Aktenzeichen 461 C 11331/19
Leitsatz
1. Begründet der Vermieter die Räumungsklage mit mehreren Kündigungen, so liegt dennoch ein prozessualer Streitgegenstand vor, so dass der Mieter, soweit eine der Kündigungen wirksam ist, in der Regel zur Räumung und Herausgabe mit voller Kostentragungslast zu verurteilen ist, ohne dass eine Klageabweisung im Übrigen im Hinblick auf nichterledigte Kündigungen erfolgt. Legt der Vermieter nicht ausdrücklich eine Prüfungsreihenfolge für die ausgesprochenen Kündigungen fest, hat das Gericht diejenige Kündigung heranzuziehen, die schnellstmöglich, etwa ohne Beweisaufnahme, zu einer Räumungsentscheidung führt. (Rn. 50 – 51 und 61) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die juristische Frage, wann und wie jemand Mieter geworden ist, muss ein Vermieter, insbesondere eine juristische Person, die dauerhaft eine Hausverwaltung eingeschaltet hat, zunächst selbst klären. Bedient er sich dabei eines Anwalts, ist dies nicht erforderlich und die vorgerichtlichen Anwaltskosten durch den Mieter nicht zu ersetzen. (Rn. 91 – 95) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, die im Anwesen … im Vorderhaus, 4. Obergeschoss rechts gelegenen Wohnung bestehend aus 2,5 Zimmern, Küche, Bad, und Kelleranteil zu räumen und an die Klagepartei herauszugeben.
2. Der Beklagten zu 2) wird eine Räumungsfrist bis zum 29.02.2020 gewährt.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits samtverbindlich zu tragen.
4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Das Urteil ist aus Ziffer 1 vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.500,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
6. Das Urteil ist ansonsten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.025,60 € festgesetzt.
Gründe
Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif.
Der Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 15.11.2019 wurde berücksichtigt, die beiden Schriftsätze der Klagepartei vom 08.11.2019 und vom 22.11.2019 wurden nicht berücksichtigt. Der Klagepartei war keine Erwiderungsmöglichkeit zum Beklagtenschriftsatz vom 15.11.2019 einzuräumen.
Der Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 12.12.2019 wurde nicht berücksichtigt, § 296a ZPO.
Keiner der Schriftsätze bot Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung, § 156 ZPO.
Der Klage war im tenorierten stattzugeben, da sie zulässig und überwiegend begründet ist; im den Nebenkosten war sie unbegründet und abzuweisen.
A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München sachlich und örtlich zuständig, weil die Streitigkeit einem Mietverhältnis über eine in München gelegene Wohnung entspringt, §§ 29a Abs. 1 ZPO, 23 Nr. 2a GVG.
B. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch aus § 546 Abs. 1 und 2 BGB, da jedenfalls die fristlose Kündigung aus dem Schriftsatz vom 14.09.2019 das Mietverhältnis beendet hat.
Der Beklagte zu 1) ist Mieter der streitgegenständlichen Wohnung. Er ist jedenfalls als Erbe gemäß § 564 S. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten. Dass der Beklagte zu 1) Erbe des Mieters Karl Konat war, ergibt sich schon daraus, dass er der Sohn des Mieters ist, §§ 1922 Abs. 1, 1924 BGB. Eine von der gesetzlichen Erbfolge abweichende Erbfolge hat die Klagepartei nicht aufgezeigt, sondern nur unsubstantiiert die Erbenstellung des Beklagten bestritten, der zudem einen Erbschein vorlegt hat, § 2365 BGB.
Es kann an dieser Stelle und auch sonst offenbleiben, ob sich die Mieterstellung des Beklagten zu 1) auch sonst ergäbe, weil er etwa bereits gemäß § 563 BGB in das Mietverhältnis eingetreten wäre oder weil er seit 1990 ununterbrochen Mieter gewesen ist. Denn der Beklagte wäre jedenfalls immer aufgrund desselben Mietvertrages Mieter.
I. Die Kündigung aus dem Schriftsatz vom 14.09.2019 fiel auch zur Entscheidung an.
Dem Gericht fällt jede zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erklärte und in den Prozess eingeführte Kündigung zur Entscheidung an. Das Gericht ist frei darin, auf welche wirksame Kündigung es den Räumungsanspruch stützt. Der Mieter ist dann in der Regel zur Räumung und Herausgabe mit voller Kostentragungslast zu verurteilen, ohne dass eine Klageabweisung im übrigen im Hinblick auf nichterledigte Kündigungen erfolgt (a.A. AG Koblenz, 412 C 1637/18, WuM 2018, 795; OLG Sachsen-Anhalt vom 13.09.2011, 2 U 61/11, NL-BzAR 2011, 490). Die bisherige ständige Rechtsprechung und Praxis des Amtsgerichts München ist nicht zu beanstanden.
Im Räumungsrechtsstreit bilden auch bei Zugrundelegung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffes im Räumungsrechtsstreit nicht jeweils mehrere Kündigungen mehrere Streitgegenstände. Der Streitgegenstand wird vielmehr gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch den Räumungsantrag und durch den Lebenssachverhalt gebildet, wie sich das Mietverhältnis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in seiner Gesamtheit darstellt. Denn Streitgegenstand ist nicht die einzelne Kündigung. Der Lebenssachverhalt, dessen Maßgeblichkeit immer nur im Hinblick auf den konkreten Antrag bestimmt werden kann, wird durch die Tatsache gebildet, dass im Rahmen eines Mietverhältnisses die Sache übergeben wurde und das Mietverhältnis beendet oder nicht beendet ist.
Selbst wenn davon ausgehen sollte, dass jede Kündigung einen eigenen Streitgegenstand bildet, müsste man im Räumungsprozess anders als im Marken- oder Urheber- oder Arbeitsrecht die alternative Klagehäufung zulassen. Der Streitgegenstandsbegriff steht dem nicht entgegen, weil nicht aus Begriffen Rechtsfolgen abgeleitet werden können, sondern nur aus dem Gesetz. Im Bereich des Prozessrechts kommt zudem den praktischen Erfordernissen des Zivilprozesses entscheidende Bedeutung zu.
1. Im Räumungsrechtsstreit wird der Lebenssachverhalt, der den Streitgegenstand bestimmt, nicht durch die einzelnen Kündigungen gebildet, sondern durch die Gesamtheit des Mietverhältnisses.
Es liegt im Räumungsrechtsstreit in einem Mietverhältnis bei einer Mehrheit von Kündigungen keine alternative Klagehäufung vor. Denn der Streitstoff bildet bis einschließlich zur letzten Kündigung immer einen einheitlichen Lebenssachverhalt, zu dem nur ein Antrag gestellt ist (vgl. BGH vom 22.10.2013, XI ZR 42/12, NJW 2014, 314, Rz. 22, betreffend Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten). Die einzelnen Kündigungen zerschlagen den einheitlichen Lebenssachverhalt nicht in verschiedene Lebenssachverhalte, die bei einem zweigliedrigem Streitgegenstandsbegriff trotz des gleichen Antrags zu einer Mehrheit von Streitgegenständen führen würden.
Das ergibt sich schon aus dem Gesetz. Gemäß § 573 Abs. 3 S. 1 S. 2 BGB werden andere Gründe nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind. Auch der Gesetzgeber geht also davon aus, dass der maßgebliche Streitstoff, den das Gericht zu berücksichtigen hat, nicht mit dem Zugang der Kündigung abschließend festgelegt wird.
Was zum relevanten Lebenssachverhalt gehört, kann jeweils nur mit Blick auf den gestellten Antrag und das zugrundeliegende Rechtsverhältnis (etwa Marke oder Mietvertrag) beurteilt werden.
Dies zeigt sich schon daran, dass bei der Abwägungsentscheidung nach § 543 Abs. 1 und 573 Abs. 1 BGB das Gericht sowieso stets das gesamte Mietverhältnis in den Blick nehmen muss und etwa eine frühere Kündigung als Abmahnung für eine spätere Kündigung dienen kann. Dies gilt auch für zutreffende Entscheidungen über die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574 BGB oder die Gewährung einer Räumungsfrist nach § 721 ZPO, wo es ebenfalls auf die Lage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ankommt, nicht auf den Zeitpunkt bei Zugang der Kündigung oder Ablauf der Kündigungsfrist.
Zudem ist der Gleichlauf zur Herausgabeklage des Vermieters nach § 985 BGB und zur Besitzeinräumungsklage des Mieters nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB zu wahren, wenn der Mieter sich auf ein bestehendes Mietverhältnis beruft und auch alle ausgesprochenen Kündigungen abwehren muss. Insbesondere der Gleichlauf zur Herausgabeklage nach § 985 BGB ist zu wahren, da der Vermieter in der Regel Eigentümer der Wohnung ist. Die strukturelle Ähnlichkeit des § 546 Abs. 1 BGB zum Anspruch aus § 985 BGB rechtfertigt eine andere Handhabung als im Markenrecht und im Arbeitsrecht.
Der maßgebliche Lebenssachverhalt wird bei der Räumungsklage nicht durch die einzelnen Kündigungen bestimmt, sondern durch die Nichtunbeendetheit des Mietverhältnisses. Die entscheidende Frage ist nicht, ob eine Kündigung wirksam ist, sondern ob das Mietverhältnis beendet ist. Dies könnte etwa auch durch Ablauf der Befristung oder durch Aufhebungsvertrag erfolgt sein. Eine Kündigung liegt mit einem Markenrecht nicht auf einer Ebene. Eine Marke entspricht vielmehr als ein den Streitgegenstand bestimmendes Element des Lebenssachverhaltes der Übergabe einer Sache im Rahmen eines Mietvertrages.
Auf die Frage, welche Kündigung das Mietverhältnis beendet hat, kommt es hingegen etwa an, wenn im Räumungsrechtsstreit verschiedene Anträge gestellt sind, etwa wenn zum Antrag auf sofortige Räumung noch ein Antrag auf zukünftige Räumung gestellt ist, weil für eine der Kündigungen die Kündigungsfrist erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung abläuft. Dann handelt es sich um zwei verschiedene Streitgegenstände, wobei sich dies aus der Stellung verschiedener Anträge ergibt. Auf die Frage, welche Kündigung das Mietverhältnis beendet hat, kommt es auch häufig an, wenn keine Räumungsklage erhoben wurde, sondern etwa Zahlungsklage auf die Zahlung die vereinbarte Miete übersteigender Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB. Dann muss in der Tat je nach dem Zeitpunkt, zu dem der Vermieter erstmals die höhere Nutzungsentschädigung verlangt, geprüft werden, ob es eine Kündigung gibt, die bereits zu diesem Zeitpunkt und nicht erst zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung das Mietverhältnis beendet hat.
Führt der Vermieter eine Kündigung in den Prozess ein, stellt er diese erkennbar zur Prüfung des Gerichts, sonst würde er sie nicht zum Prozessgegenstand machen. Legt der Vermieter nicht ausdrücklich eine Prüfungsreihenfolge für die ausgesprochenen Kündigungen fest, will er erkennbar, §§ 133, 157 BGB, dass das Gericht diejenige Kündigung heranzieht, die schnellstmöglich, etwa ohne Beweisaufnahme, zu einer Räumungsentscheidung führt. Es ist gar kein anderes Interesse des Vermieters als genau dieses erkennbar. Insbesondere hat der Vermieter im Räumungsrechtsstreit erkennbar kein Interesse daran, dass die Prüfungsreihenfolge des Gerichts sich danach richtet, welche Kündigung früher erklärt wurde oder früher das Mietverhältnis beendet hat, wenn nur jedenfalls zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung die Kündigung das Mietverhältnis beendet hat. Die Festlegung einer Prüfungsreihenfolge kann auch konkludent geschehen (BAG vom 02.08.2018, 6 AZR 437/17, NZA 2019, 641). Eine solche Bedingung des Klägers ist auch eine zulässige, nämlich innerprozessuale Bedingung.
Dass einer Entscheidung, jedenfalls eine spätere Kündigung habe das Mietverhältnis beendet, nicht entgegengehalten werden kann, dies sei nicht möglich, wenn bereits eine frühere oder andere Kündigung das Mietverhältnis früher beendet hat, ist seit dem Aufsatze Theodor Kipps über die Doppelwirkung im Recht aus dem Jahr 1911 dogmatisch geklärt. Da durch das Räumungsurteil nicht mit Rechtskraft feststeht, welche Kündigung überhaupt das Mietverhältnis beendet hat, richtet sich auch das Untersuchungsprogramm des Gerichts nicht auf die Frage, welche Kündigung das Mietverhältnis (zuerst) beendet hat.
Diese ganze Problematik wird insbesondere deutlich bei gestreckten Kündigungslagen oder bei Dauerpflichtverletzungen, bei denen es in der Natur der Sache liegt, dass mit jeder neuen Abmahnung oder Kündigung das Gewicht der Pflichtverletzung steigt. Insbesondere bei gestreckten Kündigungslagen (fortlaufende Anstieg der Mietrückstände, weil der Mieter mindert) oder Dauerpflichtverletzung ist der Vermieter erkennbar der Meinung, dass die jeweils spätere Kündigung mehr Aussicht auf Erfolg hat, weil sich die Pflichtverletzung vergrößert oder vertieft hat. Es ist daher für den Beklagten und das Gericht ohne weiteres erkennbar, dass der Vermieter zunächst die Prüfung der späteren Kündigung will, ohne dass der Vermieter von seiner Position abrückt, auch schon die früheren Kündigungen seien wirksam.
Es liegt dann jeweils ein einheitliche Lebenssachverhalt vor, weil der Lebenssachverhalt bis zur letzten Kündigung immer das gesamte Mietverhältnis und damit auch die früheren Kündigungen und Kündigungssachverhalte umfasst. Bei einer Zahlungsverzugskündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3b BGB kommt es auf die Höhe der Mietrückstände auf einen Zeitraum mehrerer Monate an. Jede Kündigung ist selbst wiederum eine Abmahnung und lässt spätere Pflichtverletzungen gemäß § 543 Abs. 1 BGB und § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB in einem schärferen Licht erscheinen.
Weder der Kläger noch der Beklagte wollen, dass das Gericht frühere Kündigungen, etwa durch Beweisaufnahme, abarbeitet.
Der Mieter wird dadurch auch nicht unangemessen benachteiligt. Der Mieter muss sich sowieso im Rechtsstreit gegen alle Kündigungen verteidigen. Dies liegt in der Natur der Sache. Der Mieter kann in der Regel auch erkennen, dass durch einen neuen Schriftsatz mit neuer Kündigung der Streitstoff ausgeweitet wird.
Der Mieter ist kostenrechtlich dadurch geschützt, dass er nach jeder neuen Kündigung den Räumungsanspruch sofort im Sinne des § 93 ZPO anerkennen kann. Bei einer Beweisaufnahme, die sich als unergiebig erweist, kann das Gericht von § 96 ZPO Gebrauch machen. Schutzwirkung entfaltet dabei auch § 41 Abs. 1, 2 GKG. Denn der Mieter muss jedenfalls nie mehr Kosten tragen, als er trüge, wenn er im Räumungssrechtsstreit um eine Kündigung unterlegen wäre, weil der Gebührenstreitwert nicht je nach Anzahl der Kündigungen zu erhöhen ist.
Wenn feststeht, dass zum Schluss der mündlichen Verhandlung jedenfalls eine Kündigung das Mietverhältnis beendet hat, hat der Mieter gemäß § 272 Abs. 4 ZPO und etwa § 570 BGB kein berechtigtes Interesse, das Räumungsurteil dadurch hinauszuzögern, dass andere Kündigungen abgearbeitet werden.
Auch zur Entscheidung über die Kosten ist dies nicht veranlasst. Das System des Kostenrechts der §§ 91 ff. ZPO ist nicht auf materielle Gerechtigkeit angelegt, sondern legt grundsätzlich mechanisch dem die Kosten auf, der im Rechtsstreit unterliegt. Das Gericht soll nicht nur deshalb Beweise erheben oder schwierige Rechtsfragen entscheiden, damit es eine gerechte Kostenentscheidung treffen kann (vgl. zur Entscheidung nach § 91 a ZPO bei übereinstimmender Erledigterklärung Althammer/Zöller, ZPO, 33. Auflage, 2020, § 91a Rn. 24, 26).
2. Im übrigen wäre im Räumungsrechtsstreit ansonsten eine alternative Häufung von Klagegründen zuzulassen. Es wäre völlig unpraktisch, würde das Gericht mit Beweisaufnahmen in die Prüfung von Kündigungsgründen eintreten, obwohl schon feststeht, dass jedenfalls eine spätere Kündigung das Mietverhältnis beendet hat. Das Gericht kann auch nicht gehalten sein, im Laufe des Prozesses und der Beweisaufnahme ständig den Parteien mitzuteilen, welche Kündigung es derzeit eher für begründet hält, damit dann die Klagepartei dem Gericht eine andere Prüfungsreihenfolge vorgibt, worin dann eine Klageänderung zu sehen wäre. Denn dem modernen Zivilprozessrecht ist das Institut des Interlocuts fremd.
Die Unpraktikabilität der Annahme einer Unzulässigkeit einer alternativen Klagehäufung zeigt etwa ein Fall, in dem der Vermieter wegen unstreitigen Kündigungsgrundes kündigt und Räumungsklage erhebt. Der Mieter bestreitet in der Klageerwiderung den Zugang der Kündigung, der Vermieter spricht in der Klägerreplik eine Kündigung aus. Es wäre nicht gerechtfertigt, hier nur deshalb eine Beweisaufnahme über den Zugang der ersten Kündigung durchzuführen, um entscheiden zu können, ob der Beklagte die Kosten ganz oder nur zur Hälfte tragen sollte. Es wäre im übrigen, hält man alternative Klagehäufungen im Räumungsrechtstreit für unzulässig, auch keine angemessene Möglichkeit, den Kläger eine Prüfungsreihenfolge vorgeben zu lassen, nach der das Gericht nun zuerst die zweite Kündigung prüfen sollte und die erste nur als Eventualantrag gestellt wäre. Denn in der Herabstufung der ersten Kündigung vom Hauptantrag zum Hilfsantrag müsste man dann konsequenterweise eine Teilklagerücknahme sehen (vgl. OLG Düsseldorf vom 20.078.2011, U (Kart) 11/11, NJW 2012, 85), die schon ohne Beweisaufnahme gemäß § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO zur Teilkostentragungslast der Klagepartei führen würde.
II. Die fristlose Kündigung aus dem Schriftsatz vom 14.09.2019 ist ausdrücklich auf Seite 8 auch unterlaubte Untervermietung gestützt und lässt damit den Kündigungsgrund erkennen, § 569 Abs. 4 BGB.
III. Es bestand auch ein Kündigungsgrund.
Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt dabei nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 liegt ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt.
Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, wobei dies nach § 543 Abs. 3 S. 2 BGB nicht gilt, wenn eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht (Nr. 1) oder die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist (Nr. 2).
Ein wichtiger Grund liegt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 BGB insbesondere vor, wenn der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache unbefugt einem Dritten überlässt. Die Vorschrift besteht aus zwei Tatbestandselementen. Neben der unbefugten Gebrauchsüberlassung muss auch eine dadurch bedingte unerhebliche Rechtsverletzung hinzukommen. Allein die Feststellung einer unerlaubten Gebrauchsüberlassung genügt nach dem Wortlaut der Norm nicht (vgl. Blank/Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage, 2019, § 543 Rn. 71).
1. Hier lag eine unbefugte Gebrauchsüberlassung vor, denn die Untermieterlaubnis vom 03.04.2018 wurde wirksam mit Schreiben vom 09.01.2019 (K6, Bl. 27) widerrufen.
a) Die nach § 553 BGB erteilte Gebrauchsüberlassung ist widerruflich, wenn das nach Abschluss des Mietvertrages für den Mieter entstandene Interesse an der Gebrauchsüberlassung entfällt, weil ansonsten der Mieter unbegrenzt die Gebrauchsüberlassung fortsetzen könnte und das Recht zur Gebrauchsüberlassung gar nicht mehr an ein berechtigtes Interesse geknüpft wäre. Die Frage, ob dem Mieter dann die Beendigung der Gebrauchsüberlassung möglich ist, spielt an dieser Stelle noch keine Rolle, weil die Frage, ob ein Verhalten vertragsgemäß ist oder nicht, auf einer anderen Ebene liegt als die Frage, ob eine Vertragsverletzung zu vertreten oder erheblich ist.
Das Interesse der Mieterseite an der Gebrauchsüberlassung entfiel hier am 18.06.2018, weil mit dem Versterben des pflegebedürftigen Mieters kein Bedarf mehr an einer Pflegekraft bestand. Auch die Untermieterlaubnis vom 03.04.2018 hatte dieses berechtigte Interesse ausdrücklich als Grund für die Untermieterlaubnis benannt (K5, Bl. 26). Damit musste der Beklagte ab dem 18.06.2018 jederzeit mit einem Ende der Überlassungserlaubnis rechnen. Es ist nicht erkennbar, wie ein Schweigen der Vermieterseite in dem Beklagten einen Vertrauenstatbestand dahin schaffen sollte, dass er von einer Zustimmung der Fortsetzung der Überlassung ausgehen konnte.
Das Schreiben vom 09.01.2019 (K6, Bl. 27) ist erkennbar ein Widerruf der Untermieterlaubnis, §§ 133, 157 BGB, da in dem Schreiben die Vermieterseite mitteilt, dass durch das Ableben des pflegebedürftigen Mieters das berechtigte Interesse an der Aufnahme einer Pflegeperson entfallen ist und von unberechtigter Untervermietung auszugehen ist.
b) Soweit die Beklagtenpartei im Schriftsatz vom 15.11.2019 ausführt, der Beklagte habe bereits die Untervermietung bei der Klägerin angefragt habe, ist nicht erkennbar, welches Interesse der Beklagte hier an einer Untervermietung haben sollte. Der Beklagte will wohl vortragen, dass er derzeit zwei Wohnungen unterhalte. Dies ist aber Folge einer freien Entscheidung des Beklagten.
Die Argumentation der Beklagtenpartei ist dabei aber auch perplex. Denn da das Mietverhältnis beendet ist, weil der Beklagte keine Erlaubnis zur Untervermietung hatte, muss er die streitgegenständliche Wohnung schlicht zurückgeben. Niemand zwingt ihn, diese Wohnung rechtswidrig zu behalten. Insoweit bedarf er auch nicht der Mieteinnahmen aus der Untervermietung, um sich weiter rechtswidrig im Besitz der Wohnung halten zu können.
Zudem hat der Beklagte diese neue Untermieterlaubnis mit einem neuen berechtigten Interesse erst nach der Zugang der Kündigung damit nach Ende des Mietverhältnis beantragt, als er bereits keinen Anspruch auf eine Untermieterlaubnis mehr hatte.
Der Vortrag der Beklagtenpartei ist zudem verspätet, § 296a ZPO. Die nachgelassene Schriftsatzfrist bezog sich auf den Prozeßstoff und nicht auf die Gewährung der Möglichkeit, einen völlig neuen Grund für eine Untermieterlaubnis einzuführen.
2. Die Gebrauchsüberlassung war somit seit dem Zugang des Schreibens vom 09.01.2019 vertragswidrig.
Der Beklagte ist auch durch die Schreiben vom 21.02.2019 (K8, Bl. 35) mit beigefügtem Schreiben vom 07.02.2019 (K7, Bl. 31), und durch die in den Kündigungen vom 21.03.2019 (K9, Bl. 37) und in der Klageschrift vom 19.06.2019 enthaltenen Abmahnungen abgemahnt worden.
3. Die Nichtabstellung der Gebrauchsüberlassung, die der Beklagte schuldete, hat der Beklagte zu vertreten. Für ein Nichtvertretenmüssen war der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Es ist nicht erkennbar, warum der Beklagte die Gebrauchsüberlassung nicht abgestellt hat.
Es liegt nahe, dass bei der Beklagten zu 2) die Frage der Wohnung eng mit ihrer Arbeitstätigkeit als Pflegekraft zusammenhängt, so dass es ihr leichter als anderen Untermietern ist, eine neue Wohnung im Zusammenhang mit der neuen Beschäftigung zu finden. Ebenso liegt es nahe, dass der Beklagte zu 1) Kündigungsprivilegien wie nach § 549 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 BGB hat. In welcher Höhe der Beklagte zu 1) der Beklagten zu 2) eine Umzugsbeihilfe gezahlt hat, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Zudem hat die Beklagte zu 2) in ihrer Klageerwiderung vom 02.10.2019 mitgeteilt, durch aus zum Auszug bereit zu sein, wenn die Untermieterlaubnis entfallen sein sollte.
3. Auch die erforderliche Interessenabwägung ergibt, dass eine erhebliche Pflichtverletzung vorliegt, die der Vermieterseite ein Festhalten am Mietverhältnis als unzumutbar erscheinen lässt. Der Beklagte hat keine erkennbaren Bemühungen unternommen, die unerlaubte Gebrauchsüberlassung abzustellen, obwohl er dafür ausreichend Zeit hatte. Der Beklagte ist zudem auf die Wohnung nicht angewiesen, da ihm eine andere Wohnung zur Verfügung steht.
Die Klägerin hat als Vermieterin ohne jedes Zögern und unter Verzicht auf einen Untermietzuschlag ein Untermieterlaubnis für die Aufnahme einer Pflegekraft erteilt. Es stellt eine schwere Pflichtverletzung dar, dass der Beklagte nach Wegfall des berechtigten Interesses an der Untermvermietung seinerseits nunmehr derart stockt und rumwerkelt.
C. Die Klage war allerdings unbegründet und abzuweisen, soweit die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangte.
Zwar kann grundsätzlich der Vermieter gemäß § 280 BGB bei einer Pflichtverletzung des Mieters auch Schadensersatz in Form der Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten verlangen.
Dies setzt aber voraus, dass bereits im Moment der Beauftragung des Anwalts eine ausreichend erhebliche Pflichtverletzung des Mieters vorlag, die aus Sicht des Mieters die Einschaltung eines Anwalts erforderlich machte.
Dies ist hier nicht der Fall. Die Klägerin ist eine juristische Person, die dauerhaft eine Hausverwaltung eingeschaltet hat. Die Anwälte waren hier bereits vor dem 17.12.2018 eingeschaltet, laut Schreiben der Hausverwaltung vom 17.09.2018 wurde auch bereits dieses mit juristischer Hilfe erstellt.
Zu diesem Zeitpunkt lagen keine ausreichenden Pflichtverletzungen des Beklagten war. Diskussionen um die Frage, wann und wie jemand Mieter geworden ist, muss ein Vermieter, insbesondere eine juristische Person, die dauerhaft eine Hausverwaltung eingeschaltet hat, zunächst selbst führen. Bedient sie sich dabei eines Anwalts, ist dies ihr eigenes Geschäft.
Vor dem Widerruf der Untermieterlaubnis am 09.01.2019, die bereits durch Anwalt erfolgte, lag in der Untervermietung keine Pflichtverletzung.
Vortrag zur Untervermietung an andere Personen wie etwa Bauarbeiter oder zu ungenehmigten Arbeiten ist unsubstantiiert, falls ein solcher überhaupt vorliegen sollte.
D. Der Beklagten zu 2) war eine Räumungsfrist zu gewähren, § 721 Abs. 1 ZPO, um ihr Gelegenheit zu geben, eine andere Wohnung zu finden. Beim Beklagten zu 1) war dies nicht gerechtfertigt, da er noch über eine andere Wohnung verfügt.
E. Der Streitwert der Räumungsklage war auf das Zwölffache der Monatsnettomiete (12 × 418,80 €) festzusetzen, § 41 Abs. 2 GKG, wobei die verlangten vorgerichtlichen Anwaltskosten als Nebenforderung den Streitwert nicht erhöhten, § 4 Abs. 1 HS 2 ZPO.
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Beklagten haben als im Rechtsstreit Unterlegene die Kosten zu tragen. Die Teilklageabweisung ändert daran nichts, da diese nur Nebenkosten betraf, die den Streitwert nicht erhöhten, zudem nicht ins Gewicht fielen, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
F. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht im Hinblick auf die Vollstreckung aus Ziffer 1 auf §§ 708 Nr. 7, 711 ZPO, ansonsten auf § 709 ZPO.