Strafrecht

Erlangung eines Mindestniveaus an Deutschkenntnissen als Voraussetzung für Aufnahme therapeutischer Einzelgespräche mit Verurteiltem

Aktenzeichen  Ws 639/19

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44659
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVollzG § 119a

 

Leitsatz

Dass eine Justizvollzugsanstalt psychotherapeutische Einzelgespräche zur Behebung bestehender Persönlichkeitsdefizite eines Verurteilten erst aufzunehmen beabsichtigt, nachdem der Betroffene durch Teilnahme an vorherigen Sprachkursen Deutschkenntnisse des Sprachniveaus B1 erlangt hat, ist nicht zu beanstanden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten V. gegen den Beschluss der auswärtigen großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 04.07.2019 wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung sowie des Vorlageschreibens der Generalstaatsanwaltschaft N. vom 03.09.2019 auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe

Es trifft nicht zu, dass seitens der Justizvollzugsanstalt Str. zu spät mit Maßnahmen begonnen wurde, die der Resozialisierung des Verurteilten dienen. Das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 15.11.2016 ist seit 16.08.2017 rechtskräftig. Erst ab diesem Zeitpunkt befindet sich der Verurteilte in Strafhaft, so dass auch erst ab diesem Zeitpunkt seitens der Justizvollzugsanstalt mit jedweden Resozialisierungsmaßnahmen begonnen werden konnte. Am 24.08.2017 fand dann der Deutscheinstufungstest statt, bei dem sich beim Beschwerdeführer Deutschkenntnisse mit dem Sprachniveau AO ergaben. Vom 23.11.2017 bis 05.07.2018 besuchte der Verurteilte dann bereits den Kurs „Deutsch für Anfänger A1/b“. Vom 20.09.2018 bis 19.07.2019 besuchte der Verurteilte sodann den Kurs „Deutsch für Fortgeschrittene A2/b 2018/19“. Nachdem sich die Kurse zeitlich am allgemeinen Schuljahr orientieren, kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer nunmehr, das heißt im Schuljahr 2019/20, auch am Kurs, der zum Sprachniveau B1 führt, teilnimmt.
Es ist davon auszugehen, dass, sobald der Verurteilte dieses Sprachniveau erreicht haben wird, auch mit der Einzeltherapie, die der Vorbereitung der erforderlichen Gruppentherapie zur Behebung der beim Verurteilten bestehenden Persönlichkeitsdefizite dient, begonnen wird.
Der Senat ist wie die Justizvollzugsanstalt und die Strafvollstreckungskammer der Auffassung, dass es für eine erfolgreiche Teilnahme an psychotherapeutischen Einzelgesprächen des Sprachniveaus B1 bedarf. Aus dem von der Verteidigung übersandten europäischen Referenzrahmen für das Sprachniveau ist ersichtlich, dass erst ab diesem Sprachniveau die Befähigung besteht, über Erfahrungen und Ereignisse zu berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele zu beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen abzugeben. Nachdem es für ein sinnvolles therapeutisches Gespräch unabdingbar ist, zumindest diese sprachlichen Fähigkeiten zu besitzen, ist eine entsprechende therapeutische Behandlung auch erst ab diesem Zeitpunkt sinnvoll. Es mag sein, dass sich der Verurteilte im Alltag verständlich machen kann, ein darüber hinausgehendes vertieftes Gespräch insbesondere zu Fragen seiner Persönlichkeit, seiner Gefühle und Absichten ist mit einem niedrigeren Sprachniveau als B1 aber nicht möglich.
Eine zeitliche Verzögerung der im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erforderlichen Maßnahmen zur Resozialisierung des Verurteilten vermag daher auch der Senat im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

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