Verwaltungsrecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses

Aktenzeichen  9 ZB 17.1365

Datum:
14.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27387
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6, Art 59 S. 1

 

Leitsatz

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darlegt hat (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 16.754 2017-05-23 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Erteilung einer Baugenehmigung durch das Landratsamt Aschaffenburg für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Stellplätzen an den Beigeladenen. Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz und die Beschwerde gegen die Ablehnung durch das Verwaltungsgericht Würzburg blieben erfolglos (VG Würzburg, B.v. 20.9.2016 – W 4 S 16.929; BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088).
Mit Urteil vom 23. Mai 2017 hat das Verwaltungsgericht seine Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Kläger nicht auf eine Verletzung von Abstandsflächenvorschriften berufen könne und das Bauvorhaben ihm gegenüber nicht rücksichtslos sei. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es liegen keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Soweit der Kläger anführt, die Abstandsflächenvorschriften seien zu prüfen gewesen, nicht eingehalten und die Nichteinhaltung von Abstandsflächen habe nachbarschützende Wirkung, verkennt der Kläger nach wie vor den Prüfungsmaßstab des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris Rn. 15 f.). Die im Zulassungsvorbringen zitierte Entscheidung (BayVGH, B.v. 20.2.2002 – 25 ZB 01.2566) ändert hieran nichts, da diese zu einer Rechtslage ergangen ist, bei der die Abstandsflächenvorschriften noch im Prüfungsrahmen enthalten waren (vgl. Art. 79 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 BayBO i.d.F. der Bekanntmachung vom 18.4.1994, GVBl S. 251). Mangels Rückwirkung gilt auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und weiterer Rechtsvorschriften vom 10. Juli 2018, welches u.a. die (Neu-)Aufnahme der Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO in das Prüfprogramm des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO regelt, nichts anderes (BayVGH, B.v. 12.2.2019 – 9 CS 18.2305 – juris Rn. 12).
b) Soweit der Kläger eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geltend macht, bleibt der Antrag ebenfalls erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass alleine eine Verletzung des Abstandsflächenrechts keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot indiziert und hier nach Bewertung aller Umstände das Bauvorhaben gegenüber dem Kläger nicht rücksichtslos ist (vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.12.2016 – 9 CS 16.2088 – juris Rn. 19 unter Berücksichtigung des nur geringen Abstands von 3,50 m). Das Verwaltungsgericht stellt hierbei maßgebend auf den beim Augenscheinstermin vom 16. Mai 2017 gewonnenen Eindruck ab, womit sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinandersetzt. Gleiches gilt für die Frage der Einsichtnahmemöglichkeit vom Bauvorhaben der Beigeladenen aus. Das Verwaltungsgericht hat nach dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck darauf abgestellt, dass besondere Umstände, die zu einer anderen Bewertung zwingen würden, nicht erkennbar seien. Dem tritt das Zulassungsvorbringen, das lediglich die gegenteilige Auffassung des Klägers vorträgt, nicht substantiiert entgegen, zumal sich die Gebäude auf dem Grundstück des Klägers und auf dem Grundstück der Beigeladenen schräg gegenüberliegen und sich aus den Bildaufnahmen anlässlich des verwaltungsgerichtlichen Augenscheinstermins ergibt, dass sich jedenfalls an der engsten Stelle keine Fenster befinden.
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Sofern sich der Zulassungsbegründung überhaupt entsprechende, entscheidungserhebliche Fragen entnehmen lassen, lassen sich diese nach den obigen Ausführungen ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Unabhängig davon hat der Kläger auch nichts Entscheidungserhebliches über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus vorgetragen. Allein die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 22).
3. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 9 ZB 16.2323 – juris Rn. 24). Das Zulassungsvorbringen wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Abgesehen davon, dass bereits keine konkrete Frage formuliert wird, zeigt das Zulassungsvorbringen mit dem Hinweis, das klägerische Grundstück sei bis an die Grundstücksgrenze bebaut, keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung auf. Vielmehr ist die Frage, welche Anforderungen nach dem Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind, wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig (vgl. BVerwG, B.v. 14.9.2017 – 4 B 26.17 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 und entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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