Aktenzeichen AN 13b D 18.00529
Leitsatz
1. Zwischen der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG für aktive und nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte getroffenen Regelung besteht ein gradueller Unterschied (Rn. 242). (redaktioneller Leitsatz)
2. Agitationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern, stellen Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar (Rn. 244). (redaktioneller Leitsatz)
3. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht (Rn. 262). (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist dem früheren Dienstherrn der Beklagten nicht zuzumuten, eine Beamtin, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt hat und sich nach wie vor mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziert, weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren (Rn. 279). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 13 Abs. 1 BayDG zur Aberkennung des Ruhegehaltes der Beklagten.
I.
Die Disziplinarklage weist keine formellen Mängel auf.
Die Zuständigkeit des Polizeipräsidium … für die Erhebung der Disziplinarklage ergibt sich aus Art. 18 Abs. 3 BayDG i.V.m. Art. 18 Abs. 2 BayDG und § 28 Abs. 1 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl 2015, 184).
Das Disziplinarverfahren wurde gegen die Beklagte gemäß Art. 19 Abs. 1 BayDG am 25. April 2017 eingeleitet und die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tage gemäß Art. 22 Abs. 1 BayDG informiert und belehrt.
Mit Verfügungen der Disziplinarbehörde vom 17. Mai 2017 und 13. Juni 2017 wurde das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 1 BayDG ausgedehnt und die Beklagte erneut belehrt.
Die Beklagte wurde mit Schreiben vom 3. August 2017 und 16. Oktober 2017 gemäß Art. 32 BayDG abschließend angehört. Sie hat sich zur Sache geäußert.
II.
Der der Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt ist erwiesen durch die Ermittlungen der Disziplinarbehörde im Disziplinarverfahren. In der Disziplinarakte finden sich die der Beklagten zu Last gelegten Schreiben vom 9. Februar 2017 und 14. März 2017 an das Finanzamt …, das Schreiben vom 9. April 2017 an den Bundesfinanzhof in …, das Schreiben vom 13. April 2017 an das Finanzamt … sowie die im Disziplinarverfahren abgegebene Stellungnahme vom 29. Mai 2017.
Sämtliche Schreiben tragen die Unterschrift der Beklagten und sind dieser deshalb zuzurechnen.
In der mündlichen Verhandlung wurde seitens der Beklagten zwar vorgetragen, dass die eingereichten Schriftsätze von ihrem mit Beschluss der Kammer vom 16. Oktober 2019 zurückgewiesenen Beistand, Herrn …, gefertigt worden seien und sie diese aus gesundheitlichen Gründen nur teilweise gelesen habe.
Die Kammer wertet die Erklärung der Beklagten jedoch als Schutzbehauptung.
Die Anlage zum handschriftlichen Telefaxschreiben der Beklagten vom 9. Februar 2017 umfasst lediglich zwei Seiten, diejenige zum Telefaxschreiben vom 14. März 2017 eine Seite. Auch das Schreiben vom 9. April 2017 ist lediglich eine Seite lang, das Schreiben vom 13. April 2017 drei Seiten. Die Anlage zur Stellungnahme vom 29. Mai 2017 umfasst lediglich vier Seiten.
Selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Beklagte bereits im Jahr 2017 an starken (Kopf- und Zahn) Schmerzen gelitten hat, geht die Kammer im Hinblick auf den geringen Umfang der genannten Schreiben davon aus, dass es der Beklagten möglich gewesen ist, vor dem Versand der Schreiben von deren Inhalt vollumfänglich Kenntnis zu nehmen. Denn die Beklagte war auch gesundheitlich in der Lage, am 9. Februar 2017 und 14. März 2017 die handschriftlich gefertigten Schreiben an das Finanzamt … zu verfassen, was ein konzentriertes Handeln über einen längeren Zeitraum voraussetzte.
Jedenfalls hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 6. November 2019 inhaltlich zu den Aussagen in den genannten Schreiben und auch den weiteren, im Disziplinarklageverfahren vorgelegten Schriftsätzen bekannt. Sie hat bereits zu Beginn der Sitzung durch Verlesen eines nach Angaben der Beklagten von Herrn … gefertigten Schreibens die Disziplinarkammer erneut als verbotenes Ausnahmegericht, das sich zunächst zu legitimieren habe, bezeichnet.
Auf wiederholte Nachfrage, ob sie die von ihr vorgelesene rechtliche Bewertung teile, hat die Beklagte dies schließlich bejaht, da sie auf Grund des bisherigen Verhaltens der Kammer im Disziplinarverfahren davon ausgehe, dass der Inhalt der Schreiben korrekt sei.
Die Beklagte hat sich somit von den ihr in der Disziplinarklage zur Last gelegten Äußerungen auch in der mündlichen Verhandlung nicht distanziert.
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Beklagte die im weiteren Verlauf des Disziplinarverfahren und im Klageverfahren vorgelegten Schreiben und Schriftsätze, die zum Teil einen Umfang von fast achtzig Seiten (Anlagen mit eingerechnet) erreichten und nach Angaben der Beklagten von Herrn … gefertigt worden sein sollen, inhaltlich im vollen Umfang zur Kenntnis genommen und verstanden hat.
III.
Die Beklagte hat durch das ihr zur Last gelegte und nachgewiesene Verhalten als Ruhestandsbeamtin gegen ihre Verpflichtung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen.
Nach dieser Bestimmung gilt bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen.
Da mit dem Eintritt in den Ruhestand das Beamtenverhältnis endet, also kein Dienstverhältnis mehr besteht, können auch keine Dienstpflichten im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG mehr verletzt werden. Abs. 2 Satz 1 enthält deshalb eine gesetzliche Fiktion, indem für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte, obwohl sie in keinem Dienstverhältnis mehr stehen, bestimmte aus dem früheren Beamtenverhältnis fortdauernde Pflichten als Dienstpflichten behandelt werden, deren schuldhafte Verletzung einem Dienstvergehen gleichgestellt wird.
Als Dienstvergehen gilt – wie bereits dargelegt – u.a. die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Die Pflicht zur Verfassungstreue ist die Grundpflicht der Beamten gegenüber dem Staat. Sie bildet auch einen Kernbestandteil des Diensteids (§ 38 Abs. 1 Satz BeamtStG), den die Beklagte am … 1987 abgelegt hat. Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wirkt die Pflicht zur Verfassungstreue auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, wenn und solange der (frühere) Beamte aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. Zwischen der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG für aktive und nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte getroffenen Regelung besteht ein gradueller Unterschied. Während für die aktiven Beamten ein Gebot zum Bekennen zur freilich demokratischen Grundordnung und eine Verpflichtung besteht, für sie einzutreten, beschränkt sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der Pflichtenrahmen ist somit für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten gezogen. Der Grund liegt aber nicht darin, dass von Ruhestandsbeamten ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet wird, sondern dass den Ruhestandsbeamten und gleichgestellten früheren Beamten schon aus altersbedingten Gründen keine weitreichenden aktiven Handlungspflichten auferlegt werden können (Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 132 zu § 47 BeamtStG).
Während der aktive Beamtin nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sich somit durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten muss, nimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG eine passive Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen hin. Als Dienstvergehen gilt deshalb erst, wenn sich der Ruhestandsbeamte oder frühere Beamte mit Versorgungsbezügen selbst aktiv verfassungsfeindlich betätigt (Schachel in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 9/2018, § 47 BeamtStG Rn. 29; Heitz, GKÖD, L § 77 Rn. 14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden dem entsprechend Aktivitäten feindseliger Art gefordert (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334-391, Rn. 46). Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von solchen Aktivitäten feindseliger Art haben. Solange sie sich daran erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen und in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren zu ändern, erfüllen sie nicht die genannten Tatbestände eines Dienstvergehens. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern, Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar (BVerfG, a.a.O.).
Hiervon ausgehend hat die Beklagte gegen die § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen, da sie sich Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht hat und sich durch die ihr zu Last gelegten schriftlichen Äußerungen gegenüber dem Finanzamt … bzw. der Außenstelle …, dem Bundesfinanzhof sowie im Disziplinarverfahren gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in dem genannten Sinne betätigt hat.
Der Kläger ist zutreffend davon ausgegangen, dass die der Beklagten zur Last gelegten Äußerungen die Grenzen einer durch Art. 5 Abs. 1 GG gedeckten Meinungsäußerung überschreiten.
Die Beklagte vertritt in dem von ihr gegen Steuerbescheide des Finanzamtes … aus den Jahren 2010, 2011 und 2012 geführten Rechtsbehelfsverfahren sowie im Zusammenhang mit einer erhaltenen Pfändungs- und Einziehungsverfügung die Auffassung, das staatliche Recht kenne keine Abgabenordnung, weil die staatlichen Steuern bis zum letzten Tag der Handlungsfähigkeit des Staates am 27. Oktober 1918, 23.59 Uhr, immer noch vom Amtmann persönlich berechnet, persönlich eingenommen und persönlich dem Staat zugerechnet würden. Der Nationalsozialismus habe zwar eine Abgabenordnung gehabt, diese stehe aber unter Anwendungsverbot. Die Abgabenordnung der Bundesrepublik Deutschland stehe ebenfalls unter Anwendungsverbot. Die Bundesrepublik Deutschland habe wegen Rechtsnachfolge der Weimarer Verfassung kein Recht, Gesetze auszufertigen. Dies sei bis heute so geblieben. Der gesetzliche Gesetzgeber sei in der Zeit vom 28. Oktober 1918 bis mindestens Ende der Kampfhandlungen im Jahre 1955 und wegen Kriegsgefangenschaft auch nach 1955 nicht am Werk gewesen.
Hinsichtlich der Schreiben des Finanzamtes läge – sofern sie mehr sein sollten als Infopost – eine Urkundenfälschung vor wegen Verwendung nicht amtlicher Siegel und rückwirkender Löschung des Einigungsvertrags. Ein staatlicher Verwaltungsakt müsse das staatliche Siegel und die Unterschrift des Beamten nach der Siegelordnung mit Rechtsstand vom 27. Oktober 1918 tragen. Dies sei nicht der Fall. Gefordert werde die Unterschrift durch einen rechtmäßigen Amtmann, also durch einen echten Beamten, keinen Nazischeinbeamten.
Es gebe kein rechtskräftiges Urteil, weil es den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 GG an einem Finanzgericht nicht geben könne, da jedes Finanzgericht nur eine Untergliederung des Bundes, eines Parteikonstrukts sei, also ein Parteischiedsgericht eines Parteiverbundes. Es handle sich insoweit um ein verbotenes Ausnahmegericht.
Die Beamtenverhältnisse seien durch die Amerikaner unter Verletzung des Kriegsvölkerrechts am 8. Mai 1945 aufgehoben worden. Wer dem nicht Folge geleistet habe, sei erschossen worden. Es gebe deshalb keine noch lebenden Beamten.
Es gelte die staatliche Gesetzgebung vom 27. Oktober 1918 fort, weshalb zu bezweifeln sei, ob Herr G. wirklich ein Amt habe oder sich dieses nur anmaße.
Bei den Finanzbehörden in Bayern handle sich um bloße Firmen. Die Bundesrepublik Deutschland werde als Staat simuliert. Eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung könne nicht von einer Firma erlassen werden, sonst seien die Tatbestände der Amtsanmaßung und, da es um Geld bzw. Privatvermögen gehe, auch der Tatbestand der „Plünderung im Feinstaat“ nach Art. 46 der Haager Landkriegsordnung erfüllt.
In ihrem Schreiben an den Bundesfinanzhof vom 9. April 2017 stellt die Beklagte die Behauptung auf, es bestehe kein Anwaltszwang, da dieser durch das Bundesbereinigungsrecht aufgehoben worden sei. Das Festhalten am Anwaltszwang stelle die Anwendung nationalsozialistischer Gesetze dar. In diesem Zusammenhang stellt die Beklagte auch einen Zusammenhang der strafrechtlichen Ahndung der Leugnung des Holocausts nach § 130 StGB mit der behaupteten Anwendung nationalsozialistischer Gesetze in der Bundesrepublik her.
Im behördlichen Disziplinarverfahren wirft die Beklagte der Disziplinarbehörde Beihilfe zum Verfassungsbruch vor. Es werde Amtsmissbrauch durch Nötigung zur Duldung der verbotenen Wiedereinsetzung des durch die Alliierten aufgehobenen Ermächtigungsgesetzes zur Umsetzung strafbarer politischer Ziele im Zusammenhang des Wiederauflebenlassens der nationalsozialistischen Gesetzgebung in den Grenzen des Staates aus der Zeit von 1933 bis 1945 in der Bundesrepublik Deutschland mit Steuergeldern begangen. Konkret gehe es um die von Ämtern aufgezwungene und teils heimliche Fortsetzung nationalsozialistischer Gesetze, deren Anwendung und Fortsetzung das Tillessen-Urteil untersagt habe.
Auf Grund der Schriftsätze des Polizeipräsidiums … bestünden tatsächliche Anhaltspunkte, dass ideologische Gefolgsleute von Hitler immer noch im öffentlichen Dienst als ausführende oder Dienstvorgesetzte tätig seien.
Im Kaiserreich habe es keine deutsche Staatsangehörigkeit gegeben. Das entsprechende Gesetz vom 5. Februar 1934 sei ungültig. Folglich sei wegen falscher Staatsangehörigkeit und falscher Grenzziehung im Grundgesetz auch der Art. 116 GG als Wahlgrundlage ungültig, denn es seien vor der ersten Bundestagswahl ohne Volksabstimmung und fehlerhaft unter Verstoß gegen Art. 43 HLKO durch die Alliierten die Wahlgesetze verändert worden. Es gelte aber das Landrecht vom 27. Oktober 1918.
Mit diesen – nur auszugsweise wiedergegebenen – Äußerungen, die im Tatbestand im Einzelnen wiedergegeben sind, verlässt die Beklagte die rechtlich zulässigen Grenzen, Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen oder in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren ändern zu wollen. Sie stellt vielmehr die Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland und die Existenz der staatlichen Strukturen und Ordnungen nach dem Grundgesetz infrage. Es handelt sich bei ihren Äußerungen nicht mehr um eine punktuelle Kritik an politischen oder gesellschaftlichen Verhältnissen, sondern um die Leugnung der Grundlagen des Staates und seiner Organe schlechthin.
So erkennt die Beklagte beispielsweise nicht an, dass die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der in Art. 108 Abs. 5 GG eingeräumten Ermächtigung im Jahr 1976 die Abgabenordnung erlassen hat, die am 16. März 1976 gemäß Art. 82 GG ausgefertigt und durch Veröffentlichung am 23. März 1976 im Bundesgesetzblatt, Teil I, S. 613 ff., verkündet worden ist. Die Abgabenordnung ist am 1. Januar 1977 in Kraft getreten. Entgegen der Behauptung der Beklagten wurde in ihrem Steuerverfahren die Reichsabgabenordnung somit gerade nicht angewandt.
Ebenso erkennt die Beklagte den in § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bestimmten Vertretungszwang nicht an und bezeichnet diese Regelung als nationalsozialistisches Recht. Sie bestreitet des Weiteren die Gültigkeit der Wahlgesetze und geht von einer Fortgeltung des Landrechts vom 27. Oktober 1918 aus.
Die Bundesrepublik Deutschland werde als Staat simuliert. Bei den Finanzbehörden in Bayern handle sich um deshalb um bloße Firmen.
Die Beklagte vertritt damit nachhaltig das Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“. Diese beruft sich auf das Fortbestehen des Deutschen Reiches, welches juristisch niemals untergegangen sei und stellt die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre Organe infrage. Sie zweifelt die Legitimität des Grundgesetzes an, da das deutsche Volk niemals darüber abgestimmt habe. Sie hält die Bundesrepublik Deutschland für eine Firma, welche von den Alliierten regiert wird und behauptet, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe (vgl. OVG NRW, B.v. 22.3.2017 – 3d 296/17.0 -, juris Rn.7; VG Münster, B.v. 15.2.2017 – 20 L 254/17.O -; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 – 35 L 2031/17.O. -, juris; B.v. 23.11.2016 – 35 K 13737/16 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 – 15 A 16/16 -, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 – 10 M 4/15 u.a. -, juris).
Der Kläger ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die schriftlichen Äußerungen der Beklagten das Tatbestandsmerkmal des „Betätigens“ erfüllen. Dieses Merkmal erfordert eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht.
Dies ist vorliegend der Fall, da sich die Beklagte mit verschiedenen, an Behörden bzw. den Bundesfinanzhof gerichteten Schreiben die ihr zuzurechnenden Thesen nach außen getragen hat. Welche Motivation die Beklagte beim Absenden der Scheiben gehabt hat, ist für die Frage des Vorliegens eines Dienstvergehens unerheblich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 -, juris Rn. 51).
Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, dass die Beklagte wiederholt betont hat, sie sei kein „Reichsbürger“, da das Recht aus der Zeit des Nationalsozialismus unwirksam und ihr kein Reichsbürgerausweis ausgestellt worden sei. Es wird der Beklagten nicht vorgehalten, dass sie Reichsbürger im Sinne des von ihr zitierten Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes sei, sondern dass sie das Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ verinnerlicht und aktiv nach außen getragen hat.
Die Beklagte gibt zwar an, dass sie die Rechtsordnung der Bundesrepublik anerkenne und sich stets gesetzestreu und ihrem früheren Dienstherrn gegenüber loyal verhalten habe. Der Kläger weist jedoch zutreffend darauf hin, dass Außenstehenden für die Beurteilung der inneren Einstellung einer Person lediglich der Rückschluss aus dem Verhaltens sowie den getätigten Äußerungen zur Verfügung steht (vgl. OVG Münster, B.v. 22.3.2017 – 3d B 296/17 -, Rn. 6). Ein möglicher (innerer) Vorbehalt ist deshalb unerheblich, soweit dieser nicht durch entsprechendes aktives Verhalten deutlich gemacht wird. Die bloße Behauptung die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen, genügt hierfür nicht, zeigt doch der der Beklagten zur Last gelegte und auch nachgewiesene Sachverhalt, dass dies gerade nicht der Fall ist. So stellt die Beklagte bereits die Rechtssetzungskompetenz der Bundesrepublik Deutschland, einem angeblichen Parteienkonstrukt, in Frage.
Zudem belegen die schriftlichen Einlassungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren, dass sie weiterhin die Ideologie der Reichsbürgerbewegung vertritt und deren Gedankengut verinnerlicht hat.
Die Beklagte bezeichnet die Disziplinarkammer als ein verbotenes Ausnahmegericht und negiert damit die im Bayerischen Disziplinargesetz getroffenen Regelungen. Sie hält auch in vollem Umfang an ihrer bisherigen Argumentation fest. Sie spricht weiterhin von der Bundesrepublik Deutschland als einem nicht handlungsfähigem Staat, der im Nießbrauchrecht der Haager Landkriegsordnung des kaiserlichen Staates operieren müsse. Der Freistaat … und seine Angestellten träten lediglich als privatrechtliche Notstandsleiter im Sinne des staatlichen Notstandsrechts aus 1913/1914 auf. Es bestünden nach wie vor die Grenzen von 27. Oktober 1918.
Die Beklagte bestreitet auch die Existenz der sog. „Reichsbürgerbewegung“. Diese entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verstärkt in Erscheinung, seit 2013 auch mit Militanz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rechnet dem Spektrum mehr als 19.000 Personen zu. Davon gelten 950 Personen als Rechtsextremisten (Stand: 30. September 2018; Quelle: Wikipedia). Die Zahl der der Reichbürgerszene zuzurechnenden Personen ist allein in Bayern bis Herbst 2018 auf ca. 4.200 Personen angestiegen (Süddeutsche Zeitung vom 10.10.2018).
Es gibt zudem eine Reihe von im Internet abrufbaren Publikationen, die sich mit der Reichbürgerbewegung befassen. So hat beispielsweise das Amt für Verfassungsschutz des Freistaats Thüringen eine Broschüre mit dem Titel „Reichsbürger“ – Querulanten oder Verfassungsfeinde?“, Stand September 2017 herausgegeben.
An der Existenz der „Reichsbürgerbewegung“ bestehen deshalb keine Zweifel.
Auch in der mündlichen Verhandlung am 6. November 2019 hat sich die Beklagte nicht von ihrem bisherigen Verhalten distanziert, womit ein Milderungsgrund hätte einhergehen können (BayVGH, U.v. 16.1.2019 – 16a D 15.2672 -, juris Rn. 45). Sie hat vielmehr sofort zu Beginn der Sitzung durch Verlesen eines von ihrem (früheren) Beistand gefertigten Schreibens das erkennende Gericht erneut als verbotenes Ausnahmegericht bezeichnet und verlangt, die Richter der Disziplinarkammer mögen sich legitimieren.
Die Beklagte hat mit dem ihr in der Disziplinarklage vorgeworfenen Verhalten vorsätzlich gegen ihre Verpflichtung aus § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Die Voraussetzungen eines (nicht vermeidbaren) Verbotsirrtums liegen nicht vor. Gerade als ehemaliger Polizeibeamtin waren der Beklagten – auch aus der Ausbildung – die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt. Die Beklagte wurde am … 1987 gegen Unterschrift über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst belehrt. Der Beklagten hätten deshalb bei Anspannung ihrer geistigen Kräfte und erforderlichenfalls nach entsprechender Aufklärung zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens kommen müssen (vgl. Zängl., a.a.O., MatR/II Rn. 116).
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 -, juris; U.v. 29.10.2013 – 1 D 1.12 -, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02 -, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Ruhestandsbeamten und -beamtinnen wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 BayDG führt zur Aberkennung des Ruhegehaltes (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Die Beklagte hat sich – wie ausgeführt – gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt und damit als Ruhestandsbeamtin ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen.
Auch von einer Polizeibeamtin im Ruhestand ist als ehemaliger Repräsentantin der staatlichen Ordnung zu erwarten, dass sie die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und die staatlichen Gesetze respektiert und ihr Handeln auch im Ruhestand danach bestimmt.
Es ist dem früheren Dienstherrn der Beklagten nicht zuzumuten, eine Beamtin, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt hat und sich nach wie vor mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziert, weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren. Eine weitere Alimentierung der Beklagten würde – im Falle eines Bekanntwerdens – auch in der Öffentlichkeit auf Unverständnis stoßen.
Ergänzend wird auf die zutreffende rechtliche Bewertung des Klägers in der Disziplinarklage verwiesen, die sich die Kammer zu eigen macht.
Milderungsgründe, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten, liegen nicht vor.
Es ist zwar der Personalakte der Beklagten zu entnehmen, dass die Beklagte zum 1. September 2009 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, da bei ihr eine schwere psychische Erkrankung (Psychose des schizophrenen Formenkreises) diagnostiziert worden war. Die Kammer hatte deshalb die Absicht, ein fachpsychiatrisches Gutachten zur Klärung der Frage einzuholen, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der ihr in der Disziplinarklage zur Last gelegten Handlungen an einer psychischen Störung im Sinne des § 20 StGB gelitten hat und hierdurch die Fähigkeit der Beklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert war (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2015 – 2 B 15.13 -, juris Rn. 18).
Denn nach gefestigter obergerichtlichen Rechtsprechung kann im Falle einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit die disziplinarische Höchstmaßnahme regelmäßig nicht mehr ausgesprochen werden (BVerwG, B.v. 29.8.2017 – 2 B 76.16 -, juris Rn. 14; B.v. 11.1.2012 – 2 B 78.11 -, juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 22.11.2017 – 16b D 15.1182 -, juris Rn. 44).
Die Beklagte hat es jedoch sowohl im Schriftsatz vom 10. Juli 2019 als auch in der mündlichen Verhandlung abgelehnt, sich einer Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten ärztlichen Sachverständigen zu unterziehen. Sie machte vielmehr deutlich, dass es sich bereits bei dem Gutachten, das im Rahmen des Zwangspensionierungsverfahrens erstellt wurde, um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt habe und sie schon damals nicht psychisch erkrankt gewesen sei. Sie leide jedoch an massiven Schmerzen, die auf eine Trigenimusneuralgie zurückzuführen seien.
Die Voraussetzungen des § 81 StPO (i.V.m. Art. 56 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 1 BayDG) für eine Anordnung der Unterbringung der Beklagten gegen ihren Willen zur Vorbereitung eines (psychiatrischen) Gutachtens waren zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt.
Zum einen ist bei fehlender Bereitschaft des Betroffenen zur Mitwirkung eine Unterbringung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur zulässig, wenn gleichwohl ein verwertbares Ergebnis zu erwarten ist (vgl. Hadamitzky in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, Rn. 5 zu § 81 m.w.N.).
Zum anderen ist die Kammer nach Prüfung der vom Kläger mit Schriftsatz vom 9. Juli 2019 vorgetragenen Argumente zu der Einschätzung gelangt, dass ein ärztliches Sachverständigengutachten zur Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 21 StGB nicht notwendig ist.
Der Kläger führt zutreffend aus, eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB setze voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei Tatbegehung erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Beamte den Anreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte (BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08 -, juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 22.11.2017 – 16b D 15.1182 -, juris Rn. 45).
Selbst wenn man von einer fortbestehenden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und einer deshalb bestehenden eingeschränkten Schuldfähigkeit der Beklagten ausgehen würde, wäre eine daraus resultierende Verminderung der Schuldfähigkeit der Beklagten rechtlich nicht erheblich im Sinne des § 21 StGB.
Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB maßgeblich von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (BVerwG, B.v. 19.2.2018 – 2 B 51.17 -, juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 22.11.2017 – 16b D 15.1182 -, Rn. 48).
Wie bereits ausgeführt, hat die Beklagte bei Eintritt in den Dienst bei der Bayerischen Polizei eine Erklärung über ihre Verfassungstreue unterzeichnet, in der die Beklagte ausdrücklich über ihre Verpflichtungen belehrt und darauf hingewiesen worden ist, dass bei Verstößen gegen die Verfassungstreue mit einer Entfernung aus dem Dienst, somit mit der Höchstmaßnahme zu rechnen ist. Bei Ruhestandsbeamten ist Höchstmaßnahme die Aberkennung des Ruhegehaltes. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.1.2019 – 16a D 15.2672 -, juris Rn. 32, dargelegt, dass eine – vorliegend jedoch gerade nicht erfolgte – Berufung auf eine „erheblich verminderte Schuldfähigkeit“ im Hinblick auf das Erfordernis der Verfassungstreue von vornherein ins Leere geht, da der Begriff der Verfassungstreue eine dauerhaft bestehende Einstellung voraussetzt, die per se keinen Ansatzpunkt für die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB („einer krankhaften seelischen Störung“) bieten kann.
Ein Verstoß gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG durch eine Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes wiegt schwerer als ein (bloßes) Nichtbekennen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, womit die Beklagte gegen eine gerade für eine ehemalige Polizeibeamtin leicht einsehbare Verpflichtung einer Ruhestandsbeamtin verstoßen hat. In diesem Fall kann von der Beklagten erwartet werden, dass sie – selbst bei einer unterstellten verminderten Schuldfähigkeit – noch genügend Widerstandskraft aufbringt, um ihrer Verpflichtung aus § 47 Abs. 2 Satz 1 BayDG, sich nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu betätigen, nachzukommen.
Zu Gunsten der Beklagten spricht zwar, dass sie bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch ist zu sehen, dass die Beklagte in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und nach ihren Angaben an einer Trigenimusneuralgie leidet, die erhebliche gesundheitliche Belastungen nach sich zieht.
Diese Gründe erreichen jedoch nicht ein Gewicht, dass von der Verhängung der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte. Im Ergebnis ist es dem Kläger auf Grund des der Beklagten zur Last gelegten Verhaltens nicht mehr zumutbar, die Beklagte weiterhin zu alimentieren.
Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen endgültig zerstört, erweist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezählten Zwecken der Disziplinarmaßnahme Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig zerstört, erweist sich die Aberkennung des Ruhegehalts als angemessene und hier auch heute noch erforderliche Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Höchstmaßnahme beruht dann auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Ruhestandsbeamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Dienstpflichtverletzungen zuzurechnen (BayVGH, U.v. 9.4.2014 – 16a D 12.1439 – juris Rn. 106 mit weiteren Nachweisen).
Die Kammer verkennt nicht, dass die Beklagte mit der Aberkennung des Ruhegehalts existentiell betroffen wird. Dies ist jedoch allein die Folge der von ihr begangenen gravierenden Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG. Ihr steht zudem für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu. Auch ist sie in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 iVm. Abs. 2 SGB VI). Im Übrigen ist die Beklagte ggf. auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verweisen (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.2015 – 16a D 14.1158 -, juris Rn. 68 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 BayDG).