Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Anfechtung der Verwalterwahl

Aktenzeichen  25 C 1926/19 WEG

Datum:
24.9.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 45523
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WEG § 23 Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

1. Bei der Anfechtung der Verwalterwahl ist zu differenzieren, ob es sich um die Anfechtung einer Wiederwahl oder die Anfechtung einer ersten Wahl des Verwalters handelt. Im letzteren Fall kommt es auf eine Prognoseentscheidung an, nämlich ob aus Gründen, die in der Person des Verwalters liegen, oder aus objektiven Tatbeständen eine ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu erwarten ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verwalter muss zum einen gewährleisten, dass er im Haftungsfall Ersatz für einen entsprechenden Schaden der Wohnungseigentümergemeinschaft leisten kann. Er muss andererseits auch Gewähr dafür bieten, dass er auf Dauer einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb aufrecht erhält und seiner Aufgabe als Verwalter gerecht wird, insbesondere die ihm anvertrauten Gelder gemeinschaftsgetreu verwalten wird. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 19.02.2019 zu TOP 3c „Wahl der Hausverwaltung …“
„die Wahl einer Hausverwaltung erfolgt unter gleichzeitiger Zustimmung zur Aufhebung des jetzigen Vertrages zur Hausverwaltung …, Haus-, Grundstücks- und Mietverwaltung. Mit der Wahl wird der Verwaltungsbeirat ermächtigt, für die WEG gemäß der Wahl den Verwaltervertrag zu unterschreiben und der Verwaltung eine Verwaltervollmacht zu erteilen“
wird für unwirksam erklärt.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 1) 50 % und die Beklagten 50 % jeweils zu gleichen Kopfteilen.
Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Beklagten, zu gleichen Kopfteilen 33 %. Im Übrigen trägt die Klägerin zu 1) ihre außergerichtlichen Kosten selber.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) tragen die Beklagten jeweils zu gleichen Kopfteilen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 1) zu 50 %. Im Übrigen tragen die Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 25.329,15 EUR, ab 19.03.2019 auf 8.280,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
1. Das Amtsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 23 Nr. 2 c GVG ausschließlich sachlich und, gemäß § 43 Nr. 4 WEG ausschließlich örtlich zuständig.
2. Die Anfechtungs- und Begründungsfrist ist gewahrt. Die Klage der Klägerin zu 1) ist am 15.03.2019 und die Klage des Klägers zu 2) am 19.03.2019, somit innerhalb der bis zu diesem Tage dauernden Anfechtungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG eingegangen. Die Klage wurde am 28.03.2019, somit demnächst im Sinn des § 167 ZPO, an den Verwalter als Zustellungsvertreter der beklagten übrigen Eigentümer zugestellt. Die Klage der Klägerin zu 1) ist spätestens am 04.04.2019 zugestellt worden, nachdem sich unter diesem Datum der Beklagtenvertreter angezeigt hat. Die Klagen sind auch innerhalb der Klagefrist begründet worden.
3. Der Beschluss zur Verwalterwahl unter TOP 3 c war gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG insgesamt für ungültig zu erklären, da er ordnungsgemaßer Verwaltung widerspricht.
Bei der Anfechtung der Verwalterwahl ist zu differenzieren, ob es sich um die Anfechtung einer Wiederwahl oder die Anfechtung einer ersten Wahl des Verwalters handelt. Im letzteren Fall kommt es auf eine Prognoseentscheidung an, nämlich ob aus Gründen, die in der Person des Verwalters liegen, oder aus objektiven Tatbeständen eine ordnungsmäßige Verwaltung nicht zu erwarten ist (vgl. Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Auflage 2019, § 26 WEG, Rn. 63). Der Verwalter Herr … war zwar schon in der Eigentümerversammlung vom 28.06.2018 als Verwalter gewählt worden. Jedoch ist dieser Beschluss im Verfahren … mit Urteil vom 17.01.2019 für ungültig erklärt worden. Das Gericht legt daher hier ebenfalls die Maßstäbe einer Prognoseentscheidung an. Es sind somit vorliegend die gesamten Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Zwar steht einerseits die Vertrags- bzw. Bestellungstreue im Vordergrund. Dem Verwalter darf nicht leichtfertig sein Amt entzogen werden. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass der Verwalter erhebliche wirtschaftliche Interessen der Eigentümergemeinschaft betreut und auch maßgeblichen Einfluss darauf hat, ob die anstehenden Probleme in der Gemeinschaft gelöst werden können (vgl. Jennissen, a.a.O., Rn. 63 b). An die Person des gewählten Verwalters sind dann wiederum höhere qualitative Anforderungen zu stellen, wenn der Verwalter seine Wahl majorisieren konnte und/oder er eine besondere Nähe zum errichtenden Bauträger hat. Die Wahl ist dann nicht per se unzulässig, aber es sind erhöhte Anforderungen zu stellen (Jennißen, a.a.O., Rn. 67). Nach Auffassung der Rechtsprechung sind für die Beurteilung, ob die Verwalterwahl rechtswidrig war, nur Gründe zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung bekannt waren (Jennißen a.a.O., Rn. 70).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält das Gericht daher die Verwalterwahl für ungültig.
Die Geeignetheit des Verwalters ist hier besonders kritisch zu betrachten, nachdem zumindest eine gewisse Nähe zur Mehrheitseigentümerin, der Ersten bzw. Dritten … besteht. Zumindest hat der gewählte Verwalter Herr … in seiner informatorischen Anhörung ebenfalls angegeben, dass er vom Vertreter der Firma … nämlich einen Herrn … angesprochen und gebeten worden ist, an der Eigentümerversammlung vom 28.06.2018 teilzunehmen und von diesem auch gebeten worden ist, als Verwalter tätig zu werden. Dass die Firma … nicht mehr Mehrheitseigentümerin ist, ist nicht ausreichend dargelegt.
In erster Linie sind daher Bonitätsgesichtspunkte zu prüfen. Der Verwalter muss zum einen gewährleisten, dass er im Haftungsfall Ersatz für einen entsprechenden Schaden der Wohnungseigentümergemeinschaft leisten kann. Er muss andererseits auch Gewähr dafür bieten, dass er auf Dauer einen ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb aufrecht erhält und seiner Aufgabe als Verwalter gerecht wird, insbesondere die ihm anvertrauten Gelder gemeinschaftsgetreu verwalten wird (vgl. Landgericht Frankfurt, 13. Zivilkammer, Entscheidung vom 04.12.2013, 2-13 S 94712, Rn. 13 m.w.N.). Die Bonität des Hausverwalters … ist nicht zweifelsfrei, da mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.01.2018 (Az. IN 1735/16) das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet worden ist. Auch wenn mittlerweile zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine Berufshaftpflichtversicherung durch Bestätigung der ERGO Versicherung vom 21.03.2019 nachgewiesen worden ist, vermag dies lediglich eine Gefährdung von Schadensersatzansprüchen der Gemeinschaft widerlegen. Zudem lag unwidersprochen diese Versicherungsbestätigung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vor. Zur Ausübung des Beurteilungsermessens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hätte aber Anlass zur Prüfung der Bonität und auch des Versicherungsschutzes sowie einer vorliegenden Gewerbeerlaubnis aufgrund bekannter Insolvenz bestanden. Weiterhin steht nämlich fest, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beurteilung, nämlich der Beschlussfassung am 19.02.2019, der Verwalter … noch keine Gewerbeerlaubnis beantragt hatte. Dieser Antrag ist ausweislich des als Anlage B1 vorgelegten Erlaubnisbescheids vom 17.06.2019 erst am 26.02.2019 beantragt worden.
Weitere Zweifel ergeben sich daraus, dass nach eigenen informatorischen Angaben des Verwa – ters nach Räumungsverpflichtung zum 31.07.2018 zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 23.07.2019 die zukünftige Anschrift der Hausverwaltung noch nicht fest stand. Noch nach mündlicher Verhandlung sei nach Angaben des Beklagtenvertreters die Adresse des Verwalters der Beklagten weiterhin die …. Unter diese Adresse sind aber auch gerichtliche Zustellungen nicht erfolgt. Die Zustellung in beiden Verfahren wurde auf den Postzustellungsurkunden von Amts wegen seitens der Zusteller auf eine andere Adresse korrigiert.
Zusammenfassend steht somit fest, dass die Eigentümer, die die Bestellung des Verwalters … beschlossen haben, ihren Beurteilungsspielraum überschritten haben. Die Bestellung widerspricht daher ordnungsgemäßer Verwaltung.
4. Bei Bemessung des Streitwertes für die Anfechtung der Verwalterwahl war gemäß § 49 a GKG das Fünffache des klägerischen Interesses entscheidend. Gemäß § 49 a GKG ist der Streitwert in Wohnungseigentumssachen auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er darf das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das fünffache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten. Der Wert darf in keinem Fall den Verkehrswert des Wohnungseigentums des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen übersteigen. Ausgehend von einer dreijährigen Verwaltungszeit und der vereinbarten Vergütung in Höhe von 23,00 EUR für jede Wohneinheit beträgt das Interesse jedes Klägers 23,00 EUR im Monat × 36 Monate, somit 4.140,00 EUR. Beide Kläger verfügen jeweils über eine Wohnung in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das fünffache klägerische Interesse beträgt daher 4.140,00 EUR für die Klägerin zu 1) und weitere 4.140,00 EUR für den Kläger zu 2). Insgesamt sind dies daher 8.280,00 EUR.
Soweit die Klägerin zu 1) mit der ersten Klageschrift vom 14.03.2019 weitere Beschlüsse angefochten hat, wird der Streitwert insoweit wie folgt festgesetzt:
Für den Beschluss zu TOP 2 (Wahl neuer Beiräte) 500,00 EUR.
Zu TOP 4 wird kein Streitwert festgesetzt, da insoweit kein Antrag gestellt wurde.
Zu TOP 7 ist auf das fünffache Interesse der Klägerin zu 1) an der Jahresabrechnung 2017 Bezug zu nehmen. Der einfache Anteil der Klägerin an den Kosten betrug im Jahr 2017 3.309,83 EUR. Das Fünffache davon ist 16.549,15 EUR.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, Abs. 2, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (vgl. Jennissen, § 46 WEG, Rn. 8/).
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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