Aktenzeichen M 29 K 17.1436
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens der Klägerin in dem dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 9. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihrer durch das Einvernehmenserfordernis nach § 36 BauGB gesicherten gemeindlichen Planungshoheit, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Vorbescheid betreffend die Abgrabungsgenehmigung für den Trockenkiesabbau ist eine die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens grundsätzlich mitumschließende Einheit und gegenüber der Klägerin ein anfechtbarer belastender Verwaltungsakt.
Rechtsgrundlage für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens ist Art. 9 Abs. 1 Sätze 1, 4 und 6 BayAbgrG i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Für den vom Beigeladenen beantragten Kiesabbau im Trockenabbauverfahren auf den streitgegenständlichen Grundstücken ist gemäß Art. 6 Abs. 1 BayAbgrG eine Abgrabungsgenehmigung erforderlich. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 4 BayAbgrG kann auf schriftlichen Antrag vorweg ein Vorbescheid erteilt werden, für den nach Satz 6 die Vorschriften über die Abgrabungsgenehmigung sinngemäß gelten. Diese ist gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayAbgrG zu erteilen, wenn die im Verfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Hierzu zählt unter anderem § 36 BauGB.
Das rechtswidrig versagte Einvernehmen zu einem Vorbescheid betreffend eine Abgrabungsgenehmigung, auf deren Erteilung ein Rechtsanspruch besteht, kann von dem Beklagten gemäß § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB ersetzt werden. Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB wird über die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Nach Satz 2 ist das Einvernehmen der Gemeinde auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach diesen Vorschriften entschieden wird. Nach § 36 Abs. 2 BauGB darf die Gemeinde ihr Einvernehmen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen.
Die Klägerin hat ihr Einvernehmen zu Unrecht verweigert. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Vorhaben der Beigeladenen gemäß § 35 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig.
Die streitgegenständlichen Grundstücke Fl.Nrn. …, …, …, …/2 befinden sich unstreitig im Außenbereich. Dem beantragten Vorhaben, das im Außenbereich als ortsgebundener gewerblicher Betrieb nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB privilegiert ist, stehen keine öffentlichen Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB entgegen.
1. Das Vorhaben widerspricht zwar dem Flächennutzungsplan der Klägerin vom 27. Oktober 1985 in der zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geltenden Fassung, der an der streitgegenständlichen Stelle eine Fläche für die Forstwirtschaft vorsieht. Dieser öffentliche Belang steht dem konkreten Vorhaben jedoch nicht entgegen.
Allein im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB genießen privilegierte Vorhaben in dem Spannungsverhältnis mit den in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft aufgezählten öffentlichen Belangen eine besondere Vorzugsstellung. Unzulässig ist ein privilegiertes Vorhaben, das den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, nur, wenn ihm der in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB bezeichnete öffentliche Belang im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB „entgegensteht“ (BVerwG, U.v. 17.12.2002 – 4 C 15/01 – juris Rn. 25).
Anders als ein Bebauungsplan ist der Flächennutzungsplan für sich betrachtet keine rechtssatzmäßige Regelung zulässiger Bodennutzungen; eine unmittelbare, die Zulässigkeit privilegierter Nutzungen ausschließende Wirkung können seine Darstellungen nicht entfalten. Als Ausdruck der in ihm niedergelegten planerischen Vorstellungen der Gemeinde können Darstellungen des Flächennutzungsplans jedoch die Bedeutung eines der Zulässigkeit von Vorhaben im Außenbereich entgegenstehenden öffentlichen Belangs haben. Ihre Durchsetzungsfähigkeit als öffentlicher Belang gegenüber Außenbereichsvorhaben resultiert wesentlich daraus, dass sie „Unterstützung und einleuchtende Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten“ sind (BVerwG, U.v. 20.1.1984 – 4 C 43.81 – juris Rn. 18). Da der Gesetzgeber die in § 35 Abs. 1 BauGB genannten Vorhaben im Außenbereich allgemein für zulässig erklärt hat, ohne jedoch eine Entscheidung über den konkreten Standort zu treffen, können einem privilegierten Vorhaben nur konkrete standortbezogene Aussagen im Flächennutzungsplan als öffentlicher Belang entgegenstehen. Darstellungen des Flächennutzungsplans für den Außenbereich müssen mithin, um öffentliche Belange qualifizieren zu können, eine im Wege der Bebauungsplanung nicht weiter konkretisierungsbedürftige Standortentscheidung enthalten (BVerwG, U.v. 18.8.2005 – 4 C 13/04 – juris Rn. 32).
Vorliegend handelt es sich bei dem Bereich, in dem das streitgegenständliche Grundstück liegt, nicht um einen „anderweitig verplanten“ Standort in diesem Sinne (BVerwG, U.v. 20.1.1984 – 4 C 43.81 – juris Rn. 19). Die Darstellung von Flächen für die Forstwirtschaft weist vorliegend dem Außenbereich lediglich die ihm ohnehin zukommende Funktion zu, der Land- und Forstwirtschaft und in diesem Rahmen auch der allgemeinen Erholung zu dienen (BVerwG U.v. 6.10.1989 – 4 C 28/86 – juris Rn. 16).
Der Ortsentwicklungsplan der Klägerin kann als unverbindliches „Leitbild für die Siedlungsentwicklung und das Ortsbild“ dem privilegierten Vorhaben ebenfalls nicht entgegenstehen.
2. Der geplante Trockenkiesabbau ist auch nicht nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB unzulässig. Nach dieser Vorschrift stehen öffentliche Belange einem Vorhaben nach Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 der Vorschrift in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.
Die gesetzgeberische Privilegierungsentscheidung kommt zwar weiterhin, aber nur mehr nach Maßgabe der gemeindlichen Planungsvorstellungen zum Tragen. Durch § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erhalten bestimmte Darstellungen des Flächennutzungsplans über die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB getroffene Regelung hinaus bauplanerische Bedeutung. Die Gemeinde bekommt ein Instrument an die Hand, das es ihr ermöglicht, durch eine Kanalisierung der in § 35 Abs. 1 Nrn. 2 bis 6 BauGB aufgeführten Vorhaben, die städtebauliche Entwicklung in ihrem Gemeindegebiet in geordnete Bahnen zu lenken. Dieses gesetzgeberische Modell trägt sowohl dem gebotenen Außenbereichsschutz als auch der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Planungshoheit Rechnung. Es entspricht damit der Grundkonzeption des § 1 BauGB, wonach es zu den Aufgaben der Gemeinde gehört, nach Maßgabe ihrer städtebaulichen Vorstellungen die bauliche und die sonstige Nutzung der Grundstücke im Gemeindegebiet vorzubereiten und zu leiten (BVerwG, U.v. 17.12.2002 – 4 C 15/01 – juris Rn. 27).
Die Klägerin hat von diesem Instrument keinen Gebrauch gemacht. Der Flächennutzungsplan der Klägerin weist eine solche positive Standortzuweisung für den Kiesabbau nicht an anderer Stelle aus.
Auch der Regionalplan M. enthält keine standortbezogenen Aussagen für den konkret geplanten Kiesabbau mit einer Fläche von 2,66 ha.
Zwar weist der Regionalplan der … … – München zum aktuellen Stand April … Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den Kies- und Sandabbau aus. Jedoch werden für den kleinflächigen Abbau auf Abbauflächen unter 10 ha im Regionalplan ausdrücklich keine Abbaugebiete ausgewiesen; vielmehr soll danach lediglich der großflächige Abbau von Bodenschätzten auf Flächen über 10 ha vorzugsweise in den Vorrang- und Vorbehaltsgebieten realisiert werden (vgl. …). Überdies wird im Regionalplan weiter ausgeführt, dass mit der Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten für den Abbau von Bodenschätzen außerhalb dieser Gebiete keine Aussage getroffen wird. Deshalb kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Abbau von Bodenschätzen außerhalb von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten unzulässig ist (vgl. … … … …).
Auch die Ausweisung als landschaftliches Vorbehaltsgebiet nach dem Regionalplan … führt nicht zu einem Entgegenstehen öffentlicher Belange. Durch die Ausweisung als landschaftliches Vorbehaltsgebiet ist noch keine abschließende Aussage über bestimmte Nutzungen getroffen; jedoch wird den Belangen Naturschutz und Landschaftspflege besonderes Gewicht zugewiesen. Weiter sind in der Regel mit den gewichtigen Belangen landschaftlicher Vorbehaltsgebiete zu vereinbaren beispielsweise auch die Gewinnung von Bodenschätzen (vgl. … … Danach soll unter anderem auf Weiterführung des Waldumbaus zu Mischwald hingewirkt werden (…).
Ein Versagungsgrund für das Vorhaben des Beigeladenen ergibt sich deshalb auch im Hinblick auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht.
3. Auch Belange des Naturschutzes und des Orts- und Landschaftsbildes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB stehen dem Vorhaben nicht entgegen.
Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Stellungnahme vom 15. Juni 2015 festgestellt, dass die streitgegenständliche Fläche überwiegend kahl geschlagen ist und aus forstfachlicher Sicht der noch vorhandene Waldbestand ebenso wie der zuvor vorhandene Fichtenbestand keine (wald-)gesetzlich geschützte, grundsätzlich schützenswerte oder seltene Waldform ist. Da es sich um eine temporäre Nutzungsänderung mit anschließender Rekultivierung als Wald handelt, kann ein Entgegenstehen öffentlicher Belange unter diesem Gesichtspunkt nicht angenommen werden.
Auch die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet und damit Belange des Naturschutzes stehen dem privilegierten Vorhaben nicht entgegen. § 1 der Verordnung des Landkreises Fürstenfeldbruck über den Schutz von Landschaftsteilen (Landschaftsschutzverordnung – LSGV) stellt verschiedene Landschaftsteile des Landkreises F. als Landschaftsschutzgebiet unter Schutz, u. a. das Gebiet „Obere Amper“. Gemäß ihrem § 2 sind in den in § 1 bezeichneten Landschaftsschutzgebieten Maßnahmen verboten, die den Naturhaushalt schädigen, das Landschaftsbild verunstalten oder den Naturgenuss beeinträchtigen; verboten sind auch Maßnahmen, welche die vom Bayerischen Naturschutzgesetz oder von dieser Verordnung missbilligten Folgen mit Sicherheit erwarten lassen. Gemäß § 3 LSGV bedarf der schriftlichen Erlaubnis des Beklagten (untere Naturschutzbehörde), wer im Landschaftsschutzgebiet Maßnahmen durchführen will, die geeignet sind, die in § 2 genannten Wirkungen hervorzurufen.
Diese Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 LSGV ist für das Vorhaben zu Recht erteilt worden. Durch die vorgezogenen Ausgleichsflächen von 5.000 m² und den Erhalt eines 20 m breiten Waldrandes ist ein Verstoß gegen die geschützten Ziele der Landschaftsschutzverordnung nicht zu erwarten. Ebenso wird durch diese Maßnahmen eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbild verhindert. Überdies handelt es sich um eine vorübergehende Maßnahme.
Durch die im Bescheid enthaltenen Bedingungen und Auflagen ist sichergestellt, dass die vorgeschriebenen Maßnahmen betreffend die vorgezogene Ausgleichsfläche und den Naturschutz auch verwirklicht werden.
Zuletzt kann auch der von der Klägerseite angeführte Rotmilan-Horst dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegenstehen. Nach der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom 1. Dezember 2017 liegt ein Rotmilan-Horst in ca. 350 m bis 500 m Entfernung zum geplanten Abbaugebiet und wird somit nicht unmittelbar vom Kiesabbau betroffen sein.
Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, da er keinen Antrag gestellt hat.