Aktenzeichen Au 4 S 19.30782
AsylG § 35
Leitsatz
1 Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn im streitgegenständlichen Bescheid selbst die Vollziehung der Abschiebungsandrohung gem. § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt wird (Anschluss an BVerwG BeckRS 2019, 2301). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Kosten eines unzulässigen vorläufigen Rechtsschutzantrags hat die Antragsgegnerin zu tragen, wenn sie diesen wegen widersprüchlichen Verhaltens veranlasst hat. Dies ist der Fall, wenn sie einerseits die Vollziehung einer Abschiebungsandrohung ausgesetzt hat und andererseits dem Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt hat, wonach ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden könne. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf eine Abschiebungsandrohung.
Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin ist der Antragsteller syrischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Seinen am 2. Juli 2014 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 15. Februar 2015 als unzulässig ab (1.), weil ihm bereits in Bulgarien subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Bulgarien abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Der Antragsteller dürfe nicht nach Syrien abgeschoben werden (2.).
Mit rechtskräftigem Urteil vom 9. Oktober 2015 (Au 2 K 15.30114) hob das Verwaltungsgericht Augsburg Nr. 2 des Bescheids vom 15. Februar 2015 auf und wies die Klage des Antragstellers im Übrigen ab.
Nach Anhörung des Antragstellers am 25. Oktober 2016 traf das Bundesamt mit Bescheid vom 11. Juni 2019 „in Ergänzung des Bescheides vom 17.02.2015“ folgende „Entscheidung“:
„1. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
2. Der Antragsteller wird aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, wird er nach Bulgarien abgeschoben. Der Antragsteller kann auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Der Antragsteller darf nicht nach Syrien abgeschoben werden.
3. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
4. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung wird ausgesetzt.“
Auf die Gründe des Bescheids vom 11. Juni 2019 wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:enthält unter anderem folgendes: „Die Klage gegen die Abschiebungsandrohung hat keine aufschiebende Wirkung. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO kann innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieses Bescheides bei dem oben genannten Verwaltungsgericht gestellt werden.“
Der Antragsteller ließ hinsichtlich des Bescheids vom 11. Juni 2019 am 18. Juni 2019 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben (Au 4 K 19.30781). Zugleich beantragte er gem. § 80 Abs. 5 VwGO
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Klage und Antrag wurden bisher nicht begründet.
Die Antragsgegnerin übermittelte am 21. Juni 2019 ihre Akten; in der Sache äußerte sie sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, weil bereits die Antragsgegnerin in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. Juni 2019 gem. § 80 Abs. 4 VwGO die Vollziehung der Abschiebungsandrohung ausgesetzt hat (vgl. zu diesem Vorgehen auch BVerwG, U.v. 15.1.2019 – 1 C 15/18 – juris Rn. 49).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 4 VwGO. Das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist durch das Verschulden der Antragsgegnerin, nämlich durch deren widersprüchliches Verhalten, veranlasst worden. Die Antragsgegnerin hat einerseits die Vollziehung der Abschiebungsandrohung gem. § 80 Abs. 4 ausgesetzt und hierzu in den Bescheidgründen – zutreffend – ausgeführt (S. 14), dass ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO weder statthaft sei, noch dahin gehend ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe; andererseits hat die Antragsgegnerin dem Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt, wonach die Klage gegen die Abschiebungsandrohung keine aufschiebende Wirkung habe und ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden könne (vgl. zur Anwendung des § 155 Abs. 4 VwGO in der vorliegenden Konstellation auch VG Kassel, B.v. 16.5.2019 – 1 L 1161/19.KS – juris Rn. 21 ff.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).