Familienrecht

Anfechtbarkeit von Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren

Aktenzeichen  2 WF 140/19

Datum:
1.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 1943
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 57 S. 2 Nr. 4, § 58
GewSchG § 1, § 2

 

Leitsatz

1. Werden im einstweiligen Anordnungsverfahren nach mündlicher Verhandlung Ermittlungen seitens des Amtsgericht durchgeführt, ergeht die nachfolgende Entscheidung nicht mehr aufgrund mündlicher Verhandlung und unterliegt daher keiner Anfechtungsmöglichkeit gem. § 57 S. 2 2. HS Nr. 1 – 5 FamFG. (Rn. 2 – 3)
2. Isolierte Kostenentscheidungen in Verfahren iSd § 57 S. 2 2. HS Nr. 1 – 5 FamFG sind keine Entscheidungen über die dort aufgeführten Verfahrensgegenstände und daher nicht anfechtbar. (Rn. 1)

Verfahrensgang

S 004 F 11/19 2019-05-06 Bes AGGEMUENDEN AG Gemünden

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht Gemünden am Main vom 6.5.2019 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 703,00 Euro festgesetzt. Der Verfahrenswert erster Instanz wird von Amts wegen in Abänderung der Ziffer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts Gemünden am Main vom 6.5.2019 auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt.

Gründe

I.
Das als sofortige Beschwerde vom Antragsgegner bezeichnete Rechtsmittel gemäß Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 23.5.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -FamiliengerichtGemünden am Main vom 6.5.2019, mit dem die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zwischen den beiden Verfahrensbeteiligten gegeneinander aufgehoben wurden, ist als Beschwerde gemäß § 58 ff. FamFG auszulegen. Gegen isolierte Kostenentscheidungen in Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet allenfalls die Beschwerde gemäß § 58 FamFG statt, nicht aber eine sofortige Beschwerde (vgl. nur Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 58 FamFG Rn. 4). Letztere ist für isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- bzw. Familienstreitsachen statthaft (vgl. dazu BGH FamRZ 2011, 1933).
Die Beschwerde ist aber unzulässig. Die Kostenentscheidung ist vorliegend im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen. Gemäß § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG ist eine Beschwerde im eA-Verfahren in Gewaltschutzsachen nur zulässig, wenn die Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung erging. Nicht ausreichend ist damit dem maßgeblichen Wortlaut nach, dass im Verfahren irgendwann mündlich verhandelt wurde, wenn Entscheidungsgrundlage nicht mehr das Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist. Auf diesen Wortlaut ist abzustellen, da § 57 FamFG in S. 1 grundsätzlich die Nichtanfechtbarkeit von Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren vorsieht und S. 2 dazu in Gestalt einer Sonderregelung nur ausnahmsweise die Anfechtung zulässt. Sonderregelungen sind stets eng auszulegen (vgl. Zöller, a.a.O., § 57 FamFG Rn. 4).
Vorliegend hat das Amtsgericht nach der mündlichen Verhandlung weitere Ermittlungen dahingehend durchgeführt, ob die Antragstellerin zwischenzeitlich aus der Wohnung ausgezogen ist, was diese zunächst in Abrede gestellt hat. Der tatsächliche Auszug führte sodann jedoch zur Erledigung des Gewaltschutzbegehrens und den übereinstimmenden Erledigungserklärungen. Damit ist die angefochtene Kostenentscheidung nicht mehr aufgrund der früheren mündlichen Verhandlung ergangen und deshalb nicht gem. § 57 S. 2 FamFG anfechtbar.
Schließlich fordert § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine solche handelt, mit der das Gericht über einen Antrag nach §§ 1, 2 GewSchG entschieden hat. Auch insoweit ist auf den eng auszulegenden Wortlaut der Sondervorschrift des § 57 S. 2 FamFG abzustellen (vgl. OLG Nürnberg, B. v. 18.9.2015, 7 WF 1073/15 – juris; OLG Koblenz, FamRZ 2016, 1287; Zöller, a.a.O., § 57 FamFG Rn. 5 mit Hinweisen zum Meinungsstand). Da das Amtsgericht nur eine Kostenentscheidung getroffen hat, ist eine Entscheidung über einen Gewaltschutzantrag aber gerade nicht erfolgt. Damit fehlt es an einer Entscheidung iSd § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG.
Dass die unzutreffende Rechtsmittelbelehrungin der angefochtenen Entscheidung die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels nicht begründen kann, bedarf keiner weiteren Erörterung.
II.
Die Beschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend gemäß §§ 51 Abs. 4, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG über die Kosten nach billigem Ermessen entschieden. Bei Erledigung des Verfahrens, was hier durch den Auszug der Antragstellerin eingetreten ist, gilt § 81 FamFG für die Kostenentscheidung entsprechend, § 83 Abs. 2 FamFG. Dies gilt auch im einstweiligen Anordnungsverfahren gemäß § 51 Abs. 4 FamFG.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren nach §§ 1, 2 GewSchG, einer Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die Verfahrenskosten nicht automatisch der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Antragstellerin selbst zwischenzeitlich aus dem Haus ausgezogen und damit der Antragsgegner „gewonnen“ hat. Maßgeblich ist vielmehr insbesondere, ob bei Nichteintritt dieses erledigenden Ereignisses der Antrag Erfolg gehabt hätte und wer Anlass zu dem Antrag gegeben hat. Dies rechtfertigt hier insbesondere aufgrund der Erkenntnisse aus der mündlichen Verhandlung beim Amtsgericht vom 15.1.2019 die Kostenaufhebung. Danach ist davon auszugehen, dass im Vorfeld der Antragstellung sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner dem jeweils anderen gegenüber übergriffig in verbaler und gegebenenfalls auch handgreiflicher Art und Weise gewesen ist. Damit haben die der Antragstellung zu Grunde liegenden Auseinandersetzungen beide Beteiligten nach bisherigem Sach- und Streitstand in etwa gleichem Umfang herbeigeführt. Desweiteren haben sich beide Beteiligten auch mehr um ihre eigene Interessenlage als um die Interessen und Belange der gemeinsamen Kinder, die in diese Auseinandersetzungen mit einbezogen wurden, gekümmert. In Folge dessen entspricht es billigem Ermessen, dass sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner jeweils die Hälfte der Gerichtskosten erster Instanz und ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst tragen.
III.
Somit ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der erfolglosen Beschwerde folgt aus § 84 FamFG.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren hat sich nach der bekämpften Kostenlast zu richten. Diese beträgt 703,00 Euro, wobei von einem Verfahrenswert erster Instanz von 2.500,00 Euro auszugehen ist. Entsprechend war der Verfahrenswert erster Instanz auch von Amts wegen zu ändern, § 55 Abs. 3 FamGKG. Verfahrensgegenständlich waren Anträge nach §§ 1 und 2 GewSchG. Hierfür sieht § 49 FamGKG Verfahrenswerte im Hauptsacheverfahren von 3.000,00 und 2.000,00 Euro vor, die zusammenzurechnen sind. Gemäß § 41 FamGKG ist im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich auf die Hälfte zu erkennen. Hiervon abzuweichen bestand kein Anlass.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren findet die Rechtsbeschwerde nicht statt, § 70 Abs. 4 FamFG.

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