Europarecht

Kein Schadensersatz im “Abgasskandal” mangels schlüssigen Vortrags

Aktenzeichen  1 U 139/19

Datum:
29.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42701
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103
BGB § 823 Abs. 2, § 826

 

Leitsatz

1. Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt und unter Beweis gestellt, dass sein Fahrzeug vom sog. Dieselskandal betroffen ist. (Rn. 7 – 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der erstmals in der Berufung schlüssig dargestellten und unter Beweis gestellten Behauptung, dass der im klägerischen Fahrzeug eingebaute Dieselmotor mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehen ist, war und ist daher auch zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG nicht veranlasst. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 U 139/19 2019-09-30 Hinweisbeschluss OLGBAMBERG OLG Bamberg

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 25.4.2019, Az.: 14 O 2336/18 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Würzburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 89.375,52 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Würzburg vom 25.4.2019 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger unter Aufhebung des am 25.4.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Würzburg:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 89.375,52 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 27.11.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs X. 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer W. zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 Euro zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Darstellung der Angriffe des Klägers im Berufungsverfahren wird vollumfänglich Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 13.6.2019 und die Gegenerklärung des Klägers vom 15.10.2019.
II.
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 25.4.2019 ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung gleichfalls nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 30.9.2019 Bezug genommen. Auch die hierzu erfolgte Stellungnahme des Klägers vom 15.10.2019 gibt zu einer Änderung der Beurteilung der Sach- und Rechtslage keinen Anlass. Dieses begründet der Senat wie folgt:
1. Soweit der Kläger mit der Gegenerklärung geltend macht, der Senat habe im Hinweisbeschluss vom 30.9.2019 unzutreffend festgestellt, die Klagepartei habe erstinstanzlich keinen Beweis dafür angeboten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ebenfalls vom Dieselskandal betroffen sei, weil bereits auf Seite 3 der Klage vom 7.12.2018 dargestellt und durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt worden sei, dass auch der im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaute Dieselmotor eine illegale Abschalteinrichtung besitze, durch die mittels Einbaus einer speziellen Software auf dem Rollenprüfstand beim Stickstoffausstoß ein anderes Motorprogramm (Modus 1) als im Normalbetrieb (Modus 0) abgerufen werde und hierdurch auf dem Prüfstand geringere Stickstoffwerte als im Normalbetrieb erzielt würden und somit das streitgegenständliche Fahrzeug vom sog. „Dieselskandal“ betroffen sei, ist dem nicht zu folgen. Denn entgegen dieser Darstellung hat die Klagepartei erstinstanzlich eine solch schlüssige Behauptung weder aufgestellt noch einen entsprechenden Beweis angeboten.
Ausweislich Seite 3 der Klageschrift vom 7.12.2018 wurde zunächst nur vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem Dieselmotor ausgestattet und dieser zur Erreichung der zulässigen Emissionsgrenzwerte mit einem sog. Speicherkatalysator und einem Abgasrückführungssystem versehen ist, mit dem gesundheitsschädlichen Stickoxide herausgefiltert bzw. in ihrer Entstehung verhindert werden. Weiter wurde auf Seite 3 lediglich allgemein zum Gegenstand des sog. „Dieselskandals“ und der Funktionsweise der im Motor EA 189 eingebauten, mit einer speziellen Software versehenen illegalen Abschalteinrichtung vorgetragen, und hierfür wiederum Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Schließlich wurde auf den Seiten 4 und 5 noch ausgeführt, dass im klägerischen Fahrzeug der Motor EA 189 als Vierzylinderdiesel eingebaut worden sei und, wenngleich das Kraftfahrbundesamt für diesen X. noch keinen Rückruf veranlasst und die Beklagte die Betroffenheit dieses Fahrzeugs von der Abgasmanipulation bestritten habe, doch die sehr hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass auch im gegenständlichen Motor die illegale Abschaltvorrichtung eingebaut worden sei.
Nachdem die Beklagte mit Klageerwiderung zu Recht die fehlende Schlüssigkeit des Klagevortrags gerügt und außerdem ihrerseits hierzu detailliert dargestellt hatte, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug zwar ein Motor der Baureihe EA 189 (EU 5) verbaut worden, dieser aber nicht mit zwei unterschiedlichen Abgasrückführungsmodi (die Gegenstand des sog. Abgasskandals sind) versehen sei und deshalb beim klägerischen Fahrzeug keine Umschaltung zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb hinsichtlich der Abgasrückführung stattfinde, hat die Klagepartei wiederum nur die „sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Fahrzeug des Klägers betroffen ist vom Dieselskandal“ geltend gemacht und auch nachdem sie vom Erstgericht mit Ladungsverfügung vom 11.2.2019 zum Termin am 4.4.2019 auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage hingewiesen worden war, weiterhin erstinstanzlich keinen schlüssigen, anspruchsbegründenden und unter Beweis gestellten Sachvortrag erbracht.
Entgegen der Darstellung in der Gegenerklärung wurde mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 13.6.2019 zum sog. „Thermofenster“ der Sachvortrag aus erster Instanz nicht nur zulässig „technisch spezifiziert“. Denn zum einen war – wie oben dargestellt – der erstinstanzliche Vortrag zu Recht bereits als unschlüssig zurückgewiesen worden, sodass gemäß § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufung schon grundsätzlich kein weiterer, nunmehr möglicherweise schlüssiger Sachvortrag noch – weil verspätet – zu berücksichtigen war. Zum anderen hat die im Rahmen des Abgasskandals maßgebliche Umschaltfunktion, durch die – entsprechend der Klageschrift (vgl. dort Seite 3) – mittels einer speziellen Software anhand bestimmter Parameter (wie Lenkeinschlägen und Fahrzeugneigung) erkannt wird, ob sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand oder im Normalbetrieb befindet, und dann jeweils unterschiedliche Stickstoffwerte ausgewiesen werden, mit den erstmals in der Berufungsbegründung thematisierten Thermofenstern offensichtlich nichts zu tun, sodass der Vortrag hierzu inhaltlich als „neu“ einzuordnen und ebenfalls als unzulässig gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen ist.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der erstmals in der Berufung schlüssig dargestellten und unter Beweis gestellten Behauptung, dass der im klägerischen Fahrzeug eingebaute Dieselmotor mit einer illegalen Abschalteinrichtung versehen ist, war und ist daher auch zur Wahrung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG nicht veranlasst.
2. Ebenso wenig führt die Rechtsansicht des Klägers, selbst wenn sein Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen und illegalen Abschalteinrichtung versehen sei, stünden ihm Schadensersatzansprüche im Wege der Drittschadensliquidation zu, nicht zum Erfolg.
Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation ist, dass bei einem gegenüber dem Schuldner berechtigten Anspruchsinhaber tatsächlich kein Schaden, sondern dieser bei einem gegenüber dem Schuldner nicht anspruchsberechtigten Dritten entstanden und damit nur eine Schadensverlagerung (nicht aber eine Erweiterung der Anzahl der Anspruchsberechtigten) gegeben ist. Entsprechend setzt auch die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Drittschadensliquidation weiter voraus, dass dem Geschädigten von einem nicht geschädigten Anspruchsinhaber ein diesem gegenüber dem Schädiger zustehender Schadensersatzanspruch abgetreten worden ist.
Eine solch tatsächliche und entsprechend rechtlich einzuordnende Konstellation ist hier jedoch nicht gegeben.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.

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