Aktenzeichen B 1 K 17.608
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 04.07.2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist daher abzuweisen.
a) Der Kläger hat sich alleine wegen des im Rahmen der Kontrolle am 18.04.2017 unstreitig festgestellten Sachverhalts – Auffinden des geladenen Revolvers des Klägers im Waffenschrank – als waffenrechtlich unzuverlässig im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2b) WaffG erwiesen. Der Beklagte hat somit zu Recht die Waffenbesitzkarten des Klägers gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 04.07.2017 widerrufen. Dabei ist das Vorliegen der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids – nicht aber die aktuelle Situation zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der waffenrechtlichen Widerrufsentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 05.01.2018 – 21 CS 17.1521 – juris, Rn. 13 m.w.N.).
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG besitzen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden, die erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Dabei galt auch im Zeitpunkt der Aufbewahrungskontrolle am 18.04.2017 für einen Waffenbesitzer die Verpflichtung, Waffen – auch in einem Waffenschrank – ungeladen aufzubewahren. Diese Selbstverständlichkeit ergab sich aus grundlegenden Umgangs- und Vorsichtsmaßregeln und bedurfte keiner ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Insofern ist es ohne Belang, dass erst nach der Aufbewahrungskontrolle mit der Gesetzesänderung zum 06.07.2017 in § 13 AWaffV – lediglich klarstellend – eine ausdrückliche Regelung erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.07.2018 – 21 CS 17.2506 – juris, Rn. 10 m.w.N.).
Nach der Rechtsprechung kann schon ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Bei der Aufbewahrung einer geladenen Waffe in einem Waffenschrank handelt es sich auch um einen schwerwiegenden Verstoß gegen eine grundlegende Aufbewahrungsregel. Bei einer derartigen bewussten Aufbewahrung einer geladenen Waffe, wie im vorliegenden Fall gegeben, handelt es sich nicht um eine „absichtslose fehlerhafte Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition“ im Sinne einer getrennten, aber im selben Behältnis unzulässigen Aufbewahrung. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob eine tatsächliche Gefährdung Dritter unter Umständen ausgeschlossen war. Die an Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung sollen nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von geladenen und damit unmittelbar schussbereiten Waffen ermöglicht wird. Sie schützen vielmehr jede Person und damit auch den Waffenbesitzer selbst vor den Gefahren, die mit einer geladenen Waffe verbunden sind. Ein derartiger Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertigt daher die Prognose, dass ein Waffenbesitzer auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren wird (vgl. VG München, B.v. 27.11.2017 – M 7 S 17.3929 – juris, Rn. 23 f., bestätigt durch BayVGH, B.v. 27.07.2018 – 21 CS 17.2506 – juris).
Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an. Die Kammer sieht diese Maßstäbe zwar als sehr streng, gleichzeitig aber auch als sachgerecht und erforderlich an, um die Allgemeinheit vor potenziellen Gefahren zu schützen und der Vorgabe gerecht zu werden, Waffenbesitz nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, B.v. 12.10.1998 – 1 B 245.97 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 83). In Anbetracht der nur sehr dünnen Kontrolldichte, in welcher es der Waffenbehörde möglich ist, Waffennachschauen bei Waffenbesitzern durchzuführen, müssen regelmäßig auch solche Sorgfaltsverstöße beachtlich sein, die auf den ersten Blick möglicherweise als gering eingestuft werden könnten. Andernfalls wäre eine wirkungsvolle Kontrolle einer sorgfältigen Handhabung und Verwahrung erlaubnispflichtiger Waffen praktisch nicht mehr vorstellbar, weil sonst immer der Einwand erhoben werden könnte, es habe ja nur eine „einmalige kleine Unachtsamkeit“ vorgelegen, die aber im Hinblick auf einen sonst immer beanstandungsfreien Waffenbesitz nicht ins Gewicht fallen dürfe. Letzteres soll aber im Waffenrecht gerade nicht der Fall sein, weil hier – anders als in weniger risikobehafteten Bereichen des Gefahrabwehrrechts – im Hinblick auf die Schutzpflicht des Staates für die Allgemeinheit regelmäßig keine „zweite Chance“ zu gewähren und eine erteilte Erlaubnis damit auch ohne vorherige Ermahnung zu widerrufen ist.
Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich alleine aus dem unstreitigen Sachverhalt die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers. Allerdings ist die Kammer nach der durchgeführten mündlichen Verhandlung auch zu der Überzeugung gekommen, dass die Einlassung des Klägers, die Waffe erst kurz vor der Kontrolle wegen des Besuchs einer Nachbarin in den Waffenschrank gesperrt zu haben und im Augenblick des Klingelns der Beamten im Begriff gewesen zu sein, die Waffe wieder entladen zu wollen, nicht geglaubt werden kann. Bei einer lebensnahen Betrachtung wären für einen derartigen Geschehensablauf zu viele Zufälle aneinandergereiht, die für sich alleine betrachtet schon sehr unwahrscheinlich wären. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er nicht viel Besuch erhält (vgl. S. 2 des Sitzungsprotokolls). Es ist damit schon per se unwahrscheinlich, dass es genau dann an der Tür klingelt, wenn sich der Kläger gerade mit seiner Waffe beschäftigt. Weiter soll dann am Revolver eine derartige Funktionsstörung vorgelegen haben, die ein Laden der Waffe erforderlich gemacht haben soll, um die Funktionsfähigkeit prüfen zu können. Genau in diesem Moment, in dem die Waffe dann geladen war, soll es an der Tür geklingelt haben. Die Nachbarin soll nur einige Minuten dagewesen sein. Sofort nach deren Gehen hätte der Kläger zur Toilette gemusst. Der Kläger will dann gerade wieder im Begriff gewesen sein, das Badezimmer zu verlassen, um wieder zum Waffenschrank zu gehen und seine Waffe zu entladen, als es erneut an der Tür klingelte und die Beamten zur Waffennachschau kamen. Schließlich will der Kläger von deren Erscheinen dann so perplex gewesen sein, dass er die Beamten nur wortlos zum Waffenschrank führen, aber nicht darauf hinweisen habe können, dass er gerade im Begriff gewesen sei, seine Waffe wieder zu entladen. Bei Betrachtung all dieser Umstände kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Einlassung des Klägers nicht geglaubt werden kann, und der geladene Revolver nicht erst kurz vor Erscheinen der Kontrolleure in den Waffenschrank gelegt wurde, sondern schon längere Zeit dort lag.
Aber auch wenn man der Einlassung des Klägers folgen wollte, würde dies ebenfalls die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers tragen. Denn auch bei einem nur kurzfristigen Unterbrechen der an bzw. mit der Waffe ausgeübten Tätigkeit, etwa einem Reinigungsvorgang, beispielsweise für die Einnahme eines Frühstücks, ist die Waffe ordnungsgemäß zu verwahren (vgl. BayVGH, B.v. 05.06.2018 – 21 ZB 15.2434 – juris, Rn. 19). Damit hätte der Kläger – seine Einlassung als wahr unterstellt – jedenfalls die Waffe zunächst entladen müssen, bevor er sie wieder in den Waffenschrank sperrte, und den Besuch etwas warten lassen, was auch nicht länger als eine Minute gedauert hätte. Hinzu kommt, dass beim Eintreffen von (unerwartetem) Besuch auch – zumindest vor dem Öffnen der Haustür – für den Waffenbesitzer nicht absehbar ist, wie sich die Situation entwickeln wird, was zumindest die Gefahr in sich birgt, dass das Entladen der Waffe auch vergessen werden kann, wenn der Waffenbesitzer nachhaltig und/oder längere Zeit „abgelenkt“ wird.
b) Die vom Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch und rechtfertigen kein anderes Ergebnis hinsichtlich der getroffenen Prognoseentscheidung über die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers. Vorliegend war die Situation einer Aufbewahrung im Sinne von § 36 WaffG gegeben. Eine „bloße Zwischenlagerung“ unter fortdauernder aktiver Kontrolle eines im Haus anwesenden Waffenbesitzers, die dann nicht dem Aufbewahrungstatbestand des § 36 WaffG unterfallen würde, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vielmehr greifen, wie bereits ausgeführt, die gesetzlichen Regelungen über die ordnungsgemäße Waffenaufbewahrung auch beim „kurzen Weglegen“ der Waffe zur Ausübung einer anderen Tätigkeit, wie etwa dem Empfang von Besuch.
Soweit der Kläger auf die „gelockerten“ Aufbewahrungsvorschriften für die Fälle verweist, dass die Waffe mit zum Schießen genommen werde oder der Waffenbesitzer mit der Waffe in einem Hotel übernachten müsse, liegt keine vergleichbare Situation vor. Denn die in § 13 Abs. 11 AWaffV a.F. statuierte Sonderregelung (Freistellung von den Anforderungen nach § 13 Abs. 1 bis 8 AWaffV a.F.) gilt nur für eine vorübergehende Aufbewahrung von Waffen außerhalb der Wohnung. Darauf kann sich nur berufen, wer sich als Berechtigter vorübergehend außerhalb seiner Wohnung aufhält (vgl. BayVGH, B.v. 24.02.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris, Rn. 22).
Die Einstufung des Klägers als waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verstößt auch nicht gegen das Wertungsgefüge des § 5 WaffG. Es kann nämlich durchaus sein, dass ein Verhalten nicht die Voraussetzungen einer Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG erfüllt, aber gleichwohl nach der Generalklausel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG eine negative Verhaltensprognose zu stellen ist. Denn es muss hier der Charakter der Zuverlässigkeitsprüfung in die Betrachtung mit einbezogen werden. Straftaten kann ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen als in strafrechtlicher Hinsicht, weshalb die Verwaltungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte eine eigenständige Würdigung der im Strafverfahren getroffenen Feststellungen anzustellen haben. Dass etwa die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, hindert nicht die ordnungsrechtliche Einschätzung als wesentliches, die Unzuverlässigkeit begründendes Fehlverhalten (vgl. Gade, Kommentar zum WaffG, § 5 Rn. 26 m.w.N. – beck-online).
c) Im Übrigen ist eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 04.07.2017 weder vorgetragen noch erkennbar. Das Gericht nimmt daher ergänzend gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Begründung dieses Bescheids und macht sich diese zu eigen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.