden war und indem er noch mitwirkte, als Tatsache hingestellt wurde, musste der Zeuge fürchten, dass Strafverfolgungsbehörden aktiv werden und Geschäftspartner oder andere Personen sich vom Kläger (und damit dem von ihm zu leitenden Projekt insgesamt) distanzieren werden.
2. Darüber hinaus wäre bei rechtlicher Würdigung des gesamten Akteninhalts eine denkbare Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens (der nach h.M. als Fall der hypothetische Kausalität einzuordnen ist, vgl. Musielak, JA 2013, 214 (247)) zu verneinen. Es ist bei Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO davon auszugehen, dass der geltend gemachte Schaden, wenn man den Klägervortrag und die Beweisergebnisse zugrunde legt, auch dann eingetreten wäre, wenn die Beklagten in dem am 25. Juni 2013 publizierten Artikel den Vorgang betreffend die Put- und Call-Optionen in jeder Hinsicht vollständig und ohne Gefahr von Missverständnissen dargestellt hätten.
a) Die Überlegung, dass der Vermögensschaden, für den der Kläger Ersatz beansprucht, auch eingetreten wäre, wenn die Beklagten – das Vorliegen unzutreffender Passagen unterstellt – sich nach Auffassung des Klägers rechtmäßig verhalten hätten, ist in Fällen der vorliegenden Art zulässig.
aa) Inwieweit der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens, der vielfach als Erscheinungsform der „hypothetischen Kausalität“ eingeordnet wird, zuzulassen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich und abschließend bewertet (vgl. MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 217 ff.; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rn. 102 ff.). Als maßgebliche Kriterien, um die in der BGH-Rechtsprechung anzutreffende Kasuistik zu erklären, werden genannt, dass sich die verletzte Norm nicht auf den Schutz des verletzten Rechtsguts beschränkt, sondern auch dem Schutz anderer Interessen dient (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 221), oder dass die verletzte Norm die Einhaltung bestimmter Verfahren oder eines Entscheidungsspielraums sichern will (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 221, 223; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rn. 105, 106; zu einer Pauschalität kritisch BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 249 Rn. 329); maßgeblich sei auch, ob die verletzte Norm den Verletzungserfolg überhaupt oder lediglich eine bestimmte Verletzungsart verhindern will (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 221; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rn. 105). Maßgeblich ist mithin wiederum eine Wertung anhand des Zwecks der verletzten Norm (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 221; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 249 Rn. 327; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rn. 102, 105; Musielak, JA 2013, 214 (248)).
bb) Wie bereits ausgeführt, soll die Vorgabe an Presse- und andere Medien, Sachverhalte zutreffend und nicht in verzerrender oder übertriebener Weise darzustellen, den Betroffenen davor schützen, dass Dritte fehlerhaft von einem Sachverhalt ausgehen, wie er aufgrund des Presseartikels angenommen werden darf, und deshalb ihre Entschließungen auf Grundlage eines solchen Sachverhalts „irrtumsbeeinflusst“ bilden.
Die Persönlichkeits- und Vermögensinteressen dessen, in Hinblick auf den ein Sachverhalt unzutreffend dargestellt wird, sind Zielrichtung dieser Vorgaben. Sonstige Interessen, insbesondere Kollektivrechtsgüter, werden dagegen nicht geschützt. Ebenso sind, was die Richtigkeit der Darstellung des objektiven Sachverhalts angeht, keine besonderen Verfahrensgarantien oder Entscheidungsfreiräume von Personen oder Stellen berührt und geschützt. Schließlich richtet sich das genannte Gebot spezifisch dagegen, dass gerade die unzutreffende oder verzerrende Passage zu einem ungerechtfertigten Handeln Dritter führt und sich so nachteilig auf den Betroffenen auswirkt und somit dagegen, dass der Schaden auf eine bestimmte Verletzungsart herbeigeführt wird. Nicht aber richtet sich die Vorgabe (auch) dagegen, dass überhaupt über eine Person berichtet wird und daher Umstände bekannt oder in Erinnerung gerufen werden, über die bereits anderweitig Informationen verbreitet worden sind.
cc) Der Senat geht daher auf Grundlage der Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass eine Schadensersatzpflicht der Beklagten entfällt, wenn nach Lage der Dinge auch bei einer Fassung des Artikels, die den presserechtlichen Vorgaben genügt hätte, der Schaden in gleicher Weise eingetreten wäre, insbesondere, weil sich der Zeuge J…(Name) dann nach Lektüre oder sonstiger Kenntniserlangung im Ergebnis ebenso verhalten hätte.
dd) Die Darlegung- und Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einem zulässigen Verhalten eingetreten wäre, trägt der Schädiger, vorliegend also die Beklagten (siehe nur BGH, Urt. v. 22. Mai 2012 – VI ZR 157/11, NJW 2012, 2024 (2025), Rn. 12; MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 224 f.; Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249 Rn. 105; BeckOK BGB/Johannes W. Flume, 52. Ed. 1.11.2019, BGB § 249 Rn. 330). Dies resultiert daraus, dass Unklarheiten, wie sich die Dinge weiterentwickelt hätten, zulasten des Schädigers gehen (MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 224). Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang die Beweiserleichterung des § 287 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 – IX ZR 94/03, BGHZ 168, 352 = NJW 2006, 2767, Rn. 25; MüKoBGB/Oetker, 8. Aufl. 2019, BGB § 249 Rn. 225; BeckOK ZPO/Bacher, 34. Ed. 1.9.2019, ZPO § 287 Rn. 6 m.w.N).
b) Die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung darüber, dass kurze Zeit nach der Aufsichtsratssitzung Optionsgeschäfte getätigt wurden und diese auf der Ausnutzung von Insiderwissen beruhten, wären gegeben gewesen.
aa) Nach gefestigter höchstrichterlicher (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 18. Juni 2019 – VI ZR 80/18, NJW 2020, 45 = GRUR 2019, 1084, Rn. 50 – Staatsanwalt ermittelt gegen Star-Anwalt; BGH, Urt. v. 18. November 2014 – VI ZR 76/14, NJW 2015, 778 = GRUR 2015, 96, Rn. 15 f. – Chefjustiziar; BGH, Urt. v. 3. Mai 1977 – VI ZR 36/74 -, BGHZ 68, 331 = NJW 1977, 1288; w.Nw. bei Brost/Conrad/Rödder, AfP 2018, 287 (287); Srocke, AfP 2018, 291 (291); Molle, ZUM 2010, 331 (333 f.)) und verfassungsgerichtlich gebilligter (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 BVerfGE 114, 339 (353) = NJW 2006, 207 – Stolpe-Beschluss; BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2009 – 1 BvR 134/03, NJW-RR 2010, 470 (471 f.), Rn. 73) Rechtsprechung gelten für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung, bei der der Betroffene namentlich genannt wird oder sonst identifizierbar ist, folgende fünf Voraussetzungen: Vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung müssen hinreichend sorgfältige Recherchen über den Wahrheitsgehalt angestellt werden. Erforderlich ist ein Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen und ihr damit erst „Öffentlichkeitswert“ verleihen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten; sie darf also nicht durch eine präjudizierende Darstellung den unzutreffenden Eindruck erwecken, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln, dessen Mitteilung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
bb) Die Information, dass sich die am 15. März 2010 der Öffentlichkeit mitgeteilte Amtsniederlegung bereits am 4. März 2010 abzeichnete, wird als Aussage informierter Dritter weitergegeben. Die Formulierungen lassen erkennen, dass die Beklagten zwar nicht mit voller Gewissheit und eigener Überzeugung entsprechende Tatsachen – oder jedenfalls das Vorliegen eines entsprechenden tatsächliches Substrats – behaupten wollen, jedoch meinen, ausreichend zuverlässige Quellen in Gestalt der sie informierenden „Insider“ zu besitzen. Die Gesamtaussage, aufgrund bestimmter Umstände seien belastbare Hinweise dafür gegeben, der Kläger habe den am 4. März 2010 in der Aufsichtsratssitzung gewonnenen Eindruck, C…(Name) werde innerhalb der nächsten Tage als Aufsichtsratsvorsitzender zurücktreten, ausgenutzt, um am 8. März 2010 „neue“ Optionsgeschäfte zugunsten der S… I… SE zu tätigen, wird ebenfalls als Verdacht geäußert.
Eine derartige Mitteilung eines Verdachts stellt eine besondere Kategorie einer Äußerung dar – ist also weder Tatsachenbehauptung noch Meinungsäußerung -, da sie gerade keine definitive Behauptung enthält, dass eine Tat begangen wurde und/oder eine bestimmte Person daran beteiligt sei, sondern sich auf die Information beschränkt, dass ein verständiger und gerecht abwägender Beobachter dies aufgrund der gegebenen Anhaltspunkte für hinreichend wahrscheinlich hält (vgl. Weyhe, in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3. Auflage 2016, § 6 Rn. 78 BGHZ 203, 239 = BGH, NJW 2015, 778 (779) = GRUR 2015, 96, Rn. 18 – Chefjustiziar; MükoBGB/Rixecker, 8. Aufl. 2018, Anh zu § 12 Rn. 205). Das bloße Bestehen eines Verdachts wird dabei im Hinblick auf die Aspekte, dass die Amtsniederlegung schon am 4. März 2010 abzusehen war, und dass der Kläger derjenige war, der entsprechendes Insiderwissen nutzte, geäußert; im Hinblick auf das Geschäft als solches wird ein Sachverhalt als Tatsache behauptet.
cc) Vorgängen, die der schweren Kriminalität zuzurechnen sind, kommt generell ein gesteigertes Öffentlichkeitsinteresse und damit Nachrichtenwert zu; ein solches kommt auch bei kleiner und mittlerer Kriminalität in Betracht, soweit z.B. wegen der Person des Täters ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht (vgl. Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 6 Rn. 156a). Die Ausnutzung von Insiderwissen ist dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzurechnen; die (bereits damals) im Wachsen begriffene Sensibilisierung der Öffentlichkeit hinsichtlich der Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit dieses Verhaltens verliehen solchen Vorgängen generell Nachrichtenwert. Die Insolvenz der S… M… AG, die für über 30.000 Anleihegläubiger in einem Gesamtvolumen von 200 Mio € und zahlreiche Aktionäre, darunter vielfach Kleinanleger, zu erheblichen Verlusten geführt hat und deshalb in der Folgezeit eine bis dahin nicht gekannte Klagewelle beim Landgericht N…(Ort) und Oberlandesgericht N…(Ort) ausgelöst hat, berührte unmittelbar und mittelbar weite Kreise der Öffentlichkeit. Dies wirkt sich auch auf Vorgänge aus, die mit dem Geschäftsgebaren innerhalb der S… M… AG in Zusammenhang stehen, weil sich sowohl für die betroffenen Anleger als auch die Öffentlichkeit die Frage stellte, wie es zu der Insolvenz dieses Unternehmens kommen konnte, welches sich als aufstrebend darstellte und im bereits damals als zukunftsträchtig eingeschätzten Markt der erneuerbaren Energie als Hoffnungsträger gesehen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass sich einzelne Personen auf Kosten des Unternehmens bereichert haben oder jedenfalls trotz der Insolvenz – anders als die Anleihegläubiger oder Aktionäre – noch erhebliche Vermögensvorteile erzielen konnten, waren insoweit von erheblicher Öffentlichkeitsrelevanz.
dd) Der Senat geht davon aus, dass im Zeitpunkt der Veröffentlichung des Berichts durch die Beklagten hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die am 8. März 2010 getätigten Optionsgeschäfte auf exklusives Wissen aufgrund der Aufsichtsratssitzung vom 4. März zurückgehen.
1) Zwischen der Aufsichtsratssitzung (4. März), den Optionsgeschäften (8. März), der Amtsniederlegung von C…(Name) (15. März) und dem Auslaufen der Optionen (19. März) lagen jeweils nur wenige Tage. Bereits wegen dieser objektiven Umstände muss sich ein Beobachter wundern, weshalb die seit mehreren Monaten laufenden Optionsgeschäfte, die sich per Saldo für die S… I… SE günstig entwickelt hatten, weniger als 2 Wochen vor dem regulären Beendigungstermin geschlossen wurden, und drängt sich die Frage auf, weshalb der Handelnde – anders als bei der Eröffnung der Geschäfte und in der Folgezeit – nunmehr davon ausging, dass sich in den nächsten knapp 2 Wochen die bisherige Entwicklung nicht fortsetzen werde. Eine naheliegende Erklärung ist dann ein Informationsvorsprung.
2) Der Umstand, dass die Beklagten im Besitz des Kündigungsschreibens des Herrn U… C…(Name) sind und sie das Vorstandsmitglied T…M…(Name) innerhalb weniger Tage zur Fertigung einer eidesstattlichen Versicherung veranlassen konnten, zeigt, dass sie bereits vor dem 25. Juni 2010 Informationen bzw. Einschätzungen darüber besaßen, wie die Aufsichtsratssitzung am 4. März abgelaufen sein soll und dass mit einem zeitnahen Ausscheiden von U…C…(Name) zu rechnen war.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger die übrigen Teilnehmer der Sitzung zum Beweis dafür angeboten hat, dass sich ein entsprechender Eindruck nicht ergeben habe. Allein maßgeblich ist aber – weil es nur darauf ankommt, ob den Beklagten Anhaltspunkte vorlagen -, ob der Informant einen entsprechenden Hinweis an die Beklagten gegeben hat. Dass in der Aufsichtsratssitzung die von U…C…(Name) erwähnten Vorgänge im Zusammenhang mit dem USA-Geschäft (U… S…(Name)) und der Briefkastenfirma thematisiert und von ihm in erheblichem Maße missbilligt worden sind, muss das Gericht zugrunde legen, nachdem es sich auch aus dem von Kläger vorgelegten Protokoll (CBH61, S. 6 ff.) und jedenfalls dem Vermerk des Sitzungsteilnehmers Link ergibt. Die klägerseits als Gegenindiz angeführte Tatsache, dass es Wochen zuvor eine Aussprache zwischen U…C…(Name) und den Aufsichtsratsmitgliedern gegeben hatte, aufgrund der sich dieser zum Weiterarbeiten bereit erklärt habe, schließt nicht aus, dass am 4. März 2010 der Eindruck entstanden ist, U…C…(Name) werde sein Amt niederlegen. Zum einen hatte sich U…C…(Name) ausbedungen, kurzfristig sein Amt niederlegen zu dürfen. Zum anderen betrafen die thematisierten Punkte solche Aspekte, wie sie bereits zuvor Anlass für U…C…(Name) waren, seinen Verbleib infrage zu stellen.
3) Schließlich deuteten bereits die damals bekannten Umstände – die Teilnahme des Klägers an der Sitzung einerseits und seine Verbindung mit der Optionsnehmerin andererseits – darauf hin, dass er in ein eventuelles Insidergeschäft verwickelt sein könnte, indem er selbst die Orders platzieren ließ oder zumindest entsprechende Informationen weitergab.
4) Für entsprechende Orders am 8. März 2010 lagen in Gestalt der (als Anlagen B 22 und B 23) vorgelegten Abrechnungen Beweistatsachen vor, so dass behauptet hätte werden dürfen, man sei im Besitz entsprechender Belege.
5) Die Beklagten hätten daher aufgrund der sich ihnen bietenden Erkenntnislage am 25. Juni 2010 berichten dürfen, dass der Verdacht bestand, der Kläger oder ein informierter Dritter habe am 8. März 2010 im November 2009 begründete Put-Optionsgeschäfte und Call-Optionsgeschäfte beendet (was hinsichtlich der Person des Beauftragenden der Kläger zwischenzeitlich i.Ü. unstreitig gestellt hat). Ebenso hätten sie auch in Bezug auf diesen Sachverhalt den Verdacht darstellen können, dass dieses Verhalten maßgeblich darauf beruhte, dass der Handelnde (oder ein ihn informierender Dritter) in der Sitzung vom 4. März 2010 Informationen oder jedenfalls Anhaltspunkte dafür gewonnen hatte, dass U…C…(Name) zeitnah, wohl vor dem 19. März, sein Amt niederlegen werde, und daher mit einem kurzfristigen Kursrutsch rechnete. Die Beklagten hätten in diesem Zusammenhang auch erwähnen dürfen, dass die Optionen ohnehin innerhalb von 2 Wochen ausgelaufen wären, was den entsprechenden Verdacht, Insiderwissen sei ausgenutzt worden, noch verstärkt hätte.
ee) Hieraus folgt zugleich, dass hinreichende Recherchen unternommen worden wären.
Davon, dass Kontakte in die S…M… AG bestanden hatten, muss der Senat nach den vorgelegten Unterlagen und Umständen ausgehen. Im Hinblick auf das Redaktionsgeheimnis (vgl. Molle, ZUM 2010, 331 (335)) sieht sich der Senat gehindert, weitere Darlegungen zu fordern.
Welche weiteren Informationsquellen den Beklagten zu 3) und zu 4) kurzfristig offengestanden hätten, ist demgegenüber nicht ersichtlich. Damit, dass die involvierte Schweizer Bank oder die S… I… SE im Fall einer Anfrage zur Sachverhaltsaufklärung beitragen würde, konnte nicht gerechnet werden (vgl. auch BGH, Urt. v. 18. November 2014 – VI ZR 76/14, NJW 2015, 778 = GRUR 2015, 96 Rn. 26 – Chefjustiziar; Burkhardt in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 6 Rn. 159: Medien sind nicht verpflichtet, alle in Betracht kommenden Personen vor einer Berichterstattung zu befragen). Im Übrigen wäre dabei allenfalls herausgekommen, dass tatsächlich der Kläger die Optionsgeschäfte in Auftrag gegeben hat. Der entscheidende Aspekt, ob man aufgrund der Sitzung vom 4. März 2010 den Eindruck gewinnen durfte, U…C…(Name) werde zeitnah „hinwerfen“, hätte auch durch Befragung weiterer Teilnehmer nicht weiter erhellt werden können, weil es sich um einen subjektiv beeinflussten Eindruck und eine Einschätzung zum künftigen Handeln des U…C…(Name) handelte.
ff) Der Artikel vom 25. Juni 2010 wahrt auch, was die Darstellung eines Ausnutzens von Insiderwissen als solchen und der Beteiligung des Klägers betrifft, die notwendige Distanz und Ausgewogenheit.
Der Senat übersieht dabei nicht, dass der Artikel, der mit einer plakativen Schilderung des Lebensstils des Klägers auf einem weitläufigen Landsitz in Südengland beginnt und endet sowie die übrigen Straf-/Ermittlungsverfahren gegen den Kläger in Erinnerung ruft, erkennbar bemüht ist, einen deutlichen Kontrast zwischen dem (so bezeichneten) Luxusleben, das sich der Kläger leisten kann, und der Insolvenz der S…M… AG zu zeichnen. Dies ist auch nur bedingt sachlich gerechtfertigt, weil durch Spekulationsgeschäfte, wie sie das Zentrum des Berichts bilden, nicht primär die Aktionäre oder Anleihegläubiger der jeweiligen Gesellschaft (sondern allenfalls andere Marktteilnehmer) geschädigt werden. Entscheidend ist aber, dass im Hinblick auf den eigentlichen Sachverhalt an keiner Stelle der Eindruck erweckt wird, es sei bereits erwiesen, dass die Transaktion tatsächlich auf den Eindruck von den Geschehnissen in der Sitzung vom 4. März 2010 zurückgeht und der Kläger hierzu maßgeblich beigetragen habe. Vielmehr wird insoweit nur mitgeteilt, dass Umstände entsprechende Vermutungen nahelegen.
gg) Die Beklagten sind schließlich ihrer Verpflichtung, den Kläger als Betroffenen zu kontaktieren, ihm den Sachverhalt konkret mitzuteilen und ihm eine Stellungnahme zu ermöglichen sowie diese in dem Artikel zu berücksichtigen (dazu eingehend Brost/Conrad/Rödder, AfP 2018, 287 ff.; Srocke, AfP 2018, 29 (293 ff.)), nachgekommen. Insbesondere ist vorliegend auch als ausreichend anzusehen, dass die Kontaktaufnahme nicht unmittelbar mit dem (im Ausland lebenden) Kläger, sondern mit seinem Rechtsanwalt erfolgt ist (vgl. Srocke, AfP 2018, 291 (294)). Dieser war den Beklagten bekannt und auch tatsächlich bereit und in der Lage, binnen kürzester Zeit Rücksprache mit dem Kläger zu nehmen und eine Stellungnahme für ihn abzugeben. Diese Stellungnahme wurde vollständig, wörtlich und ohne verzerrende Zusätze wiedergegeben.
c) Der Senat muss davon ausgehen, dass die I…RS und der Zeuge J…(Name) einen Bericht, der auch im Hinblick auf die Put-Option den Sachverhalt bzw. die sich bietenden Anhaltspunkte vollständig und präzis gewesen wäre, seine Kausalität für eine entsprechende Entscheidung unterstellt, ebenfalls zum Anlass genommen hätten, die Geschäftsbeziehung mit dem Kläger nicht fortzuführen bzw. das Projekt abzubrechen.
aa) Der Senat hält es zwar für denkbar, dass bei der gebotenen Analyse der einzelnen Aussagen im Artikel „Wetten auf den Absturz“ auf Grundlage des Verständnisses eines unbefangenen Durchschnittslesers, des allgemeinen Sprachgebrauchs und des Gesamtzusammenhangs (statt vieler BGH, Urt. v. 18. November 2014 – VI ZR 76/14, NJW 2015, 778 = GRUR 2015, 96 Rn. 19), der unzutreffende Eindruck entstehen kann, die beiden genannten Optionsgeschäfte seien am 8. März 2010 eröffnet worden. Die Beklagten hätten dann – auch wenn man ihre Einlassung zugrunde legt, die Beklagten zu 3) und zu 4) hätten erkannt, dass die Abrechnungen B 22 und B 23 nur die Schließung vorangegangener Geschäfte dokumentierten – die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht bei der Abfassung des Artikels verletzt, weil der tatsächliche Sachverhalt für den Leser nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck kam und dieser stattdessen ein anderes Bild (von einem nicht gegebenen Sachverhalt) gewinnen konnte. Im Übrigen wären die Formulierungen aber nicht zu beanstanden: 1) Positive Hinweise darauf, dass bereits mehrere Monate zuvor Optionsgeschäfte eröffnet worden waren und die beiden beschriebenen Vorgänge nur eine „Schließung“ derselben bedeuteten, lassen sich dem Artikel nicht entnehmen.
2) Demgegenüber impliziert der Absatzbeginn mit „Und so begann …“, dass Geschäfte aufgenommen worden seien. Auch die Formulierung „wettete mit einer sogenannten Put-Option auf einen Sinkflug“ könnte sowohl für sich genommen als auch aufgrund der beschriebenen Absatzeinleitung vom durchschnittlichen Leser dahin verstanden werden, dass eine Put-Option – also das Recht, zu einem zukünftigen Termin zu einem bestimmten Preis Aktien verkaufen zu können – erworben wurde. Verstärkt wird dieses Verständnis dadurch, dass der gesamte Absatz den Eindruck einer erheblichen, aufkommenden Dynamik vermittelt (was nicht zuletzt auf dem Terminus „spektakuläre Zockerei“ beruht, die begonnen habe), während beim Schließen eines Optionsgeschäfts keine Gewinnchancen und Verlustrisiken mehr bestehen. Ebenso ist die Mitteilung, es seien Calls verkauft worden, zwar für sich genommen zweideutig, weil sowohl die erstmalige Begebung entsprechender Optionsrechte zugunsten eines anderen als auch der Verkauf entsprechender, zuvor begründeter (erworbener) Rechte so beschrieben werden kann. Der Gesamtkontext könnte aber wiederum den Vorgang zumindest auch in dem Licht erscheinen lassen, dass die Option neu begeben wurde.
3) Auch die Bezeichnung der Buchung als „riskant“ wäre aus den beschriebenen Erwägungen insoweit verzerrend, als für die S… I… SE kein neues Risiko begründet wurde.
4) Die wiederholt verwendete Formulierung „wetten“ entspricht dabei einem gängigen Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Termingeschäften auf Wertpapiere o.Ä. Insbesondere das breite Publikum sieht bei solchen Geschäften das spekulative Moment überwiegen und bewertet dies – wie den gesamten Bereich der Finanzderivate – tendenziell negativ. Dabei wird „wetten“ in einem übertragenen Sinne gebraucht, weil nicht ein einseitiger oder beiderseitiger Einsatz demjenigen zufällt, dessen Behauptung sich später als zutreffend herausstellt, wohl aber das wirtschaftliche Ergebnis des Geschäfts für jeden der beiden Beteiligten von der naturgemäß nicht sicher vorherzusagenden Preis-/Kursentwicklung abhängt, sodass solchen Geschäften ein gewisses Zufälligkeitsmoment innewohnt. Die primär wertende Bezeichnung als „Wette“ besitzt daher jedenfalls eine ausreichende sachliche Basis.
Dies gilt auch für solche Fälle wie (objektiv) dem vorliegenden, in dem laufende Optionsgeschäfte vor Fälligkeit beendet werden. Hier übernimmt der Handelnde zwar – worauf die Berufungsbegründung zutreffend hinweist – kein neues Risiko, sondern schließt gerade eine bestehende Risikoposition. Das wirtschaftliche Ergebnis aus dem Geschäft kann sofort abschließend ermittelt werden. Gleichwohl zeigt sich auch hier erst nach Ablauf der Optionsfrist, ob die zeitlich zweite Entscheidung, das Geschäft vorzeitig zu beenden, ökonomisch gut oder schlecht war; diese Entscheidung ist ebenso wie das Eröffnungsgeschäft maßgeblich davon geprägt, wie die Kursentwicklung bis zum Ende der Optionszeit eingeschätzt wird. Auch hier meint der Handelnde, die Entwicklung besser prognostizieren zu können als die Gegenpartei, der er das zuvor eingeräumte Recht zu einem bestimmten Betrag (der deren Markterwartung widerspiegelt) „abkauft“. Ob die Entscheidung vorteilhaft oder nachteilhaft war, kann erst zum späteren Verfallstermin sicher beurteilt werden; insbesondere kann sich zeigen, dass dann der Kurs so über bzw. unter dem Bezugspreis liegt, dass eine Optionsausübung für den Berechtigten keinen Sinn macht und es daher aus Sicht des Stillhalters des (Aufwand verursachenden) Rückkaufs nicht bedurft hätte. Die Bezeichnung als Wette ist daher auch für den Vorgang eines Closings nicht völlig fernliegend und unvertretbar, auch wenn sie auf die Eröffnung entsprechender Geschäfte besser passen mag.
5) Auch objektiv zutreffend sind die Aussagen, die S… I… SE habe am 8. März 2010 auf einen Sinkflug der S…M…Aktie gesetzt/gewettet, und, sie habe damit den Schalter umgelegt und statt auf den Erfolg auf den Misserfolg dieses Unternehmens gewettet. Derjenige, der eine zuvor begebene Put-Option bei einem Kurs, der nicht unerheblich über dem dort vorgesehenen Verkaufskurs liegt, beendet, rechnet zwangsläufig damit, dass der Kurs bis zum Auslaufen der Option sinken wird, weil sonst kein Anlass bestünde, sich aus der Stillhalteposition zu befreien. Ebenso geht derjenige, der in einer solchen Situation eine zu seinen Gunsten bestehende Call-Option beendet, davon aus, das bisherige Kursniveau werde nicht bestehen bleiben, weil es andernfalls vorteilhafter wäre, bis zum Verfallstermin zuzuwarten. Die als Wertung zu begreifende Aussage, dass durch diese Maßnahmen eine Menge Geld verdient (i.S.v.: als Gewinn gesichert) wurde, ist – wenn man berücksichtigt, dass dies allein darauf zurückzuführen ist, dass man nunmehr von einem Kursrückgang ausging und sich dies bewahrheitete – zutreffend, auch wenn die Grundlage bereits bei der Eröffnung des Geschäfts gelegt worden war.
bb) Der Zeuge J…(Name) hätte sich nicht anders verhalten, wenn der Artikel in einer Weise verfasst worden wäre, die die beschriebenen Fehldeutungen ausgeschlossen hätte.
1) Die vom Zeugen J…(Name) als Motiv für seinen Entschluss – auch dem Kläger gegenüber – angeführte Befürchtung, es müsse mit einer zeitnahen Inhaftierung gerechnet werden, wäre in gleicher Weise veranlasst gewesen, wenn er gewusst hätte, dass der Kläger möglicherweise Insiderwissen „nur“ im Hinblick auf laufende Optionsgeschäfte ausgenutzt hat, indem er diese glattstellte. Eine Strafbarkeit nach international und intertemporal maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen unterstellt, wäre dies in gleicher Weise verboten und strafbar, wie wenn ein Optionsgeschäft erst eröffnet worden wäre. Die (vom Zeugen J…(Name) selbst erkannte, in dem Artikel im Tages-Anzeiger nicht erwähnte) Gefahr, dass Strafverfolgungsbehörden aktiv werden und entweder (kurzfristig) Untersuchungshaft gegen den Kläger angeordnet wird oder (langfristig) eine Verurteilung zu einer Haftstrafe erfolgt, sodass der Kläger für die beabsichtigte Tätigkeit nicht zur Verfügung gestanden hätte, wäre daher ebenso gegeben und hätte für den Zeugen J…(Name) ein Grund sein müssen, den Kläger nicht in das Geschäft einzubinden.
2) Soweit aus der Aussage des Zeugen J…(Name) weiter hervorgeht, dieser habe das „Wetten gegen die eigene Firma“ als unehrenhaft empfunden, hätte aus seiner Sicht ein solches auch dann vorgelegen, wenn er den Sachverhalt vollständig und zutreffend gekannt hätte. Wie eingangs ausgeführt, nahm der Kläger am 8. März 2010 die Position ein, der Kurs der S…M…-Aktie werde alsbald stark sinken, und handelte zum Zwecke der eigenen Gewinnerzielung aus dem Optionsgeschäft. Das „Wetten“ und „Zocken“ hätte zwar möglicherweise eine geringere Qualität aufgewiesen. Am Kernsachverhalt, dass der Kläger – der Verdachtslage nach – Optionsgeschäfte tätigte und dabei auch nicht davor zurückschreckte, durch entsprechende Orders aus einem Kursrückgang „Geld zu machen“, hätte dies aber nichts geändert.
3) Auch die Überlegung des Zeugen J…(Name), die Reputation der zu gründenden Unternehmen hätte bei Einbindung des Klägers gelitten, wäre in gleicher Weise anzustellen und berechtigt gewesen. Der Zeuge hat in seiner Aussage angeführt, dass honorige Personen wie z.B. ein früherer deutscher Botschafter und ein ehemaliger Bankratspräsident eingebunden werden sollten, jedoch zu befürchten war, dass sich diese zurückziehen würden, wenn der so beleumundete Kläger eine führende Rolle innehat. Diese Überlegungen hält der Senat in jeder Hinsicht für nachvollziehbar. Im Hinblick auf die „Außenwirkung“ des Unternehmens und der von ihm verfolgten Projekte war es aber wiederum ohne wesentliche Bedeutung, welche Optionsgeschäfte der Kläger unter Ausnutzung von Insiderwissen genau getätigt hat. Entscheidend war vielmehr, dass durch den Zeitungsartikel die Person des Klägers und die Vielzahl der teils in der Vergangenheit liegenden Vorwürfe in das Bewusstsein der Öffentlichkeit – und auch der Schweizer Öffentlichkeit, wo der Kläger bis dahin ein unbeschriebenes Blatt war – gelangt ist (was sich jedenfalls aus der Antwort des Zeugen auf die Nachfrage des Beklagtenvertreters ergibt).
4) Aus den Äußerungen des Zeugen J…(Name(´), er habe erst durch den im Tages-Anzeiger erschienenen Artikel realisiert, wie gewichtig die Anschuldigungen gegen den Kläger waren, muss schließlich ebenfalls gefolgert werden, dass der genaue Inhalt der Optionsgeschäfte für ihn nicht ausschlaggebend war. Aus der Schilderung des Zeugen geht hervor, dass er zunächst von einer dritten, in Deutschland lebenden Person drauf aufmerksam gemacht worden war, dass der Kläger dort bekannt sei und gegen ihn ein Verfahren laufe. Bei dieser Informationslage habe er zunächst den Ausführungen des Klägers persönlich und der Einschätzung anderer Personen vertraut. Der Aspekt, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf dem Kläger Betrug in 1.000 Fällen zur Last legte, war dem Zeugen bis dato nicht bekannt. Der Artikel im Tages-Anzeiger war offenbar die erste Gelegenheit für den Zeugen J…(Name), unmittelbar wahrzunehmen, welche Art und Schwere die in den deutschen Medien berichteten Vorwürfe besitzen. Der Zeuge wäre aber hierauf auch dann in gleicher Weise aufmerksam geworden, wenn die Details zu den Optionsgeschäften unmissverständlich dargestellt worden wären.
d) Daher kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Kausalität, jedenfalls aber der Rechtswidrigkeitszusammenhang, entfällt. Die Umstände, die der Zeuge J…(Name) – Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit ausdrücklich unterstellt – für seine Entschließung angeführt hat, wären auch dann gegeben gewesen, wenn der Bericht vom 25. Juni 2013 den Inhalt der am 8. März 2010 getätigten Optionsgeschäfte in jeder Hinsicht zutreffend beschrieben hätte. Hiervon kann der Senat mit der nach § 287 Abs. 1 ZPO erforderlichen Gewissheit ausgehen; dies bedeutet zugleich, mit dass auch der Kläger insgesamt nicht die für einen Klageerfolg erforderliche Gewissheit der haftungsauslösenden Kausalität vermitteln konnte.
e) Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass im vorliegenden Fall entsprechend strenge Maßstäbe bei der Überzeugungsbildung auch von Verfassung wegen (Art. 5 Abs. 1 S. 1 u. 2 GG) geboten wären. Werden an Meinungsäußerungen oder meinungsbildende Tatsachenbehauptungen finanzielle Sanktionen geknüpft, ist in den Blick zu nehmen, dass dies unvermeidlich präventive Wirkungen entfaltet, indem das Äußern kritischer Meinungen mit einem finanziellen Risiko belastet wird. Jede Art von Sanktion ist darauf zu prüfen, ob sie zu einem verfassungsrechtlich relevanten Einschnürungseffekt auf zulässige Meinungsäußerungen führt (siehe nur BGH, # Urteil vom “9. April 2019 – VI ZR 89/18, GRUR 2019, 862 (863 ff.) Rn. 19 m.w.N.). Dies stellt zwar – wie die Klagepartei zutreffend ausgeführt hat – keinen Freibrief für die Medien dar, unwahre Tatsachen zu behaupten, und dispensiert sie nicht von den allgemeinen schadensersatzrechtlichen Pflichten. Die Annahme einer Schadensersatzpflicht, die nicht wegen, sondern nur gelegentlich einer rechtswidrigen Presseberichterstattung entstanden ist, kann aber verfassungsrechtliche Bedenken aufwerfen (BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2001, 1 BvR 1273/96, NJW 2001, 1639 (1640)). Um eine solche Situation, in der der Schaden nur gelegentlich der Berichterstattung eingetreten sein könnte, würde es sich aber vorliegend handeln.
3. Auf die Ausführungen des Erstgerichts und der Parteien dazu, ob der geltend gemachte Betrag bei Berücksichtigung des § 252 BGB und des § 287 Abs. 1 ZPO als entgangener Gewinn zugesprochen werden könnte, hat der Senat daher derzeit keinen Anlass einzugehen. Gleiches gilt im Hinblick auf die von der Beklagten erhobenen Einwände gegen die Aktivlegitimation und Wirksamkeit der Abtretungserklärungen.
4. Die vorstehenden Überlegungen zur Beweiswürdigung und Kausalität betreffen sowohl den Tatbestand der Kreditgefährdung (§ 826 BGB) als auch eine Ersatzpflicht auf Grundlage der Generalklausel des § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers.
5. Schließlich kann der Senat auch bei Würdigung der vorangegangenen Berichterstattung in den Medien der Beklagten zu 1) und 2) nicht die Überzeugung gewinnen, diese und die Beklagten zu 3) und zu 4) hegten den Plan eines gezielten Vernichtungsfeldzugs gegen den Kläger, was eine Haftung nach § 826 BGB begründen würde.
Die vorgelegten Artikel befassen sich zwar vielfach mit dem Kläger und die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, die strafrechtlich oder zumindest in moralischer Hinsicht von erheblicher Relevanz sind und ein tendenziell negatives Bild zeichnen. Die von den Beklagten zu verantwortenden Artikel unterscheiden sich insoweit aber nicht qualitativ oder quantitativ von den Berichten in anderen Medien, die im jeweiligen Zeitraum veröffentlicht worden sind. Zu berücksichtigen ist wiederum insbesondere, dass sowohl die Angelegenheit DM Beteiligungen als auch die Vorgänge bei der S… M… AG eine Vielzahl von Anlegern betrafen und auch im Übrigen ein erhebliches Öffentlichkeitsinteresse gegeben war, welches die Medien befriedigen durften. Jedes Medium hätte daher in dieser Form und Häufigkeit berichten können, ohne dass sich hieraus ein aussagekräftiger Rückschluss auf eventuelle Antipathien ziehen ließe.
Auch der Artikel vom 25. Juni 2010 selbst und das Prozessverhalten der Beklagten lassen entsprechende Folgerungen nicht zu. Eine eindeutige Aussage dazu, ob am 8. März 2010 entsprechende Optionsgeschäfte erstmals getätigt oder bestehende Optionsgeschäfte beendet wurden, enthält der Bericht nicht. Zwar implizieren – wie eingangs ausgeführt – die gebrauchten Wendungen, da sie eine beginnende Dynamik und Risikovergrößerung ausdrücken, die erstgenannte, objektiv nicht zutreffende Alternative. Dass dies von (jedenfalls bedingtem) Vorsatz geleitet war, gezielt eine Fehlvorstellung bei der Leserschaft zu erzeugen, und so Vermögensschäden für den Kläger hervorzurufen, lässt sich daraus jedoch nicht folgern. Erst recht würde dies gelten, wenn – wie vom Kläger zunächst behauptet – die Bankbelege wegen Verkennung der Bedeutung des Zusatzes „Closing“ von den Beklagten zu 3) und zu 4) missinterpretiert worden wären. Es läge dann nämlich nur Fahrlässigkeit vor.
Der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist der Kläger mithin nicht nachgekommen.
Insgesamt sieht der Senat für die Klage und das Rechtsmittel daher keine Erfolgsaussicht.
Der Senat legt deshalb aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.

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