Aktenzeichen 9 ZB 17.1335
Leitsatz
Hat das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der in den Akten befindlichen Karten, Pläne und Lichtbilder sowie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vom Klägervertreter vorgelegten Bilder ausgeführt, dass sich diesen keine abriegelnde oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Kläger entnehmen lasse, bedarf der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte dem Beweisangebot zur Einnahme eines Augenscheins nachkommen müssen, insbesondere der Darlegung, warum die vorliegenden und vorgelegten Bilder bezüglich der wesentlichen Merkmale keine Aussagekraft besitzen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 4 K 16.833 2017-05-23 VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch das Landratsamt M* … für den Neubau einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle an den Beigeladenen. Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und die Beschwerde gegen die Ablehnung durch das Verwaltungsgericht Würzburg blieben erfolglos (VG Würzburg, B.v. 16.11.2016 – W 4 S 16.1144; BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477).
Mit Urteil vom 23. Mai 2017 hat das Verwaltungsgericht seine Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bauvorhaben gegenüber dem Kläger nicht rücksichtslos sei. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Soweit der Kläger geltend macht, das Verwaltungsgericht habe die Durchführung eines Augenscheintermins unterlassen, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts hergeleitet. In diesen Fällen wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2015 – 9 ZB 15.944 – juris Rn. 5 m.w.N.)
aa) Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) – wie hier – muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 12 5.09 – juris Rn. 23 m.w.N.). Daran gemessen ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung der in den Akten befindlichen Karten, Pläne und Lichtbilder sowie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vom Klägervertreter vorgelegten Bilder ausgeführt, dass sich diesen keine abriegelnde oder erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Kläger entnehmen lasse. Es hat zudem seine Entscheidung, von einer Beweiserhebung durch Augenscheinnahme abzusehen, im Urteil begründet. Der hiergegen gerichtete Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte dem Beweisangebot zur Einnahme eines Augenscheins nachkommen müssen, lässt nicht erkennen, wieso sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen, zumal der Kläger auch nicht aufzeigt, dass die vorliegenden und vorgelegten Bilder bezüglich der wesentlichen Merkmale keine Aussagekraft besitzen (vgl. BayVGH, B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 16). Der pauschale Verweis darauf, die Lichtbilder würden den Gesamteindruck nur unvollständig wiedergeben, genügt hierfür nicht.
bb) Der Vortrag zeigt auch keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 VwGO) auf. Zwar muss das Gericht Beweisanträge, die für die Entscheidung erheblich sein können, berücksichtigen und verstößt die Ablehnung eines Beweisantrages jedenfalls dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet; ein entsprechender Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO des Klägers wurde jedoch nicht gestellt, da es sich bei dem im Schriftsatz vom 29. März 2017 gestellten „Beweisantrag“ nur um eine Anregung handelt (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 15.1987 – juris Rn. 11). Demgemäß kommt eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG oder § 108 Abs. 2 VwGO nur in Betracht, soweit das Gericht die Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (BVerwG, B.v. 4.3.2014 – 3 B 60.13 – juris Rn. 7). Dies ist – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.
Hinzu kommt, dass es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zwar gebieten mag, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden. Anders verhält es sich aber, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 9 ZB 16.1987 – juris Rn. 12). So liegt es hier. Das Beweisangebot des Klägers ist mit Schriftsatz vom 29. März 2017 und damit vor dessen Verzicht auf mündliche Verhandlung durch den Schriftsatz des Klägervertreters vom 3. Mai 2017 erfolgt, so dass auch deswegen die Geltendmachung eines diesbezüglichen Verfahrensfehlers nicht in Betracht kommt.
b) Der Kläger macht geltend, dass sich der Nachbarschutz hier nicht nach § 34 BauGB, § 15 BauNVO richte, sondern ausschließlich nach § 35 BauGB und die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nach § 35 BauGB im Hinblick auf eine Privilegierung nicht geprüft worden sei. Hieraus ergeben sich aber keine ernstlichen Zweifel, auch wenn das Verwaltungsgericht in den Urteilsgründen auf seinen Beschluss vom 16. November 2016 im Eilverfahren (W 4 S 16.1144) Bezug nimmt, in dem es hinsichtlich der Lage des Bauvorhabens (teilweise) von einem faktischen Dorfgebiet ausgegangen ist. Denn das Verwaltungsgericht prüft einen möglichen Drittschutz des Klägers jedenfalls zutreffend am Maßstab einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 14). Dass der Kläger keinen Anspruch auf eine objektiv-rechtliche Kontrolle der angefochtenen Baugenehmigung hat, z.B. hinsichtlich der Voraussetzungen einer Privilegierung, bedarf keiner weiteren Vertiefung (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.1995 – 4 B 47.95 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 28.7.2017 – 22 ZB 16.2119 – juris Rn. 15; B.v. 28.1.2016 – 9 ZB 12.839 – juris Rn. 23).
c) Soweit der Kläger im Zulassungsvorbringen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen unzumutbarer Lärmbeeinträchtigungen und einer erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens geltend macht, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos.
aa) Zur Lärmbelästigung wurde nichts vorgetragen, was über die Ausführungen im vorangegangenen Beschwerdeverfahren (9 CS 16.2477) hinausgeht und vor allem unter Berücksichtigung der Stellung der landwirtschaftlichen Halle, der Anordnung der Zufahrt und der Tore zu einer anderen Bewertung führen könnte. Mit der maßgebenden Situation des klägerischen Wohngebäudes am Rand zum Außenbereich und der dadurch eingeschränkten Schutzwürdigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 19 f.) setzt sich das Zulassungsvorbringen im Übrigen nicht auseinander.
bb) Soweit sich der Kläger auf eine erdrückende Wirkung der landwirtschaftlichen Halle beruft, hat das Verwaltungsgericht in den Urteilsgründen unter Bezugnahme auf die Beschwerdeentscheidung des Senats weiter ausgeführt, dass sich auch aus den vom Klägervertreter vorgelegten Bildern keine abriegelnde oder erdrückende Wirkung entnehmen lasse. Dem setzt das Zulassungsvorbringen lediglich die gegenteilige Auffassung des Klägers entgegen. Soweit dieser hierbei eine Verletzung der Abstandsflächen behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass selbst eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften allein keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme indizieren würde (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris Rn. 16). Die vom Kläger beanstandete Höhe der landwirtschaftlichen Halle gegenüber seinem (niedrigeren) Wohngebäude vermag, auch unter Berücksichtigung des faktischen Dorfgebiets, in dem sich das Grundstück des Klägers befindet, hier aufgrund der vorhandenen und dokumentierten Umstände in der Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts darzulegen (BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 23; vgl. auch NdsOVG, B.v. 13.1.2010 – 1 ME 237/09 – juris Rn. 14 f.).
2. Soweit die im Rahmen ernstlicher Zweifel geltend gemachten Ausführungen einer – nicht ausdrücklich geltend gemachten – Verfahrensrüge (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zugeordnet werden können, bleibt der Antrag aus den oben angeführten Gründen ebenfalls erfolglos.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).