Aktenzeichen 15 ZB 18.1275
BauGB § 34
BayBO Art. 6, Art. 59 S. 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 S. 1
DSchG Art. 6 Abs. 2
BayVwVfG Art. 40
Leitsatz
1. Liegen die tatbestandlichen Versagungsmöglichkeiten vor, dann eröffnen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 DSchG ein Ermessen, ob die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis dennoch erteilt oder ob diese aufgrund der Betroffenheit denkmalschutzrechtlicher Belange versagt werden soll. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit dem in der BayBO nicht enthaltenen Begriff der Tektur- oder Nachtragsgenehmigung bezeichnet die Baupraxis üblicherweise eine Genehmigung für geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens, die sich während des Genehmigungsverfahrens oder nach Erteilung der Genehmigung ergeben haben bzw. ergeben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 6 K 16.1914 2018-04-24 VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Berufung wird zugelassen.
II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf 60.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1. Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen. Ob die Berufung auch wegen der weiteren geltend gemachten Zulassungsgründe zuzulassen wäre, bedarf keiner Entscheidung.
a) Die Rechtssache ist insbesondere hinsichtlich der Fragen, ob gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen und ob damit in Bezug auf eine genehmigungspflichtige Veränderung eines Ensembles (vgl. Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG) sowie auf eine Anlagenerrichtung in der Nähe von Einzelbaudenkmälern (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG) tatbestandliche Versagungsmöglichkeiten gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 DSchG gegeben sind, unter Zugrundelegung der vom Verwaltungsgericht als entscheidungserheblich angesehenen Kriterien als tatsächlich und rechtlich schwierig zu beurteilen.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 24. April 2018 (Seite 12) unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege darauf abgestellt, „dass insbesondere das Erscheinungsbild des Ensembles Altstadt und der Einzeldenkmäler Burg Trausnitz und Ottonianum beeinträchtigt“ werde und damit „wichtige Gründe“ (gemeint: gewichtige Gründe) „des Denkmalschutzes gegen die Bebauung mit einem weiteren Geschoss“ sprächen. Die Klägerin hat diese vom Erstgericht in Anwendung des Tatbestands des Art. 6 (insbes. Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2) DSchG als entscheidungserheblich angesehene Wertung mit ihrer Antragsbegründung u.a. unter Vorlage einer sachverständigen Stellungnahme vom 2. Juli 2017 gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinreichend substantiiert infrage gestellt.
b) Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall die Rechtssache hinsichtlich der Beurteilung einer fehlerfreien Ermessensentscheidung (Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO) und damit hinsichtlich des auf die Verpflichtung zur Neubescheidung gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO gerichteten zweiten Hilfsantrags tatsächlich und rechtlich schwierig zu beurteilen. Auf die Darlegungen der Klägerin auf Seiten 13 f. der Antragsbegründung vom 4. Juli 2018 wird Bezug genommen.
Wird die Einschlägigkeit der tatbestandlichen Versagungsmöglichkeiten gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayBO unterstellt, rechtfertigt dies allein nach dem Gesetzeswortlaut, wonach die Erlaubnis versagt werden „kann“, noch nicht die Ablehnung eines Genehmigungsantrags. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 DSchG eröffnen vielmehr ein Ermessen, ob die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis dennoch erteilt oder ob diese aufgrund der Betroffenheit denkmalschutzrechtlicher Belange versagt werden soll (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – BayVBl 2008, 141 = juris Rn. 87; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 21, 26 ff.; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 12; zur Berücksichtigung auch der Eigentümerinteressen aus der Sicht eines dem Denkmalschutz aufgeschlossenen Eigentümers vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 28; vgl. auch BayVGH, B.v. 19.12.2013 – 1 B 12.2596 – BayVBl. 2014, 506 = juris Rn. 23 ff.; B.v. 12.11.2018 – 1 ZB 17.813 – juris Rn. 4). Der Bauherr – hier die Klägerin – hat im Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 DSchG einen Rechtsanspruch darauf, dass bei Versagung der Erlaubnis bzw. (hier) der Baugenehmigung (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG) vom Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht wird (Martin/Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Aufl. 2016, Art. 6 Rn. 28). Eine Versagungspflicht im Sinne einer Ermessensreduzierung auf null zu Lasten eines Vorhabenträgers dürfte nur bei besonderen Umständen des Einzelfalls anzunehmen sein (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 22). Vor diesem Hintergrund ist die von der Klägerin in der Antragbegründung in Zweifel gezogene These des Verwaltungsgerichts, es sei vorliegend von einem sog. intendierten Ermessen auszugehen (Seite 12 des Urteils), dogmatisch zu hinterfragen.
Zudem besteht im vorliegenden Fall die Besonderheit, dass die Beklagte in positiver Ausübung ihres Ermessens gem. Art. 6 Abs. 2 BayBO ein nicht unerhebliches Bauvorhaben auf dem Baugrundstück mit den Bescheiden vom 15. November 2012 und vom 19. September 2013 genehmigt hat und dass sie in den begründenden Ausführungen zu den Ablehnungsbescheiden vom 5. Dezember 2016 und vom 5. Mai 2017 ausdrücklich an diesen vorher erteilten Genehmigungen festhält. Die Beklagte hat insofern in den Begründungen zu den Ablehnungsbescheiden jeweils identisch folgendes ausgeführt:
„(…) Der Blick auf die exponierten Bauten der Burg Trausnitz und des o.a. Ottonianums sowie die sich den bewaldeten Hang hinaufziehende Stadtmauer prägen die Örtlichkeit. Die Hangflächen waren in der Vergangenheit begrünt und unbebaut und erhöhten damit die städtebaulichen Wirkungen dieser beiden hochkarätigen Einzeldenkmäler. Während die Höhenentwicklung des genehmigten Baugesuchs mit 4 Geschossen diese notwendige Distanz durch Belassen eines Waldstückes noch berücksichtigt, greift der nun geplante Baukörper in allen Geschossen noch tiefer als bisher in den Hang ein und tangiert mit der zusätzlich beantragten 5. Geschossebene die Stützmauer des Ottonianums. Dessen städtebaulich bewusst gesetzte erhabene Stellung wird aufgehoben, der geplante Neubau an der Inneren Münchener Straße erstreckt sich vom Hangfuß über die gesamte Hanghöhe hinauf und verwischt die Grenzen zwischen ‚unten‘ und ‚oben‘; der an dieser Stelle stets vorhandene und weiterhin zwingend notwendige ‚Respekt-Abstand‘ ist nicht gegeben. Die Eingangssituation zur historischen Altstadt erfährt durch die nun beantragte Dimension des Bauvorhabens eine städtebaulich und denkmalpflegerisch unverantwortliche Beeinträchtigung. Die repräsentative Wirkung des Bernlocher-Komplexes Ottonianum wird durch das unangemessene Heranrücken des Neubaus massiv geschmälert. Die zusätzlich geplanten Öffnungen in der Stadtmauer konterkarieren darüber hinaus das Wesen einer schützenden Mauer und sind denkmalfachlich abzulehnen.“
Sieht man entgegen der Ansicht der Klägerin in diesen Erwägungen die Ermessensbetätigung der Beklagten, dürfte für eine sachgerechte Ermessensausübung entscheidend sein, ob – bei behördlicherseits antizipierender Zugrundelegung der Umsetzung der bestandskräftigen Baugenehmigungen (vgl. unten 3.) – hinsichtlich der als ausschlaggebend angesehenen Sichtbeziehungen in Bezug auf die exponiert und erhöht situierten Einzeldenkmäler (Ottonianum, Burg Trausnitz) sowie auf die Stadtmauer tatsächlich ein denkmalschutzrechtlich relevanter („fühlbarer“) Unterschied zwischen dem mit den Bescheiden vom 15. November 2012 und vom 19. September 2013 genehmigten Vorhaben und den mit den Bescheiden vom 5. Dezember 2016 und vom 5. Mai 2017 abgelehnten Vorhaben besteht. Insofern könnte sich die Prüfung der von der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, es sprächen wichtige Gründe des Denkmalschutzes gegen die Bebauung mit einem weiteren Geschoss, auch auf die rechtliche Prüfung des Ermessens auswirken.
2. Die Zulassung der Berufung ist nicht entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO aufgrund entgegenstehenden Bauplanungsrechts abzulehnen. Das angefochtene Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als offensichtlich richtig dar (zur Möglichkeit der entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO im Berufungszulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 15 ZB 17.1003 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 30.4.2019 – 15 ZB 18.979 – juris Rn. 7). Ob sich die beiden abgelehnten Vorhaben – wie die Beklagte moniert – hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und / oder der überbaubaren Grundstücksfläche entgegen dem Obiter dictum des Verwaltungsgerichts nicht in die Eigenart der näheren Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1 BauGB einfügen, kann der Senat allein nach Aktenlage nicht abschließend und eindeutig beurteilen. Die Frage ist mithin, soweit deren Beantwortung mit Blick auf das Denkmalschutzrecht noch entscheidungserheblich ist, im Berufungsverfahren zu klären. Die Beklagte wird um Mitteilung konkreter Messdaten (jeweils unter Angabe auf einem beschrifteten Lageplan) zu den genauen Gebäudehöhen (First- und Traufhöhen), Geschosszahlen und Grundflächen der Referenzgebäude „ehemalige Justizvollzugsanstalt“ und „ehemaliges Amtsgericht“ sowie der ggf. ansonsten rahmensetzenden Gebäude gebeten, deren Maße aus Beklagtensicht durch die Bauvorhaben überschritten sein sollen. Es wird um Vorlage beschrifteter Lichtbilder der jeweils thematisierten Gebäude gebeten.
3. Der Senat weist zur Gewährung rechtlichen Gehörs für das Berufungsverfahren darauf hin, dass die vom Verwaltungsgericht in der Sache erfolgte Begrenzung der tatbestandlichen Prüfung des Art. 6 DSchG auf das bloße Hinzutreten eines weiteren Geschosses im Vergleich zu dem (bislang nicht verwirklichten) Vorhaben nach Maßgabe der bestandskräftigen Baugenehmigungen vom 15. November 2012 und vom 19. September 2013 rechtlich zu hinterfragen ist. Dies gilt sowohl hinsichtlich einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigungspflicht aufgrund einer „Ensembleveränderung“ (Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG) und einer Anlagenerrichtung in der Nähe von Einzelbaudenkmälern (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG) als auch hinsichtlich der Frage des Bestehens einer tatbestandlichen (s.o.: Ermessen eröffnenden) Versagensmöglichkeit gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG (gegenüber dem Ensembleveränderungstatbestand) bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG (gegenüber dem „Nähetatbestand“). Auch die Klägerin stellt in ihrer Antragsbegründung – insofern allerdings in hinreichender Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen (erstinstanzlich als entscheidungserheblich angesehenen) Ausführungen des Verwaltungsgerichts – bei der tatbestandlichen Rechtsanwendung des Art. 6 DSchG begrenzt auf das „zusätzliche Geschoss“, die „beantragte Aufstockung“ sowie das „beantragte streitgegenständliche zurückgesetzte weitere Geschoss“ (vgl. Seiten 5 ff. der Antragsbegründung vom 4. Juli 2018) ab und geht hierauf aufbauend davon aus, es sei bei der tatbestandlichen Anwendung des Art. 6 DSchG wegen der bereits bestandskräftig genehmigten Bebauung entscheidend, dass „die hier nur noch streitgegenständliche Aufstockung (…) nach den Feststellungen des Sachverständigen zu keiner erheblichen Beeinträchtigung des Ensembles bzw. des Baudenkmals Ottonianum“ führe.
Demgegenüber könnte die Klägerin im Zusammenlesen der abgelehnten und genehmigten Bauvorlagen im vorliegenden Rechtsstreit keine bloße „Tekturgenehmigung“ verfolgen, sondern eine Genehmigung für ein sog. „aliud“, dessen Genehmigungsfähigkeit unabhängig von den bestandskräftigen Baugenehmigungen vom 15. November 2012 und vom 19. September 2013 gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3 BayBO i.V. mit § 34 Abs. 1 BauGB und Art. 6 DSchG im Ganzen neu beurteilt werden muss.
Mit dem in der BayBO nicht enthaltenen Begriff der Tektur- oder Nachtragsgenehmigung bezeichnet die Baupraxis üblicherweise eine Genehmigung für geringfügige oder kleinere, das Gesamtvorhaben in seinen Grundzügen nur unwesentlich berührende Änderungen eines bereits genehmigten Vorhabens, die sich während des Genehmigungsverfahrens oder nach Erteilung der Genehmigung ergeben haben bzw. ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 22.3.1984 – 2 B 82 A.301 – BayVBl. 1984, 596/597; B.v. 18.3.1997 – 14 B 96.1625 – unveröffentlicht; B.v. 14.1.1998 – 14 B 96.357 – juris Rn. 22; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 64 Rn. 18, Art. 68 Rn. 21). Kennzeichnend für eine bloße Tekturgenehmigung ist, dass sich die diesbezügliche Prüfung und Entscheidung auf die Feststellung beschränkt, dass die zur Änderung vorgesehenen Teile des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar sind; für die übrigen Teile ergibt sich diese Feststellung – die in der Reichweite des jeweiligen Prüfprogramms (vgl. hier Art. 59 BayBO) notwendiger Inhalt einer Baugenehmigung ist – aus der neben der Tekturgenehmigung bestehenbleibenden ursprünglichen Baugenehmigung (BayVGH, U.v. 22.3.1984 a.a.O.). Von einem Tekturantrag oder einer Tekturgenehmigung kann aber nur gesprochen werden, wenn die Identität des (genehmigten) Vorhabens gewahrt bleibt (die bauliche Anlage also im Wesentlichen die gleiche bleibt), mithin die vom Bauherrn verfolgte Änderung das Vorhaben nicht zu einem „aliud“ macht (BayVGH, B.v. 2.8.2007 – 1 CS 07.801 – BayVBl. 2007, 758 ff. = juris Rn. 33; B.v. 26.3.2008 – 15 ZB 07.3194 – juris Rn. 9; U.v. 11.11.2014 – 15 B 12.2672 – NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 27; B.v. 29.8.2016 – 15 ZB 15.2442 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 16 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 14.11.2012 – 2 B 3.11 – juris Rn. 57; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: Mai 2019, Art. 68 Rn. 24). Soweit die oder einige der Belange, die bei der Genehmigung des Vorhabens zu berücksichtigen waren, neuerlich oder soweit andere oder zusätzlich andere Belange erstmals so erheblich berührt werden, dass sich die Zulässigkeitsfrage insgesamt neu stellt, liegt ein solches „aliud“ vor (BayVGH, B.v. 26.7.1991 – 20 CS 89.1224 – BayVBl. 1992, 88 = juris Rn. 15; B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684 – juris Rn. 6; B.v. 29.8.2016 – 15 ZB 15.2442 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 13.12.2012 – 2 B 1250/12 – NVwZ-RR 2013, 500 = juris Rn. 15 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall dürfte es der Klägerin mit ihren abgelehnten Bauanträgen nicht um kleinere Änderungen gehen, die über eine bloße, die Ausgangsbaugenehmigung ergänzende Tektur- oder Nachtragsbaugenehmigung abgedeckt wären. Sie dürfte vielmehr im vorliegenden Rechtsstreit mit dem Hauptantrag und dem ersten Hilfsantrag Baugenehmigungen für ein a n d e r e s Vorhaben in zwei verschiedenen Varianten verfolgen. Als für die Identität eines Bauvorhabens wesentliche Merkmale werden in der Rechtsprechung u.a. Bauvolumen, Höhe und Erscheinungsbild herausgestellt (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.1998 – 14 B 96.357 – juris Rn. 22: Garage mit Satteldach statt mit Flachdach; BayVGH, B.v. 9.8.2016 – 9 ZB 14.2684 – juris Rn. 6 sowie BayVGH, B.v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – BayVBl. 2019, 391 = juris Rn. 21: planabweichend errichteter Garagenanbau). Diese Merkmale sind hier nicht lediglich unerheblich berührt: Die abgelehnten Baugenehmigungen für zwei alternative Vorhaben sollen im Vergleich zum genehmigten (aber bislang nicht umgesetzten) Vorhaben jeweils über ein zusätzliches zurückgesetztes Geschoss verfügen, diese Gebäudevarianten werden folglich höher und sollen damit auch ein größeres Bauvolumen erhalten. Dass die Betroffenheit dieser Belange dazu führt, dass die streitgegenständlichen, von der Beklagten abgelehnten Vorhaben im Vergleich zu dem Vorhaben, das von den bestandkräftigen Baugenehmigungen gedeckt sind, jeweils als „aliud“ anzusehen sind, dürfte sich daraus ergeben, dass sich gerade durch die Gebäudeerhöhung und das zusätzliche Geschoss als wesentliche Parameter des § 34 BauGB (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 14.11.2012 – 2 B 3.11 – juris Rn. 57) für das gesamte Bauvorhaben die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsfrage hinsichtlich des „Einfügens“ i.S. von § 34 Abs. 1 BauGB im Ganzen neu stellt; dasselbe dürfte – unabhängig vom Ergebnis der diesbezüglichen Prüfung – auch hinsichtlich der Beurteilung der denkmalrechtlichen Verträglichkeit gem. Art. 6 BayBO gelten. Die hier betroffenen Merkmale einer veränderten Gebäudehöhe, eines zusätzlichen Geschosses und einer damit einhergehenden größeren Kubatur treten m.a.W. womöglich nicht lediglich ergänzend zum bisherigen Genehmigungsumfang nach Maßgabe der Bescheide vom 15. November 2012 und vom 19. September 2013 hinzu. Es könnte sich vielmehr um begehrte Baugenehmigungen für zwei erneut zur Genehmigung gestellte, jeweils als Einheit zu verstehende und dementsprechend umfassend zu behandelnde andere Vorhaben handeln, die gegenüber der vorangegangenen Baugenehmigung verselbständigt sind.
Gehen die Änderungen in einem neuen Bauantrag so weit, dass ein anderes Vorhaben als das zunächst beantragte und damit ein „aliud“ zum Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (hier i.V. mit Art. 59 BayBO) gemacht wird, liegt in der Sache ein vollständig neuer Bauantrag vor (Schwarzer/König a.a.O. Art. 68 Rn. 21). Es ist dann eine vollständig neue Baugenehmigung erforderlich ist. Es ist dann das G e s a m t v o r h a b e n in seiner geänderten Gestalt im Ganzen auf seine Genehmigungsfähigkeit zu prüfen (BayVGH, B.v. 3.4.2019 – 22 CS 19.345 – juris Rn. 37 ff.; B.v. 5.4.2019 – 22 CS 19.281 – juris Rn. 44 ff., jeweils unter Rekurs auf BVerwG, B.v. 4.2.2000 – 4 B 106.99 – NVwZ 2000, 1047 = juris Rn. 2). Sieht man – wozu der Senat vorläufig neigt – die mit den Bescheiden vom 5. Dezember 2016 und vom 5. Mai 2017 abgelehnten Vorhabenalternativen jeweils als „aliud“ im Vergleich zu dem bereits genehmigten Bauvorhaben an, ist – zumal das genehmigte Vorhaben im Zeitpunkt der Stellung der beiden neuen Bauanträge noch nicht errichtet war (und nach Aktenlage wohl auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verwirklicht ist) – Gegenstand der beiden abgelehnten Bauanträge nicht nur isoliert gesehen das oberste Stockwerk, sondern das Gesamtvorhaben eines mehrgeschossigen Wohnbauvorhabens im Hang des Baugrundstücks. Bei der Frage, ob die beiden streitgegenständlichen Vorhabenalternativen genehmigungsfähig sind, ist daher auch in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht, d.h. bei der Anwendung des Art. 6 BayBO (i.V. mit Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO), auf das jeweilige Gesamtvorhaben unter Einbeziehung auch der unteren Stockwerke abzustellen, obwohl ein (anderes) Gebäude mit identischer Gestaltung der ersten vier Geschosse bestandskräftig genehmigt ist. Für eine solche gebotene Gesamtbetrachtung spricht zudem, dass die Klägerin in der Klagebegründung vom 9. März 2017 erklären ließ, es habe sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass die Baumaßnahme so teuer werde, dass sich das Bauvorhaben in der genehmigten Ausführung mit lediglich fünf Wohnungen auf drei Ebenen nicht rechne. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin deswegen auf die bestandskräftigen Genehmigungen vom 15. November 2012 und 19. September 2013 womöglich verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2006 – 15 ZB 06.424 – juris Rn. 4; U.v. 11.11.2014 – 15 B 12.2672 – NVwZ-RR 2015, 247 = juris Rn. 26), sowie unabhängig von der Möglichkeit, dass Baugenehmigungen gem. Art. 69 Abs. 1 BayBO bei Ablauf der dort geregelten Geltungsfrist erlöschen, erscheint die Realisierung des Vorhabens in der genehmigten Ausführung derzeit unsicher, schon weil ein Bauherr nicht dazu verpflichtet ist, eine erhaltene Genehmigung umzusetzen.
Es dürfte nach Aktenlage – was im Einzelnen im Berufungsverfahren zu klären sein wird – unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 9. September 2011, vom 7. Juli 2017 und vom 13. August 2018 sowie der dem Senat vorliegenden Lichtbilder und bildlichen Projektdarstellungen (einschließlich der Projektionen in dem von der Klägerin vorgelegten Kurzgutachten vom 2. Juli 2018) einiges dafür sprechen, dass bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die geplante Errichtung eines insgesamt (inkl. Garagengeschoss) fünfstöckigen Gebäudes innerhalb eines denkmalgeschützten Ensembles in beiden abgelehnten Varianten jedenfalls den Tatbestand einer genehmigungspflichtigen Ensembleveränderung gem. Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 DSchG erfüllt (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – BayVBl. 2019, 346 = juris Rn. 38; zum Stellenwert fachlicher / sachverständiger Äußerungen der Denkmalfachbehörde im behördlichen und gerichtlichen Verfahren vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 22 B 12.1741 – BayVBl 2014, 23 = juris Rn. 27; U.v. 25.6.2013 – 22 B 11.701 – BayVBl. 2014, 502 = juris Rn. 33) und dass insofern eine tatbestandliche Versagungs m ö g l i c h k e i t gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG wegen gewichtiger, für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechender Gründe des Denkmalschutzes besteht (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – BayVBl 2008, 141 = juris Rn. 70; U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – BayVBl. 2019, 346 = juris Rn. 39, 40). Solange, was von der Klägerin nicht bestritten wird, von einem denkmalgeschützten Ensemble auszugehen ist, dürften die von der Klägerin vorgetragenen Vorbelastungen – etwa die Entsorgungsanlage und der Funkmast im Bereich des Ottonianums oder ein weiteres existierendes oder im Entstehen befindliches Gebäude mit Flachdach – jedenfalls insofern für die Annahme entgegenstehender gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes irrelevant sein (vgl. BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 15 B 13.424 – BayVBl. 2016, 54 = juris Rn. 41 m.w.N.; B.v. 29.2.2016 – 9 ZB 15.1146 – juris Rn. 10; B.v. 20.5.2015 – 22 ZB 14.2827 – juris Rn. 22; B.v. 30.3.2016 – 22 ZB 15.1760 – juris Rn. 13).
Im Übrigen dürfte unabhängig von der Frage der Ensemblebeeinträchtigung nach derzeitiger Aktenlage zwischen den Beteiligten zudem nicht grundsätzlich streitig sein, dass das Bauvorhaben der Klägerin eine Nähebeziehung zu diversen Einzelbaudenkmälern i.S. von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG aufweist und dass das Vorhaben auch deshalb denkmalschutzrechtlich genehmigungspflichtig ist. Insofern eröffnet Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG der Behörde (hier der Baugenehmigungsbehörde der Beklagten über Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO) eine Versagungsmöglichkeit, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.6.2019 – 2 ZB 17.67 – juris Rn. 12 m.w.N.), wobei auch der auf den „Nähetatbestand“ bezogene Versagungstatbestand auf das geplante fünfstöckige Gesamtgebäude zu beziehen sein dürfte (s.o.).
Insofern spricht einiges dafür, dass die von der Klägerin erhobenen Einwendungen gegen die vom Verwaltungsgericht und der Beklagten vorgenommene Wertung, gegen die Bebauung mit einem weiteren Geschoss sprächen relevante Gründe des Denkmalschutzes, womöglich eher im Rahmen der Prüfung des Versagungsermessens (Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 DSchG i.V. mit Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO) eine Rolle spielen könnten, vgl. oben 1 b).
4. Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, § 47 § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat belässt es dabei vorläufig bei der Wertung des Verwaltungsgerichts, wonach es der Klägerin in wirtschaftlicher Betrachtung um drei weitere Wohnungen geht und wonach in Orientierung an Nr. 9.1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) je Wohnung ein Streitwert von 10.000 Euro anzusetzen ist. Bei insgesamt drei Wohnungen ergibt sich mithin für jede der beiden abgelehnten Varianten ein Streitwert von jeweils 30.000 Euro, der unter Berücksichtigung von Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs i.V. mit § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu verdoppeln ist. Eine weitere Erhöhung wegen des zweiten Hilfsantrags unterbleibt mit Blick auf Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs i.V. mit § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, weil ein Neubescheidungsantrag als Minus im unbedingten Verpflichtungsantrag enthalten ist (vgl. z.B. VG Gelsenkirchen, B.v. 15.12.2008 1 K 3667/08 – juris Rn. 8; vgl. auch Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 51).
Der Senat weist zur Gewährung rechtlichen Gehörs bereits jetzt darauf hin, dass für die endgültige Streitwertfestsetzung bei bzw. nach Beendigung des Verfahrens auch ein höherer Wert in Betracht kommt, wenn – wie ggf. geboten – darauf abgestellt wird, dass es vorliegend um zwei ganz neue Bauanträge für das Gesamtgebäude und nicht lediglich um eine Tektur- oder Ergänzungsgenehmigung für ein weiteres Stockwerk geht (s.o. 3.). Insoweit ist bei zwei alternativen Bauanträgen für jeweils ein Mehrfamilienhaus mit jeweils acht Wohnungen zu überlegen, den Streitwert (sowohl für das erstinstanzliche Gerichtsverfahren als auch für das Berufungsverfahren) endgültig auf 160.000 Euro (2 x 80.000 Euro) bzw. unter der Berücksichtigung, dass die abgelehnten Bauanträge im Alternativverhältnis stehen und hinsichtlich der ersten vier Ebenen (mit jeweils fünf Wohnungen) im Wesentlichen identisch sind, auf 110.000 Euro (80.000 Euro + 30.000 Euro) festzusetzen.