Aktenzeichen 14 S 12060/19
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
ZVG § 57a
Leitsatz
Der Ersteher tritt zwar gern. § 57 ZVG entspr. § 566 BGB in das bestehende Mietverhältnis ein, jedoch eingeschränkt durch die Maßgaben des § 57a ZVG, der sich nicht nur auf Kündigungsfristen bezieht, sondern auch dazu führt, dass der Ersteher an einen etwaigen vertraglichen Kündigungsausschluss nicht gebunden ist. (redaktioneller Leitsatz)
1. Die Vorschrift des § 57a ZVG schützt den Realkredit und erleichtert es Grundstückseigentümern, Darlehen zu erhalten, indem es ihnen unter anderem ermöglicht wird, Hypotheken zu bestellen. Aufgrund dieser Vorschrift hat der Gläubiger die Sicherheit, dass der Eigentümer durch den Mietvertrag die Verwertungsmöglichkeit, die gemäß § 1147 BGB im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt, nicht über das gesetzliche Maß hinaus beeinträchtigt, indem er den Wert des Grundstücks durch Abschluss ungünstiger Mietverträge – die wegen der Vorschrift des § 566 BGB teilweise quasidingliche Wirkung haben – mindert. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (ebenso BGH BeckRS 2011, 20823). (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
461 C 1123/19 2019-08-02 Urt AGMUENCHEN AG München
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.08.2019, Az. 461 C 1123/19, wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 13.656,00 € festgesetzt.
Gründe
II.
Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Das Amtsgericht München hat der Klage auf Räumung und Herausgabe der von dem Beklagten angemieteten Wohnung zu Recht stattgegeben.
Das Endurteil des Amtsgerichts München vom 02.08.2019 begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Eine Rechtsverletzung ist im angefochtenen Urteil nicht erkennbar. Es kann daher zunächst auf die zutreffenden Gründe des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen werden.
Im Übrigen ist hinsichtlich der Angriffe der Berufung Folgendes auszuführen:
Die ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs vom 20.10.2018 hat das Mietverhältnis zwischen den Parteien beendet, §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 542 Abs. 1 BGB.
Die Kläger waren nicht an den mietvertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung gebunden, da sie fristgerecht ihr Sonderkündigungsrecht gem. § 57 a ZVG ausübten.
Die verfahrensgegenständliche Kündigung ist überdies als formell wirksam zu erachten, insbesondere ist dem Begründungserfordernis nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB genügt.
Dazu im Einzelnen:
1. Das Erstgericht ist in zutreffender Weise zur Auffassung gelangt, dass der Wirksamkeit der vorliegenden Kündigung wegen Eigenbedarfs der – zwischen dem früheren Vermieter und dem Beklagten vereinbarte – Kündigungsausschluss nach § 15.5 des Mietvertrages nicht entgegensteht.
Das Erstgericht hat sich ausweislich der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils ausführlich und sorgfältig mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Ersteher vermieteten Wohnraums bei einer fristgerechten Ausübung des Sonderkündigungsrechts gem. § 57 a ZVG an einen etwaigen – zuvor zwischen den bisherigen Mietvertragsparteien vereinbarten – vertraglichen Kündigungsausschluss gebunden ist und dies aus Sicht der Kammer überzeugend verneint.
Die Kammer schließt sich vollumfänglich den Beurteilungen des Erstgerichts an.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Ersteher zwar gem. § 57 ZVG entsprechend § 566 BGB in das bestehende Mietverhältnis eintritt, jedoch eingeschränkt durch die Maßgaben des § 57 a ZVG, der sich nicht nur auf Kündigungsfristen bezieht, sondern auch dazu führt, dass der Ersteher an einen etwaigen vertraglichen Kündigungsausschluss nicht gebunden ist. § 573 d BGB führt nur dazu, dass der Mieter den gesetzlichen Mieterschutz für sich in Anspruch nehmen kann und gewährt nicht einen über diesen hinausgehenden vertraglichen Mieterschutz.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten zitierten Kommentarstelle Kindl/Meller-Hannich/Wolf, 3. Auflage, 2015, § 57 a ZVG, Rn. 15 hin („§ 57 a gibt dem Ersteher nur die Möglichkeit, ein von den vertraglich vorgesehenen Kündigungsfristen unabhängiges Kündigungsrecht auszuüben.“). Dort heißt es sogleich im nächsten – von der Berufung nicht zitierten – Satz: „Das Kündigungsrecht steht daher unter dem Vorbehalt der Gesetzgebung zum Kündigungsschutz.“
Die Voraussetzungen dieses Vorbehalts sind aber gerade gewahrt, wenn sich ein Mieter nur nicht auf einen lediglich gewillkürten Kündigungsausschluss berufen kann, ihm der gesetzliche Kündigungsschutz gem. §§ 573 d Abs. 1, 573 BGB aber nach wie vor vollumfänglich zukommt.
Auch hinsichtlich der Bewertung der von der Beklagtenpartei bereits im erstinstanzlichen Verfahren zitierten Entscheidung des BGH v. 21.04.1982 – VIII ARZ 16/81, NJW 1982, 1696 ist dem Erstgericht darin zuzustimmen, dass diese nichts anderes besagt, als dass auch im Rahmen des § 57 a ZVG das gesetzliche Kündigungsrecht greift.
Zitiert die Berufung Böttcher/Böttcher, 6. Aufl. 2016, ZVG § 57 c Rn. 13 dahingehend, dass lediglich die vertraglichen Fristen auf die gesetzlichen Kündigungsfristen abgekürzt werden, stellt dies eine unvollständige Wiedergabe der gesamten Kommentarstelle dar: „Das Sonderkündigungsrecht des Erstehers gem. § 57 a ist beschränkt durch die Kündigungsschutzbestimmungen des Mieters (BGHZ 84, 90, 100; BayObLG Rpfleger 1992, 531, 533). Die Wirkung des Sonderkündigungsrechts nach § 57 a besteht somit nur darin, dass es die vertragliche Kündigungsfrist auf die gesetzliche Frist abkürzt; gesetzliche Kündigungsfristen werden durch § 57 a nicht verkürzt.“
Die Schlussfolgerung dieser zitierten Kommentarstelle bezieht sich also darauf, dass gesetzliche Kündigungsfristen durch § 57 a ZVG nicht verkürzt werden. Dies steht der bereits erstgerichtlich vertretenen Rechtsauffassung, dass der Ersteher lediglich an einen vertraglich eingeräumten Kündigungsausschluss nicht gebunden ist, ansonsten aber gem. §§ 573 d Abs. 1, 573 BGB nach wie vor vollumfänglich die gesetzlichen Kündigungsschutzbestimmungen zugunsten des Mieters, insbesondere die gesetzliche Kündigungsfrist, zu beachten hat, gerade nicht entgegen.
Hierfür spricht auch der in Böttcher/Böttcher, 6. Aufl. 2016, ZVG § 57 c Rn. 9 prägnant formulierte Satz: „Der Zuschlag bricht nicht Miete, aber er berechtigt, Miete zu brechen.“
Dieses Recht, die Miete zu brechen, liefe aber gerade ins Leere, wenn der Ersteher aufgrund der Bindung an einen vertraglichen Kündigungsausschluss dauerhaft nicht berechtigt wäre, Miete zu brechen.
Gibt die Berufung die Kommentarstelle „Kindl/Meller-Hannich/Wolf, ZVG, § 57a Rn 2“ wieder, indem sie ausführt, „dass der Ersteher das Mietverhältnis nur nach den vertraglichen Bedingungen kündigen kann“, so unterläuft ihr insoweit ein Zitierfehler, als es korrekterweise heißen müsste: „Der Ersteher (…) kann daher grds. auch das Miet- oder Pachtverhältnis nach Maßgabe der vertraglichen Bedingungen beenden.“
Anders als von der Berufung dargestellt, handelt es sich hierbei jedoch – auch nach der in der vorstehend zitierten Stelle vertretenen Auffassung – gerade nicht um eine ausnahmslos geltende Vorgabe. Bereits im darauffolgenden Satz (Rn. 3) heißt es denn auch konsequent: „Für die Zwangsversteigerung hat der Gesetzgeber unter Abwägung der Interessen der Realgläubiger und der Mieter darüber hinaus dem Ersteher ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, um unangemessene Mietverträge vorzeitig kündigen zu können.“
Von einem solchen „unangemessenen Mietvertrag“ ist nach Überzeugung der Kammer insbesondere dann auszugehen, wenn darin – wie hier – die Eigenbedarfskündigung vollumfänglich ausgeschlossen ist, dem Vermieter also ein rechtlich und tatsächlich bedeutsamer Kündigungsgrund genommen sein soll.
Wie das Amtsgericht richtig ausführt, ist der Mieter insoweit geschützt, als dass der Vermieter sich gem. § 57 a S. 2 ZVG zügig entscheiden muss, ob er von dem Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht oder ob er hiervon Abstand nimmt.
Wie das Erstgericht ebenfalls zutreffend feststellt, ergibt sich auch aus der von der Beklagtenpartei zitierten Entscheidung des Amtsgerichts München vom 15.06.2016, 416 C 7774/16 (B 1, Bl. 25 ff. d.A.) bzw. der des Landgerichts München I vom 20.09.2016 (B 2, Bl. 30 ff. d.A.) nichts anderes. Denn bei diesen Entscheidungen der 1. bzw. 2. Instanz spielte die Vorschrift des § 57 a ZVG keine Rolle, weil die Ersteher von dem Sonderkündigungsrecht keinen rechtzeitigen Gebrauch gemacht hatten, § 57 a S. 2 ZVG.
Soweit die Berufung ein etwaiges Missbrauchsrisiko zu bedenken gibt, ist festzuhalten, dass eine Zwangsversteigerung – anders als von ihr dargestellt – insbesondere in Anbetracht der umfangreichen Verfahrensvorschriften und des zwingend einzubeziehenden Vollstreckungsgerichts weder absolut gesehen „einfach“ noch vergleichbar „einfach“ wie der Verkauf einer Immobilie ist, bei der nur zur Beurkundung der Auflassung und der Eintragung gem. §§ 873, 925 BGB ein Notar bzw. das Grundbuchamt einzubeziehen ist.
Weshalb zwischen den völlig verschiedenen Erwerbstatbeständen einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung einerseits, bei dem Eigentum durch Einigung und Eintragung erworben wird, und andererseits einer Zwangsversteigerung als originärem Eigentumserwerb durch staatlichen Hoheitsakt mit entsprechend unterschiedlichen und unterschiedlich schützenswerten Interessenlagen ein Gleichlauf von Wertungen geboten sein soll, legt auch die Berufung nicht überzeugend dar.
Die Ausführungen der Berufung hinsichtlich der Auffassung, § 1056 Abs. 2 S. 1 BGB sei nicht mit § 57 a S. 1 ZVG vergleichbar, decken sich im Wesentlichen mit denen des erstinstanzlichen Verfahrens.
Die Kammer schließt sich den diesbezüglich erfolgten, ausführlichen Rechtsausführungen des Amtsgerichts in vollem Umfang an.
Der jeweilige Wortlaut von § 1056 Abs. 2 S. 1 BGB bzw. § 57 a S. 1 ZVG ist – abgesehen vom jeweiligen Erwerber (Eigentümer bzw. Ersteher) – in der Tat identisch: Der Wortlaut des § 1056 Abs. 2 S. 1 BGB ist: „Der Eigentümer ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zu kündigen.“, der Text des § 57 a S. 1 ZVG lautet: „Der Ersteher ist berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen“.
Dem Erstgericht ist insbesondere auch hinsichtlich der Beurteilung, dass der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1056 Abs. 1 S. 1 BGB bzw. der des § 57 a ZVG übereinstimmen, beizupflichten.
So ist bei § 1056 Abs. 2 S. 1 BGB anerkannt, dass der Eigentümer an die Beschränkungen, die der Nießbraucher oder Vorerbe in den Mietvertrag aufgenommen hat, nicht gebunden ist (vgl. etwa BGH, Urt. v. 01.07.2015 – VIII ZR 278/13, NJW 2015, 2650, BGH, Urt. v. 12.10.2011 – VIII ZR 50/11, NZM 2012, 558). Während der Gesetzgeber gemäß § 573 d BGB dem Mieter den gesetzlichen Kündigungsschutz gewährt, ist es nicht gerechtfertigt, dem Mieter den überschießenden vertraglichen Schutz zukommen zu lassen. Nießbraucher und Vorerbe hatten nicht die Rechtsmacht, den Eigentümer und Nacherben über ihr eigenes Recht hinaus zu benachteiligen. Dem Eigentümer und Vermieter, der sein Eigentum durch Zwangsversteigerung verliert, gewährt das Recht ebenfalls nicht die Macht, Bindungen die er eingegangen ist, halten zu können. Er verliert eben gegen seinen Willen sein Eigentum, während der Ersteher durch staatlichen Hoheitsakt originär Eigentum erwirbt. Auch insoweit ist der Standpunkt des Erstgerichts also zutreffend.
Soweit die Berufung den Eintritt der Situation der Zwangsversteigerung mit Zufall gleichsetzt, überzeugt dies ebenfalls nicht. Denn das Risiko der Insolvenz des Vertragspartners ist gerade jedem Vertragsverhältnis immanent. Ein Mieter mag sich zwar „seinen neuen Vermieter nicht ausgesucht“ haben, allerdings hat er sich seinen ursprünglichen – nunmehr insolventen – Vermieter ausgesucht, mit der Konsequenz der Zwangsversteigerung. Zu Recht führt das Amtsgericht auf Seite 5 deshalb aus: „Der Mieter muss dies hinnehmen, weil er einen Vertragspartner ausgesucht hat, dem es nicht gelungen ist, sein Eigentum zu halten.“
Der Mieter wird immerhin dahingehend geschützt, dass er sich auf die gesetzlichen Schutzvorschriften berufen kann.
Die Vorschrift des § 57 a ZVG schützt, wie bereits erstgerichtlich zu Recht aufgezeigt und korrekt dargelegt, den Realkredit und erleichtert es Grundstückseigentümern, Darlehen zu erhalten, indem es ihnen u.a. ermöglicht wird, Hypotheken zu bestellen. Hierdurch kann der Eigentümer dem Darlehensgläubiger eine Sicherheit bieten, behält aber zugleich das Recht, das Grundstück zu vermieten.
Aufgrund der Vorschrift des § 57 a ZVG hat der Gläubiger in der Tat die Sicherheit, dass der Eigentümer durch den Mietvertrag die Verwertungsmöglichkeit, die gemäß § 1147 BGB im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt, nicht über das gesetzliche Maß hinaus beeinträchtigt, indem er den Wert des Grundstücks durch Abschluss ungünstiger Mietverträge – die wegen der Vorschrift des § 566 BGB teilweise quasidingliche Wirkung haben – mindert. Der Gläubiger wird daher i.d.R. eher bereit sein, dem Eigentümer Kredit zu gewähren, als dies ohne die Vorschrift des § 57a ZVG der Fall wäre.
Wie vom Erstgericht gleichermaßen richtig erkannt, führt auch die von der Beklagtenpartei zitierte Entscheidung des BGH vom 12.10.2011 – VIII ZR 50/11, ZEV 2012, 160 zu keinem anderen Ergebnis. Soweit der BGH darin davon spricht, dass dem Vermieter eine Kündigung verwehrt sei, wenn er auf Vermieterseite in das Mietverhältnis eintritt, sind damit gerade Fälle gemeint, in denen der Vermieter neben dem Eintritt nach §§ 1056 Abs. 1, 566 BGB noch auf eine zweite Art in das Mietverhältnis eintritt, nämlich als Erbe des Nießbrauchers. In einer solchen Konstellation kann der Eigentümer nicht von einem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen, weil er durch den Eintritt in das Mietverhältnis als Erbe des Vermieters durch den Mietvertrag vollumfänglich gebunden ist. Im vorliegenden Fall sind die Kläger aber ausschließlich aufgrund der Zwangsversteigerung Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung geworden; ein zusätzlicher Erwerbstatbestand liegt also gerade nicht vor. Die vorstehende Argumentation des Amtsgerichts verdient ebenfalls Zustimmung, weshalb sie sich die Kammer zu eigen macht.
Auch die historische Auslegung des § 57 a ZVG stützt die vom Erstgericht vertretene Rechtsauffassung.
Im „Gesetzentwurf, betr. Zwangsversteigerung u. Zwangsverwaltung“ (https:// … heißt es in der Denkschrift bezüglich des § 57 ZVG a.F., der erst mit Änderungsgesetz vom 08.06.1915 in § 57 ZVG und § 57 a ZVG getrennt wurde:
„Miethe und Pacht. Ist das zu versteigernde Grundstück vermiethet und der Besitz dem Miether eingeräumt, so liegt es nahe, den für den Fall der freiwilligen Veräußerung geltenden Grundsatz: „Kauf bricht nicht Miethe“ (§§ 571 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) auch auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Ersteher und dem Miether zu übertragen. Andererseits kann es aber der Erzielung eines angemessenen Erlöses Schwierigkeiten bereiten, wenn der Erwerber damit rechnen muß, das Grundstück im Besitz eines Miethers zu finden, dessen Recht vielleicht noch Jahre dauert und auch durch sonstige Beschränkungen dem Eigenthümer hinderlich ist.“
Dies wäre aber gerade der Fall, wenn der Ersteher an einen vertraglichen Kündigungsausschluss gebunden wäre, der dazu führt, dass die Immobilie nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte im Besitz des Mieters verbleibt. Eine solche Beschränkung wäre in gravierendem Maße dem „Eigent(h)ümer hinderlich“ und ist daher auch und gerade vom Sinn und Zweck des Sonderkündigungsrechts umfasst.
Letztlich dient § 57 a ZVG als Ausfluss des Eigentumsgrundrechts nach Art. 14 GG in diesem Lichte auch dem Schutz des Erstehers vor den Folgen kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem früheren Vermieter und Eigentümer einerseits und dem Mieter andererseits.
Um dem Mieter ein dauerhaftes Recht zum Besitz zu verschaffen, das den bisherigen vermietenden Eigentümer nicht, jedenfalls alsbald nicht mehr nennenswert tangiert, könnten vorgenannte Personen nämlich bei konkret bevorstehender, ggf. aber auch bereits bei nur abstrakt drohender Zwangsversteigerung mieterschützende Vereinbarungen (namentlich in Form von Beschränkungen des vermieterseitigen Rechts zur Kündigung) treffen. An diese nachteiligen mietvertraglichen Regelungen wäre der Ersteher dann – ginge man von einer bloßen zeitlichen Wirkung des § 57 a ZVG aus – gebunden.
Hiergegen ließe sich zwar grundsätzlich einwenden, dass auch derjenige Vermieter, der das Mietobjekt „herkömmlich“ rechtsgeschäftlich veräußert, vorherige Vereinbarungen mit dem Mieter zum Nachteil des Erwerbers und künftigen Vermieters treffen könnte. Bei realitätsnaher Betrachtung ist dieses Risiko aber weit geringer, zumal der rechtsgeschäftlich veräußernde Vermieter in der Regel bestrebt sein wird, mietvertragliche Vereinbarungen zu vermeiden, die sich – zumal bei bevorstehender Veräußerung der vermieteten Immobilie – in erheblichem Maße negativ auf den Wert und den Kaufpreis des Mietobjekts auswirken würden. Ein solcher finanzieller Gesichtspunkt wird indes für einen Eigentümer, der mit der Zwangsversteigerung seiner vermieteten Immobilie rechnet oder sogar weiß, dass diese unmittelbar bevorsteht, von wesentlich geringerer oder gar keiner Bedeutung (mehr) sein.
Dem Schutz des Erstehers vor kollusivem Zusammenwirken der früheren Mietparteien ist auch nicht schon dann in hinreichendem Maße Genüge getan, wenn man ihn darauf verweist, dass er einen Missbrauchsfall geltend machen und sich auf § 242 BGB berufen könne. Denn die Voraussetzungen eines Umgehungsgeschäfts zum Nachteil des Erstehers hätte dieser selbst zu beweisen. Dieser Beweis wird ihm jedoch oftmals nur schwer oder sogar überhaupt nicht gelingen, zumal bei vertraglichen Vereinbarungen selbst die Gefahr einer nicht korrekten Datierung bestehen kann. Es wäre daher auch nicht etwa ausreichend, einem engen zeitlichen Kontext zwischen einer (ergänzenden) mietrechtlichen Vereinbarung und dem nachfolgenden Eigentumsübergang auf den Ersteher Indizwirkung für einen Missbrauchsfall beizumessen.
§ 57 a ZVG stellt daher auch unter Berücksichtigung dieser Argumentation eine nicht lediglich zeitlich wirkende Einschränkung des Mieterschutzes dar.
Nach alledem war die Klagepartei vorliegend durchaus berechtigt, eine Eigenbedarfskündigung auszusprechen. Die Kläger waren nicht an den mietvertraglichen Ausschluss der Eigenbedarfskündigung nach § 15.5 gebunden, da sie fristgerecht ihr Sonderkündigungsrecht gem. § 57 a ZVG ausübten.
2. Soweit der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 21.04.1982 – VIII ARZ 16/81, BGHZ 90 (100 f.) = NJW 1982, 1696 = MDR 1982, 747 = Rpfleger 82, 303 = WM 82, 178 = WuM 1983, 46 (m. Anm. Hillebrand) = ZMR 1982, 274 im Rahmen eines obiter dictums den Standpunkt vertrat, der Schutzzweck des § 57 a ZVG erschöpfe sich in der Gewährung eines „zeitlichen Vorteils“, lag dieser ein anderer Sachverhalt zugrunde. Mit der hier streitgegenständlichen Konstellation eines mietvertraglichen Ausschlusses des Rechts zur ordentlichen Eigenbedarfskündigung und dessen Auswirkungen auf den Ersteher des Mietobjekts im Wege der Zwangsversteigerung hatte sich der BGH bislang weder in der vorgenannten Entscheidung noch – soweit ersichtlich – im Rahmen nachfolgender Revisionsverfahren zu befassen.
3. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Endurteil des Amtsgerichts München geht die Kammer überdies davon aus, dass die Kündigung vom 20.10.2018, auf die der Anspruch auf Räumung und Herausgabe vorliegend gestützt wird, hinreichend begründet im Sinne des § 573 Abs. 3 S. 1 BGB und damit formell wirksam ist.
Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB muss der Vermieter die Gründe für sein berechtigtes Kündigungsinteresse gem. § 573 Abs. 2, Abs. 1 BGB in dem Kündigungsschreiben angeben. Maßgeblich für den Umfang der Begründungspflicht ist der Zweck des Begründungserfordernisses:
Der Mieter soll zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangen und so in die Lage versetzt werden, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (BT-Drs. VI 1549, S. 6 f.). Diesem Zweck wird nach der Rechtsprechung des BGH Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann.
Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (BGH, Urt. v. 06.07.2011 – VIII ZR 317/10, NJW-RR 2012, 14).
Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen der Person(en), zu deren Gunsten Eigenbedarf geltend gemacht wird, sind grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urt. v. 13.10.2010 – VIII ZR 78/10, NJW 2010, 3775). Allerdings muss der Vermieter i.d.R. dann Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen der Eigenbedarfsperson machen, wenn er den Nutzungswillen darauf stützt, dass der jetzige Wohnraum deren Bedürfnissen nicht (mehr) entspreche.
Das hier streitgegenständliche Kündigungsschreiben wird den vorgenannten Anforderungen durchaus noch gerecht. Die Kündigung ist hinreichend schlüssig und in einem Umfang begründet, der dem Beklagten bereits zu dem frühen Zeitpunkt ihres Zugangs eine sachgerechte Rechtsverteidigung ermöglichte.
So sprachen die Kläger die Kündigung aus, weil ihr Haus „zu eng für 4 Kinder sei“. Die „kleine Tochter und wir“ müssten dort „derzeit zusammen im Wohnzimmer (wohnen)“.
Auch wenn die Kündigung in diesem Zusammenhang eine genaue Wiedergabe der Größe der momentan klägerseits bewohnten Immobilie sowie die Anzahl der vorhandenen Zimmer vermissen lässt und auch die familiären Verhältnisse nicht näher aufgezeigt sind, machten die Vermieter hierdurch ausreichend konkrete Angaben zu den bisherigen Wohnverhältnissen. Denn der Kündigung lässt sich insoweit immerhin entnehmen, dass insgesamt sechs Personen – die zwei Kläger und vier Kinder – in beengten Verhältnissen in einem Haus zusammenleben. Wie eingeschränkt die dortigen räumlichen Verhältnisse sind, geht dabei v.a. aus dem in der Kündigung ebenfalls genannten Umstand hervor, dass sich die beiden erwachsenen Kläger sogar einen Wohnraum – das Wohnzimmer – mit der „kleine(n) Tochter“ teilen müssen.
Dargelegt wurde auch, dass eines der Kinder („mein Sohn“) in die klagegegenständliche Wohnung umziehen und eines der anderen Kinder („meine Tochter“) in das infolge des Umzugs des Sohnes freiwerdende Zimmer „ziehen“ solle.
Des Weiteren ist in der Kündigung angeführt, dass „mein Sohn“, der „20 Jahre alt“ ist, „in die Wohnung ziehen“ solle, damit „meine Tochter“ in sein Zimmer ziehen könne.
Auch insoweit ließe sich zwar einwenden, dass die Kündigung erneut keinen Namen – also weder den der betroffenen Tochter noch den des 20-jährigen Sohnes – nennt.
Ungewandt erscheint auch, dass die zweifelsfrei von beiden Klägern ausgesprochene Kündigung neben der zutreffenden Formulierung „wir“ auch die Angaben „mein Sohn“ und „meine Tochter“ enthält, ohne dabei klarzustellen, um wessen Kind – das des Klägers zu 1), der Klägerin zu 2) oder das beider Kläger – es sich hierbei handelt.
Anders als die Berufung meint, ist der Zeuge L. H. – der 20-jährige Sohn, von dem in der Kündigung die Rede ist – auf Grundlage der Kündigung gleichwohl als Bedarfsperson hinreichend identifizierbar.
Die Bedarfsperson muss im Kündigungsschreiben individualisiert werden. Dies geschieht regelmäßig durch namentliche Benennung. Eine solche ist indes nicht zwingend erforderlich. Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 573 Abs. 3 BGB ist es vielmehr ausreichend, wenn dem Mieter nach der allgemeinen Bezeichnung („Tochter“, „Sohn“ o.ä.) aufgrund eigener Kenntnisse aus seiner Sicht die Individualisierung der Bedarfsperson möglich ist (BVerfG, Beschl. v. 03.02.2003 – 1 BvR 619/02 – juris Rn. 15, NJW-RR 2003, 1164 und LG Bochum, Urt. v. 18.05.1993 – 9 S 15/93 – juris Rn. 4, WuM 1993, 540 sowie LG München II, Beschl. v. 31.01.1990 – 2 T 1858/89 – juris Rn. 2, WuM 1990, 213; Tiedemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 573 BGB (Stand: 01.02.2020) Rn. 204). Die allgemeine Bezeichnung eines Verwandtschaftsgrads allein ermöglicht dies dem Mieter nur dann nicht, wenn mehrere solche Verwandte (Söhne, Töchter o.ä.) vorhanden sind (AG Neuss, Urt. v. 27.03.1992 – 36 C 545/91, DWW 1992, 245; Tiedemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 573 BGB (Stand: 01.02.2020) Rn. 204).
Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Kläger zu 1) nur Stiefvater bzw. die Klägerin zu 2) nur Mutter eines einzigen Sohnes ist. Hinzu kommt, dass das Alter der Eigenbedarfsperson in der Kündigung angegeben ist.
Dem Erstgericht ist deshalb dahingehend zuzustimmen, dass der Zeuge L. H., der Sohn der Klägerin zu 2) aus früherer Ehe, vor diesem Hintergrund nicht mit Namen benannt zu werden brauchte.
Auch hat das Amtsgericht München rechtlich einwandfrei ausgeführt, dass die Anzahl der Zimmer und die Größe des Hauses der Kläger nicht zu den Kerntatsachen gehören. Gleiches gilt für das Alter der übrigen Kinder. Eine andere Bewertung würde die Anforderungen an die Begründung einer Eigenbedarfskündigung überspannen und wäre mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht in Einklang zu bringen.
4. Soweit vom Beklagten in der 1. Instanz behauptet wurde, der Eigenbedarf sei lediglich vorgeschoben, war das Amtsgericht nach ausführlicher Beweiserhebung und auf Grundlage einer in keiner Weise zu beanstandenden Beweiswürdigung vom Vorliegen des klägerseits geltend gemachten Eigenbedarfs überzeugt.
Da sich die Angriffe der Berufung nicht auch hiergegen richten, bedarf es diesbezüglicher Ausführungen der Kammer nicht.
Die Kündigung vom 20.10.2018 hat daher das Mietverhältnis zum 31.01.2019 beendet.
Zu Recht hat das Amtsgericht somit der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage stattgegeben.
Der hiergegen gerichteten Berufung bleibt vor diesem Hintergrund der Erfolg versagt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
IV.
Der Streitwert wurde entsprechend §§ 47, 41 Abs. 2, Abs. 1 GKG festgesetzt. Maßgeblich ist der zuletzt geschuldete Jahresbetrag der Nettomiete der verfahrensgegenständlichen Wohnung.
V.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt, 1 sowie § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts sind gegeben, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder jedenfalls verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe („Leitentscheidung“) ganz oder teilweise fehlt (BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, 32. Ed. 1.3.2019, ZPO § 543 Rn. 23 m.w.N.).
Dies ist hier aus Sicht der Kammer der Fall. Keiner hinreichenden Klärung zugeführt wurde bislang – soweit ersichtlich – die Frage der Wirksamkeit des mietvertraglichen Ausschlusses einer Eigenbedarfskündigung im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens.
Darüber hinaus hat die Sache nach Rechtsmeinung der Kammer vor diesem Hintergrund auch grundsätzliche Bedeutung. Denn sie wirft entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind (vgl. BeckOK ZPO/Kessal-Wulf, a.a.O. Rn. 19).
Auch der Zulassungsgrund des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO wird vorliegend als einschlägig erachtet, zumal der BGH – obschon bei einem anderen Sachverhalt – im Beschl. v. 21.04.1982 – VIII ARZ 16/81, BGHZ 90 (100 f.) = NJW 1982, 1696 = MDR 1982, 747 = Rpfleger 82, 303 = WM 82, 178 = WuM 1983, 46 (m. Anm. Hillebrand) = ZMR 1982, 274 augenscheinlich die Auffassung vertrat, der Schutzzweck des § 57 a ZVG erschöpfe sich in der Gewährung eines zeitlichen Vorteils.