Verwaltungsrecht

Dienstvergehen durch sexuelle Äußerungen als Vorgesetzter

Aktenzeichen  AN 13a D 18.02106

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34322
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG § 8 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 2, § 61 Abs. 1 S. 3, § 77 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Verstoß gegen die Rahmenanweisung, die den Umgang zwischen den Lehrgruppenleitern und den Polizeimeisteranwärtern und -anwärterinnen während der Dienstzeit und im dienstlichen Umgang miteinander, sondern selbstverständlich auch in der Freizeit regelt, wirkt unmittelbar in den dienstlichen Bereich hinein, auch wenn außerhalb der Dienstzeit und des Dienstortes gegen die genannten Dienstpflichten verstoßen wurde (Rn. 170 – 176). (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist schlichtweg mit der Vorbildfunktion eines Ausbilders bei der Bundespolizei unvereinbar, einer Polizeimeisteranwärterin über Facebook Fragen mit sexuellem Hintergrund zu stellen und sexuelle Wünsche gegenüber einer Anwärterin zu äußern (Rn. 181). (redaktioneller Leitsatz)
3. In schweren Fällen innerdienstlicher sexueller Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, insbesondere wenn der Beamte unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend einbüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen, während in minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann (Rn. 200). (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen „zeitweilig aus der Bahn geworfen“ (Rn. 208 – 210). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Disziplinarverfügung vom 9. April 2018 ist formell rechtmäßig.
Die Befugnis des Präsidenten der Direktion Bundesbereitschaftspolizei zum Erlass der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung ergibt sich aus § 33 Abs. 3 Nr. 2 und § 82 BDG i.V.m. § 1 Abs. 1 der Verordnung zu § 82 des Bundesdisziplinargesetzes vom 16. Oktober 2008.
Die Verfahrensvorschriften der §§ 20 ff. BDG wurden eingehalten, insbesondere wurde der Kläger im Disziplinarverfahren ordnungsgemäß belehrt (§ 20 Abs. 1 BDG) und angehört. Er konnte sich abschließend äußern (§ 30 BDG).
Auch das nach § 41 Abs. 1 BDG erforderliche Widerspruchsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt.
Nach § 60 Abs. 3 BDG prüft das Gericht bei der Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.
Die Kammer übt die ihr insoweit eingeräumte eigene Disziplinargewalt (vgl. BayVGH, B.v. 27.1.2010 – 16a DZ 07.3110, juris Rn. 10) dahingehend aus, die angefochtene, rechtmäßige Disziplinarverfügung vom 9. April 2018 nicht zu Gunsten des Klägers abzuändern.
I.
Der dem Kläger in der Disziplinarverfügung zur Last gelegte Sachverhalt steht fest durch den im Ermittlungsverfahren festgestellten Chat-Verlauf zwischen dem Kläger und der Polizeimeisteranwärterin … …, der sich für den Zeitraum vom 2. September 2015 bis zum 20. Oktober 2015 ausgedruckt in der Ermittlungsakte befindet. Das am 18. Oktober 2015 vom Kläger an Frau … versandte Foto einer Frau in einem Ganzkörper-Strickpullover, der ihre primären und sekundären Geschlechtsteile betont hervorhebt, befindet sich ebenfalls in der Ermittlungsakte.
Der Kläger hat den ihm im Disziplinarverfahren zur Last gelegten Sachverhalt in vollem Umfang eingeräumt.
II.
Der Kläger hat durch das ihm in der Disziplinarverfügung zur Last gelegte Verhalten ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen.
Die Frage, wann ein pflichtwidriges Verhalten als innerdienstliches oder als außerdienstliches Dienstvergehen anzusehen ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Die erforderliche Abgrenzung ist nicht bloß anhand einer formellen Dienstbezogenheit (zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang), sondern in erster Linie materiell danach vorzunehmen, wieweit sich das Fehlverhalten auf den Amtsbereich des Beamten ausgewirkt hat (materielle Dienstbezogenheit). Hiernach liegt ein Fehlverhalten außerhalb des Dienstes (nur dann) vor, wenn es weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – BVerwGE 114, 37, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – BVerwGE 152, 228 Rn. 10 und B.v. 28.8.2018 – 2 B 5/18 – juris Rn. 21 f).
Abzustellen ist darauf, ob durch das Verhalten inner- oder außerdienstliche Pflichten verletzt sind. Der dienstliche Bereich ist allgemein von demjenigen Lebenskreis eines Beamten abzugrenzen, in dem er von dienstlichen Pflichten frei ist, mag er auch nicht frei von jeglichen beamtenrechtlichen Verpflichtungen sein, wie sich aus § 61 Satz 3 BBG ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.1992 – 1 D 52.91 – juris m.w.N.). Obwohl bei der Abgrenzung von inner- und außerdienstlichem Verhalten in erster Linie eine materielle Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist, können auch formale Gesichtspunkte als Indizien herangezogen werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2000 – 1 DB 2.00 – juris). Für innerdienstliches Verhalten spricht ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem von dem Beamten bekleideten Amt (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1986 – 1 D 56.86 – BVerwGE 83, 237 m.w.N.). Stellt sich das Verhalten des Beamten bei der gebotenen materiellen Betrachtung als das eines Privatmannes dar, ist es als ein außerdienstliches, sonst als innerdienstliches zu würdigen (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1968 – 1 D 19.68 – BVerwGE 33, 199 ).
Hiernach liegt ein Fehlverhalten außerhalb des Dienstes (nur dann) vor, wenn es weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – BVerwGE 114, 37 , U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 12 Rn. 9 und v. 18.6. 2015 – 2 C 9.14 – BVerwGE 152, 228 Rn. 10). Maßgeblich und geboten ist hiernach zweierlei: sowohl eine formelle als auch eine materielle Betrachtung (BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 5/18 -, juris Rn. 21 f.).
Zum innerdienstlichen Bereich sind demnach nicht nur sittliche Verfehlungen zu rechnen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Dienstausübung stehen, sondern auch Verfehlungen außerhalb des Dienstes, die wegen der beteiligten Personen Rückwirkungen auf den Dienst äußern (Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, MatR/II, Rn. 449).
Vorliegend fand der über das Internet geführte Chat zwischen dem Kläger und Frau … zwar außerhalb der Dienstzeit und auch außerhalb des Dienstortes statt. Gleichwohl besteht vorliegend eine materielle Dienstbezogenheit, die das begangene Dienstvergehen als innerdienstliches qualifiziert.
Durch die dem Kläger bekannte Rahmenanweisung für die Durchführung des 2. Ausbildungsabschnittes des OEB 13 (DEG) vom 1. September 2014 waren dienstliche Anweisungen zum Verhalten der AusbilderInnen/des Lehrpersonals gegenüber Polizeimeisteranwärtern und -anwärterinnen erteilt worden. Der Kläger war als Lehrgruppenleiter vom Anwendungsbereich der Rahmenanweisung erfasst.
In dieser wird den Lehrgruppenleitern unter anderem die Überwachung der Einhaltung der „Verhaltensgrundsätze“ auferlegt. Unter Ziffer 4.2. „Verhalten innerhalb der Ausbildung“ finden sich u.a. folgende Ausführungen:
„Wir verstehen uns als Vorbilder und sehen uns darüber hinaus in der Verantwortung, innerhalb der bestehenden Werteorientierung der Bundespolizei den Auszubildenden gegenüber einen Erziehungsbeitrag zu leisten.
Auf einen respektvollen Umgang im gegenseitigen Miteinander – auch innerhalb der Lehrgruppe – legen wir gesteigerten Wert.
Wir erkennen, unter Wahrung der erforderlichen persönlichen Distanz, die Anwärter und Anwärterinnen als Partner innerhalb der Ausbildung an.“
Unter Ziffer 4.1.wird weiter festgelegt, dass Ausbildungsbelange grundsätzlich persönlichen Interessen vorgehen.
Die genannten verbindlichen Vorgaben gelten nicht nur für den Umgang zwischen den Lehrgruppenleitern und den Polizeimeisteranwärtern und -anwärterinnen während der Dienstzeit und im dienstlichen Umgang miteinander, sondern selbstverständlich auch in der Freizeit. Auch hier hat das Ausbildungspersonal mit den Auszubildenden respektvoll umzugehen und die erforderliche persönliche Distanz zu wahren.
Ein Verstoß gegen die Rahmenanweisung wirkt deshalb unmittelbar in den dienstlichen Bereich hinein, auch wenn außerhalb der Dienstzeit und des Dienstortes gegen die genannten Dienstpflichten verstoßen wurde. Insoweit ist die Situation vergleichbar mit derjenigen eines Schullehrers, der ebenfalls ein innerdienstliches Dienstvergehen begeht, wenn er in seiner Freizeit ein sexuelles Verhältnis mit einer Schülerin eingeht (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 26.3.2014 – 31 K 5239/13.O – juris Rn. 51 ff.).
In diesem Zusammenhang ist es nicht entscheidungserheblich, dass sich Frau … nicht in der Lehrgruppe des Klägers befand. Denn die genannten Verhaltensvorschriften gelten generell für jeden dienstlichen und außerdienstlichem Kontakt zwischen den Ausbildern und den Auszubildenden. Die Ausbildung von Frau … war zum Zeitpunkt des Dienstvergehens auch noch nicht abgeschlossen. Sie setzte diese nach Beendigung des Ausbildungsabschnittes in … in … fort. Zudem bestand die Möglichkeit, dass der Kläger als Prüfer von Frau … eingesetzt würde.
Der Kläger hat durch das ihm zur Last gelegte innerdienstliches Dienstvergehen gegen seine Verpflichtungen aus § 61 Abs. 1 Satz 3 und § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen. Danach muss das Verhalten von Beamtinnen und Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert. Sie sind zudem verpflichtet, dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeinen Richtlinien zu befolgen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass er bereits seit Ende August 2015 Kenntnis davon hatte, dass Frau … in der Ausbildung Opfer eine Nötigung mit sexuellem Hintergrund durch einen Polizeimeisteranwärter geworden war. Gleichwohl nahm er mit ihr über Facebook Kontakt auf, da Frau … ihm im Rahmen der von Facebook eröffneten Kontaktoptionen auf eine Anfrage seinerseits als potentielle Kommunikationspartnerin angeboten worden war. Da Frau … dem Kläger bereits aus deren Ausbildungspraktikum und einem gemeinsamen Einsatz beim G7-Gipfel bekannt war und der Kläger bei diesem Einsatz Kenntnis erlangt hatte, dass Frau … Handball spielt, nahm er über Facebook mit Frau … Kontakt auf, wobei nach deren Angaben zunächst nur über harmlose Themen, wie Handball und die Ausbildung gesprochen worden sei.
Es kann dahinstehen, ob bereits die erste Kontaktaufnahme des Klägers über Facebook gegen das in der oben genannten Rahmenvereinbarung vom 1. September 2014 genannte Distanzgebot gegenüber den Anwärtern verstößt und damit bereits eine Dienstpflichtverletzung darstellt.
Keinesfalls hinnehmbar ist jedenfalls das Abgleiten des weiteren Chat-Verlaufs in einen eindeutigen sexistischen Bereich. Es ist schlichtweg mit der Vorbildfunktion eines Ausbilders bei der Bundespolizei unvereinbar, einer Polizeimeisteranwärterin über Facebook Fragen mit sexuellem Hintergrund zu stellen und sexuelle Wünsche gegenüber einer Anwärterin zu äußern, die schließlich darin gipfelten, der Kläger würde gerne über ihren begehrenswerten Körper herfallen.
Es ist ebenso wenig hinnehmbar, dass sich ein Ausbilder bei einer Anwärterin erkundigt, wie er wieder einmal Spaß haben könne, da er „schon lange auf dem Trockenen“ sitze, wann diese das letzte Mal Sex gehabt habe und ob ihre Eltern noch Sex hätten.
So nahm der Kläger die im Hinblick auf eine von ihm angebotene Unterstützung von Frau … erhaltene Rückantwort, der Kläger sei „ja wie ein Papi“ zu ihr, sofort erneut zum Anlass, einen von Frau … nicht gewollten sexuellen Bezug herzustellen, indem er antwortete „Papi?! Neee, Papis kriegen nämlich keinen Sex mehr! Und das ist Kacke!!!!“.
In einem späteren Chat erkundigte sich der Kläger bei Frau … erneut danach, ob sie jetzt mehr Sex habe, da sie ja derzeit keinen Freund habe und welche Altersgrenze sie bei Männern setze. Er würde sich auch nicht mit einem Kuss auf die Backe zufriedengeben sondern „wolle das volle, versaute Paket“. Obwohl Frau … hierauf nicht einging, setzte der Kläger den Chat fort und pries seine Qualitäten als möglicher Sexualpartner mit den Worten „Siehste! Weißt gar nicht, was so ein Papa alles kann!“.
Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er sei davon ausgegangen, es könne zu einer intensiveren, eventuell sogar sexuellen Beziehung mit Frau … kommen, da diese ihm über Snapchat private Urlaubsbilder und -videos geschickt habe. Zum einen hätte sich jeder sexueller Kontakt mit Frau … von vornherein verboten, auch wenn diese damit einverstanden gewesen wäre. Frau … hat sich für den Kläger jedoch klar erkennbar ablehnend gegenüber den von ihm geäußerten (sexuellen) Avancen geäußert.
Obwohl Frau … in den geschilderten Chat-Verläufen niemals dem Kläger gegenüber eine Bereitschaft erkennen ließ, auf dessen Wünsche einzugehen, trat der Kläger immer wieder an Frau … heran, so beispielsweise mit der mehrfachen Aufforderung (am 26.9.2015 und 3.10.2015), sie in … zu besuchen. Das Ansinnen des Klägers, sie solle ihm die Zeit verschönern, lehnte Frau … ab. Auf wiederholte Nachfragen reagierte Frau … ausweichend.
Auch bei der zweiten Einladung durch den Kläger mit dem Hinweis, dass sein Bett „bis sechs“ frei sei, reagierte Frau … ablehnend, das Bett sei zu klein. Auf das weitere Insistieren des Klägers, dann müssten sie eben zusammenrutschen, reagierte Frau … ebenfalls abwehrend mit der Äußerung, dass sie ihren Platz brauche. Sie wies in diesem Zusammenhang dann auch darauf hin, der Kläger könne möglicherweise Beisitzer in der Laufbahnprüfung sein, womit für den Kläger nochmals deutlich erkennbar wurde, dass Frau … keinesfalls bereit war, in einen engeren, möglicherweise sogar sexuellen Kontakt mit dem Kläger zu treten.
Auf den erneuten Versuch des Klägers, Frau … zu einem Besuch zu überreden, sie könne bei ihm duschen und dann unterm Dirndl seine Shorts anziehen, reagierte Frau … erneut ablehnend, indem sie den Kläger darauf hinwies, hierfür nicht spontan genug zu sein.
Auf erneutes Insistieren des Klägers wiederholte sie ihre Ablehnung, da sie nicht spontan genug sei, viermal, also mehr als deutlich.
Am 8. Oktober 2015 äußerte der Kläger auf Facebook gegenüber Frau …, dass sie noch keinen Körperkontakt gehabt hätten, er dies aber gerne ändern würde. Frau … sei jetzt „wilde 19 Jahre alt“. Er könne sich nicht erinnern, wann er zuletzt eine nackte 19-jährige gesehen habe. Im weiteren Verlauf des Chats erkundigte sich der Kläger dann, ob er Frau … ausziehen dürfe.
Bei dem zuletzt genannten Chat erkannte der Kläger selbst, dass ihn seine Äußerungen „in tierische Schwierigkeiten“ bringen und ein Disziplinarverfahren zur Folge haben könnten. Zur Begründung wies der Kläger selbst darauf hin, er sei „der Ausbilder“, womit hinreichend deutlich wird, dass es dem Kläger bewusst war, dass er mit seinen Äußerungen die ihm auferlegten Verpflichtungen als Ausbilder bei der Bundespolizei verletzt hat.
Frau … hat in ihrer Zeugeneinvernahme im Disziplinarverfahren plausibel und nachvollziehbar dargelegt, sie habe sich nicht getraut, dem Kläger eine deutliche Abfuhr zu erteilen, da die Möglichkeit bestanden habe, dass dieser Abschlussprüfer sein könne. Sie habe nicht gewusst, welche Folgen es haben würde, wenn sie dem Kläger verbal deutlich zurückweisen würde. Sie habe ihre Ablehnung deshalb in dem oben wiedergegebenen Sinne lediglich umschrieben. Sie habe sich auch nie mit dem Kläger treffen wollen.
Die zurückhaltende Abwehrreaktion von Frau … entlastet den Kläger nicht. Denn diesem war bewusst, dass er als Ausbilder möglicherweise sogar in der Prüfungskommission, die für Frau … zuständig sein würde, eingesetzt werden könnte. Er bot in einem Chat sogar an, dass er sich dann krankmelden könne. Dass Frau … unter diesen Umständen gegenüber dem Kläger, den sie wie einen Vorgesetzten empfand, nur mit ablehnend formulierten Umschreibungen auf dessen sexuelle Avancen reagiert hat, ist deshalb ohne weiteres plausibel.
Das von Kläger begangene einheitliche innerdienstliches Dienstvergehen wiegt schwer.
Das Gewicht des Dienstvergehens ergibt sich aus der Art der sexuellen Bemerkungen. Der Kläger hat mit diesen vorsätzlich gegen Kernpflichten verstoßen, die ihm als Ausbilder im Umgang mit Polizeimeisteranwärterinnen oblagen. Dem Kläger war dies auch bewusst, wie seine bei Facebook ausdrücklich geäußerte Bitte, Frau … solle den Chat-Verlauf löschen, weil er sonst in „tierische Schwierigkeiten“ kommen könne und ihm ein Disziplinarverfahren drohe, zeigen.
Auf die Einschätzung durch das Landgericht … im Beschluss vom 24. Juni 2016, nach dem Gesamteindruck des die Zeit vom 2. September 2015 bis zum 20. Oktober 2015 umfassenden Chat-Protokolls zwischen dem Kläger und Frau … sei die Unterhaltung von einem scherzhaften und freizügigen Ton auf beiden Seiten geprägt worden, kommt es vorliegend nicht an. Das Landgericht … hatte sich ausschließlich mit der Frage zu befassen, ob der Kläger der Bestechlichkeit in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung hinreichend verdächtigt ist, was durch das Gericht verneint wurde. Strafverfahren und Disziplinarverfahren verfolgen jedoch völlig unterschiedliche Zielsetzungen. Das Strafverfahren ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und durch strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beamten und damit die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes sicherzustellen bzw. wiederherzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 5/18 – juris Rn. 18).
Schuldminderungs- bzw. Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor.
Aus den gesetzlichen Vorgaben des § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer auch prognostischen Gesamtwürdigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung zu bestimmen. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 3.5.2007 – 2 C 9.06 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3, m.w.N.; B.v. 16.7.2009 – 2 AV 4/09 – juris Rn. 20).
Das Bemessungskriterium „Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ (§ 13 Abs. 1 Satz 4 BDG) erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Deshalb führen Dienstvergehen mit sexuellem Bezug nicht regelmäßig zu einer bestimmten Maßnahme. Die Handlungsbreite, in der sexuelle Zudringlichkeiten im Dienst denkbar sind, ist zu groß, als dass sie einheitlichen Regeln unterliegen und in ihren Auswirkungen auf Achtung und Vertrauen gleichermaßen eingestuft werden können. Stets sind die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgebend. Das Gewicht des Dienstvergehens ergibt sich vorliegend aus der Art der sexuellen Bemerkungen (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.1995 – 1 DB 5/96 – juris Rn. 10).
In schweren Fällen innerdienstlicher sexueller Belästigung weiblicher oder männlicher Mitarbeiter, insbesondere wenn der Beamte unter Ausnutzung seiner Vorgesetzteneigenschaft versagt und dadurch nicht nur seine Integrität in der Dienststelle weitgehend einbüßt, sondern auch sein Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn schwer erschüttert, kann sich grundsätzlich die Frage seiner weiteren Tragbarkeit im öffentlichen Dienst stellen, während in minderschweren Fällen eine mildere Disziplinarmaßnahme verhängt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2009 – 2 AV 4/09 – juris Rn. 22).
Bei der nach diesen Grundsätzen zu bestimmenden Disziplinarmaßnahme ist zwar einerseits zu Gunsten des Klägers zu sehen, dass es zu keinen körperlichen Übergriffen gegenüber Frau … gekommen ist, wie dies beispielsweise in den Disziplinarverfahren der Fall war, die Gegenstand der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2002 – 1 D 4/02 – und vom 14. Februar 2007 – 1 D 12/05 – waren.
Der Kläger hat jedoch als Ausbilder in einer Kernpflicht im Umgang mit Anwärtern im Bereich der Bundespolizei versagt. Anwärterinnen und Anwärter sind aufgrund ihres vergleichsweise jungen Alters und ihrer kurzen Zugehörigkeit zur Organisation der Bundespolizei nicht vollumfänglich in der Lage, die Grenzen dienstlicher Einflussnahme ihre Ausbilder im Allgemeinen abzuschätzen und somit stets objektiv nachvollziehbar dementsprechende Entscheidungen zu treffen. Gerade hieraus resultiert auch die Verpflichtung der Ausbilder, zu jeder Zeit eine persönliche Distanz zu den ihnen anvertrauten Auszubildenden zu wahren.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger in Kenntnis, dass Frau … bereits kurz zuvor Opfer eines Übergriffs mit sexuellem Hintergrund geworden war, mit dieser über Facebook in Kontakt getreten ist und nach einem zunächst unverfänglichen Beginn des Chatverlaufs gegenüber Frau … eindeutige sexuelle Anzüglichkeiten und Wünsche geäußert hat.
Zu Lasten des Klägers ist zudem zu berücksichtigen, dass durch sein Verhalten bei Frau … die durch Frau Dr. … diagnostizierten psychischen Folgen im Sinne einer akuten Belastungsreaktion mit Rückzug aus sozialen Interaktionen, Einengung der Aufmerksamkeit, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sowie vegetativen Zeichen panischer Angst, wie Tachykardie und Schwitzen, eingetreten sind.
Nach Angaben des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist bei Frau … inzwischen die Polizeidienstunfähigkeit aufgrund der bei ihr bestehenden psychischen Erkrankung festgestellt worden. Dies führte dazu, dass Frau … einen Laufbahnwechsel vornehmen musste und nunmehr als Regierungsobersekretärin tätig ist.
Zu Gunsten des Klägers ist zu würdigen, dass er das Unrecht seines Handelns eingesehen und sich insbesondere bei Frau … für sein Verhalten entschuldigt hat. Der Kläger ist bisher auch noch nicht disziplinar- oder strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Für ihn spricht zudem sein grundsätzlich positives Persönlichkeitsbild.
Nicht als durchgreifender Milderungsgrund zu werten sind die vom Kläger geschilderten Probleme in der Ehe, die letztlich zur Trennung der Ehegatten geführt haben. Der Milderungsgrund einer inzwischen überwundenen negativen Lebensphase liegt insoweit nicht vor.
Dieser setzt außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt „aus der Bahn geworfen“ haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin „aus der Bahn“ geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1979 – 1 D 39.78 -, BVerwGE 63, 219, U.v. 23.8.1988 – 1 D 136.87 -, NJW 1989, 851, U.v. 27.1.2011 – 2 A 5.09 -, Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – NVwZ 2013, 1087 und v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 -, NVwZ 2016, 722).
Danach muss es sich um eine persönlich besonders belastende Situation gehandelt haben, die so gravierend ist, dass die Pflichtverletzung des Beamten in einem milderen Licht erscheint, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten vom Beamten nicht mehr erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Wenn aber das Verhalten des Beamten zum Tatzeitpunkt in keiner Hinsicht auffällig gewesen ist, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Beamte sei aufgrund von außergewöhnlichen Umständen „zeitweilig aus der Bahn geworfen“. So liegt der Fall hier. Der Kläger war im Tatzeitraum in der Lage, seinen dienstlichen Pflichten nachzukommen. Auffälligkeiten bei der Dienstausübung konnten nicht festgestellt werden.
Es besteht vorliegend auch keine unangemessen lange Verfahrensdauer, die bei der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mildernd berücksichtigt werden könnte (vgl. BVerwG, B.v. 1.6.2012 – 2 B 123-11 – juris Rn. 6).
Die Verzögerungen ergaben sich aus dem zunächst gegen den Kläger geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren mit Aussetzung des Disziplinarverfahrens. Weitere Verzögerungen im Zusammenhang mit der Einvernahme von Frau … als Zeugin beruhten auf deren Erkrankung.
In der Gesamtschau der den Kläger be- und entlastenden Umstände ist eine deutliche Pflichtenmahnung erforderlich. Die Kammer teilt die Auffassung der Beklagten, dass eine Kürzung der Dienstbezüge nach § 8 Abs. 1 BDG für einen Zeitraum von zwei Jahren erforderlich, angemessen und auch verhältnismäßig ist. Das Verwaltungsgericht Trier hat in einem Urteil vom 19. August 2008 – 3 K 143/08 – in einem Fall, in dem ein Vorgesetzter gegenüber Mitarbeiterinnen verbal in nicht hinnehmbarer Form zudringlich geworden war, sogar eine Zurückstufung für angemessen erachtet.
Im Hinblick auf die geschilderten Besonderheiten des Einzelfalls ist die verhängte Kürzung der Dienstbezüge erforderlich, aber auch angemessen, dem Kläger deutlich sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und eine künftig beanstandungsfreie Dienstausübung sicherzustellen.
Die Höhe des Kürzungssatzes ergibt sich aus der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. März 2001 – 1 D 29/00 -, NVwZ-RR 2001, 768, ein nach den Laufbahngruppen abgestuftes System von Regelkürzungssätzen entwickelt. Danach ist regelmäßig der Kürzungsbruchteil bei Beamten des einfachen Dienstes auf ein Fünfundzwanzigstel, bei Beamten des mittleren Dienstes auf ein Zwanzigstel und bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis einschließlich Besoldungsgruppe A 16 auf ein Zehntel festzusetzen (vgl. Urban/Wittkowski, Bundesdisziplinargesetz, 2. Auflage 2017. Rn. 7 zu § 8).
Die Kostentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO.
Gründe, die Berufung nach § 64 Abs. 2 BDG zuzulassen, liegen nicht vor.

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