Europarecht

Kein Schadensersatz wegen des Erwerbs eines angeblich vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Porsche Cayenne mit Erstzulassung im April 2012

Aktenzeichen  9 O 1170/19

Datum:
24.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31830
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UWG § 16
BGB § 826

 

Leitsatz

1. Trägt der Käufer eines gebrauchten Porsche Cayenne vor, der von Audi bezogene, angeblich manipulierte Motor habe ab dem Modelljahr 2013 in Fahrzeugen Cayenne-Diesel-SUV  eingebaut werden sollen, während die Erstzulassung seines Fahrzeugs bereits im April 2012 erfolgte, ist der Einbau eines manipulierten, von Audi bezogenen Motors bereits nach dem eigenen Vortrag des Käufers ausgeschlossen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet und von den Zulassungsbehörden anerkannt, so dass deren Verwendung nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig.
Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus dem Streitwert. Die örtliche Zuständigkeit beruht auf § 29 bzw. 32 ZPO. Das streitgegenständliche Fahrzeug befindet sich nach wie vor am Wohnsitz des Klägers, der im hiesigen Bezirk wohnt.
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte sind nicht gegeben.
1. Das Fahrzeug des Klägers ist nicht vom sogenannten Diesel-Abgasskandal betroffen.
a) Nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei sollte der von Audi bezogene, angeblich manipulierte Motor (erst) in Fahrzeugen Cayenne-Diesel-SUV des Modelljahrs 2013 eingebaut werden. Nachdem die Erstzulassung des Fahrzeugs des Klägers jedoch bereits im April 2012 erfolgte, ist dieses Fahrzeug jedenfalls spätestens im Frühjahr 2012 gebaut worden. Der Einbau eines manipulierten, von Audi bezogenen Motors ist bereits nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei damit ausgeschlossen.
b) Die Behauptung der Klagepartei, das streitgegenständliche Fahrzeug sei ebenfalls mit einer Manipulationssoftware ausgestattet, ist ein Vortrag ins Blaue hinein.
Bereits angesichts der zeitlichen Dimensionen, insbesondere der Übernahme von Porsche durch die V. AG erst im Jahr 2010 und der allgemein bekannten Dauer von Umstellungen bei der Fahrzeugproduktion, erscheint eine Betroffenheit des 2012 erstzugelassenen Fahrzeugs des Klägers als ausgeschlossen. In das streitgegenständliche Fahrzeug ist keiner der Motoren verbaut, die vom Diesel-Abgasskandal betroffen sind, weder ein Motor EA 189 noch ein Motor EA 288.
Auch die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 20.02.2019 (Anlage B1) spricht gegen eine Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor. Gleiches gilt für die Mitteilung von Porsche vom 17.09.2018 (Anlage R1), wonach Porsche des Typs Cayenne, allerdings mit einem anderen Motor, bezüglich der Modelljahre 2013-2016 betroffen sind, nicht aber das streitgegenständliche Fahrzeug.
Ferner zeigt auch die Behauptung des Klägers, eine fehlerhafte Dosierung des Harnstoffmittels AdBlue im SCR Katalysator führe dazu, dass das Fahrzeug weniger AdBlue verbrauche, als für die Erreichung der Grenzwerte notwendig sei, obgleich die AdBlue-Technologie bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Anwendung findet, das Fahrzeug auch über keinen AdBlue-Tank verfügt, dass der Sachvortrag des Klägers zur Existenz von Abschalteinrichtungen ersichtlich ins Blaue hinein erfolgt.
Eine Behauptung ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufzustellen, ist rechtsmissbräuchlich; die entsprechende Behauptung ist prozessual unbeachtlich.
2. Es fehlt ferner an substantiiertem Sachvortrag, wann welche Organe, insbesondere Vorstandsmitglieder der Beklagten wann Kenntnis von der Verwendung bzw. dem Einsatz der Motorsoftware haben sollten und durch wen und in welcher Form eine Täuschung oder Schädigung des Klägers erfolgt sein soll. Es ist nicht im Ansatz erkennbar, wer wen wann worüber in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug informiert haben soll.
Die Beklagte trifft in diesem Zusammenhang nach Überzeugung des Gerichts keine sogenannte sekundäre Darlegungslast, wie von der Klagepartei behauptet. Mangels des Vortrags zumindest greifbarer Anhaltspunkte durch die Klagepartei liefe eine sekundäre Darlegungslast auf eine unzulässige Ausforschung der Beklagten hinaus.
3. Thermofenster sind bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet und von den Zulassungsbehörden anerkannt. Die Verwendung eines Thermofensters verstößt daher nicht in das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
Eine Auslegung, wonach ein Thermofenster zulässig ist, ist jedenfalls nicht eindeutig unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des konkreten Fahrzeugs kann nicht als besonders verwerfliches Verhalten im Sinne des § 826 BGB angesehen werden. Mangels anderweitiger Anhaltspunkt ist allenfalls von einer fahrlässigen Verkennung der Rechtslage auszugehen. Dann fehlt es aber an einem notwendigen Schädigungsvorsatz, da dieser das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigende Inkaufnahme desselben erfordert.
4. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen etwaigen Verstoßes gegen die §§ 6, 27 EG-FGV scheidet bereits deshalb aus, weil es sich nicht um Schutzvorschriften i.S.d. § 823 BGB handelt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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