Aktenzeichen 16a DS 19.1720
StGB § 17, § 60, § 331, § 332 Abs. 1
StPO § 170
Leitsatz
1. Ist bei der Prognose, ob der Beamte im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt werde, zumindest ebenso wahrscheinlich, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen wird, ist die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung offen und damit von ernstlichen Zweifeln gemäß Art. 61 Abs. 2 BayDG auszugehen (ebenso BayVGH BeckRS 2017, 102559). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Tatsächliche Gründe, die im Strafverfahren zur Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums geführt haben, sind in disziplinarrechtlicher Hinsicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Maßnahmemilderung zu betrachten (ebenso BVerwG BeckRS 2008, 33355). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen einer summarischen Bewertung ergibt sich ein hinreichend begründeter Tatverdacht bereits durch die Erhebung der öffentlichen Anklage in einem (sachgleichen) Strafverfahren (§ 170 StPO) und die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO), da hiernach für das über die Zulassung der Anklage entscheidende Strafgericht bei vorläufiger Tatbewertung die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung verurteilt werden wird (ebenso BVerwG BeckRS 9998, 31838). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die vorläufige Dienstenthebung des amtierenden Oberbürgermeisters hindert diesen nicht, für seine Wiederwahl zu kandidieren, so dass sein passives Wahlrecht nicht „faktisch außer Kraft gesetzt“ wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 10A DS 19.1307 2019-08-20 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. August 2019 ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach Art. 61 Abs. 1 BayDG auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers und des hälftigen Einbehalts seiner Bezüge zu Recht abgelehnt, weil keine ernstlichen Zweifel im Sinn von Art. 61 Abs. 2 BayDG an der Rechtmäßigkeit der beiden Verfügungen der Landesanwaltschaft Bayern vom 27. Januar und 3. Februar 2017 bestehen. Mit der ersten Verfügung hat die Landesanwaltschaft den Antragsteller, der seit dem 30. März 2013 das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Regensburg (Kommunaler Wahlbeamter i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 KWBG, Art. 1 Abs. 1 BayDG in der Besoldungsgruppe B 8) ausübte, gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG vorläufig des Dienstes enthoben. Mit der weiteren Verfügung vom 3. Februar 2017 hat die Landesanwaltschaft die hälftige Einbehaltung der monatlichen Dienstbezüge des Antragstellers angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erhob am 26. Juli 2017 Anklage gegen den Antragsteller u.a. wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle der Bestechlichkeit in Tatmehrheit mit Vorteilsannahme und fünf Fällen des Verstoßes gegen das Parteiengesetz. Mit Urteil vom 3. Juli 2019 – die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor – wurde der Antragsteller wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen für schuldig befunden und im Übrigen freigesprochen; die Strafkammer sah gemäß § 60 StGB von der Verhängung einer Strafe ab.
Vor dieser Verurteilung hatte die Staatsanwaltschaft Regensburg am 4. Oktober 2018 sowie 25. Januar und 1. Februar 2019 drei weitere Anklagen u.a. gegen den Antragsteller erhoben. Ihm wird erneut Vorteilsannahme in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Bestechlichkeit zur Last gelegt. Nachdem das Landgericht Regensburg mit Beschluss vom 11. März 2019 die Eröffnung des Hauptverfahrens im Hinblick auf das von ihm angenommene Prozesshindernis der anderweitigen Rechtshängigkeit abgelehnt hatte, hob das Oberlandesgericht Nürnberg diesen Beschluss mit Beschluss vom 16. April 2019 auf, eröffnete das Hauptverfahren und ließ die Anklage zur Hauptverhandlung zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die ausführliche Darstellung im angefochtenen Beschluss (BA S. 2 bis 20) Bezug genommen.
1. Gemäß Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens u.a. vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG erkannt werden wird. Dies gilt erst recht, wenn voraussichtlich eine Beendigung des Beamtenverhältnisses gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG aufgrund einer Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder aber im vorliegenden Fall wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2019 – 16b DS 18.2579 – juris Rn. 4; B.v. 20.12.2018 – 16a DS 18.928 – BA Rn. 3).
Der Beamte kann bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung sowie der Einbehaltung von Dienstbezügen beantragen (Art. 61 Abs. 1 BayDG). Diese sind auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (Art. 61 Abs. 2 BayDG). Solche Zweifel sind immer dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die Suspendierung rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Im Hinblick auf Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayDG ist dabei zu prüfen, ob die Prognose gerechtfertigt ist, der Beamte werde im Disziplinarverfahren voraussichtlich aus dem Beamtenverhältnis entfernt oder dieses werde aufgrund einer die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 BeamtStG erfüllenden Verurteilung beendet werden. Diese Prognose ist anhand einer summarischen Prüfung im Eilverfahren vorzunehmen, wobei die Wahrscheinlichkeit der Verhängung der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme bzw. der genannten strafrechtlichen Verurteilung betrachtet werden muss. Ist zumindest ebenso wahrscheinlich, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen wird, ist die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung offen und damit von ernstlichen Zweifel gemäß Art. 61 Abs. 2 BayDG auszugehen (vgl. BayVGH, B.v. 31.1.2017 – 16a DS 16.2489 – juris Rn. 4; Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2018, Art. 61 Rn. 6).
Hinsichtlich des dem Beamten zur Last gelegten Dienstvergehens genügt hierbei die Feststellung, dass er dieses mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit begangen hat; nicht erforderlich ist hingegen, dass es bereits in vollem Umfang nachgewiesen ist. Da im gerichtlichen Verfahren gemäß Art. 61 BayDG für eigene Beweiserhebungen des Gerichts im Regelfall kein Raum ist, muss es anhand einer ihrer Natur nach lediglich summarisch möglichen Prüfung des Sachverhalts aufgrund der aktuellen Aktenlage entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 16a DS 13.706 – juris Rn. 18). Eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Dienstvergehens ergibt sich regelmäßig aus der Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO) bzw. aus der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO), die einen hinreichenden Tatverdacht voraussetzen (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.2002 – 2 WDB 1.02 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 20.12.2018 – 16a DS 18.928 – BA Rn. 3; SächsOVG, B.v. 26.9.2013 – D 6 B 151/11 – juris Rn. 11; OVG SH, B.v. 29.1.2018 – 14 MB 3/17 – juris Rn. 4).
2. Das Verwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20. August 2019 das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung und der teilweisen Einbehaltung der Dienstbezüge mit zwei selbstständig tragenden Begründungssträngen verneint. Die Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis sei überwiegend wahrscheinlich. Hierfür sieht es zum einen die wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen erfolgte strafrechtliche Verurteilung als ausreichend an, ohne dem Umstand, dass von der Verhängung einer Strafe abgesehen wurde, disziplinarrechtliche Bedeutung beizumessen. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht aus der Eröffnung des Hauptverfahrens in einem Strafverfahren gegen den Antragsteller u.a. wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit in einem besonders schweren Fall aufgrund verschiedener Parteispenden über insgesamt 100.000 Euro, das auf der Anklageschrift vom 4. Oktober 2018 beruht und in dem die Hauptverhandlung am 1. Oktober 2019 wiederum vor dem Landgericht Regensburg begonnen hat, geschlossen, dass hier eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten nach § 332 Abs. 1 Satz 1 StGB mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit in Betracht komme, als deren Folge der gesetzliche Verlust der Beamtenrechte eintrete.
Der Antragsteller hält dagegen die Frage, ob es zu einer Entfernung aus dem Dienst kommen werde, insbesondere vor dem Hintergrund der besonderen Umstände des ersten Strafverfahrens für offen. Auch wenn insoweit grundsätzlich von einer Verletzung der beamtenrechtlichen Pflicht zur Beachtung der Gesetze auszugehen sei, erfülle der Unwertgehalt der Taten nicht die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Die Strafkammer habe in der mündlichen Urteilsbegründung – wie die Pressemitteilung vom 3. Juli 2019 des Landgerichts zeige – davon gesprochen, dass die Rechtslage äußerst kompliziert und unter Strafjuristen umstritten sei, in welchem Verhältnis bei Parteispenden die Straftatbestände des Strafgesetzbuches zum Parteiengesetz stünden. Dem Antragsteller werde aber zu Gute gehalten, irrtümlich von der Straflosigkeit seines Verhaltens ausgegangen zu sein. Jedenfalls sei das Vertrauen der Allgemeinheit in seine Dienstführung nicht erschüttert, zumal die Strafkammer den denkbaren Strafrahmen (bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe) nicht im entferntesten ausgeschöpft habe. Auch angesichts der außergewöhnlichen Umstände des über 60 Hauptverhandlungstage andauernden ersten Prozesses, der inakzeptablen Verfahrensführung durch die Staatsanwaltschaft und des Umstandes, dass es nicht um private Vorteile des Antragstellers, sondern um „Drittvorteile“ in Form von Parteispenden gehe, sei eine Fortdauer der vorläufigen Dienstenthebung des Antragstellers unverhältnismäßig. Im Übrigen werde das passive Wahlrecht des Antragstellers, der in der anstehenden Kommunalwahl erneut kandidieren werde, faktisch außer Kraft gesetzt. Die schlichte Eröffnung des Hauptverfahrens auf Grundlage der Anklageschrift vom 4. Oktober 2018 durch das Oberlandesgericht Nürnberg wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle der Vorteilsannahme sowie eines Falles der Bestechlichkeit komme nicht als Grundlage für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Strafbarkeit des Antragstellers in Betracht. Das Oberlandesgericht habe den hinreichenden Tatverdacht im Sinn von § 203 StPO ohne weitere Begründung bejaht.
3. Die mit der Beschwerde erhobenen Einwände greifen im Ergebnis nicht durch. Die behaupteten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen liegen nicht vor.
Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Bei einem Zusammentreffen von Disziplinar- und Strafverfahren wegen sachgleicher strafrechtlich relevanter Vorwürfe gilt ein gesetzlicher Vorrang des strafrechtlichen Verfahrens (vgl. Art. 24 Abs. 1 sowie Art. 25 Abs. 1 BayDG), der nicht nur auf rein verfahrensökonomischen Erwägungen beruht, sondern inhaltlich widersprechende straf- und disziplinarrechtliche Entscheidungen vermeiden, dem Schutz des Beamten vor der Notwendigkeit einer u.U. mehrfachen Verteidigung in unterschiedlich ausgestalteten Verfahren dienen und vor allem dem Umstand Rechnung tragen soll, dass die Aufklärung eines sowohl strafrechtlich als auch disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalts vom Gesetzgeber vorrangig den Strafgerichten übertragen wurde, deren Prozessordnung in besonderer Weise darauf ausgelegt ist, ein rechtsstaatlich ausgestaltetes und zugleich effektives Verfahren zu gewährleisten (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2019 – 16b DS 18.2579 – juris Rn. 11; SächsOVG, B.v. 26.9.2013 a.a.O. Rn. 19).
Der Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist daher der Sach- und Rechtsstand zugrunde zu legen, wie er sich einerseits aus dem am 3. Juli 2019 verkündeten (noch nicht rechtskräftigen) Strafurteil (3.1) und andererseits aus den Anklagen der Staatsanwaltschaft, die mit Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. März 2019 und des Landgerichts Regensburg vom 2. August 2019 wegen weiterer Tatvorwürfe im Zusammenhang mit der Annahme von Parteispenden zugelassen wurden, ergibt (3.2). Zwar hat der Senat gewisse Bedenken hinsichtlich der Annahme, schon allein aus der strafrechtlichen Verurteilung vom 3. Juli 2019 ergebe sich bei summarischer Betrachtung die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass gegen den Antragsteller auf die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werde. Einer Entscheidung hierüber bedarf es jedoch im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht, weil jedenfalls vor dem Hintergrund der (inzwischen auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin) zur Hauptverhandlung zugelassenen weiteren Anklage vom 4. Oktober 2018 die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die insoweit angeklagten Sachverhalte zu einer Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis, wenn nicht sogar zu einem gesetzlichen Verlust der Beamtenrechte (vgl. § 21 Nr. 2, 3 BeamtStG) führen werden.
3.1 Ob der Antragsteller schon allein wegen der (unter Absehen von einer Strafe erfolgten) Verurteilung vom 3. Juli 2019 wegen zweier Fälle der Vorteilsannahme eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis hinzunehmen hätte, lässt der Senat dahinstehen. Jedenfalls wären die tatsächlichen Gründe, die das Landgericht zur Annahme eines vermeidbaren Verbotsirrtums geführt haben, in disziplinarrechtlicher Hinsicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Maßnahmemilderung zu betrachten (BVerwG, B.v. 21.2.2008 – 2 B 1.08 – juris Rn. 6 m.w.N.; U.v. 19.2.2004 – 2 WD 14.03 – juris Rn. 32 m.w.N.; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, 27. Update Juli 2019, § 13 Rn. 35). Darüber hinaus kommen nach Auffassung des Senats grundsätzlich auch diejenigen Aspekte, die das Landgericht zum Absehen von Strafe veranlasst haben – wenn auch nicht der Ausspruch gemäß § 60 StGB als solcher – als Milderungsgründe in Betracht. Das Strafgericht ist ausweislich der Pressemitteilung 7/2019 (vom 4. Juli 2019) davon ausgegangen, dass sich der Schuldvorwurf dadurch erheblich relativiere, dass der Antragsteller im Glauben an die Zulässigkeit der Spenden gehandelt habe. Dieser Irrtum hätte zwar durch die gebotene Einholung eines Rechtsrats vermieden werden können, gleichwohl sei die persönliche Vorwerfbarkeit stark verringert.
Ein derartiger Irrtum schließt also die Schuld (und damit das Dienstvergehen) nur im Falle seiner Unvermeidbarkeit (vgl. § 17 Satz 1 StGB) aus. Gleichwohl erschiene dem Senat zum derzeitigen Zeitpunkt die Beantwortung der Frage, ob der Antragsteller das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit voraussichtlich endgültig verloren hat und deshalb seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis allein auf der Grundlage der vorliegenden Verurteilung – bei Freispruch in allen übrigen Anklagepunkten – überwiegend wahrscheinlich ist, als offen, wenn man die zu Gunsten des Antragstellers gemachten Feststellungen des Landgerichts Regensburg in den Blick nimmt. Hierzu zählt insbesondere der Umstand, dass ihm die Annahme privater Vorteile nicht nachgewiesen werden konnte. Das demgegenüber im angefochtenen Beschluss (BA S. 27, 28) in den Mittelpunkt gestellte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 28.2.2013 – 2 C 3.12 – juris Rn. 28 f.), dem keine Parteispenden zugrunde lagen, sondern das Angebot eines Beamten, gegen Zahlung eines Geldbetrags eine rechtswidrige Diensthandlung vorzunehmen und damit einen privaten Vorteil zu erzielen, bezieht sich nicht auf eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung.
Keine Rolle spielt für den Senat in diesem Zusammenhang die im Anhang der bereits zitierten Pressemitteilung 7/2019 gemachte Anmerkung, es bestünden „keine Anhaltspunkte“ dafür, dass der Antragsteller eine Dienstpflichtverletzung begangen habe. Es besteht keine Bindungswirkung der Disziplinargerichte an eine derartige Feststellung eines Strafgerichts.
3.2 Gleichwohl hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgeht, dass die mit der Anklageschrift vom 4. Oktober 2018 gemachten und in das Disziplinarverfahren einbezogenen strafrechtlichen Vorwürfe schon für sich gesehen geeignet sind, die Prognose der voraussichtlichen Beendigung des Beamtenverhältnisses des Antragstellers zu rechtfertigen.
Im Rahmen einer summarischen Bewertung ergibt sich ein hinreichend begründeter Tatverdacht bereits durch die Erhebung der öffentlichen Anklage in einem (sachgleichen) Strafverfahren (§ 170 StPO) und die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO). Hinreichender Tatverdacht bedeutet dabei die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung, die weniger als die Sicherheit der Erwartung einer Verurteilung ist, jedoch mehr als die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ausreichende Möglichkeit einer Verurteilung. Er liegt daher vor, wenn für das über die Zulassung der Anklage entscheidende Strafgericht bei vorläufiger Tatbewertung die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte aufgrund des Ergebnisses der Hauptverhandlung verurteilt werden wird (BVerwG, B.v. 22.7.2002 – 2 WDB 1.02 – juris Rn. 7).
So liegt der Fall hier in Bezug auf die zur Hauptverhandlung zugelassene Anklage vom 4. Oktober 2018. Die 40-seitige Anklageschrift lässt darauf schließen, dass dem Antragsteller der Vorwurf der Bestechlichkeit nachgewiesen werden könnte. Die Staatsanwaltschaft stützt sich dabei insbesondere auf die bisher vorliegenden Aussagen des Zeugen D. (vgl. Anklageschrift S. 18), der eine beherrschende Stellung in der für die maßgeblichen Parteispenden verantwortlichen Unternehmensgruppe aus der Immobilienwirtschaft eingenommen hat und der nach rechtskräftigem Abschluss des gegen ihn in dieser Sache geführten Strafverfahrens durch Strafbefehl (Verurteilung wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle der Vorteilsgewährung in Tatmehrheit mit Bestechung) als Hauptbelastungszeuge im Hinblick auf die Spendentätigkeit infrage kommen soll. Auch die Zeugin P., die als Prokuristin für mehrere Tochtergesellschaften der im Zentrum stehenden Immobiliengesellschaft fungiert (Anklageschrift S. 2, 28) und für die Organisation der Parteispenden an den vom Antragsteller geführten Ortsverband mitverantwortlich gewesen sein soll, könnte grundsätzlich geeignet sein, zur Überführung des Antragstellers beizutragen. Die Gesamthöhe der in den Jahren 2015 und 2016 geflossenen Parteispenden soll 75.000 Euro betragen und auch dazu gedient haben, sich den Antragsteller generell gewogen zu machen, damit er konkrete Diensthandlungen zu Gunsten der Unternehmensgruppe im Hinblick auf die Realisierung bestimmter Bauvorhaben vornehmen werde. Tatsächlich seien in der Stadtverwaltung bestehende Bedenken gegen die gewünschte Bebauung eines bestimmten Gebiets nach entsprechender Einflussnahme des Antragstellers fallen gelassen worden (vgl. Anklageschrift S. 13, 22 bis 24).
Vor diesem Hintergrund ist der vom Antragsteller erhobene Vorwurf, das Oberlandesgericht Nürnberg habe den hinreichenden Tatverdacht unzureichend untersucht („ersichtlich ohne vertiefte Prüfung“), nicht zielführend. Denn der hinreichende Tatverdacht ergibt sich jedenfalls mit den dargestellten Begründungen aus der Anklageschrift vom 4. Oktober 2018; er lässt den Schluss auf eine – nach dem dargestellten Maßstab – überwiegende Wahrscheinlichkeit der Entfernung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis oder sogar des Verlusts seiner Beamtenrechte zu. Im hier maßgeblichen Rahmen von Art. 61 Abs. 2 BayDG ist ein Eingehen auf strafprozessuale oder -rechtliche Einzelfragen weder geboten noch zulässig. So würde es auch einen Verstoß gegen den Vorrang des Straf- und Strafprozessrecht darstellen, müsste an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der (offenbar nach wie vor) umstrittenen Frage stattfinden, ob es sich bei den den Vorwürfen in der Anklageschrift vom 4. Oktober 2018 zugrunde liegenden Sachverhalten um eigenständige prozessuale Taten handelt oder ob ein der Durchführung der weiteren Hauptverhandlung entgegenstehendes Verfahrenshindernis vorliegt (Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO). Auch aus dem Umstand, dass das Landgericht Regensburg die inmitten stehenden Rechtsfragen insbesondere bei der Beurteilung der parteienrechtlichen Zulässigkeit der Spenden im ersten Strafverfahren gegen den Antragsteller als „äußerst kompliziert“ bezeichnet hat, folgt nichts für die Frage offener Erfolgsaussichten im Rahmen von Art. 61 Abs. 2 BayDG. Denn mit den in der Anklageschrift bezeichneten Beweismitteln kommt grundsätzlich nicht nur eine weitere Verurteilung wegen Vorteilsannahme, sondern erstmals auch wegen Bestechlichkeit (§ 332 Abs. 1 StGB) infrage. Diese Verurteilung kann dann – eventuell in Zusammenschau mit dem im Strafurteil vom 3. Juli 2019 festgestellten Sachverhalt, sollte es Rechtskraft erlangen – Grundlage für eine Beendigung des Beamtenverhältnisses sein.
Die vorstehende Bewertung gilt auch dann, wenn man den weiterhin zum Gegenstand der Anklage gemachten Vorwurf ausklammert, dem Antragsteller sei durch die vom Zeugen D. vertretene Unternehmensgruppe eine Wohnung vermittelt worden, ohne dass er hierfür die übliche Maklerprovision habe zahlen müssen (Anklageschrift S. 12, 22). Diesem Vorgang misst die zuständige Strafkammer (vgl. Pressemitteilung des Landgerichts Regensburg Nr. 8 v. 2.8.2019) „keine strafrechtliche Bedeutung“ bei, da Nachermittlungen ergeben hätten, dass auch andere Mieter der betreffenden Wohnanlage keine Maklercourtage hätten zahlen müssen.
Schließlich führt auch der Vortrag, die vorläufige Dienstenthebung sei auch unverhältnismäßig, weil damit das passive Wahlrecht des Antragstellers „faktisch außer Kraft gesetzt“ werde, nicht zum Erfolg der Beschwerde. Es trifft zwar zu, dass der Antragsteller den Wahlkampf für die im Frühjahr 2020 stattfindende Kommunalwahl nicht als amtierender Oberbürgermeister bestreiten kann; er ist jedoch nicht daran gehindert, für seine Wiederwahl zu kandidieren und verfolgt dieses Ziel offenbar bereits. Im Übrigen gelten die Vorschriften des Bayerischen Disziplinargesetzes für kommunale Wahlbeamte unabhängig davon, ob Kommunalwahlen unmittelbar bevorstehen oder nicht.
4. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (Art. 3 BayDG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO)