Verwaltungsrecht

Reichsbürger, Widerruf, Waffenbesitzkarte, Zuverlässigkeit, Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  M 7 K 17.910

Datum:
10.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28052
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 14, § 32 Abs. 6, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Nach dem Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn kein plausibles Risiko ordnungsgemäßen Umgangs des Betroffenen mit Waffen besteht.  (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die aus ihrem Verhaen zu folgende ideologishe Zugehörigkeit einer Person zur Reichsbürgerbewegung schließt ihre waffenrechtliche Zuverlässigkeit aus und rechtfertigt den Widerruf einer Waffenbesitzkarte. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Der Bescheid vom 3. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheidserlasses (vgl. zum Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35).
1.1 Der Widerruf der Waffenbesitzkarte und des Europäischen Feuerwaffenpasses gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 WaffG (Nrn. 1 und 2 des Bescheids) ist rechtmäßig.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis – vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG sowie der Europäische Feuerwaffenpass nach § 32 Abs. 6 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
Der Kläger verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Der Kläger ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Denn Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staatsfeindlich einzustufen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 95). Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
So sprechen im konkreten Fall insbesondere die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) unter Hinweis auf RuStAG von 1913 und die im Anschluss daran verfassten Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat.
Denn Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese z.T. als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 179 ff.). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Der „gelbe Schein“ wird zudem als Nachweis der Rechtsstellung als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). In diesem Kontext ist auch die, in dem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, getätigte Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit des Klägers „Königreich Bayern seit Geburt erworben durch Abstammung nach RuStAG 1913“ zu sehen. Dies legt ebenfalls grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Denn aus Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht (vgl. zur Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Königreich Bayern“, hat der Kläger somit nicht nur eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise gezeigt, sondern hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit des Königreich Bayern durch Abstammung erworben hat. Dies stellt grundsätzlich ebenfalls die Verfolgung eines ideologischen, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar. Der Kläger hat seine, in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende, innere Einstellung damit auch nach außen hin zu erkennen gegeben.
Ebenso enthalten die beiden Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 eine Reihe von Formulierungen und Einlassungen, welche typisch für die Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ (bzw. Teilen davon) sind. Die vehemente Forderung einer Nachbesserung des EStA-Registers, insbesondere das Ausfüllen der Felder „erworben am“ und „erworben durch“ folgt einer gängigen, in vielen einschlägigen reichbürgertypischen/-nahen Internetauftritten und auch sonstigen Dokumenten bzw. Einlassungen zu findenden (gerichtsbekannten) Argumentation. Sie basiert auf der irrigen Annahme, dass nur so die der Ideologie zugrundeliegende „Abstammung nach RuStaG 1913“ rechtssicher dokumentiert sei und so ein Nachweis nach dem aktuellen StAG vermieden werde (vgl. dazu auch Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 179 f.). Denn demnach hätten die „Nazis“ mittels der „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit vom 5. Februar 1934“ eine deutsche Staatsangehörigkeit „erfunden“, die man als „Nazistaatsangehörigkeit“ nicht haben wolle. Ähnlich sind die Äußerungen zum „umfassenden Feststellungsverfahren“ und der „Wiedergabe der Blutlinie“ einzuordnen; insbesondere das Berufen auf die Blutlinie („Ius Sanguinis“) ist eine gerichtsbekannte, szenetypische Argumentationsweise. Und schließlich sind auch die jeweils im letzten Drittel der beiden Schreiben enthaltenen Ausführungen Kernelemente einer szenetypischen Vorgehensweise bzw. einem szenetypischen Auftreten gegenüber Behörden. Der Hinweis dass der Sachbearbeiter selbst privat und vertragsrechtlich und seine Behörde „durch Vertragsrecht als Unternehmen (Handelsrecht, UCC, HGB“) handeln und arbeiten würde, spiegelt die (absurde) innere Einstellung bzw. Überzeugung wieder, dass die Bundesrepublik Deutschland keine staatliche Autorität habe, sondern letztendlich ein bloßes nach Zivil- bzw. Handelsrecht agierendes Konstrukt sei (s.o./Verfassungsschutzberichte); in diesem Kontext ist auch die von der Wortwahl her charakteristische Floskel „übergeordnete Entitäten in internationalen Verzeichnissen als solche und damit gewerblich gelistet“ zu verstehen – nämlich die Behauptung, dass die Eintragung von staatlichen Behörden in bestimmten privat geführten Wirtschaftsregistern („UCC-Register“) ein Indiz für deren rein zivil-/handelsrechtlichen Status sein solle. Gleiches gilt für die Hinweise auf § 120 BGB und Art. 116 GG; insbesondere Art. 116 GG ziehen Teile der Reichsbürgerbewegung rechtsirrig als Beleg ihrer Ideologie heran (erst der spezifisch ausgefüllte „gelbe Schein“ führe demnach zur Erlangung einer Staatsangehörigkeit mit allen Rechten, s.o. / Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). All diese Erklärungen werden zudem – wiederum szenetypisch – ergänzt um eine Drohung der persönlichen Haftbarmachung des Sachbearbeiters nach § 823 BGB (weil nach der vertretenen Ideologie das Haftungsprivileg des § 839 BGB/Art. 34 GG nicht greifen könne).
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Anhörungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren und seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch gehörten Ehefrau vermögen demgegenüber an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern.
Soweit der Kläger geltend macht, er halte sich an geltende Gesetze, steht auch dies dieser Einschätzung nicht entgegen. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17).
Auch die ausführlichen Einlassungen des Klägers und seiner Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung führen zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere bestehen erhebliche Zweifel an der Darstellung, dass sich letztendlich ausschließlich die Ehefrau des Klägers inhaltlich mit dem Antrag auf einen Staatsangehörigkeitsausweis und den späteren Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 beschäftigt und der Kläger diese Dokumente ohne eigene Kenntnis der Thematik und ohne ansatzweise Reflexion quasi „blind“ unterschrieben habe. So gab der Kläger selbst vor Gericht an, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Co-Bundestrainer 130 bis 150 Tage im Jahr unterwegs gewesen sei. Sobald er zu Hause gewesen sei, sei auch noch das Stützpunkttraining in R. hinzugekommen. Daher habe seine Frau die Familie „organisiert“, für Kindererziehung habe er zu wenig Zeit gehabt. Er habe seiner Frau blind und vollständig vertraut. Obwohl dem Kläger also laut eigenen Angaben ohnehin schon sehr wenig Zeit für private Dinge außerhalb des Berufs zur Verfügung gestanden ist, hat er es doch auf sich genommen, am 11. Januar 2016 – also in der absoluten „Hochsaison“ des Biathlonweltcups und des damals laufenden „Heim-Weltcups“ in Ruhpolding (10. bis 15. Januar 2016) zusammen mit seiner Ehefrau persönlich beim Landratsamt vorzusprechen, um eine Nachbesserung des EStA-Registers einzufordern. Allein dies – ein kritischer „Behördengang“ trotz des o.g. Zeitmangels und während des Saisonhöhepunkts, ohne den Grund zu hinterfragen bzw. nur, weil die Ehefrau ihn darum gebeten habe – ist wenig glaubhaft. Insoweit erscheint dem Gericht vielmehr das vom Landratsamt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgelegte Gedächtnisprotokoll vom 4. Juli 2019 – auch wenn es erst im Juli 2019 erstellt wurde und so gegebenenfalls einen eingeschränkten Beweiswert hat – plausibel, wonach der Kläger und seine Ehefrau während des Termins „vehement“ die aus ihrer Sicht notwendigen Eintragungen im EStA-Register eingefordert hätten. Demnach habe gerade der Kläger betont, dass diese Eintragungen für ihn von großer Bedeutung seien, da er beruflich viel im Ausland unterwegs sei und außerdem verhindern wolle, dass er und seine Familie eingebürgerten Personen gleichgestellt seien – ein Argument, das später auch in den beiden Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 auftaucht. Laut Sachbearbeiter (Unterzeichner des Vermerks) habe er, nachdem das Ehepaar mit seinen Aussagen nicht zufrieden gewesen sei, den damaligen Sachgebietsleiter zum Gespräch hinzuziehen müssen. Das Gespräch habe seiner Erinnerung nach sehr lange gedauert und sich im Kreis gedreht. Dass der Kläger dies alles auf sich genommen hat, ohne sich inhaltlich näher mit der Thematik im Sinne der Reichsbürgerideologie auseinandersetzen, erscheint abwegig.
Ähnlich verhält es sich mit den beiden Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016. Selbst wenn beide Schreiben von der Ehefrau des Klägers verfasst worden sein sollten – wogegen im Übrigen schon der im Schreiben vom 26. März 2016 (1. Absatz) verwendete Wortlaut „sind ich [Vor- und Zuname Kläger] und meine Ehefrau [Vor- und Zuname Ehefrau] persönlich bei Ihnen erschienen“ spricht – ist unglaubhaft, dass der Kläger auch hier keinerlei Kenntnis vom Inhalt der Schreiben hatte. Dies widerspricht der Lebenserfahrung und aller Wahrscheinlichkeit. Denn für beide Schreiben haben der Kläger und seine Ehefrau laut eigenen Angaben durchaus erheblichen Aufwand betrieben (auch der Kläger selbst), indem sie beiden Schreiben jeweils nochmals notariell beglaubigte Anträge auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises beigefügt haben (auch für ihre beiden Kinder). Einerseits einen solchen Aufwand zu betreiben (trotz des o.g. engen zeitlichen Rahmens), andererseits aber letztendlich gar nicht zu wissen, welchem Zweck dies dient, ist kaum vorstellbar. Denn selbst wenn der Kläger nur eines der beiden Schreiben überflogen hätte, hätten ihm – als langjährigem (Berufs-)Soldaten mit entsprechenden, durch die Ausbildung erworbenen staatsbürgerlichen Grundkenntnissen – doch sofort wenigstens einige der o.g. Formulierungen „ins Auge springen“ müssen. Zudem heißt es bereits im Betreff des Schreibens vom 26. März 2016 „Widerspruch“; dass der Kläger selbst einen (vermeintlichen) förmlichen Rechtsbehelf ohne jegliche inhaltliche Kenntnis unterzeichnet, kann ihm nicht geglaubt werden.
Auch muss sich der Kläger die Frage gefallen lassen, warum er all dies nicht bereits im Rahmen seiner Stellungnahme zur Anhörung am 24. November 2016 vorgetragen hat. Dort schreibt er stattdessen – insoweit widersprüchlich zur Einlassung im Rahmen der mündlichen Verhandlung – dass er einen „Staatsangehörigkeitsantrag“ gestellt habe, weil es ihm ein persönliches Anliegen gewesen sei, seine Staatsangehörigkeit und Abstammung zu dokumentieren, amtlich geführt und registriert zu wissen. Das umfassende Feststellungsverfahren der Staatsangehörigkeit, wie in seinem Fall, beinhalte eine sehr ausführliche und zeitaufwendige Recherche und Dokumentation der Ahnenreihe. Die Urkunden seines Großvaters würden bis ins Königreich Bayern zurückreichen. Aufgrund seiner Ahnenreihe habe er sich auf das Königreich Bayern bezogen. Diese Anhörung enthält deutlich Elemente, welche auch den Schreiben vom 26. März 2016 und 2. Mai 2016 zugrundeliegen (z.B. erweitertes Feststellungsverfahren). Selbst wenn man der Einlassung der Ehefrau des Klägers Glauben schenken will, auch dieses Schreiben habe im Wesentlichen sie verfasst, erscheint es ausgeschlossen, dass der Kläger es ohne Kenntnis des Inhalts unterzeichnet hat. Denn wie er vor Gericht selbst eindrücklich schilderte, sei er zutiefst verunsichert und beunruhigt gewesen, als er telefonisch (im Ausland) vom Anhörungsschreiben des Landratsamts unterrichtet worden sei. Vor diesem Hintergrund annehmen zu wollen, dass der Kläger seine Stellungnahme zur Anhörung nicht gründlich gelesen habe, wäre fernliegend.
Auch im Übrigen widersprechen sich die Einlassungen des Klägers im Verwaltungswie im (vorbereitenden) Gerichtsverfahren und die im Rahmen der mündlichen Verhandlung (von ihm und seiner Ehefrau) teilweise – etwa soweit im Rahmen der Klageschrift vom 3. März 2017 noch die Rede davon ist, dass der Kläger sich „verleiten lassen habe, die Diktion auf den von seiner Ehefrau recherchierten Webseiten zu übernehmen“ und der Kläger sich „aus dieser Diktion zwischenzeitlich befreit habe“. In der mündlichen Verhandlung wurde dagegen, wie oben bereits geschildert, der Eindruck vermittelt, dass der Kläger sich inhaltlich mit seinem Antrag und dessen Diktion überhaupt nicht auseinandergesetzt und diesen stattdessen quasi blind unterschieben habe. Insgesamt erscheinen die Einlassungen des Klägers daher verfahrenstaktisch motiviert, sind somit unglaubhaft und als Schutzbehauptung anzusehen.
Den Einlassungen des Klägers lässt sich jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 3. Februar 2017 auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53). Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht feststellen. Selbst im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger letztendlich insoweit nicht eingeräumt, mit reichsbürgertypischen Ansichten agiert zu haben, sondern sein Verhalten relativiert und gerechtfertigt bzw. allein seine Ehefrau dafür verantwortlich gemacht. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind daher nicht erkennbar.
1.2 Die Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnisurkunden (Nr. 3 des Bescheids) wurde zutreffend auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG gestützt. Die Verpflichtung zur Überlassung bzw. dauerhaften Unbrauchbarmachung der im Besitz des Klägers befindlichen Waffen und Munition (Nr. 4 des Bescheids) basiert auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Ebenso wenig bestehen rechtliche Bedenken gegen die Angemessenheit der hierfür (Nrn. 3 und 4) gesetzten Frist von jeweils vier Wochen nach Zustellung des Bescheids. Zudem wurde die Anordnung der Sicherstellung der Waffen (Nr. 5 des Bescheids) zutreffend auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG gestützt. Schließlich sind auch gegen die Zwangsgeldandrohung (Nr. 5 des Bescheides) und die Kostenentscheidung (Nr. 7 des Bescheides) rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Da aufgrund der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse kein Anspruch auf deren Herausgabe an den Kläger bestehen kann, ist auch der Klageantrag Nr. II jedenfalls unbegründet. Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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