Aktenzeichen W 1 K 19.281
VwGO § 82 Abs. 1 S. 2, S.3
Leitsatz
Bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit eines Soldaten auf Zeit nach § 13a SVG sind auch in einem Reservedienstleistungsverhältnis verbrachte Zeiten zu berücksichtigen. (Rn. 16 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid vom 3. September 2018 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 12. Februar 2019 wird dahingehend abgeändert, dass dem Kläger ein Anspruch auf schulische und berufliche Bildung im Umfang von bis zu 54 Monaten zusteht.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 3. September 2018 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 12. Februar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO)
1. Die Klage ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger bei Klageeinreichung weder den streitgegenständlichen Bescheid beigelegt hatte, noch, dass der Klageschrift kein Klageantrag zu entnehmen war. Bei § 82 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO handelt es sich lediglich um Soll-Vorschriften. Eine Verletzung dieser Erfordernisse macht die Klage nicht unzulässig (Kopp/Schenke, VwGO 24. Auflage 2018, § 82 Rn. 10 f.). Es besteht zwar ein Erfordernis eines bestimmten Antrags, da dem Gericht ansonsten keine Sachentscheidung möglich ist. Dieser muss jedoch letztlich erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen (Kopp/Schenke, a.a.O., § 82 Rn. 10). Ein hinreichend bestimmter Antrag wurde seitens des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellt. Auch ist nach Ansicht des Gerichts ein ausreichender Wille des Klägers zur Klageerhebung ersichtlich. Zwar ist zutreffend, dass die Klageschrift als Fax vom Ausbildungszentrum Infanterie versandt wurde. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger tatsächlich das Original der Klageschrift an das Ausbildungszentrum versandte und von dort lediglich eine Kopie als Fax an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg versandt wurde. Hierbei handelt es sich seitens der Beklagten lediglich um eine Behauptung, die nicht bewiesen wurde. Vielmehr ist auf der Klageschrift bereits als Empfänger das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg benannt, sowie als Absender der Kläger vermerkt. Hieraus lässt sich ein eindeutiger Wille des Klägers zur Klageerhebung entnehmen. Die Klage ist daher zulässig.
2. Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf schulische und berufliche Bildung im Umfang von bis zu 54 Monaten zu.
Gem. § 5 Abs. 1 SVG haben SaZ, die nicht Inhaber eines Eingliederungsscheines sind, Anspruch auf Förderung ihrer schulischen und beruflichen Bildung nach der Wehrdienstzeit, wenn sie für die Dauer von mindestens vier Jahren in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden sind. Der Kläger ist Soldat auf Zeit, nicht erkennbar Inhaber eines Eingliederungsscheins und für die Dauer von mindestens 4 Jahren in das Dienstverhältnis berufen worden. Somit steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Berufsförderung zu.
Die Dauer der Förderung bemisst sich grundsätzlich gem. § 5 Abs. 4 SVG nach der Wehrdienstzeit.
Gem. § 13a Abs. 1 Satz 1 SVG ist, wenn bereits zuvor einer der in § 13a SVG genannten Dienste abgeleistet wurde, hingegen die Gesamtdienstzeit für die Dauer der Berufsförderung entscheidend. Vorliegend sind bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit nach § 13a SVG auch die Zeiten zu berücksichtigen, die der Kläger in einem Reservedienstleistungsverhältnis verbracht hat. Somit steht dem Kläger gem. § 5 Abs. 4 Nr. 8 SVG i.V.m. § 13a SVG ein Anspruch auf Förderung seiner schulischen und beruflichen Bildung im Umfang von bis zu 54 Monaten zu.
Entgegen der Ansicht der Beklagten führt der Wortlaut des § 13a SVG nicht dazu, dass Reservedienstzeiten bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit auszunehmen sind und sich die Gesamtdienstzeit nur nach den in § 13a SVG genannten Zeiten bemisst. Der Wortlaut des § 13a SVG ist lediglich darauf gerichtet festzustellen, dass die Gesamtdienstzeit entscheidend ist, wenn der Wiedereinsteller zuvor Grundwehrdienst gem. § 5 Wehrpflichtgesetz, freiwilligen Wehrdienst im Anschluss an den Grundwehrdienst nach § 6b des Wehrpflichtgesetzes, freiwilligen Wehrdienst nach § 58b SG oder Dienst als Soldat auf Zeit geleistet hat. Dass sich die Gesamtdienstzeit auch nur aus den dort genannten Zeiten ergibt lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Vielmehr muss bei der Bestimmung der Gesamtdienstzeit die Wehrdienstzeit nach § 2 SVG zugrunde gelegt werden. Hierbei sind auch die Reservedienstleistungszeiten zu berücksichtigen (Gerald Bohn, Dienstzeitversorgung der Soldaten auf Zeit, Vierte Ergänzung zur dritten Auflage, Stand 5.6.2018, Rn. 224c). Auch spricht ein Vergleich mit dem Wortlaut des § 13b SVG für die Anwendbarkeit des § 2 SVG und somit der Einbeziehung der Reservedienstzeiten. § 13b SVG spricht, ebenso wie § 13a SVG, von der “Gesamtdienstzeit“. Der Begriff der „Gesamtdienstzeit“ stellt hierbei keinen eigenständigen Begriff gegenüber der „Dienstzeit“ dar; die „Gesamtdienstzeit“ ist vielmehr ein sprachliches Synonym für die „gesamte Dienstzeit“, lediglich in Gestalt eines substantivischen Ausdrucks. Die Notwendigkeit, in § 13b SVG im Zusammenhang mit der Dienstzeit den Begriff „Gesamt“ zu verwenden, ergibt sich aus dem Ziel dieser Norm, die Bezugsdauer der dortigen Versorgungsleistungen in dem Verhältnis zu kürzen, das der Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge zur gesamten Dienstzeit (oder eben „Gesamtdienstzeit“) entspricht. Dabei handelt es sich jeweils um die „Dienstzeit“, unter der die „Wehrdienstzeit“ im Sinne des § 2 SVG zu verstehen ist (OVG Hamburg, B. v. 27.11.2015 – 5 Bf 201/14.Z – juris). § 13a SVG und § 13b SVG wurden durch die gleiche Gesetzesänderung in das SVG eingeführt. Aufgrund desselben Wortlautes ist davon auszugehen, dass der Begriff „Gesamtdienstzeit“ in beiden Normen nach dem gesetzgeberischen Willen gleich anzuwenden ist. Ein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille ist nicht ersichtlich. Auch ist kein entgegenstehender Wille daraus zu entnehmen, dass § 13b SVG explizit nach dem Begriff Gesamtdienstzeit auf § 2 SVG verweist, § 13a SVG hingegen nicht. Aufgrund des gleichen Wortlauts kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein redaktionelles Versehen gehandelt hat, dass bei § 13a SVG kein expliziter Verweis auf § 2 SVG vorgenommen wurde.
Auch spricht der Sinn und Zweck des § 13a SVG, vor dem Hintergrund der Gesetzesentwicklung des SVG, für die Einbeziehung der Reservedienstleistungszeiten bei der Bestimmung der Gesamtdienstzeit (so auch Gerald Bohn, a.a.O., Rn 224c).
Bei Einführung des SVG existierte noch keine dem § 13a SVG vergleichbare Norm. Entscheidend für die Bestimmung der Wehrdienstzeit war bereits damals schon § 2 SVG, welcher auch Auswirkungen auf die Gesamtdienstzeit hatte. Dies wurde seitens des Gesetzgebers auch klargestellt (Entwurf des SVG – BT-Drs. 2/2504 S.32). Nach Einführung des § 13a SVG, noch mit anderslautendem Wortlaut, wurde in den Normtext bereits der Begriff „Gesamtdienstzeit“ eingeführt. Entsprechend der Gesetzesbegründung wurde die Norm geschaffen, weil bei Wiedereinstellern die bereits abgeleistete Dienstzeit in die Gesamtverpflichtung zugerechnet wird (Gerald Bohn, a.a.O., Rn 224c). Zur abgeleisteten Dienstzeit zählten dabei jedoch auch Zeiten einer Reservedienstleistung (Gerald Bohn, a.a.O., Rn 224c). Nach Änderung des § 13a SVG in seine heutige Fassung wurde seitens des Bundesministeriums der Verteidigung ausgeführt, dass die Gesamtdienstzeit zugrunde zu legen ist; eine Änderung zur bisherigen Regelung wurde hierbei nicht erwähnt, anders hingegen in Bezug auf die nunmehr zu erfolgende Anrechnung (BMVg v. 18.5.2005 – PSZ III 3 – Az 20-01-01-/02 – nunmehr Bereichsdienstvorschrift C-1462/12; Gerald Bohn, a.a.O., Rn 224c). Hätte das Bundesministerium der Verteidigung bezüglich der Gesamtdienstzeit eine Änderung zur bisherigen Regelung bezüglich der Bestimmung der Gesamtdienstzeit gesehen, so wäre zu erwarten gewesen, dass diese ebenfalls in der Bereichsdienstvorschrift festgehalten worden wäre. Da bisher § 2 SVG für die Berechnung der Gesamtdienstzeit maßgeblich war, muss entsprechend dieser Ausführungen auch in der jetzigen Fassung des § 13a SVG für die Gesamtdienstzeit die Wehrdienstzeit nach § 2 SVG maßgeblich sein.
Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass Sinn und Zweck der Berufsförderung gem. § 3 SVG ist, den Soldaten auf Zeit nach Eignung, Neigung und Leistungsfähigkeit zu einer angemessenen Eingliederung in das zivile Berufsleben zu verhelfen. Es soll die zivilberufliche Integration von Soldaten auf Zeit gefördert werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Berufsförderungsfortentwicklungsgesetz vom 13.1.2005, BT-Drucks. 15/4639 S. 14). Während einer Reservedienstleistung besteht in der Regel – nicht jedoch zwingend – zu einem zivilen Arbeitgeber ein normales Arbeitsverhältnis, welches während der Dauer des Reservedienstes ruht. Eine Eingliederung über die Berufsförderung in das zivile Berufsleben ist daher für diese Zeiten nicht zwingend erforderlich, da während dieser Zeit der Reservedienstleistende in der Regel bereits in das zivile Berufsleben eingegliedert ist.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass § 13a Abs. 1 Satz 3 SVG eine Anrechnung der Anspruchszeiten auf Berufsförderung, die aufgrund des früheren Dienstverhältnisses gewährt wurden, auf die nunmehr zustehende Förderungsdauer vorsieht. Ebenso verhält es sich mit den Übergangsgebührnissen. Die ursprünglichen Übergangsgebührnisse haben jedoch unter Einschluss von Zeiten der Reservedienstleistung ermittelt werden müssen, da insofern gem. § 5 Abs. 4 SVG die Wehrdienstzeit des § 2 SVG maßgeblich ist. Insofern würde die Nichtberücksichtigung der Reservedienstzeiten in dem nunmehrigen Dienstverhältnis zu einer doppelten Anrechnung führen. Es würde eine geringere Übergangsbeihilfe gewährt und zudem noch der Bezugszeitraum aus dem früheren Dienstverhältnis angerechnet (Gerald Bohn, a.a.O, Rn 224c). Selbiges gilt für die Dauer der Berufsförderung.
Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb Zeiten der Reservedienstleistung nicht in die Berechnung der Gesamtdienstzeit bei § 13a SVG einzubeziehen sind. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb ein Reservedienstleistender schlechter gestellt werden sollte als die in § 13a SVG aufgezählten Personen.
Die Reservedienstleistungszeit ist daher bei der Berechnung der Gesamtdienstzeit nach § 13a SVG zu berücksichtigen. Da der Kläger somit eine Gesamtdienstzeit von 11 Jahren hat steht ihm gem. § 5 Abs. 4 Nr. 8 SVG i.V.m. § 13a SVG ein Anspruch auf Förderung seiner schulischen und beruflichen Bildung in einem Umfang von bis zu 54 Monaten zu. Da bisher nicht abzusehen ist, ob bis zu Beginn der Förderung eine Minderung gem. §§ 5 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 bis 8, 10 SVG eintreten wird, ist lediglich ein Ausspruch von bis zu 54 Monaten möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.