Aktenzeichen Au 6 K 19.30101
Leitsatz
1. Eine zur Verhandlungsunfähigkeit führende Erkrankung eines Klägers als Voraussetzung für eine Terminverlegung kann nicht durch die Bestätigung eines Krankenhauses glaubhaft gemacht werden, wonach der Kläger am Tag der mündlichen Verhandlung dort stationär aufgenommen worden sei. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Grundversorgung ist für Rückkehrer aus dem Ausland in die Türkei dort jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) offensichtlich keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes und auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz VwGO). Es wird Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
I.
Das Gericht konnte ohne den Kläger verhandeln und entscheiden, weil dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Nach § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Erhebliche Gründe können nur solche Umstände sein, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13). Ein erheblicher Grund ist insbesondere nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür erhält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Ein ausreichender Grund kann u.a. darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter erkrankt sind. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann. Grundsätzlich ist die Verhandlungsunfähigkeit durch Vorlage eines ärztlichen Attestes nachzuweisen, aus dem sich die Unmöglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung ergibt. Wird eine Terminverlegung erst unmittelbar vor der anberaumten mündlichen Verhandlung oder gar erst in der mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht. Dies erfordert, dass das Gericht aus den Unterlagen Art, Schwere und voraussichtliche Dauer der Erkrankung entnehmen und so die Frage der Verhandlungsunfähigkeit selbst beurteilen kann. Gerade bei kurzfristig gestellten Anträgen auf Terminverlegung bestehen hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit (OVG NRW, B.v. 1.2.2018 – 4 A 10/18.A – juris). Nicht glaubhaft gemacht ist eine Verhinderung dann, wenn lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wird (Geiger in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 10 a; VG München, U.v. 1.8.2017 – M 5 K 16.35772 – juris). Ist die Erkrankung so kurzfristig eingetreten, dass die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht mehr möglich ist, ist eine so genaue Schilderung der aufgetretenen Symptome erforderlich, dass sich das Gericht selbst einen Eindruck zur Verhandlungsunfähigkeit verschaffen kann.
Unabhängig von der Frage, ob die am Verhandlungstag vom …klinikum … übersandten Aufnahmebestätigung als ein (konkludenter) Terminverlegungsantrag des Klägers auszulegen ist, lagen jedenfalls die Voraussetzung für eine Terminverlegung nicht vor, weil der Kläger eine zur Verhandlungsunfähigkeit führende Erkrankung nicht glaubhaft gemacht hat. Ein entsprechendes ärztliches Attest, das eine Verhandlungsunfähigkeit darlegen könnte, hat der Kläger nicht rechtzeitig vor der Sitzung vorgelegt. Die Bestätigung des …klinikums, man habe den Kläger am 19. März 2019 stationär aufgenommen, stellt weder ein Attest dar, noch ist überhaupt ersichtlich, dass die Bestätigung von einem Arzt ausgestellt wurde. Erst recht ergibt sich aus der Bestätigung nicht, dass der Kläger verhandlungsunfähig gewesen wäre. Die Anforderungen an die Darlegung einer Verhandlungsunfähigkeit sind daher vorliegend nicht ansatzweise erfüllt. Des Weiteren fehl jegliche Darlegung, weshalb der Kläger sich am Verhandlungstag stationär aufnehmen ließ und welche behauptete Krankheit dem zu Grunde liegt. Mithin ist auch nicht ersichtlich, weshalb eine stationäre Aufnahme des Klägers am Morgen des Verhandlungstags erforderlich gewesen sein sollte und weshalb der Kläger seinen Krankenhausaufenthalt nicht auf den Nachmittag desselben Tages oder auf den nächsten Tag hätte verlegen können. Dies gilt umso mehr, als dass der Kläger im Asylverfahren zwar von psychischen Problemen und Magenschmerzen berichtete, aber insoweit keine ärztlichen Atteste vorlegte und es sich soweit ersichtlich auch um die erste stationäre Aufnahme des Klägers in einem Krankenhaus in Deutschland handelt. Auffällig ist des Weiteren, dass das Klinikum eine falsche Anschrift des Klägers in … wiedergibt, obwohl der Kläger einer Aufnahmeeinrichtung in … zugewiesen wurde, und dass der Kläger nur einen Tag nach Erhalt des ablehnenden Eilbeschlusses und der Ladung untertauchte sowie sich gerade am Tag der mündlichen Verhandlung stationär im Krankenhaus aufnehmen ließ. Nach all dem lagen die Voraussetzungen für eine Terminverlegung nicht vor.
II.
Der Kläger hat offensichtlich keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris) entspricht.
Es ist Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
1. Der Vortrag des Klägers vor dem Bundesamt und vor der ZAB ist in Bezug auf seine Ausweisdokumente, den Einreiseweg und das Verfolgungsgeschehen derart widersprüchlich, teilweise pauschal und unrealistisch, dass sich der Vortrag insgesamt als unglaubhaft und der Kläger selbst als unglaubwürdig erweist. Durch sein unentschuldigtes Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung (vgl. oben) hat der Kläger sich selbst die Möglichkeit genommen, die zahlreichen Widersprüche in seinem Vortrag aufzuklären.
Widersprüchlich sind schon seine Angaben zum Verbleib seiner Ausweisdokumente.
So gab der Kläger bei der ZAB an, er habe seine Ausweispapiere (Reisepass, Personalausweis und Geburtsurkunde) verloren. Im Heimatland befänden sich lediglich noch Schulzeugnisse. Seinen Nüfus habe er einem Mann gegeben und den Reisepass habe der Schleuser einbehalten. Vor dem Bundesamt gab er hingegen an, seine Familie habe seinen Ausweis an die Ausländerbehörde in … geschickt. Dies steht im Widerspruch zu seiner vorherigen Aussage, er habe alle Ausweispapiere verloren, keine Ausweispapiere mehr in Heimatland und seinen Nüfus einem Mann gegeben. In der Folgezeit legte der Kläger seinen Nüfus vor (BAMF-Akte Bl. 138). Somit hat der Kläger jedenfalls zum Verbleib seines Nüfus nach Belehrung im Rahmen seiner Anhörung vor der ZAB gelogen, was wiederum die Glaubwürdigkeit des Klägers erschüttert.
Ebenso unglaubhaft ist der Vortrag des Klägers zu den Umständen seiner Einreise.
Nicht nachvollziehbar ist insbesondere der Vortrag des Klägers, er habe sich fünf Tage auf der Ladefläche eines Lkws versteckt und sei in seinem Versteck allein gewesen, aber er wisse nicht, ob noch jemand anders auf der Ladefläche mitgefahren sei, da es dunkel gewesen sei und er nicht habe reden dürfen. Es ist unplausibel, dass man während einer fünftägigen Reise nicht mitbekommt, beispielsweise durch Geräusche, ob sich weitere Personen auf derselben Ladefläche befinden. Ebenso wenig hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, weshalb er überhaupt unerlaubt und auf einem Lkw versteckt in die Bundesrepublik eingereist sein sollte, obwohl ihm aufgrund des ausgestellten und gültigen Visums ein deutlich schnellerer, kostengünstigerer und risikofreierer Einreiseweg zur Verfügung gestanden hätte. Der Kläger gibt selbst an, der Schleuser habe ihn 4.500 EUR gekostet. Die ihm mögliche legale Ausreise aus der Türkei sowie die jedenfalls für einen Kurzaufenthalt erlaubte Einreise in die Bundesrepublik hätten den Kläger nur einen Bruchteil dieser Summe gekostet. Insbesondere im Hinblick auf zu überwindende Grenzkontrollen und die Gefahren einer Schleusung (beispielsweise das Ausgeliefertsein gegenüber den Schleusern) wäre eine Aus- und Einreise unter Verwendung des eigenen Reisepasses und des Visums zudem deutlich risikoärmer gewesen. Auch wäre eine Einreise in die Bundesrepublik unter Verwendung des Visums deutlich schneller und komfortabler möglich gewesen, anstatt fünf Tage auf der Ladefläche eines Lkws auszuharren. Nicht überzeugen kann der Einwand des Klägers, er habe befürchtet, dass ihn jemand am Flughafenzufällig getroffen hätte. Zum einen wäre eine erlaubte Ausreise aus der Türkei auch auf dem Land- oder Seeweg möglich gewesen, zum anderen erscheint es angesichts der Anzahl der türkischen Flughäfen, deren Größe und angesichts des dort vorhandenen Sicherheitspersonals nicht plausibel, dass der Kläger sich insofern aufgrund der abstrakten Möglichkeit eines zufälligen Aufeinandertreffens gefährdet gefühlt hätte. Die vom Kläger geschilderten Ausreisemodalitäten sind in der Zusammenschau nicht nachvollziehbar und daher ebenfalls unglaubhaft.
Auch seine Angaben zum Verfolgungsgeschehen sind widersprüchlich, pauschal und nicht nachvollziehbar.
Schon in Bezug auf die zeitlichen Angaben widerspricht sich der Kläger. Gab der Kläger bei der ZAB noch an, er habe von 2013 bis 2014 in … den Wehrdienst geleistet und zuletzt vier Jahre lang mit seinem Onkel mütterlicherseits in … gewohnt, so gab er vor dem Bundesamt an, den Wehrdienst für zwölf Monate im Jahr 2015 in … geleistet zu haben (BAMF-Akte Bl. 113). Wegen des Drucks sei er dann von … nach … gezogen, von dort aus nach … und dann aus der Türkei ausgereist (BAMF-Akte Bl. 117). In … sei er vor ungefähr eineinhalb Jahren für ca. drei Monate gewesen (BAMF-Akte Bl 116). In … habe er die letzten zwei Jahre vor seiner Ausreise gelebt (BAMF-Akte Bl. 112). Insofern widersprechen sich nicht nur seine zeitlichen Angaben zur Ableistung des Wehrdienstes, sondern insbesondere auch wesentlich seine Angaben zur Dauer seines Aufenthalts in, die zwischen eineinhalb Jahren, zwei Jahren und vier Jahren variieren.
Nicht nachvollziehbar sind auch seine Angaben zum behaupteten Messerangriff und dem Folgegeschehen. Er sei im Sommer des vorangegangenen Jahres von zwei Männern angegriffen worden, die ihn hätten töten wollen und daher auf ihn eingestochen hätten. Er habe sich gewehrt und habe geschrien, sodass die Leute aus den Häusern gekommen seien. Seine Anzeigen bei der Polizei seien erfolglos gewesen, weil er keine Beweise gehabt habe. Es seien zwar viele Zeugen herumgestanden, aber er sei sofort geflüchtet, um sein Leben zu retten. Selbst seine Eltern könnten keine Aussagen machen, damit sie nicht selbst Probleme bekämen. Auch über die medizinische Versorgung seiner Stickverletzung habe er keine Nachweise, da er aus Angst nach dem Nähen gleich nach Hause gegangen sei. Unplausibel ist schon, dass es dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollte, auch noch nach dem Angriff Zeugen hierfür zu finden. Da die Leute seinem Vortrag nach aus ihren Häusern kamen, handelte es sich um Anwohner, die leicht auch nachträglich aufzufinden gewesen wären. Wenig nachvollziehbar ist auch, dass Einwohner … Angst vor einer Aussage gegen Jesiden haben sollten. Nach großen Auswanderungsbewegungen in den 1980er und 90er Jahren leben nur noch ca. 400 bis 2.000 kurdisch-stämmigen Jesiden in der Türkei, von denen die überwiegende Mehrheit in den Provinzen Sanliurfa und Batman leben (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 3. August 2018, S. 17). Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, inwiefern die wenigen noch in der Türkei verbliebenen Jesiden für die sunnitische Bevölkerungsmehrheit in … eine derartige Bedrohung darstellen sollten, dass von Zeugenaussagen gegen sie abgesehen würde. Ebenso wenig können die Mutmaßungen des Klägers überzeugen, wie er überhaupt in der 15-Millionenstadt … „zufällig“ über Leute aus derselben Herkunftsregion gefunden worden sein sollte.
Dafür, dass der Kläger allein aus wirtschaftlichen Gründen in die Bundesrepublik eingereist ist, spricht auch der von ihm angegebene Voraufenthalt in Deutschland aus Erwerbsgründen.
In der Zusammenschau ist daher der Vortrag des Klägers beim Bundesamt und bei der ZAB derart unstimmig und unglaubhaft, dass das Gericht keine Zweifel daran hat, dass der Vortrag insgesamt nicht der Wahrheit entspricht.
2. Selbst bei – wie nicht – Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags kommt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft jedoch offensichtlich nicht in Betracht.
Insofern fehlt offensichtlich ausweislich der zeitlichen Abläufe ein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Angriff und der Ausreise des Klägers. Der Kläger gab an, im Sommer des letzten Jahres, mithin im Sommer 2017, von den Unbekannten angegriffen und niedergestochen worden zu sein (BAMF-Akte Bl. 115, 117). Er sei nur dieses eine Mal mit einem Messer angegriffen worden (BAMF-Akte Bl. 115). Nach dem Vorfall in … habe er gedacht, dass sein Leben nicht mehr sicher sei und er habe fliehen müssen (BAMF-Akte Bl. 114). Ausweislich seiner eigenen Angaben verließ der Kläger die Türkei hingegen erst am 28. August 2018. Nachdem zwischen dem (einzigen) vom Kläger geschilderten tätlichen Angriff auf ihn und seiner Ausreise damit ungefähr ein Jahr lag, ist weder ersichtlich, dass ein Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Bedrohungslage und seiner Ausreise bestand, noch, dass der Kläger überhaupt noch in Gefahr war. Nachdem der Kläger nach seinen eigenen Angaben die letzten Jahre vor seiner Ausreise stets in … bei seinem Onkel lebte und erwerbstätig war, ist davon auszugehen, dass es für etwaige Verwandte seiner ehemaligen Freundin leicht möglich gewesen wäre, den Kläger erneut anzugreifen. Die Tatsache, dass es ein Jahr lang trotz fehlenden Wohnorts- und Arbeitsplatzwechsels zu keinen weiteren Übergriffen auf den Kläger kam, zeigt, dass der Kläger nicht mehr im Fokus der gegnerischen Familie stand und ihm daher keine Misshandlungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohten.
Im Übrigen hat der Kläger auch nicht überzeugend dargelegt, dass es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen (§ 3d AsylG). Insofern wäre es ihm zumutbar gewesen, sich zur Durchsetzung seiner Rechte einen Anwalt zu nehmen. Die finanziellen Mittel hätte der Kläger ausweislich seiner Ausreisekosten und seiner Erwerbstätigkeit aufbringen können. Auch die Nennung von Zeugen wäre ihm möglich gewesen, insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dass sich der türkische Staat auch in diesem Fall einer Schutzgewährung verweigern würde, ist nicht ersichtlich.
3. Nach alldem ist auch eine Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt nicht zu beanstanden.
Ein Asylantrag ist offensichtlich unbegründet, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für internationalen Schutz offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – InfAuslR 2002, 146). Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 3.9.1996 – 2 BvR 2353/95 – BayVBl 1997, 15; B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris Rn. 27). Nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist eine offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags (unter anderem) dann anzunehmen, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten in sich widersprüchlich oder nicht substantiiert ist.
Dies ist hier der Fall. Der Vortrag des Klägers bei seinen Anhörungen ist sowohl in seinem Kern als auch in weiteren Punkten widersprüchlich und darüber hinaus in wesentlichen Punkten detailarm und unsubstantiiert. Auch insoweit wird auf die obigen Ausführungen und den Bescheid des Bundesamtes verwiesen.
III.
Nach alldem kommen auch die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Zuerkennung subsidiären Schutzes offensichtlich nicht in Betracht. Es wird vollumfänglich auf die obigen Ausführungen verwiesen.
IV.
Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG kommen nicht in Betracht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt in der Türkei wird sicherstellen können, auch wenn hierfür mehr zu fordern ist als ein kümmerliches Einkommen zur Finanzierung eines Lebens am Rande des Existenzminimums (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 20).
Die Grundversorgung ist nach Überzeugung des Gerichts für Rückkehrer in der Türkei jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert.
In der Türkei gibt es zwar keine mit dem deutschen Recht vergleichbare staatliche Sozialhilfe. Sozialleistungen für Bedürftige werden aber über den Förderungsfonds für Soziale Hilfe und Solidarität gewährt und von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen 973 Einrichtungen der Stiftungen für Soziale Hilfe und Solidarität (Sosyal Yardımlaşma ve Dayanişma Vakfi) ausgeführt, die den Gouverneuren unterstellt sind. Anspruchsberechtigt sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der sozialen Sicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die gemeinnützig tätig und produktiv werden können. Die Leistungsgewährung wird von Amts wegen geprüft. Eine neu eingeführte Datenbank vernetzt Stiftungen und staatliche Institutionen, um Leistungsmissbrauch entgegenzuwirken. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Bildungshilfen, Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besonderen Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder Volksküchen. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt. Darüber hinaus existieren weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 3.8.2018, S. 29 f. – im Folgenden: Lagebericht).
Der Kläger ist jung, erwerbsfähig und hat bereits vor seiner Ausreise seinen Lebensunterhalt als Lkw- und Busfahrer sowie über Mithilfe in Restaurants sichergestellt. Zudem verfügt er in der Türkei über ein tragfähiges familiäres Netzwerk. Im Übrigen ist der Kläger auf die vielfältigen Sozialhilfeprogramme der in der Türkei ansässigen Stiftungen und staatlichen Institutionen zu verweisen.
V.
Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, auch insoweit wird auf den streitgegenständlichen Bescheid verwiesen.
VI.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.