Aktenzeichen B 1 S 19.1125
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1, § 59 Abs. 1
AWaffV § 13 Abs. 2
Leitsatz
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den gesetzlich sofort vollziehbaren Widerruf seiner Waffenbesitzkarte sowie gegen begleitende und für sofort vollziehbar erklärte Verfügungen.
Dem Antragsteller wurde am 29. Juni 1973 die Erlaubnis zum Besitz von Waffen von der Stadt L… erteilt. Er besitzt eine halbautomatische Pistole, die unter den Begriff des Altbesitzes nach § 59 Abs. 1 WaffG a. F. zu fassen ist.
Am 8. Oktober 2019 führte das Landratsamt F… (im folgenden Landratsamt) eine unangekündigte Waffennachschau beim Antragsteller durch. Dabei wurde die geladene Pistole des Antragstellers im Innensafe seines Waffenschrankes der Sicherheitsstufe B (B-Schrank) vorgefunden. Der Antragsteller gab bei der Kontrolle an, dass er vor einem Jahr in Afrika gewesen sei, dort habe er die geladene Waffe mitgeführt und in diesem Zustand später wieder in den Waffenschrank zurückgelegt.
Im Rahmen des vom Landratsamt eingeleiteten waffenrechtlichen Widerrufsverfahrens äußerte sich der Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 dahingehend, dass ein Widerruf seiner Waffenbesitzkarte jeder Grundlage entbehre. Die Pistole werde von ihm sicher verwahrt. Zu keinem Zeitpunkt sei es irgendjemandem außer ihm möglich gewesen an die Waffe zu gelangen. Die Waffe sei in einem dafür geeigneten und zugelassenen Behältnis sicher, hinter zwei verschließbaren Türen verschlossen, aufbewahrt worden. Dass die Waffe versehentlich noch mit fünf Patronen im Magazin geladen gewesen sei, sei richtig, jedoch unerheblich, da die geladene Waffe im Innensafe des Waffenschrankes gelagert und daher doppelt abgesichert gewesen sei. Im Normalfall müsse die ungeladene Waffe hinter der ersten verschlossenen Tür des Waffenschrankes und die Munition im Innensafe aufbewahrt werden. Der Zugriff Dritter auf eine geladene Waffe solle so verhindert werden. Dies sei geschehen, sodass sich keine Unzuverlässigkeit seinerseits ergebe. Die Waffe samt Munition sei vorliegend im Innensafe, hinter der zweiten verschließbaren Tür aufbewahrt worden, sodass ein Fremdzugriff auf die Waffe gerade nicht möglich gewesen sei. Die Schlüssel für den Waffenschrank bewahre er in seinem verschlossenen Schreibtisch auf, bei längerer Abwesenheit nehme er die Schlüssel mit. Seine Frau habe keine Kenntnis vom Aufbewahrungsort der Schlüssel. Publikumsverkehr habe zudem keinen Zugang zu dem im Keller stehenden Waffenschrank.
Mit Bescheid vom 29. Oktober 2019 – dem Antragsteller zugestellt am 2. November 2019 – widerrief das Landratsamt die Waffenbesitzkarte Nr. … des Antragstellers (Ziffer 1). Die Waffenbesitzkarte sei unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 29. November 2019, beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2). Die Pistole des Herstellers DuHaut-Rhin mit der Seriennummer … und vorhandene Munition seien ebenfalls bis spätestens 29. November 2019 an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen. Dies sei dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen. (Ziffer 3). In Ziffer 4 wird der Sofortvollzug der Ziffern 2 und 3 angeordnet. In Ziffer 5 wird die Sicherstellung der Pistole und der vorhandenen Munition für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der in Ziffer 3 genannten Frist angedroht. Für den Fall, dass der Antragsteller die Waffenbesitzkarte gemäß Ziffer 2 nicht rechtzeitig abgibt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR angedroht (Ziffer 6). Ziffer 7 enthält die Kostenentscheidung.
Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG bereits erteilte waffenrechtliche Erlaubnisse (hier: Waffenbesitzkarte) zu widerrufen seien, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Erlaubnisse seien dann zu versagen, wenn der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG nicht besitze. Durch die unsachgemäße Aufbewahrung seiner Pistole sei der Antragsteller nicht mehr im Besitz der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Diese besäßen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sogfältig verwahren würden. Gegen diese Vorschrift habe der Antragsteller grob fahrlässig verstoßen, da seine Waffe geladen im Waffenschrank aufbewahrt worden sei. Die Aufbewahrung von geladenen Waffen sei unzulässig und entspreche keiner ordnungsgemäßen Aufbewahrung nach dem Waffengesetz (§ 13 AWaffV). Dem Antragsteller sei daher ein unvorsichtiger Umgang mit Schusswaffen und Munition vorzuwerfen. Er habe gegen grundlegende Verhaltens- und Vorsichtsmaßnahmen verstoßen. Auf eine positive Zukunftsprognose komme es in diesem Fall nicht an, da der Antragsteller das in ihn gesetzte Vertrauen als Waffenbesitzer durch seine grob fahrlässige Handlung verspielt habe, indem er die geladene Pistole im Waffenschrank aufbewahrt habe. Auch ein geringes Risiko zukünftiger Verstöße müsse nicht hingenommen werden, da die Allgemeinheit vor schweren Folgen eines unsachgemäßen Umgangs mit Waffen und Munition zu schützen sei. Dabei genüge ein einmaliges Fehlverhalten, da von einem Waffenbesitzer eine besondere Zuverlässigkeit gefordert werde und dieser jederzeit ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umzugehen habe. Da die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben sei, sei die Waffenbesitzkarte an das Landratsamt unverzüglich zurückzugeben (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Die Verpflichtung aus Ziffer 3 beruhe auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Ziffer 1 des Bescheids sei kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 45 Abs. 5 WaffG). Der Sofortvollzug der Verpflichtungen aus den Ziffern 2 und 3 werde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet und sei vor allem für die Sicherheit des Rechtsverkehrs und die Verhinderung eines eventuellen Missbrauchs unerlässlich.
Mit Schriftsatz vom 20. November 2019 beantragte der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte:
Die aufschiebende Wirkung des Bescheides des Antragstellers vom 29. Oktober 2019, Az.: …, wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.
Zur Begründung führte die Bevollmächtigte des Antragstellers aus, dass klargestellt werde, dass hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheids die Anordnung der aufschiebenden Wirkung begehrt werde und bezüglich der Ziffern 2 und 3 die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Bei der unangekündigten Überprüfung habe sich die geladene Waffe im separat abschließbaren Innenfach befunden. Das Landratsamt hätte dem Antragsteller keinen Vorwurf gemacht, wenn er die Waffe im unteren Bereich des Waffenschrankes (nicht abschließbar) und die Munition im separat abschließbaren Fach aufbewahrt hätte. Führe man sich aber Sinn und Zweck der Aufbewahrungsvorschriften vor Augen, dann solle die Aufbewahrungsform dazu dienen, dass Dritten der Zugang zu Waffen erschwert, das Abhandenkommen von Waffen unterbunden und dem allgemeinen Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen werde. In der vorliegenden Konstellation müssten unberechtigte Dritte zunächst den Waffenschrank und dann nochmals das Innenfach öffnen, um an die Waffen und die Munition zu gelangen. Die Waffe sei daher, trotz Verstoßes gegen die Aufbewahrungsvorschriften, sicher aufbewahrt worden. Dass die Waffe geladen gewesen sei, sei zudem ein Versehen gewesen, welches der Antragsteller zutiefst bedauere. Er habe insgesamt 50 Patronen. Das Landratsamt sei im Rahmen der Ermessensausübung gehalten, alle Umstände zu berücksichtigen. Eine Entziehung der Waffenbesitzkarte sei nicht zwingend, sondern hierfür bedürfe es einer negativen Zukunftsprognose im Rahmen des Ermessens. Angesichts der Tatsachen, dass es beim Antragsteller seit über 50 Jahren zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen sei und es auch in Zukunft nicht zu irgendwelchen Verstößen kommen werde, könne darauf geschlossen werden, dass er sorgsam mit Waffen umgehe. Nachdem auch keine Gefährdung zu besorgen sei und der Antragsteller die Besitzerlaubnis auch für seine Seenotsignalpistole benötige, überwiege das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffer 1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Ziffer 2 und 3 sei offensichtlich rechtswidrig, da die formelhafte Begründung den gesetzlichen Anforderungen nicht genüge.
Unter dem 27. November 2019 legte das Landratsamt die Originalakten vor und beantragte,
den Antrag auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Bescheides nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Das Landratsamt führte aus, dass Waffe und Munition gerade nicht getrennt aufbewahrt worden seien, sondern sich die Munition sogar in der Waffe befunden habe. Dadurch hätte ein Dritter nicht nur sofort Zugriff auf Waffe und Munition, sondern auch die Waffe gleich in geladenem und schussbereitem Zustand zur Verfügung gehabt. Zudem gehe durch die geladene Waffe auch eine Gefahr für den Antragsteller selbst aus, da dieser sich nach einem langen Zeitraum (1 Jahr) mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr an den Ladezustand der Waffe erinnert habe und sich und andere so erheblich hätte gefährden können. Der Antragsteller habe die Waffe im Glauben abgelegt, diese sei ungeladen. Diese Tatsache weise nochmals auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers hin, welcher sich vom Ladezustand der Waffe hätte überzeugen müssen. Zudem habe der Antragsteller angesichts der Tatsache, dass die Waffe geladen gewesen sei, bei der Kontrolle nicht überrascht gewirkt. Der Gesetzgeber fordere außerdem ganz klar, dass Waffen nur ausschließlich ungeladen aufbewahrt werden dürfen (§ 13 Abs. 2 AWaffV). Der Einwand der Bevollmächtigten des Antragstellers, dass eine Ermessensentscheidung gegeben sei, sei falsch, da es sich bei § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG um eine gebundene Entscheidung handele. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG lasse keinen Ermessensspielraum zu, da diese Norm die absolute Unzuverlässigkeit regele. Auf eine Zukunftsprognose des Verhaltens des Antragstellers komme es auch nicht an, da nach der Rechtsprechung bereits ein einmaliger derartiger Verstoß ausreiche, um die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit anzunehmen und die Erlaubnis zu widerrufen. Ein bisher tadelsfreier Lebenswandel spiele daher keine Rolle, da bereits ein einmaliger Verstoß gegen die waffenrechtlichen Vorschriften verheerende Folgen für Leben und Gesundheit haben könne, sodass dem Antragsteller keine erlaubnispflichtigen Waffen und Munition mehr anvertraut werden dürften. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei nicht anzuordnen, da aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens des Antragstellers selbstverständlich eine Gefährdung von Leben und Gesundheit Dritter und des Antragstellers selbst zu befürchten sei. Die Begründung für den Sofortvollzug der Anordnungen in den Ziffern 2 und 3 des Bescheides sei ausreichend dargelegt. Das Recht zum Besitz von Waffen und Munition aufgrund eines Privilegs (Altbesitz) nehme eindeutig einen geringeren Stellenwert ein als eine mögliche Gefährdung von Leben und Gesundheit durch die Unzuverlässigkeit des Waffenbesitzers.
Die gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobene Anfechtungsklage ging bei Gericht am 2. Dezember 2019 ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – auch im Verfahren B 1 K 19.1175 – und der Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
1. Entsprechend des gestellten Antrags und der in der Antragsbegründung angeführten Konkretisierung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) begehrt der Antragsteller lediglich die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids sowie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 2 und 3 des Bescheids.
2. Die gestellten Anträge haben in der Sache keinen Erfolg und sind abzulehnen.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen/wiederherstellen bzw. die Vollziehung des Bescheids aussetzen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die vorliegenden Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen, da die Klage des Antragstellers gegen die Ziffern 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügungen wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht zunächst in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Ergänzend hierzu wird Folgendes ausgeführt:
a. Nach summarischer Prüfung erweist sich der in Ziffer 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheids erlassene Widerruf der Waffenbesitzkarte als rechtmäßig, sodass der Antragsteller hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG fehlt Personen die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG für die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Waffengesetz erforderliche Zuverlässigkeit unter anderem dann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Die hierfür erforderliche Prognoseentscheidung über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 BV 13.429 – juris Rn. 30). Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufsentscheidung ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2018 – 21 CS 17.1521 – juris Rn. 13 m.w.N.). Der Antragsteller hat sich bereits aufgrund des unstreitig festgestellten Sachverhalts – Auffinden der geladenen Pistole des Antragstellers im Waffenschrank – als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erwiesen.
Im Zeitpunkt der Aufbewahrungskontrolle am 8. Oktober 2019 bestand für den Antragsteller als Waffenbesitzer die Verpflichtung, seine Waffen – auch im Innensafe seines Waffenschrankes – ungeladen aufzubewahren. Die Pflicht, Waffen ungeladen aufzubewahren, ist ausdrücklich gesetzlich in § 36 Abs. 5 WaffG i. V. m. § 13 Abs. 2 AWaffV geregelt. Auch ohne gesetzliche Regelung würde sich diese Selbstverständlichkeit aus grundlegenden Umgangs- und Vorsichtsmaßnahmen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 21 CS 17.2506 – juris Rn. 10).
Dieser einmalige Verstoß rechtfertigt bereits die Prognose, dass der Antragsteller seine Waffe und die Munition auch zukünftig nicht sorgfältig verwahren wird. Nach der Rechtsprechung kann schon ein einmaliger und schwerwiegender Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Bei der Aufbewahrung einer geladenen Waffe in einem Waffenschrank handelt es sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine grundlegende Aufbewahrungsregel. Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung sollen nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von geladenen und damit unmittelbar schussbereiten Waffen ermöglicht wird. Sie schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind. Ein derartiger Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertigt daher die Prognose, dass ein Waffenbesitzer auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird (vgl. VG München, B.v. 22.11.2017 – M 7 S 17.3929 – juris Rn. 23 f. m.w.N., bestätigt durch BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 11 CS 17.2506 – juris).
Der Antragsteller hat seine Pistole nicht nur nicht getrennt von der Munition im selben Behältnis (Innensafe) aufbewahrt, sondern sogar die geladene Waffe im Waffenschrank über einen Zeitraum von ca. einem Jahr gelagert. Hierdurch hat er die Gefahr geschaffen, dass sich ein Dritter Zugriff zu einer bereits schussbereiten Waffe ermöglichen hätte können. Auch hat er sich selbst durch die unsachgemäße und verbotene Aufbewahrungssituation erhebliche gefährdet. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass er versehentlich die Waffe geladen in den Waffenschrank deponiert habe, sodass er sich und andere (insbesondere bei der durchgeführten Kontrolle) in Unkenntnis des Ladezustandes der Waffe durchaus hätte verletzten können. Daher ist der Vortrag des Antragstellers, dass die geladene Waffe im Innensafe aufbewahrt wurde und deshalb durch zwei Schlösser geschützt war und auch Dritte keinen Zugang zu seinem Keller haben, unerheblich.
Die Anlegung des oben gezeigten strengen Maßstabs wird von der Kammer als sachgerecht und erforderlich angesehen, da das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko nach dem Waffengesetz möglichst gering gehalten werden soll und nur bei Personen hingenommen werden darf, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (st. Rspr. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5; BayVGH, B.V. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11). In Anbetracht der nur sehr dünnen Kontrolldichte, in welcher es der Waffenbehörde möglich ist, Waffennachschauen bei Waffenbesitzern durchzuführen, müssen regelmäßig auch solche Sorgfaltsverstöße beachtlich sein, die auf den ersten Blick möglicherweise als gering eingestuft werden könnten. Andernfalls wäre eine wirkungsvolle Kontrolle einer sorgfältigen Handhabung und Verwahrung erlaubnispflichtiger Waffen praktisch nicht mehr vorstellbar, weil immer der Einwand erhoben werden könnte, es habe ja nur eine einmalige und kleine Unachtsamkeit vorgelegen, die im Hinblick auf einen sonst immer beanstandungsfreien Waffenbesitz nicht ins Gewicht fallen dürfe. Letzteres soll aber im Waffenrecht gerade nicht der Fall sein, weil hier – anders als in weniger risikobehafteten Bereichen des Gefahrabwehrrechts – im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für die Allgemeinheit regelmäßig keine „zweite Chance“ zu gewähren ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 30.7.2019 – B 1 K 17.608).
Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikten präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 21 CS 17.2506 – juris Rn. 11 m.w.N.). Der Antragsteller hat mit dem von ihm gezeigten äußerst sorglosen Umgang mit einer Schusswaffe über einen Zeitraum von einem Jahr eine Tatsache geschaffen, die nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründet, dass er künftig eine Verhaltensweise im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG an den Tag legen wird.
Da sich der Antragsteller nach summarischer Prüfung als unzuverlässig im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG erweist, ist ihm die Waffenbesitzkarte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG zu widerrufen. Wie sich aus dem Wortlaut „ist“ ergibt, steht der Widerruf nicht im Ermessen des Landratsamts.
Weil die Klage gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids nach summarischer Prüfung in der Sache keine Aussicht auf Erfolg hat, entfällt das besondere öffentliche Interesse, das der gemäß § 45 Abs. 5 WaffG angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit zugrunde liegt, nicht. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug auch nicht aus dem privaten Grund, dass der Antragsteller die Waffenbesitzkarte für seine Seenotsignalpistole und im Rahmen der Ausübung seines Hobbys benötigt. Der Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Waffenbesitzern überwiegt deutlich das private Interesse des Antragstellers.
b. Die in Ziffer 2 und 3 des streitgegenständlichen Bescheides getroffenen Verfügungen zur Abgabe des Waffenbesitzscheins und der Waffe samt Munition erweisen sich bei summarischer Prüfung ebenso als rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
aa. Die Verpflichtung zur Abgabe der Waffenbesitzkarte (Ziffer 2) ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Sie stellt eine begleitende Verfügung dar und ist eine mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung. Selbiges gilt für die Anordnung zur Unbrauchbarmachung der Waffe bzw. deren Abgabe an einen Dritten (Ziffer 3), die nach § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG bei einem erfolgten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis zu verfügen ist. Da sich der Widerruf voraussichtlich als rechtmäßig erweist, bestehen auch bezüglich der begleitenden Verfügungen keine Rechtmäßigkeitsbedenken bei summarischer Prüfung. Etwaige Bedenken wurden von Seiten des Antragstellers auch nicht geäußert.
bb. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 2 und 3 des verfahrensgegenständlichen Bescheids erweist sich als formell rechtmäßig. In den Fällen, in denen die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wird, ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich zu begründen. Das Landratsamt hat den Sofortvollzug mit einem bestehenden Sicherheitsrisiko und möglichem Missbrauch begründet. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarte kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidung dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH. B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17 f.). Gerade im Recht der Gefahrenabwehr, zu dem auch das Waffenrecht gehört (vgl. § 1 Abs. 1 WaffG), können sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes und die sofortige Vollziehung maßgebenden Gründe decken (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 29.10.2003 – 11 ME 286/03 – juris Rn. 3 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 21). Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers genügt daher die Begründung des Landratsamts zur Anordnung des Sofortvollzugs. Die Erwägungen, dass ohne den Sofortvollzug der Nebenentscheidungen zum Widerruf der Waffenbesitzkarte ein Sicherheitsrisiko für den Rechtsverkehr und Missbrauchsgefahr bestehen würden, genügen um dem das private Aussetzungsinteresse überwiegenden öffentlichen Interesse am Sofortvollzug Ausdruck zu verleihen.
3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 50.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).