Baurecht

Erzielung der Nachverdichtung in zweiter Reihe  planungsrechtlich nicht zu beanstanden

Aktenzeichen  1 N 17.2215

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2751
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 2a, § 214 Abs. 1 Nr. 1
BayBO Art. 6 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Verkürzung der Abstandsflächentiefe gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB in einem festgesetzten Mischgebiet auf H/2 zur Erzielung einer Nachverdichtung in zweiter Reihe zum …platz, an dem bereits eine geschlossene Bebauung besteht oder planungsrechtlich zulässig ist, ist nicht zu beanstanden. (Rn. 23)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Normenkontrollantrag scheitert entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin nicht an der Antragsbefugnis der Antragstellerin und es fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, das im Normenkontrollverfahren als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung neben die Antragsbefugnis tritt und im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss.
1.1. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragstellerin muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Wer sich als außerhalb des Bebauungsplangebiets wohnender Grundstückseigentümer gegen einen Bebauungsplan wendet, muss aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2013 – 4 BN 13.13 – juris Rn. 4). Das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung beachtlich sind. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass diese Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend abgearbeitet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16. April 2018 (1 NE 18.499) ausgeführt hat, kann die Antragstellerin als Nachbarin des Plangebiets geltend machen, dass bei der Festsetzung der Abstandsflächen mit generell H/2 ihre nachbarlichen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Wird wie vorliegend ein Bebauungsplan geändert, in dessen Geltungsbereich sich das Grundstück der Antragstellerin befindet, ist das Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung grundsätzlich zu berücksichtigen. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen eines Bebauungsplans, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Abweichendes ergibt sich bei (objektiv) geringfügigen Änderungen oder bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (vgl. BVerwG, B.v. 28.5.2019 – 4 BN 44.18 – ZfBR 2019, 689; B.v. 20.8.1992 – 4 NB 3.92 – NVwZ 1993, 468; BayVGH, U.v. 6.12.2019 – 15 N 18.636 – juris Rn. 18). In dem bisher geltenden einfachen Bebauungsplan war für das Plangebiet offene Bauweise festgesetzt, zum Grundstück der Antragstellerin hin war keine von Art. 6 BayBO abweichende Abstandsflächenfestsetzung vorgesehen. Die Antragstellerin kann daher eine Antragsbefugnis aus dem Recht auf gerechte Abwägung ihrer Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB herleiten.
Der Antrag ist nicht unzulässig, weil die Antragstellerin während der öffentlichen Auslegung des Planentwurfs in der Zeit vom 24. August bis zum 26. September 2016 keine Einwendungen gegen den Plan erhoben hat. Die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO wurde mit Wirkung vom 2. Juni 2017 aufgehoben (vgl. VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642/16 – BauR 2018, 240 (nur) Unzulässigkeit einer zum Änderungszeitpunkt bereits erhobenen Normenkontrollklage).
1.2. Das Erfordernis eines Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Gerichte in eine Normprüfung eintreten, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist, weil es seine Rechtsstellung nicht verbessern kann. Es ist aber nicht erforderlich, dass die begehrte Erklärung einer Norm als unwirksam unmittelbar zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt. Ist ein Bebauungsplan durch eine genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahme vollständig verwirklicht, so wird der Antragsteller allerdings in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können. Ungeachtet dessen richtet es sich nach den jeweiligen Interessen im Einzelfall, ob das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, die beantragte Rechtsverfolgung also nutzlos ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.2015 – 4 BN 25.15 – BayVBl 2016, 387; B.v. 8.2.1999 – 4 BN 55.98 – NVwZ 2000, 194).
Zwar ist die Seniorenwohnanlage, die im Genehmigungsfreistellungsverfahren errichtet wurde und mit der die Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeschöpft werden, mittlerweile fertiggestellt und bezogen. Die Antragstellerin hat aber in der Bauphase eine zivilrechtliche Klage erhoben, mit der sie die Beseitigung des Gebäudes fordert, soweit die Abstandsflächentiefe von 1 H nicht eingehalten wird. Für diese Klage ist die Frage der Wirksamkeit des Bebauungsplans weiterhin von Bedeutung. Die Zivilrichterin hat hierzu noch keine Entscheidung getroffen, sondern nur einen Beweisbeschluss zu der Behauptung der Antragstellerin erlassen, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen an der Ostseite die erforderliche Abstandsfläche von H/2 nicht einhalte.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Es liegt weder das geltend gemachte Ermittlungsdefizit hinsichtlich der von der Gaststätte bzw. insbesondere von der Außenbereichsnutzung ausgehenden Immissionen vor (2.1) noch liegen die gerügten Abwägungsmängel (2.2.) vor.
2.1. Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Dabei muss die Gemeinde private Belange nur berücksichtigen, soweit sie ihr bekannt sind oder bekannt sein müssen (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Private Belange müssen weiter nur berücksichtigt werden, wenn die Belange in der konkreten Planungssituation einen städtebaulichen Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind ferner geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht. Hat die Gemeinde erkannt, dass ein von der Planung berührter Belang hiernach nicht abwägungsbeachtlich ist, muss sie diesen Punkt nicht weiter ermitteln. Steht jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fest, dass der Belang nicht abwägungsbeachtlich war, kommt es für die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht darauf an, ob bereits die Gemeinde dies zutreffend ermittelt und bewertet hat (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2008 – 4 CN 1.07 – BVerwGE 131, 100).
Zwar hat die Antragstellerin im Bebauungsplanverfahren keine Einwendungen geltend gemacht, ihr Lebenspartner hat aber in die ausgelegten Unterlagen Einsicht genommen. Die Verwaltung der Antragsgegnerin hat hierzu die Stichworte „Verschattung Betriebsgarten im Westen des Anwesens, Einsicht wegen Geschossigkeit, Höhe“ sowie den Umstand notiert, dass keine Stellungnahme abgegeben werden soll. Damit kann das Vorhandensein einer dortigen Freiflächennutzung jedenfalls als bekannt vorausgesetzt werden. Die Antragsgegnerin hat im Normenkontrollverfahren aber zutreffend vorgetragen, dass sich die Art der baulichen Nutzung mit der Bebauungsplanänderung nicht geändert hat. Der einfache Bebauungsplan hatte bereits vorher für das gesamte Plangebiet eine Mischgebietsnutzung vorgesehen, diese Art der baulichen Nutzung wurde im Änderungsbereich wieder festgesetzt. Nach § 6 Abs. 1 BauNVO dienen Mischgebiete dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Damit musste die Antragstellerin schon bisher auf die am H.platz angrenzende Wohnbebauung Rücksicht nehmen. Eine Bebauung auf dem Plangrundstück kann keine größere nachbarliche Rücksichtnahme einfordern, als dies eine dort auch bisher zulässige Wohnbebauung gekonnt hätte. Mit dem vorgelegten gaststättenrechtlichen Bescheid vom 28. Juli 2009, mit dem ein Wirtschaftsgarten mit 36 m² und 20 Gastplätzen genehmigt wird, werden der Antragstellerin aus immissionsrechtlicher Sicht auch Auflagen gemacht. Der Betrieb des Wirtschaftsgartens ist nur während der Tagzeit zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr zulässig und Musikdarbietungen im Freien sind unzulässig. Der Wirtschaftgarten grenzt auch nicht direkt an das Plangebiet an. Wie sich bei dieser Sachlage der Antragsgegnerin eine Ermittlung der von der Gaststätte bzw. der Außenbereichsnutzung ausgehenden Immissionen hätte aufdrängen müssen, wurde im Normenkontrollverfahren nicht ansatzweise substantiiert vorgetragen.
2.2. Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573; U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301). Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dies gilt auch für das Verhältnis der von der Planung betroffenen privaten und öffentlichen Belange untereinander. Führt eine Planänderung dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise genutzt werden dürfen, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. Die Annahme der Abwägungsbeachtlichkeit nachbarlicher Interessen bedeutet aber nicht, dass sie sich in der Abwägung auch durchsetzen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 18.10.2006 – 4 BN 20.06 – BauR 2007, 331; B.v. 20.8.1992 – 4 NB 3.92 – NVwZ 1993, 468).
Nach diesen Maßstäben liegen die gerügten Abwägungsmängel nicht vor. Wie bereits ausgeführt, mussten von der Gaststätte der Antragstellerin bzw. der Außenbereichsnutzung ausgehende Geräuschimmissionen nicht in die Abwägung eingestellt werden. Die Verkürzung der Abstandsflächentiefe im Plangebiet auf H/2 ist nach einer ordnungsgemäßen Abwägung der berührten Belange erfolgt.
Die Antragsgegnerin hat aus städtebaulichen Gründen ein von Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO abweichendes Maß der Abstandsflächentiefe festgesetzt. Rechtsgrundlage für die Verkürzung der Abstandsflächentiefe von 1 H auf H/2 ist § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB. Es wird nicht, wie die Antragstellerin meint, eine unzulässige Abstandsflächenfestsetzung nach Art. 6 Abs. 5 BayBO vorgenommen. § 9 BauGB wird im Bebauungsplan als Festsetzungsgrundlage genannt (vgl. die textlichen Festsetzungen nach § 9 BauGB unter III. Ziff. 1) und in der Begründung zur Bebauungsplanänderung wird ausgeführt, dass die Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung zur Erzielung der gewünschten Nachverdichtung anzupassen sind. Soweit auf die Vorschrift des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO Bezug genommen wird, wird lediglich die gesetzliche Regelung dargestellt, die ohne Abstandsflächenverkürzung besteht. Die Festsetzungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB soll den Gemeinden die Möglichkeit geben, aus städtebaulichen Gründen vom Bauordnungsrecht des jeweiligen Landes abweichende Maße der Abstandsflächentiefe festzusetzen (vgl. BT-Drs. 16/3308, S. 17). Dabei ist sowohl eine Erhöhung der Abstandsflächentiefe als auch die Festsetzung einer geringeren Tiefe möglich (vgl. OVG NW, U.v. 15.11.2017 – 7 D 55/16.NE – juris Rn. 51; NdsOVG, B.v. 22.12.2014 – 1 MN 118/14 – BauR 2015, 620). Da in Bayern (noch) ein von der Musterbauordnung (vorgeschlagene reguläre Abstandsfläche 0,4 H) abweichendes Abstandflächenrecht gilt (geplante Änderung im aktuellen Gesetzentwurf zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus), kann sich vor allem ein städtebaulicher Bedarf für die Festsetzung einer geringeren Abstandsflächentiefe ergeben (vgl. Mustererlass zum BauGBÄndG 2007, S. 12). Im Rahmen der gemäß § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung sind die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) zu berücksichtigen (vgl. NdsOVG, B.v. 22.12.2014 a.a.O.)
Die Antragsgegnerin hat in ihre Abwägung die mit den Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung verfolgten Ziele, ihre städtebaulichen Belange und die Interessen der Grundstücksnachbarn eingestellt und ist zu dem rechtmäßigen Abwägungsergebnis gekommen, dass mit der aus städtebaulichen Gründen vorgegebenen Abstandsflächentiefe von H/2 das notwendige Maß an Belichtung und Besonnung – auch im Hinblick auf die Nachbargrundstücke – gewahrt sei. Als Zweckbestimmung der Abstandsflächen werden in der Begründung zum Bebauungsplan zutreffend gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, ein sozial verträgliches Wohnen mit einem ausreichenden Abstand zu den Nachbarn und der notwendige Brandschutz genannt (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 17.90 – BVerwGE 88,191; BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 B 14.819 – BayVBl 2015, 347; U.v. 30.5.2003 – 2 BV 02.689 – BayVBl 2004, 369; offengelassen zum sog. Wohnfrieden BayVGH, B.v. 17.7.2018 – 9 ZB 15.2458 – juris Rn. 10). Weiter geht die Antragsgegnerin zu Recht davon aus, dass bei einem Wert von 0,5 H regelmäßig eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung der Bebauung im öffentlichen wie im privaten Interesse gewährleistet ist (vgl. das in der Musterbauordnung vorgesehene Maß von 0,4 H, das bereits in zahlreichen Bundesländern gilt). Als städtebauliche Belange werden in der Begründung und in der Abwägung (vgl. den Auszug aus der Stadtratssitzung vom 17.11.2016) herausgestellt, dass mit der Planung ein dringender Wohnbedarf an zentrumsnahen Wohnungen, gerade auch für Personen mit eingeschränktem Bewegungskreis, gedeckt werden soll, eine Nachverdichtung dem Grundsatz der Landesentwicklung nach sparsamen Umgang mit Grund und Boden entspricht (vgl. § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB) sowie in der Umgebung bereits eine zusammenhängende geschlossene Bauweise vorliegt. Bei der umliegenden Bebauung wird für die im Osten angrenzenden Grundstücke berücksichtigt, dass es sich hier um den rückwärtigen Grundstückbereich mit keiner direkt angrenzenden Wohnbebauung handelt, sondern sich dort (nur) Nebengebäude befinden. Dies ergibt sich auch anschaulich aus dem kleinen Modell des geplanten Bauköpers, der Grundlage für den Änderungsplan war, und mit dem aus unterschiedlichen Blickwinkeln das Verhältnis zur umgebenden Bebauung dargestellt wurde (vgl. Begründung zum Bebauungsplan, S. 20 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den städtebaulichen Interessen den Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung der bisherigen Planungssituation gegeben hat. Gerade in dicht bebauten Innenstadtbereichen und historisch gewachsenen Stadtquartieren, in denen bereits eine Bebauung mit zu geringen Grenzabständen vorhanden ist, kommt eine Verringerung des Regelgrenzabstands in Betracht (vgl. NdsOVG, B.v. 22.12.2014 – 1 MN 118/14 – BauR 2015, 620). Sowohl bei der angrenzenden Bebauung am H.platz als auch an der B…straße liegt eine geschlossene Bebauung vor bzw. ist eine solche planungsrechtlich zulässig. Dem städtebaulichen Gedanken eines verdichteten Bauen im innerstädtischen Bereich hat im Übrigen auch der Gesetzgeber durch die Verkürzung der Abstandsflächentiefe auf 0,5 H im urbanen Gebiet Rechnung getragen (vgl. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO), das als neuer Baugebietstyp im Mai 2017 in die Baunutzungsordnung (§ 6a BauNVO) aufgenommen wurde und eine Nachverdichtung im innerstädtischen Bereich und ein Miteinander von Wohnen und Arbeiten erleichtern soll. Die durch die Verringerung der Abstandsflächentiefe bedingte vermehrte Schattenbildung im rückwärtigen Grundstücksbereich musste die Antragsgegnerin nicht gesondert in die Abwägung einstellen. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 19). Letztlich beklagt die Antragstellerin vor allem, dass eine besonders günstige Lage ihres Wirtschaftsgartens aufgrund der zuletzt großteils brachliegenden Fläche weggefallen sei. Gerade in innerstädtischen Lagen kann aber nicht erwartet werden, dass das Grundstück auch bei niedrigerem Sonnenstand optimal durch Sonneneinstrahlung belichtet wird.
Die gerügte unklare Abstandsflächenfestsetzung im Bereich des Bestandsgebäudes auf FlNr. 59 und der damit geltend gemachte Abwägungsmangel liegen ebenfalls nicht vor. Die Regelung, dass entweder direkt an das Gebäude mit einer Brandwand angebaut werden darf oder ein Grenzabstand von mindestens 5,0 m eingehalten werden muss, resultiert aus dem Abstandsflächenrecht und Planungsrecht (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, § 22 Abs. 3 BauNVO) bzw. dem Brandschutz (vgl. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen