Europarecht

Geschwindigkeitsüberschreitung: Ablehnung eines Antrags auf Überlassung von (Mess-)Unterlagen durch die Verwaltungsbehörde

Aktenzeichen  1 OWi 63/19

Datum:
4.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30047
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Kulmbach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 147 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 103 Abs. 1
EMRK Art. 6

 

Leitsatz

Die Nichtüberlassung von (Mess-)Unterlagen, die sich nicht bei der Akte befinden, stellt weder einen Gehörsverstoß noch einen Verstoß gegen den fair-trial Grundsatz dar (ebenso OLG Bamberg NZV 2018, 425; Abweichung zu VerfGH Saarl BeckRS 2018, 7915). (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag des Verteidigers vom 22.10.2019 auf gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes vom 14.10.2019 bzw. 28.10.2019 wird kostenfällig zurückgewiesen.
II. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.
Der Verteidiger des Betroffenen hat mit Schreiben vom 14.10.2019 gegen die Ablehnung, ihm alle Unterlagen der Messung und der Messgeräte welche bei der Messung des Betroffenen-Fahrzeugs verwendet wurden, zu überlassen, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die Verwaltungsbehörde hat vorliegend zurecht und mit zutreffender Begründung den Antrag abgelehnt.
Das Akteneinsichtrecht der Verteidigung besteht gemäß § 147 I StPO i.V.m. § 46 OWiG in alle Aktenbestandteile, die auch dem Gericht vorliegen bzw. vorgelegt werden. Es umfasst grundsätzlich alle Akten und Aktenteile, einschließlich auch der bei den Akten befindlichen Bild- und Tonaufnahmen, auf welchen der Schuldvorwurf beruht und auf welchen auch die Rechtsfolgen beruhen oder zumindest beruhen können.
Diese Akten und Aktenbestandteile sind der Verteidigung zugänglich gemacht worden.
Lebensakten, Referenzvideos, Ausbildungs- und Schulungsnachweise, digitale Messdateien, Messstellenprotokolle, Rohmessdaten, Bedienungsanleitungen, Messreihen usw. gehören im Regelfall nicht zu den Akten. Das begegnet auch keinen Bedenken, da gemäß § 77 I S. 2 OWiG die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen ist, wenn der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Im Rahmen eines üblichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens im Bereich des Straßenverkehrs ergibt sich im Regelfall keine Besonderheit, die es rechtfertigen würde, Ermittlungen anzustellen, die letztlich unterstellen, dass alle Messstellen falsch ausgemessen sind, alle Messgeräte falsch bedient werden und falsch aufgestellt sind. Die im Bereich der straßenverkehrsrechtlichen Überwachung in Einsatz kommenden Geräte sind im Regelfall geeicht und genau für diese Aufgaben zugelassen und vorgesehen. Es handelt sich um ein standardisiertes Verfahren, was genau deswegen standardisiert wurde, weil es sich um eine Vielzahl von Verfahren handelt, die gleichartig sind und es hat auch in den letzten Jahren keinerlei Auffälligkeiten gegeben, die rechtfertigen würden, nunmehr jede Lebensakte, jedes Gerät usw. zu überprüfen.
Im vorliegenden Fall werden die Unterlagen und Daten erbeten, ohne dass konkret dargetan wird, warum im vorliegenden Fall Bedenken an der Messung bestehen.
Soweit dargetan wird, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Nichtüberlassung verletzt wird, sei auf die instruktive Entscheidung des OLG Bamberg vom 13.06.2018 (3 Ss OWi 626/18) verwiesen. Auch hier ist – in Kenntnis der Entscheidung des VerfGH Saarbrücken – klar dargetan, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt ist. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs soll verhindern, dass bei einer Entscheidung Daten zugrunde gelegt werden, die dem Betroffenen eben nicht bekannt sind. Demzufolge kann unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nur das maßgeblich sein, was für das gesamte Verfahren eben Bedeutung erlangt.
Auch das nunmehr als Rechtsbeschwerdegericht zuständige BayObLG hat am 19.09.2019 (202 ObOWi 1832/19) entschieden, dass die Nichtüberlassung von (Mess-) Unterlagen, die sich nicht bei der Akte befinden, weder einen Gehörsverstoß noch einen Verstoß gegen den fair-trial Grundsatz darstellt. Wenn es sich, wie hier, um ein standardisiertes Verfahren handelt, sind die vom Verteidiger begehrten Unterlagen nicht Gegenstand der Akte.
Diesen Entscheidungen schließt sich das erkennende Gericht an.
Hinsichtlich der von der Verteidigung angeführten Entscheidungen sei angemerkt, dass diese nicht mit der Rechtsauffassung des hier zuständigen Gerichts, wie oben dargestellt, übereinstimmen.
Nach alledem war der Antrag des Verteidigers als unbegründet zurückzuweisen. Diese Entscheidung ist gemäß § 62 II Satz 3 OWiG unanfechtbar.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 II OWiG i.V.m. § 473 StPO.

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