Aktenzeichen 20 U 624/19
BGB § 205, § 288 Abs. 2, § 781
ZPO § 4
Leitsatz
1. Unterzeichnet ein Vertragspartner einer mehrjährigen Vertragsbeziehung (hier: wechselseitige Lieferung von Ferkeln bzw. Mastschweinen) eine „Saldenbestätigung zum 31.12.20xx“, handelt es sich regelmäßig um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld bestätigt wird. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Macht der Kläger für einen Zeitraum ausgerechnete, aber nicht substantiiert dargelegte Zinsen sowie für den sich anschließenden Zeitraum die üblichen Verzugszinsen (“Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz”) geltend, können ihm für beide Zeiträume gemäß §§ 288 Abs. 2, 286 BGB Zinsen aus dem Gesamtbetrag der offenen Forderungen zugesprochen werden. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soweit mit der Berufung die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen angegriffen wird, die auf einen nicht mehr angegriffenen und somit rechtskräftigen Teilbetrag entfallen, handelt es sich nicht mehr um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO, sondern nunmehr um Hauptforderungen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
24 O 2091/16 2018-12-13 Urt LGLANDSHUT LG Landshut
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13.12.2018, Az. 24 O 2091/16, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.256,92 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.07.2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen
III. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1. Erstinstanzlich stritten die Parteien um Forderungen der Klägerin für Lieferungen von Ferkeln mit einer Gesamthöhe von 60.256,92 €, ausgerechnete Zinsen in Höhe von 6.069,02 €, weitere Zinsen ab dem 12.07.2016 sowie Mahngebühren. In der Berufung sind nur noch ein Betrag von 17.758,46 € sowie Zinsen und Mahngebühren streitig.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 ZPO Bezug genommen.
2. Das Landgericht verurteilte den Beklagten mit Endurteil vom 13.12.2018 antragsgemäß zur Zahlung von 60.301,92 € (Hauptforderung zuzüglich Mahngebühren in Höhe von 45 €), ausgerechneten Zinsen i.H.v. 6.069,02 € sowie weiteren Zinsen in Höhe von 8% aus 60.301,92 € seit 12.07.2016. Das Landgericht begründete sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
„Die Parteien hätten ein Kontokorrent gemäß § 355 HGB vereinbart, wie auch aus der Aufstellung K 26 ersichtlich sei. Es liege zudem ein Saldoanerkenntnis zum 31.12.2011 vor (Anlage K 23). Der sich daraus ergebende Saldoanspruch sei mit ins Jahr 2012 übernommen und dort mit den anderen Positionen saldiert worden. Soweit unter Bezugnahme auf B10 und B11 argumentiert werde, dass der Saldo nicht bestanden habe, treffe dies nicht zu, da B10 und B11 andere Forderungen beträfen. Die Berechnung des Saldos durch die Klagepartei sei zutreffend. Was die Einrede des Beklagten im Hinblick auf einen behaupteten Schadensersatzanspruch wegen einer mangelhaften Leistung (Ferkel mit APP infiziert) angehe, habe er die Rüge gemäß § 377 HGB versäumt. Verjährung sei nicht eingetreten, da diese analog § 205 BGB gehemmt gewesen sei.“
3. Der Beklagte wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil, soweit er auch zur Zahlung des sich aus der Anlage K 23 ergebenden Betrags von 17.758,46 € verurteilt wurde. Außerdem greift er die Verurteilung zur Zahlung der ausgerechneten Zinsen sowie die weiteren Zinsen hinsichtlich des Zinslaufs (zwei Tage) sowie hinsichtlich des Zinssatzes an.
Der Beklagte begründet seine Berufung im Wesentlichen wie folgt:
Bei der Saldobestätigung zum 31.12.2011 handele es sich nicht um den Abschlusssaldo eines „Kontokorrents 2011“. Außerdem habe der Beklagte mit seiner Unterschrift nichts erklären wollen. Er habe nur unterzeichnet im Vertrauen darauf, dass sich für ihn daraus nichts ergebe. Ein Anerkenntnis eines Kontokorrents sei damit nicht verbunden. Die Saldenbestätigung enthalte überdies Forderungen, die gar nicht in das Kontokorrent gehören könnten:
– 10/40549 über 1.248,31 € betreffe eine Erstattungsforderung des anwaltlichen Beraters der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung (B12),
– R11/52352 sei zum 31.12.2011 noch nicht fällig gewesen und sei auch in der Folgezeit nicht in das Kontokorrent 2011 eingestellt worden,
– 08/52784: Insoweit sei nicht nachvollziehbar, warum eine Forderung, die zum 31.12.2008 fällig gewesen sein soll, zum Kontokorrent für 2011 gehören soll.“
Außerdem seien die Forderungen tatsächlich nicht in das Kontokorrent eingestellt und nie abgerechnet worden. Deshalb sei insoweit Verjährung zum 31.12.2014 eingetreten.
Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.
In der Berufungsinstanz beantragt der Beklagte:
1. Das Urteil des Landgerichts Landshut vom 13.12.2018, Az. 24 O 2091/16, wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.498,46 € nebst 7% Zinsen seit 14.07.2016 zu bezahlen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bezahlen sind.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere treffe nicht zu, dass die Saldobestätigung K 23 keine rechtliche Bedeutung entfalte. Die Summe aus dem Saldoanerkenntnis sei auch tatsächlich in das Kontokorrent einbezogen worden. Bezüglich der eingestellten Anwaltskosten habe der Beklagte ausdrücklich darum gebeten, dass man diese mit den Rechnungen für Mastschweinlieferungen verrechne (Anlage K 53).
4. Mit Verfügung vom 18.04.2019 erteilte der Senat Hinweise gem. § 139 ZPO. Bei der Saldobestätigung (Anlage K 23) handele es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Allerdings sei die Gesamtsumme aus K 23 letztlich nicht in das Kontokorrent eingestellt worden. Deshalb greife insoweit der Einwand der Verjährung durch. Einen Anspruch auf ausgerechnete Zinsen von 6.069,02 € gebe es nicht, da es diesbezüglich an einem schlüssigen Vortrag fehle. Entsprechendes gelte für Mahngebühr in Höhe von 45 €. Auf die mangelnde Schlüssigkeit in Bezug auf die Zinsforderung wurde nochmals mit Verfügung vom 25.05.2019 hingewiesen.
Im Termin vom 10.07.2019 wies der Senat darauf hin, dass er an dem vorherigen Hinweis hinsichtlich der Verjährung der Forderung aus dem Saldoanerkenntnis nicht mehr festhalte.
II.
Die Berufung des Beklagten hat nur teilweise in Bezug auf die Zinsforderung und die Mahnkosten Erfolg. Im Übrigen aber hat ihn das Landgericht zu Recht zur Zahlung von insgesamt 60.256,92 € verurteilt.
1. Soweit sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung des Betrags von 17.758,46 € aus der „Saldenbestätigung zum 31.12.2011“ (Anlage K 23) wendet, hat er keinen Erfolg.
a) Dabei handelt es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld bestätigt wird (vgl. PalandtSprau, 78. Aufl., § 781 Rn.3), hier also, dass der Klägerin gegen den Beklagten zum Stichtag eine Forderung von insgesamt 17.758,46 € zusteht. Der Beklagte hat dies mit seiner Unterschrift bestätigt. Sein pauschaler Einwand, er habe mit der Unterschrift nichts erklären wollen, geht ins Leere; insbesondere sind weder Anfechtungsgründe vorgetragen worden, noch wurde die Anfechtung erklärt.
Was die eingestellten Anwaltskosten angeht, so hat der Beklagte ausweislich der Anlage K 53 sogar ausdrücklich darum gebeten, diese später zu verrechnen. Auf das Mahnschreiben der Klägerin vom 24.10.2011 schrieb der Beklagte handschriftlich „Bitte übernehmen Sie jetzt die Kosten für RA W.! Wir werden das dann mit der Schweineabrechnung begleichen!“ und sandte es an die Klägerin mit diesem Vermerk zurück.
b) Die gesamte Summe von 17.758,46 € wurde auch in das Kontokorrent für 2012 eingestellt.
Die Klägerin stellte dem Beklagten im Jahr 2012 vier Ferkellieferungen in Rechnung. Von diesen wurden nur die Rechnungen über 9.357,15 € und 16.081,37 € im Verlaufe des Jahres 2012 fällig. Die beiden anderen Rechnungen vom 06.11.2012 über 13.609,86 € sowie vom 08.11.2012 über 11.913,21 € waren erst 2013 zur Zahlung fällig. Die Klägerin erteilte dem Beklagten ausweislich der Übersicht K 26 im Jahr 2012 sieben Gutschriften für Mastschweine über einen Gesamtbetrag von 66.472,58 €. Außerdem erhielt der Beklagte von ihr im Jahr 2012 insgesamt vier Überweisungen (im Juni, September und zweimal im November) in einer Höhe von insgesamt 23.275,60 €.
Addiert man die Beträge aus den beiden 2012 fälligen Rechnungen, ergibt sich ein Betrag von 25.438,52 €. Addiert man dazu wiederum den Saldobetrag aus K 23, ergibt sich eine Summe an Forderungen der Klägerin von 43.196,98 €. Dem stehen die Gutschriften für Mastschweine in Höhe von insgesamt 66.472,58 € gegenüber. Die Differenz von 23.275,60 € entspricht exakt der Summe der Überweisungen, die der Beklagte 2012 erhielt. Der Saldo war demnach zum Ende des Jahres ausgeglichen. Der Beklagte hat dies akzeptiert und gegen die Abrechnung nicht protestiert. Demnach ist die sich aus K 23 ergebende und in den Kontokorrent eingestellte Forderung nicht etwa verjährt.
2. Hinsichtlich des Zinsanspruchs hat die Berufung teilweise Erfolg.
Zu den ausgerechneten Zinsen (Zeitraum bis einschließlich 11.07.2016) ist der Senat weiterhin der Auffassung, dass diese nicht substantiiert dargelegt sind, soweit im Kontokorrentverhältnis noch Gutschriften zugunsten des Beklagten erfolgt sind. Die Zinsberechnung (Anlage K 19) berücksichtigt das Kontokorrentverhältnis nicht.
Der Klagepartei stehen aber gemäß §§ 288 Abs. 2, 286 BGB Zinsen aus dem Gesamtbetrag der offenen Forderungen seit 09.07.2015 zu. Der 08.07.2015 ist das Fälligkeitsdatum der zeitlich gesehen letzten Rechnung, die in das Kontokorrent eingestellt wurde (vgl. Anlage K 18). Seit dem 09.07.2015 befindet sich Beklagte mit der Bezahlung der Gesamtforderung in Verzug.
Soweit die Klagepartei bisher Zinsen in Höhe von 8% und nicht in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beantragt hatte, handelt es sich um ein Formulierungsversehen, welches im Termin vom 10.07.2019 richtig gestellt wurde.
Soweit der Beklagte lediglich einen Zinssatz von 7% zahlen will, entspricht das weder der gesetzlichen Regelung des § 288 Abs. 2 BGB, noch gibt es Sachvortrag dazu, dass die Parteien einen solchen Zinssatz vereinbart hätten.
3. Begründet ist die Berufung auch bezüglich der Mahnkosten. Es ist nicht ersichtlich ist, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Beklagte „Mahngebühren“ von 45,- € (pauschal 5 € für neun Rechnungen) bezahlen soll.
III.
1. Die Kostenentscheidung für die erste Instanz beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Beklagte ist hinsichtlich der Hauptforderung vollumfänglich unterlegen.
Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO. Soweit mit der Berufung die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen angegriffen wird, die auf den nicht mehr angegriffenen und somit rechtskräftigen Betrag von 42.498,46 € entfallen, handelt es sich nicht mehr um Nebenforderungen im Sinne von § 4 ZPO, sondern nunmehr um Hauptforderungen (vgl. Thomas/Putzo – Hüßtege, 40. Aufl. 2019, § 4 Rn.9). Deshalb ist das teilweise Obsiegen des Beklagten in Bezug auf die Zinsen zwar grundsätzlich relevant für die Kostenentscheidung. Indes ist sein Obsiegen verhältnismäßig geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO, so dass er die Kosten insgesamt zu tragen hat. Diese Regelung gilt auch für die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens (vgl. Zöller – Herget, 31. Aufl. § 97 Rn. 1).
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
3. Die Revision war nicht gem. § 543 Abs. 1 Nr.1 ZPO zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S.1 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt, im Übrigen handelt es sich nur um eine Einzelfallentscheidung.