Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Cannabiskonsums

Aktenzeichen  11 CS 19.2070

Datum:
5.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32438
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 2a Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2a, Abs. 4 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 14 Abs. 1 S. 3, § 46 Abs. 1 S. 1, § 47 Abs. 1
BayVwVfG Art. 25 Abs. 1, Art. 46
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Einem Verbot ein Gutachten für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, steht regelmäßig das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (vgl. VGH München BeckRS 2018, 28753). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn ein Gutachten unter Verstoß gegen die behördlichen Aufklärungs- und Belehrungspflichten erlangt worden sein sollte, könnte ein Folgenbeseitigungsanspruch wegen falscher Auskunftserteilung oder falscher Beratung allenfalls im Ausnahmefall in Betracht kommen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Behörde darf zwar aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten, ein allgemeiner Vertrauensschutz, von den Folgen einer falschen Auskunft befreit zu werden, besteht aber nicht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es obliegt dem Verwaltungsgericht, im Hauptsacheverfahren aufzuklären, ob dem Antragsteller ggf. nur eine falsche Auskunft erteilt oder ob er bewusst getäuscht worden ist. Lässt sich dies nicht aufklären, geht dies zu Lasten des Antragstellers, denn er beruft sich darauf, dass er falsch beraten worden sei.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 S 19.837 2019-09-18 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der im Jahr 1997 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L, die ihm am 29. Januar 2015 (BF 17) erteilt worden ist.
Das Bayerische Polizeiverwaltungsamt erließ gegen den Antragsteller am 1. Februar 2017 einen Bußgeldbescheid, rechtskräftig seit 18. Februar 2017, wegen einer Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss. Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Bonn vom 12. Januar 2017 wurden im Blut des Antragstellers 6,2 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) festgestellt.
Das Landratsamt A.-F. (im Folgenden: Landratsamt) entzog dem Antragsteller daraufhin mit Bescheid vom 27. April 2017 sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis. Das Verwaltungsgericht Augsburg hob den Entziehungsbescheid mit Gerichtsbescheid vom 13. November 2018 (Az. Au 7 K 17.838) auf, nachdem der Antragsteller ein besonderes Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 2b Abs. 2 Satz 2 StVG i.V.m. §§ 35, 36 FeV absolviert hatte. Dieses Seminar hatte der Senat als Auflage im Beschwerdeverfahren bezüglich der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 27. April 2017 angeordnet (B.v. 8.11.2017 – 11 CS 17.1850).
Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 ordnete das Landratsamt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis 5. Februar 2019 an. Es sei zu klären, ob der Antragsteller trotz der Hinweise auf (früheren) gelegentlichen Cannabiskonsum sowie der bekannten Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug sicher führen könne und ob nicht mehr zu erwarten sei, dass er zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme). Das Ermessen, ob eine Begutachtung zur Feststellung der Kraftfahreignung angeordnet werde, sei auf Null reduziert, da der Antragsteller mit einem hohen THC-Wert am Straßenverkehr teilgenommen habe.
Nachdem der Antragsteller innerhalb der Frist kein Gutachten vorlegte, hörte ihn das Landratsamt mit Schreiben vom 27. Februar 2019 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis an und forderte ihn auf, freiwillig auf die Fahrerlaubnis zu verzichten. Die Mutter des Antragstellers gab daraufhin am 15. März 2019 den Führerschein beim Landratsamt ab. Das Landratsamt forderte mit Schreiben vom 22. März 2019 nochmals eine Verzichtserklärung vom Antragsteller und erläuterte, dass ansonsten die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse.
Am 2. April 2019 legte der Antragsteller das Gutachten der A. GmbH vom 12. Februar 2019 persönlich beim Landratsamt vor und erhielt seinen Führerschein zurück. Im Gutachten ist bei der Anamnese zum Drogenkonsum ausgeführt, der Antragsteller habe Ende 2014 erstmals und bis zu dem Vorfall im Dezember 2016 dann fast täglich Cannabis konsumiert. Am Vorabend der Ordnungswidrigkeit habe er bis zwei Uhr in der Früh Cannabis konsumiert. Er habe angegeben, seit Anfang Februar 2017 keine Drogen mehr zu nutzen. Die Befundwürdigung ergab, dass beim Antragsteller eine fortgeschrittene Drogenproblematik vorliege. Zwar sei der Verzicht durch objektive Befunde belegt und er könne ein Kraftfahrzeug sicher führen. Es sei aber zu erwarten, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde. Ausführungen zum Trennungsvermögen können dem Gutachten nicht entnommen werden.
Daraufhin entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 29. April 2019 die Fahrerlaubnis, verpflichtete ihn, den Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzuliefern und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller sei gemäß dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten nicht fahrgeeignet. Erneut legte seine Mutter den Führerschein beim Landratsamt vor.
Über die Klage gegen den Bescheid vom 29. April 2019 hat das Verwaltungsgericht Augsburg noch nicht entschieden (Az. Au 7 K 19.836). Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat es mit Beschluss vom 18. September 2019 abgelehnt. Das Landratsamt führte im gerichtlichen Verfahren aus, nach einem intensiven beratenden Gespräch habe sich der Antragsteller entschieden, das Gutachten abzugeben. Er habe dabei zum Ausdruck gebracht, dass er mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden sei. Da der Grund für eine Entziehung (Nichtvorlage des Gutachtens) aber nicht mehr bestanden habe, sei ihm der Führerschein wieder ausgehändigt worden. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass das vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten nicht rechtswidrig erlangt worden und auch nicht zu beanstanden sei. Das Landratsamt habe den Antragsteller nicht zur Vorlage des Gutachtens erpresst. Auf die Frage, ob das Gutachten zu Recht angeordnet worden sei, komme es nicht an, da der Antragsteller es vorgelegt habe. Im Übrigen sei die Gutachtensanordnung aber auch rechtmäßig. Der Gutachter habe den Antragsteller in die Hypothese D 2 der Beurteilungskriterien eingeordnet. Dies sei angesichts des festgestellten regelmäßigen Cannabiskonsums überzeugend. Selbst wenn er nur der Hypothese D 3 der Beurteilungskriterien zuzuordnen wäre, wäre es erforderlich, eine stabile Abstinenz nachzuweisen. Dies habe der Gutachter mit nachvollziehbaren Argumenten verneint. Auf das Trennungsvermögen komme es deshalb nicht an.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, das Gutachten sei nicht verwertbar, das es rechtswidrig erlangt worden sei. Nachdem die Mutter des Antragstellers dessen Führerschein abgegeben habe, habe ihm das Landratsamt in Aussicht gestellt, er erhalte den Führerschein wieder, wenn er das Gutachten vorlege. Nur aus diesem Grund habe er das Gutachten vorgelegt. Diese Vorgehensweise sei aber rechtswidrig gewesen. Da die Gutachtensanordnung ebenfalls rechtswidrig gewesen sei, hätte die Nichtvorlage des Gutachtens auch nicht zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen können. Das Ermessen sei bei der Anordnung des Gutachtens nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Im Übrigen sei das Gutachten auch nicht nachvollziehbar. Der Gutachter sei nicht darauf eingegangen, dass der Antragsteller nunmehr wesentlich älter sei und sich nicht mehr so sorglos zu Dingen hinreißen lasse wie vor einigen Jahren. Zudem habe er entgegen den Ausführungen im Gutachten nunmehr einen anderen Freundeskreis. Er treffe sich mit den früheren Freunden nur noch ca. sechs bis neun Mal im Jahr. Zudem gehe der Gutachter nicht auf das Trennungsvermögen ein. Es gehe nicht an, nur zur Abstinenz Stellung zu nehmen, wenn gemäß der Gutachtensanordnung nur nach dem Trennungsvermögen gefragt werde. Die Begutachtungsleitlinien aus dem Jahr 2013 berücksichtigten die neue Rechtsprechung zum einmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot nicht. Der Prüfungsmaßstab sei deutlich zu streng.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Fassung des Gesetzes vom 8. April 2019 (BGBl I S. 430), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde.
Nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen wer regelmäßig Cannabis konsumiert. Die Eignung ist regelmäßig erst wieder hergestellt, wenn eine stabile und emotional gefestigte Abstinenz vorliegt (vgl. Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Stand 24.5.2018, veröffentlicht unter www.b…de). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist ein gelegentlicher Cannabiskonsument nur dann zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, wenn er Konsum und Fahren trennt und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt.
Der Antragsteller hat das Gutachten der AVUS GmbH vom 12. Februar 2019 vorgelegt, das eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 8.8.2016 – 11 B 16.595 – juris Rn. 18, 24 f.; B.v. 7.11.2018 – 11 CS 18.435 – juris Rn. 14 m.w.N.) und überzeugend und nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen ist, dass er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Soweit der Antragsteller geltend macht, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar, da es sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, ob der Antragsteller den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen trennen kann, kann dem nicht gefolgt werden. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller vom Gutachter als regelmäßiger Cannabiskonsument eingestuft worden ist und damit nach den Hypothesen D 2 oder D 3 der Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung (Beurteilungskriterien, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP]/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Aufl. 2013, mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt, S. 181 ff.) zwingend Abstinenz einhalten muss, um fahrgeeignet zu sein. Mit den diesbezüglichen Ausführungen setzt sich die Beschwerde auch nicht ansatzweise auseinander.
Ein Verbot, das Gutachten als neue Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht regelmäßig auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (BayVGH, U.v. 8.8.2016 und B.v. 7.11.2018 a.a.O. m.w.N.).
2. Selbst wenn das Gutachten unter Verstoß gegen die behördlichen Aufklärungs- und Belehrungspflichten erlangt worden sein sollte, könnte ein Folgenbeseitigungsanspruch wegen falscher Auskunftserteilung nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG oder falscher Beratung nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG allenfalls im Ausnahmefall in Betracht kommen, denn die Behörde darf zwar aus eigenen oder ihr zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableiten, ein allgemeiner Vertrauensschutz, von den Folgen einer falschen Auskunft befreit zu werden, besteht aber nicht (Kallerhof/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 25 Rn. 20). Nach Art. 25 BayVwVfG sind die Behörden verpflichtet, den Beteiligten Auskünfte über die ihnen im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und Pflichten zu erteilen (vgl. Pautsch in Pautsch/Hoffmann, Verwaltungsverfahrensgesetz, 1. Aufl. 2016, § 25 Rn. 9), die vollständig, richtig und unmissverständlich sein müssen (Kallerhoff/Fellenberg a.a.O. Rn. 19). Eine falsche Auskunft kann Amtshaftungsansprüche und im Einzelfall auch einen Folgenbeseitigungsanspruch begründen (Kallerhoff/Fellenberg a.a.O.). Eine falsche Beratung kann zur Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts führen, der allerdings nur unter den Voraussetzungen des Art. 46 BayVwVfG anfechtbar wäre (vgl. Pautsch a.a.O. Rn. 8).
Hier lässt sich den vorgelegten Behördenakten nicht entnehmen, ob der Antragsteller bei der Vorsprache am 2. April 2019 falsch beraten oder ihm eine falsche Auskunft gegeben worden ist oder ob – so wie er vorträgt – Druck auf ihn ausgeübt oder er gar bewusst getäuscht worden ist. Ein Aktenvermerk über das nach Angabe des Landratsamts intensive beratende Gespräch findet sich nicht in den Behördenakten. Angesichts des Vortrags des Landratsamts im Eilverfahren erscheint es aber möglich, dass dem Antragsteller in dem Gespräch mitgeteilt worden ist, er erhalte seinen Führerschein nur dann zurück, wenn er das angeforderte Fahreignungsgutachten abgebe. Diese Information wäre indes falsch gewesen, da zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsgrund dafür bestanden hat, den Führerschein einzubehalten (vgl. § 47 FeV). Das Landratsamt ist bei dem Gespräch nicht davon ausgegangen, dass der Antragsteller mit der Abgabe des Führerscheins durch seine Mutter konkludent auf die Fahrerlaubnis verzichtet hatte und der Entziehungsbescheid war noch nicht erlassen. Die genauen Umstände dieser Vorsprache sind aber nicht geklärt und der Antragsteller hat auch nicht konkret vorgetragen, was ihm dort mitgeteilt wurde, sondern nur behauptet, er sei erpresst worden.
Es obliegt daher dem Verwaltungsgericht, im Hauptsacheverfahren aufzuklären, ob dem Antragsteller ggf. nur eine falsche Auskunft erteilt oder ob er bewusst getäuscht worden ist. Lässt sich dies nicht aufklären, geht dies zu Lasten des Antragstellers, denn er beruft sich darauf, dass er falsch beraten worden sei (vgl. zu Beweislastentscheidungen im Verwaltungsprozess Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 50 ff.; Schübel-Pfister in Eyermann, a.a.O. § 86 Rn. 5 ff.). Im Falle einer bewussten Täuschung des Antragstellers wäre zu untersuchen, ob der Fehler nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich ist oder ob der Antragsteller so zu stellen ist, als hätte er das Gutachten nicht abgegeben, obwohl er grundsätzlich verpflichtet war, an der Aufklärung von Fahreignungszweifeln mitzuwirken und als regelmäßiger Cannabiskonsument nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ohne Weiteres fahrungeeignet ist. Eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 8 FeV käme im vorliegenden Fall nämlich nicht in Betracht, denn die Gutachtensanordnung leidet unter Ermessensfehlern und musste vom Antragsteller nicht befolgt werden. Das Ermessen nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV war trotz des hohen THC-Werts im Blut des Antragstellers nicht auf Null reduziert, sondern hier hätte das Landratsamt noch in den Blick nehmen müssen, dass der Antragsteller auf Anordnung des Senats schon ein besonderes Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 2b Abs. 2 Satz 1 StVG i.V.m. §§ 35, 36 FeV absolviert hat. Grundsätzlich bleibt zwar die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG gemäß § 2a Abs. 4 Satz 1 StVG unberührt. Unabhängig davon, ob nur bei Hinzutreten weiterer Tatsachen in den jeweils anderen Maßnahmenkatalog übergegangen werden kann (vgl. Dronkovic in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Aufl. 2017, § 2a StVG Rn. 12), oder ob beide Maßnahmen unabhängig voneinander ergriffen werden können (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 2a Rn. 47 f.), muss aber auf jeden Fall bei einer im Ermessen stehenden Gutachtensanordnung begründet werden, warum ein Aufbauseminar nach § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StVG nicht ausreicht (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.9.2015 – Au 7 K 15.637 – juris Rn. 33 ff.).
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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