Baurecht

Beseitigungsanordnung für eine ohne Genehmigung gebaute Berghütte anstelle eines vorhandenen Heustadels

Aktenzeichen  M 11 K 17.1040

Datum:
11.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30465
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35

 

Leitsatz

1. Bauarbeiten zur Errichtung einer Berghütte anstelle eines vorhandenen Heustadels kommen in der Gesamtschau der genehmigungspflichtigen Neuerrichtung eines Wochenendhauses gleich, wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen. In diesem Fall verlassen sie den Bereich zulässiger Erhaltungsmaßnahmen, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Außenwände, das Dach und das Fundament erneuert werden, denn dann fehlt es an einer Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein etwaiger baurechtlicher Bestandsschutz eines früher einmal errichteten Heustadels ist jedenfalls spätestens durch Bauarbeiten in diesem Umfang erloschen. Der einer baulichen Anlage zukommende Bestandsschutz endet nämlich dann, wenn die Anlage beseitigt wird. Vom Bestandsschutz sind auch solche Maßnahmen nicht mehr gedeckt, die einer Neuerrichtung oder einem Ersatzbau gleichkommen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
I.
Das Gericht konnte auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). Der Verzicht ist grundsätzlich unwiderruflich (BVerwG, U.v. 31.10.1963 – VI C 115.62 – VerwRspr 16, 1008). Ob hiervon bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage gem. § 173 VwGO i.V.m. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Ausnahme zu machen ist (dafür BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – juris Rn. 28) oder ob – wofür mehr spricht – § 101 Abs. 2 VwGO die abschließende speziellere Vorschrift ist (so BVerwG, B.v. 13.12.2013 – 6 BN 3/13 – juris Rn. 10), da sie den einschränkenden Zusatz gerade nicht enthält, kann dahinstehen. Die Prozesslage hat sich nach Schluss der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht wesentlich geändert. Der Bevollmächtigte der Klägerin hatte bereits im Schriftsatz vom 24. September 2018 darauf hingewiesen, dass die Aussagen des Bauamtsleiters nach Auffassung der Klägerin wesentlich seien. In der mündlichen Verhandlung ist kein Beweisantrag gestellt worden. Es ist zwar anerkannt, dass über Beweisanträge, die im Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO nach Abgabe der Einverständniserklärung schriftsätzlich gestellt werden, über den Wortlaut des § 86 Abs. 2 VwGO hinaus ebenfalls vor der abschließenden Sachentscheidung durch gesonderten Beschluss entschieden werden muss (BVerwG, U.v. 28.11.1962 – BVerwG IV C 113/62 – NJW 1963, 552). Ist der Beweisantrag allerdings erstmals vor der Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO gestellt worden, ist ein solcher Beschluss nicht erforderlich. Denn in diesem Fall begibt sich der Prozessbeteiligte durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung seines Rechts auf Vorabentscheidung (BVerwG, U.v. 30.5.1989 – 1 C 57/87 – NVwZ 1989, 1078). Gleiches gilt für einen Beweisantrag in einem nachgelassenen Schriftsatz (BVerwG, B.v. 6.9.2011 – 9 B 48/11 – NVwZ 2012, 376). Ein dort gestellter Beweisantrag kann nur Anlass geben, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, nämlich dann, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt (BVerwG, B.v. 15.4.2003 – 7 BN 4/02 – NVwZ 2003, 1116). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Klage auch dann keinen Erfolg hätte, wenn die Äußerungen des Bauamtsleiters zugrunde gelegt werden (s.u.). Das rechtliche Gehör der Klägerin (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde demnach hinreichend gewahrt.
II.
Der zwischenzeitliche Wechsel in der Richterbank ist unschädlich. Hat bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden und ist dann auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet worden, müssen an der endgültigen Entscheidung nicht dieselben Richter mitwirken, die an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (BVerwG, B.v. 2.4.1971 – IV B 5.71 – DÖV 1971, 711; BayVGH, B.v. 20.6.2012 – 20 ZB 12.291 – juris).
B.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig. Insbesondere ist die Einbeziehung des Bescheids vom … März 2017 eine zulässige Klageänderung (§ 91 VwGO). Die Klage ist allerdings unbegründet.
I.
Der angefochtene Bescheid vom … Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom … März 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Die Klägerin hat eine bauliche Anlage (Art. 2 Abs. 1 Satz 4 BayBO) im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet.
aa) Die durchgeführten Bauarbeiten kommen in der Gesamtschau der genehmigungspflichtigen Neuerrichtung eines Wochenendhauses gleich. Wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen, verlassen sie den Bereich zulässiger Erhaltungsmaßnahmen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Außenwände, das Dach und das Fundament erneuert werden, denn dann fehlt es – unbeschadet des äußeren Erscheinungsbildes – an einer Identität des wiederhergestellten mit dem ursprünglichen Bauwerk (BVerwG, B.v. 4.12.1992 – 4 B 229/92 – juris Rn. 3). Gleiches gilt, wenn der für die Instandsetzung notwendige Arbeitsaufwand seiner Quantität nach den Arbeitsaufwand für einen Neubau erreicht oder gar übersteigt (BVerwG, U.v. 24.10.1980 – IV C 81.77 – BVerwGE 61, 112 = juris Rn. 15).
Vorliegend ist eine Identität des errichteten mit dem ursprünglichen Bauwerk nicht mehr gewahrt. Wie ein Vergleich der Fotos der ursprünglichen (Bl. 77 der Gerichtsakte) und der neuen Bebauung (Bl. 121 ff. der Gerichtsakte) auf dem streitgegenständlichen Grundstück ergibt und wie der gerichtliche Augenschein bestätigt hat, sind die am Bestandsgebäude durchgeführten Baumaßnahmen derart umfangreich, dass nicht mehr von Instandsetzungsmaßnahmen gesprochen werden kann. Wesentliche Bauteile wie Wände und Dach, möglicherweise auch das Fundament, sind ausgetauscht und die Dimensionen der Hütte vergrößert worden (vgl. auch die Luftbilder Bl. 119 f. der Gerichtsakte). Ebenso sprechen der Einbau zusätzlicher Fenster und die umfangreiche Erschließung durch die Herstellung eines zuvor nicht vorhandenen Anschlusses an das Strom-, Wasser- und Abwassernetz für die Errichtung eines Wochenendhauses und nicht für die Sanierung eines Heustadels.
Dem klägerischen Vorbringen, wonach die bestehende Hütte in den letzten fünf Jahren Schritt für Schritt mit sehr viel Eigenarbeit saniert worden sei, folgt das Gericht nicht. In dem von der Klägerin selbst vorgelegten Schreiben vom 11. April 2012 an den Forstbetrieb O. hinsichtlich der Zufahrtsberechtigung zu der Hütte (Bl. 79 der Gerichtsakte) heißt es: „Für die Zeit des Umbaus, den wir in den kommenden Monaten planen, würden wir ab und zu für die Handwerker (z.B. Spengler) ein kurzfristige Genehmigung benötigen“. Dies deutet auf Bauarbeiten in einem deutlich kürzeren Zeitraum unter Zuhilfenahme mehrerer Handwerker hin.
bb) Das demnach baugenehmigungspflichtige Vorhaben (Art. 55 Abs. 1 BayBO) wurde zum einen ohne die erforderliche Baugenehmigung ausgeführt (sog. formelle Illegalität). Die vom Bevollmächtigten der Klägerin angesprochene Möglichkeit einer konkludenten Genehmigung scheidet schon allein deshalb aus, weil eine Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BayBO zwingend der Schriftform bedarf.
Das Vorhaben ist außerdem materiell nicht genehmigungsfähig, da es im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegt und als nicht privilegiertes sonstiges Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt (§ 35 Abs. 2 und 3 BauGB). Insbesondere lässt es durch seine Bezugsfallwirkung die Erweiterung einer unerwünschten Splitterbebauung im Außenbereich befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB; vgl. hierzu bereits VG München, U.v. 24.03.2011 – M 11 K 10.880 – juris Rn. 17; bestätigt durch BayVGH, B.v. 18.05.2012 – 1 ZB 11.1210 – juris). Außerdem stehen Belange des Naturschutzes entgegen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Das betroffene Grundstück liegt im Landschaftsschutzgebiet „… … … … …“, worin es verboten ist, Handlungen oder Änderungen vorzunehmen, die geeignet sind, den Naturgenuss oder das Landschaftsbild zu beeinträchtigen (§ 3 der Verordnung des Landkreises Garmisch-Partenkirchen zum Schutz von Landschaftsteilen im südlichen Teil des Landkreises Garmisch-Partenkirchen vom 20.07.1976, Kreisamtsblatt Nr. 29 v. 30.7.1976). Eine Vergrößerung bzw. Neuerrichtung bestehender Bebauung widerspricht dem Zweck des Landschaftsschutzgebietes. Darauf, dass die Landschaftsschutzverordnung erst nach der erstmaligen Bebauung erlassen worden ist, kommt es nicht an, da jedenfalls die Neuerrichtung an ihr zu messen ist.
Die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Neuerrichtung (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB) liegen ebenfalls nicht vor. Es handelt sich nicht um ein Wohnhaus, das von der Eigentümerin über längere Zeit selbst genutzt worden ist. Der Vortrag des Bevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 24. September 2018, dass die Klägerin die Hütte „bewohnt“ habe, steht in diametralem Gegensatz zur Äußerung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2016 an den Beklagten (Bl. 84 der Behördenakte), wonach sie die Hütte aus beruflichen Gründen „nur gelegentlich als Berghütte für einige Tage“ genutzt hätte und dies auch weiterhin beabsichtige.
b) Die Klägerin kann sich nicht auf Bestandsschutz berufen.
Ein etwaiger baurechtlicher Bestandsschutz eines früher einmal errichteten Heustadels ist jedenfalls spätestens durch die von der Klägerin vorgenommenen Bauarbeiten erloschen. Der einer baulichen Anlage zukommende Bestandsschutz endet nämlich dann, wenn die Anlage beseitigt wird (BVerwG, U.v. 16.2.1973 – IV C 61.70 – BVerwGE 42, 8; BayVGH, U.v. 2.4.2001 – 1 B 97.1549 – juris Rn. 21). Vom Bestandsschutz sind auch solche Maßnahmen nicht mehr gedeckt, die einer Neuerrichtung oder einem Ersatzbau gleichkommen (BVerwG, B.v. 4.12.1992 – 4 B 229/92 – juris Rn. 3). Dies ist bei der streitgegenständlichen Hütte der Fall (s.o.).
Ob neben dem baurechtlichen überhaupt auch ein besonderer kirchenrechtlicher Bestandsschutz in Betracht kommen kann, kann offen bleiben. Er wäre mit der Neuerrichtung des Gebäudes jedenfalls ebenso wie der baurechtliche erloschen. Heilige Orte verlieren nämlich auch nach dem Kirchenrecht ihre Weihung oder Segnung, wenn sie zu einem großen Teil zerstört sind (vgl. Codex des Kanonischen Rechtes, Can. 1212).
c) Ermessensfehler liegen nicht vor.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Bei der Ermessensentscheidung, ob eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtete bauliche Anlage zu beseitigen ist, genügt es regelmäßig, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden (BVerwG, U.v. 18.4.1996 – 4 C 22/94 – BVerwGE 101, 58/64; BayVGH, B.v. 18.05.2012 – 1 ZB 11.1210 – juris Rn. 14). Bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände stehen sich nicht in dem Sinn ein „Für und Wider“ gegenüber, dass der zuständigen Behörde ohne gesetzliche Intention freigegeben wäre, zwischen dem Einschreiten und dem Nichteinschreiten zu wählen. Bei der Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände geht es vielmehr darum, dass die zuständige Behörde in die Lage versetzt werden soll, von dem an sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten – sogar gebotenen – Einschreiten ausnahmsweise absehen zu dürfen, wenn sie dies nach den konkreten Umständen für opportun hält. Angesichts dessen braucht sie das „Für und Wider“ nur dann abwägen, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, etwa die Duldung eines rechtswidrigen Zustands, bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1980 – 4 B 67.80 – BRS 36 Nr. 93 Rn. 6).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Bescheid des Beklagten nicht zu beanstanden.
aa) Er hat zunächst auf die Anzeige hin den Sachverhalt zutreffend ermittelt. Hierzu diente auch die Anhörung. Grundsätzlich hat zwar die Behörde die Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung darzulegen. Beruft sich jedoch der Betroffene auf Bestandsschutz, so trägt er hierfür die materielle Beweislast, da sein Vorbringen den Charakter einer Einwendung aufweist (Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: 132. EL Dezember 2018, Art. 76 Rn. 130 m.w.N.). Dies kann insbesondere bei sehr alten baulichen Anlagen Schwierigkeiten bereiten. Die Klägerin hat zwar hierzu eine Auskunft des Staatsarchivs München eingeholt (Bl. 66 der Gerichtsakte). Das Schreiben datiert allerdings vom 23. Februar 2017, so dass der Beklagte im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung hiervon keine Kenntnis haben konnte und auch nicht haben musste. Ebenso musste er keine Kenntnis von einem etwaigen kirchenrechtlichen Bestandsschutz haben. Zwar findet sich in der Behördenakte (Bl. 48) ein unscharfes Foto eines Bilderrahmens, in dem sich die Schwarzweißfotografie einer Hütte befindet und unter der es in altdeutscher Schrift heißt: „Diese Hütte wurde am 9.1.1955 anlässlich eines feierlichen Feldgottesdienstes durch H.H. Pfarrer Winkelmeier dem Hlg. Bernhard geweiht. Patronat: 20. August“. Die Fotografie des Bilderrahmens ist allerdings undatiert, so dass nicht klar ist, wann der Beklagte hiervon Kenntnis erlangte. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung war der Bestandsschutz aber jedenfalls ohnehin bereits erloschen (s.o.), so dass es hierauf nicht mehr ankommt.
bb) Der Beklagte hat ferner zutreffend erkannt, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Erlass der Beseitigungsanordnung im pflichtgemäßen Ermessen steht. Sodann hat er zu erkennen gegeben, dass er sich bei der Ausübung seines Ermessens von dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für die Natur und Landschaft (Art. 141 Abs. 1 und 2 BV) hat leiten lassen und diesen gegen die Rechtspositionen der Klägerin abgewogen. Da der Naturschutz verfassungsrechtlich geboten ist, stellt er einen legitimen Abwägungsbelang dar. Auch das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) hat der Beklagte hinreichend in seine Erwägungen eingestellt, indem auf Beseitigungsanordnungen in gleich gelagerten Fällen verwiesen wird. Zwar hat der Beklagte kein entsprechendes Konzept zum Vorgehen gegen gleich gelagerte Schwarzbauten vorgelegt. Zu berücksichtigen ist aber, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Wochenendhaus um eine exzeptionell massive Bebauung im Außenbereich handelt, die in der unmittelbaren Umgebung ohne Bezugsfall ist. Selbst wenn weitere Schwarzbauten am streitgegenständlichen Berg existieren sollten, so finden sich etwaige Bezugsfälle jedenfalls nicht in der unmittelbaren Umgebung und in derartiger Lage wie das streitgegenständliche Vorhaben. Angesichts dessen ist auch ein erstmaliges Einschreiten der Behörde gegen einen solchen Schwarzbau gerechtfertigt und hiergegen unter Gleichheitsgesichtspunkten nichts zu erinnern.
Sodann ist der Beklagte auf die von der Klägerin konkret vorgebrachten Einwendungen eingegangen. Andere etwaige Einwendungen musste er nicht kennen (s.o.). Dass er den privaten Interessen der Klägerin letztlich nicht den Vorzug vor dem öffentlichen Beseitigungsinteresse eingeräumt hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Baurechtliche Entscheidungen sind ausschließlich sachbezogen, daher können persönliche Verhältnisse für die Ermessensausübung keine Rolle spielen. Auch erhebliche finanzielle Verluste aufgrund der Beseitigungsanordnung hindern deren Erlass nicht, zumal der Betroffene nicht bessergestellt werden soll als ein Bauherr, der für sein Vorhaben ordnungsgemäß einen Bauantrag gestellt hat. Eine Berufung auf den wirtschaftlichen Wert der zu beseitigenden Anlage würde ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand voraussetzen, welches grundsätzlich nicht besteht.
cc) Hieran kann auch die von der Klägerin behauptete Duldung nichts ändern. Eine schlichte Duldung allein durch Nichtstun (sog. „faktische“ oder „passive Duldung“) entfaltet schon keinerlei Legalisierungswirkung (BVerwG, U.v. 4.6.1996 – 4 C 15/95 – NVwZ-RR 1997, 271/272 = juris Rn. 23). Lediglich wenn besondere Umstände gegeben sind, nämlich seitens der Behörde eine qualifizierte Untätigkeit oder gar positives Tun hinzukommt, das beim Betroffenen einen Vertrauenstatbestand hervorrufen kann, ist die Sache möglicherweise anders zu beurteilen. Eine rechtsbeachtliche Duldung ist aber erst dann anzunehmen, wenn die zuständige Baubehörde in Kenntnis der formellen und materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abzufinden gedenkt. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weit reichenden Folgen einer solchen sog. „qualifizierten Duldung“ (auch „aktive Duldung“), bei der die Behörde an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert ist, muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und gegebenenfalls über welchen Zeitraum die Duldung des illegalen Zustands erfolgen soll (OVG Münster, B.v. 28.8.2014 – 7 B 940/14 – juris Rn. 6).
Die etwaigen Äußerungen des Bauamtsleiters vermögen daher keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand zu konstituieren. Dies folgt bereits daraus, dass eine etwaige mündliche Zusage keinerlei Bindungswirkung entfaltet, da eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedarf (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Die Klägerin durfte daher hierauf gerade nicht vertrauen. Da die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung hat, stellt eine etwaige mündliche Zusage keinen Aspekt dar, der im Rahmen der Ausübung des Beseitigungsermessens zu berücksichtigen ist.
Überdies lägen selbst bei Wahrunterstellung der vorgetragenen Aussagen des Bauamtsleiters die Voraussetzungen für eine solche Duldungszusage nicht vor. Hierfür müsste die zuständige Bauaufsichtsbehörde durch irgendein Verhalten bei der Klägerin Vertrauen in der Hinsicht geschaffen haben, dass mit ihrer Anlage „alles in Ordnung“ sei (sog. Vertrauensgrundlage). Ferner wäre erforderlich, dass aufgrund dessen die Klägerin tatsächlich darauf vertraut hat, die Beseitigung werde nicht mehr verfügt werden (sog. Vertrauenstatbestand) und dass sie sich infolgedessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (sog. Vertrauensbetätigung; vgl. BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 4/89 – NVwZ 1991, 1182/1184; ferner Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: 132. EL Dezember 2018, Art. 76 Rn. 227). Vorliegend fehlt es bereits an der Vertrauensgrundlage. Der Bevollmächtigte der Klägerin trägt vor, dass der Bauamtsleiter sich dahingehend geäußert habe, dass die Klägerin machen könne, was sie wolle, da der ganze Berg ohnehin voll mit ungenehmigten „Problemhütten“ sei. Die Klägerin durfte hieraus allerdings gerade nicht den alleinigen Schluss ziehen, dass mit ihrer baulichen Anlage „alles in Ordnung“ sei. Vielmehr hat der Bauamtsleiter ihr dadurch ausdrücklich zu verstehen gegeben, dass auch ihr Bauvorhaben zu den „Problemhütten“ gehöre. Mit diesem Wissen hat sie das Risiko der Illegalität bewusst in Kauf genommen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits seit dem notariellen Kaufvertrag vom 28. Oktober 2011 positive Kenntnis davon hatte, dass die Nutzung einer Berghütte im Außenbereich baurechtlichen Einschränkungen unterliegt. Angesichts dessen ist es zumindest grob fahrlässig, sich allein auf offensichtlich unbesonnene mündliche Äußerungen – und seien es auch solche des Bauamtsleiters – zu verlassen. Nach dem Rechtsgedanken des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 BayVwVfG (zu dessen Anwendbarkeit im Rahmen der Duldung Sommer, JA 2017, 567, 571) kann sich die Klägerin im Falle grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit nicht auf Vertrauensschutz berufen. Erst recht gilt dies bei positiver Kenntnis. Demnach ließe sich aus den etwaigen Aussagen des Bauamtsleiters unter keinen Umständen ein Vertrauensschutz auf den unveränderten Bestand der streitgegenständlichen Hütte ableiten.
Schließlich bezögen sich etwaige Äußerungen ohnehin lediglich auf den Zustand vor dem Abriss und der Neuerrichtung. Legt man den Rechtsgedanken des Art. 38 Abs. 3 BayVwVfG zugrunde, so stünde auch eine etwaige mündliche Zusage unter dem Vorbehalt der gleichbleibenden Sach- und Rechtslage. Es ist nicht ausgeschlossen, dass angesichts des mutmaßlichen Bestandsschutzes gewisse Instandhaltungsarbeiten an dem früheren Heustadel zulässig gewesen wären. Hierüber ist die Klägerin mit der wirtschaftlichen Neuerrichtung eines Wochenendhauses aber deutlich hinausgegangen. Nachdem der Beklagte durch die Anzeige positive Kenntnis vom Ausmaß der baulichen Anlage erhielt, leitete er eine Anhörung zur Beseitigung ein. Dies ist möglich. Eine etwaige Duldungszusage kann auch konkludent durch die Anhörung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung widerrufen werden (BayVGH, U.v. 25.11.1997 – 27 B 95.3466 – BayVBl. 1998, 660 = juris Rn. 41).
Zu einer anderen Beurteilung führen letztlich auch die vom Bevollmächtigten der Klägerin angeführten Gerichtsentscheidungen nicht. Nach dem zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann eine langjährige faktische Duldung es ausschließen, eine Nutzungsuntersagung ermessensfehlerfrei allein auf die formelle Illegalität zu stützen (BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 36). Vorliegend hat der Beklagte in seinem Bescheid aber ausführlich dargelegt, dass das Vorhaben materiell unter keinem Gesichtspunkt genehmigungsfähig ist und somit die Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung vorliegen.
Zum anderen ist der vorliegende Fall auch nicht mit demjenigen vergleichbar, der der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg (B.v. 18.2.1994 – 1 M 5097/93 – NVwZ-RR 1995, 7) zugrunde lag. Es sind keine neben einer Baugenehmigung erforderlichen behördlichen Gestattungen erteilt worden, die den Anschein einer Duldung erwecken können.
Hieran ändert auch der Anschluss an das Strom-, Frischwasser- und Abwassernetz durch die Gemeindewerke des Beklagten nichts. Das Beseitigungsermessen wird nicht dadurch beschränkt, dass eine Gemeinde eine bauliche Anlage an die Abwasserversorgung anschließt oder den Eigentümer zur Grundsteuer oder anderen grundstücksbezogenen Abgaben heranzieht. Hieraus entsteht kein Vertrauensschutz gegenüber bauaufsichtlichen Maßnahmen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Gemeinden zur Abwasserbeseitigung gesetzlich verpflichtet sind (Art. 34 Abs. 1 BayWG) und die Übernahme des Abwassers gar nicht unter Berufung auf die baurechtlich ungenehmigte Nutzung eines Grundstücks ablehnen dürfen (vgl. Art. 34 Abs. 2 Satz 1 BayWG) und nach dem Abgabenrecht alle Eigentümer gleichmäßig belasten müssen, die den Abgabetatbestand erfüllen (vgl. BayVGH, U.v. 7.02.2011 – 4 B 10.2856 – BayVBl. 2012, 213). Kanalanschluss und Beitragspflicht haben keine Auswirkung auf die Frage, ob ein Grundstück in bauplanungsrechtlicher Hinsicht zulässigerweise bebaut ist oder ob in bauordnungsrechtlicher Hinsicht ein ohne Baugenehmigung errichtetes, nicht genehmigungsfähiges Vorhaben geduldet wird (VG Köln, U.v. 1.12.2016 – 2 K 1447/16 – juris Rn. 69). Auch die Versorgung des Gebäudes mit Strom und Wasser führt zu keiner Duldung (OVG Münster, B.v. 28.8.2014 – 7 B 940/14 – juris Rn. 6). Ebenso konnte die Klägerin aus einer Zufahrtsgenehmigung, die ersichtlich gar nicht der Beklagte, sondern der Forstbetrieb O. erteilt hat, nicht auf eine Duldung des Bauvorhabens durch den Beklagten schließen.
d) Die Beseitigungsanordnung ist auch nicht unverhältnismäßig. Zwar stellt sie einen intensiven Eingriff dar, weshalb gesteigerte Anforderungen an sie zu stellen sind, wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 76 Satz 1 BayBO ergibt („wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände geschaffen werden können“). Da der Neubau aber unter keinem Gesichtspunkt materiell genehmigungsfähig ist, kommen mildere Mittel wie die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags oder eine Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 und 3 BayBO) nicht in Betracht. Auch eine Rückbauanordnung auf den vor dem Abriss bestehenden Zustand scheidet aus, da auch dessen Bestandsschutz mit dem Abriss erloschen ist (s.o.).
e) Als Eigentümerin des Grundstücks und Bauherrin ist die Klägerin richtige Adressatin der Beseitigungsanordnung (Art. 9 LStVG).
2. Die Androhung des Zwangsgeldes beruht auf Art. 29, 30, 31, 36 VwZVG und ist ebenfalls rechtmäßig. Sie ist regelmäßig das mildeste Mittel und folglich verhältnismäßig. Insbesondere entspricht die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 15.000,- Euro dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin an der Nichtbeseitigung des Wochenendhauses (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Frist von sechs Monaten nach Bestandskraft des Bescheids zur Beseitigung, da das Wochenendhaus in diesem Zeitraum problemlos beseitigt werden kann.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen