Aktenzeichen Au 7 K 17.35717
Leitsatz
1 Bei dem Volksstamm der Bini/Edo, dem der Volksstamm Esan nahesteht, wird bei Erwachsenen in Nigeria keine Beschneidung durchgeführt. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Schutzanspruch nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG scheidet aus, da es in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und Bürgerkriegsparteien gibt; beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Über die Klage konnte trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden, da sie in der Ladung auf diese Folge hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.
Der Bescheid vom 7. Dezember 2017 ist, soweit er mit der vorliegenden Klage angefochten wurde, rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen zu 1 und 2 nicht in ihren Rechten Die Klägerinnen zu 1 und 2 haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Es ist den Klägerinnen auch weder der subsidiäre Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, noch liegen in ihrer Person Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 7. Dezember 2017 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt.
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen im Falle der Klägerinnen zu 1 und 2 nicht vor.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft (ebenso wie subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 3 AsylG, § 3e AsylG) nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung (bzw. im Falle des subsidiären Schutzes Schutz vor drohendem ernsthaften Schaden) hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. „inländische Fluchtalternative“ vgl. § 3e AsylG).
Zwar stellt die Gefahr, einer Genitalverstümmelung unterzogen zu werden, eine im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zu berücksichtigende Verfolgung dar. Die Klägerin zu 1 konnte jedoch weder glaubhaft machen, dass ihr in Nigeria eine derartige Gefahr gedroht hat noch dass ihr im Falle der Rückkehr nach Nigeria diese Gefahr droht. Auch hinsichtlich der in Deutschland geborenen Klägerin zu 2 konnte nicht glaubhaft gemacht werden, dass ihr im Falle der Rückkehr nach Nigeria die Gefahr der Beschneidung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Es ist Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar machen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt.
b) Die Klägerin zu 1 konnte mit ihrem individuellen Vortrag nicht glaubhaft machen, dass ihr in Nigeria die Gefahr der Beschneidung im Zusammenhang mit einer Zwangsverheiratung gedroht hat bzw. im Falle der Rückkehr nach Nigeria drohen wird. Ihre Angaben zur (angeblichen) Flucht aus dem Heimatdorf, zum anschließenden Aufenthalt in einer Kirche und bei einer Familie in … sowie zu den Umständen ihres Aufenthalts in Griechenland bewertet das Gericht als lebensfremd und unglaubhaft. Auch hat die Klägerin zu 1 beim Bundesamt einerseits und in der mündlichen Verhandlung andererseits in wesentlichen Punkten widersprüchliche Angaben gemacht. Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass sich die Klägerin zu 1 einer konstruierten Fluchtgeschichte bedient und Nigeria unverfolgt, aus asylrechtlich nicht relevanten Gründen, verlassen hat.
Nicht glaubhaft sind bereits die geschilderten persönlichen Verhältnisse bzw. Lebensumstände, unter denen die Klägerin zu 1 in Nigeria bis zu ihrer (angeblichen) Flucht gelebt haben will. Beim Bundesamt gab die Klägerin zu 1 an, dass in Nigeria ihre Mutter sowie zwei jüngere Brüder und zwei jüngere Schwestern leben, sie aber zur Großfamilie keinen Kontakt gehabt habe und daher nicht wisse, wer dort noch lebe (Bundesamtsprotokoll, Frage 8, 9). Einen Tag vor der mündlichen Verhandlung ließ die Klägerin zu 1 durch ihre Bevollmächtigten (Schreiben vom 12.3.2019) vortragen, dass ihre Tante eine Genitalverstümmelung mit schweren gesundheitlichen Folgen erlitten habe und gab in der mündlichen Verhandlung an, mütterlicherseits noch diese Tante und einen Onkel zu haben (S. 4 des Sitzungsprotokolls) und dass diese Tante und der Onkel im Heimatdorf „…“ gelegentlich zu ihnen ins Haus gekommen seien (S. 14 des Sitzungsprotokolls). In der mündlichen Verhandlung gab sie, wie beim Bundesamt, an, dass ihr Vater vor ihrer Ausreise verstorben sei und trug weiter vor, dass dieser im Jahr 2010 verstorben sei, ebenfalls aus dem Heimatort … gestammt habe, sie aber keine Verwandten väterlicherseits kenne (vgl. S. 4 des Sitzungsprotokolls). Dass die Klägerin zu 1, die beim Tod ihres Vater 15 Jahre alt gewesen wäre, keinerlei väterliche Verwandtschaft gehabt oder gekannt haben will, also nicht einmal zu den nächsten Verwandten väterlicherseits wie Brüdern und/oder Schwestern des Vaters mit deren jeweiligen Familien Kontakt gehabt haben will, ist ersichtlich lebensfremd, zumal ihr Vater aus demselben (kleinen) Heimatdorf stammen soll. Damit drängt sich der Eindruck geradezu auf, dass die Klägerin zu 1 durch ihre Behauptung, sie habe keine Kontakte zu ihrer Großfamilie, sondern habe nur eine arme verwitwete Mutter (mit zu versorgenden Kindern), lediglich versucht, zum einen die Grundlage ihrer Verfolgungsgeschichte – ihre durch die Dorfältesten geplante Zwangsverheiratung und Beschneidung – plausibel darzustellen und zum anderen ein Abschiebungsverbot zu konstruieren.
Auch zeigt die Behauptung der Klägerin zu 1, dass ihr Heimatort ein kleines Dorf namens … mit ca. 200 Bewohnern gewesen sein soll (S. 3 des Sitzungsprotokolls), dass sie zu ihrer Herkunft und damit zu ihrer Identität unwahre Angaben macht. „…“ bezeichnet sowohl eine Sprache als auch eine ethnische Gruppe, die im nigerianischen Bundesstaat Edo gesprochen bzw. beheimatet ist. Auch gibt es im Bundesstaat … die Verwaltungsbezirke („Local Governments“) …-North-East LGA, … Central LGA, … West LGA und … South East LGA; eine Stadt oder ein Dorf namens „…“ ist dagegen auf keiner Karte (z.B. „google maps“) zu finden. Auch die Behauptung der Klägerin, dass es in ihrem Heimatdorf eine Grundschule (Primary School) und eine weiterführende Schule (Secondary School) gibt (S. 10 des Sitzungsprotokolls), zeigt, dass sie nicht aus einem kleinen Dorf mit ca. 200 Einwohnern stammt, da es in einem solchen jedenfalls keine Secondary School gibt; solche weiterführenden Schulen finden sich nur in größeren Städten. Auch die Behauptungen der Klägerin zu 1, sie sei sechs Jahre zur Schule gegangen, habe nicht gearbeitet und sei nur Schülerin gewesen, ihre wirtschaftliche Lage in Nigeria sei sehr schlecht gewesen, ihre Mutter habe als Gemüsehändlerin auf dem Markt gearbeitet (Bundesamtsprotokoll Fragen 12 und 13), sind nicht glaubhaft. Wären die wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich sehr schlecht gewesen, dann hätte die Klägerin insbesondere nach dem (behaupteten) Tod des Vaters im Jahr 2010, als sie ca. 15 Jahre alt gewesen ist, mit Sicherheit arbeiten und zum Lebensunterhalt beitragen müssen und wäre nicht nur Schülerin gewesen, zumal ein sechsjähriger Schulbesuch und die Schulpflicht (in Nigeria besteht für Kinder zwischen sechs und 15 Jahren Schulpflicht) dann auch beendet gewesen wären. Auch machte die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck, dass sie nur eine Grundschulbildung erlangt habe. Ihr Schreibstil bei den aufgeschriebenen Namen wirkte flüssig und nicht etwa unbeholfen und auch ihr Auftreten und ihre Ausdrucksweise weisen auf einen höheren Bildungsstand hin.
Ausgesprochen lebensfremd wirkte zudem ihre Fluchtgeschichte, wobei ihre Angaben beim Bundesamt einerseits und in der mündlichen Verhandlung andererseits auch maßgebliche Widersprüche aufwiesen. Während die Klägerin zu 1 beim Bundesamt angab, sie habe einen Monat in der Kirche gelebt und dort die „Lady“ kennengelernt, die sie mit zu sich nach Hause genommen habe (vgl. Bundesamtsprotokoll S. 4), trug sie in der mündlichen Verhandlung vor, sie habe nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in der Kirche dort den Bruder der Lady kennengelernt. Dieser habe ihr erzählt, dass seine Schwester sie nach Europa bringen könne und habe sie dann, als sie einem Aufenthalt in Europa zugestimmt habe, zu sich nach Hause geholt (vgl. S. 7 des Sitzungsprotokolls).
Insbesondere wirken aber die Schilderungen der Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung über den Aufenthalt („Verstecken“) in der Kirche, den anschließenden Aufenthalt im Haus der Familie der Lady bzw. ihres Bruders in … und über die Umstände ihres Aufenthalts im Haus der Lady in …Griechenland sehr lebensfremd bzw. konstruiert und können nur als unglaubhaft bewertet werden. Zum einen kann schon nicht von einem „Verstecken“ ausgegangen werden, wenn die Klägerin zu 1 angibt, sie habe über einen längeren Zeitraum in einem Kirchengebäude gelebt (dort auf dem Boden geschlafen), in dem Gottesdienste abgehalten werden, und habe den Gemeindemitgliedern ihre Geschichte erzählt, die sie daraufhin mit Essen versorgt hätten. Unter solchen Umständen wäre ihr Aufenthalt bzw. ihr Aufenthaltsort in der Kirche, der nach ihren eigenen Angaben auch nicht allzu weit vom Heimatdorf entfernt gewesen sein soll (ca. eineinhalb Stunden Busfahrt, vgl. S. 8 des Sitzungsprotokolls), mit Sicherheit den Dorfältesten aus ihrem Heimatdorf bekannt geworden. Denn in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der Nigerias hätten zumindest etliche Gemeindemitglieder ihr Verhalten (Weglaufen vor der Verheiratung, Schlafen in der Kirche bzw. „Rumtreiben“ einer jungen Frau im Bereich der Kirche) mit Sicherheit als unschicklich bzw. als Verstoß gegen die traditionellen Regeln empfunden und ihrer Familie bzw. den Dorfältesten von ihrem Aufenthalt in der Kirche berichtet bzw. diesen unterbunden. Auch dass die Klägerin zu 1 den Namen des Pastors/Pfarrers der Kirche, in der sie eine Zeitlang gelebt und sich mit diesem auch unterhalten haben will, in der mündlichen Verhandlung nicht nennen konnte (vgl. S. 7 des Sitzungsprotokolls), zeigt nur, dass sie von dieser Frage überrascht war und ihr „auf die Schnelle“ nichts einfiel. Damit kann auch dieser Teil ihrer Verfolgungs- bzw. Fluchtgeschichte nur als (schlecht) erfunden bewertet werden.
Dasselbe gilt für ihre Schilderung über ihre Bekanntschaft mit der Lady bzw. deren Bruder namens, ihrem Aufenthalt in deren Familienhaus in … und dem anschließenden Aufenthalt in … bei der Lady. Die Angaben der Klägerin hierzu, nämlich dass die Lady sie in … zwingen wollte, der Prostitution nachzugehen, sind schon insoweit widersprüchlich, da sie beim Bundesamt auf ausdrückliche Frage angegeben hat, sie habe sich nicht dazu zwingen lassen, auf der Straße zu arbeiten (vgl. S. 5 des Bundesamtsprotokolls), während sie in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, auf Drängen der Lady doch als Prostituierte gearbeitet zu haben (vgl. S. 11/12 des Sitzungsprotokolls). Ihre auf entsprechenden Vorhalt des Gerichts gegebene Erklärung zu diesem Widerspruch, sie habe beim Bundesamt vielleicht vergessen zu sagen, dass sie als Prostituierte gearbeitet habe (vgl. S. 13 des Sitzungsprotokolls), kann nur als nicht nachvollziehbar bewertet werden. Vielmehr ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin ihren Vortrag nach Ergehen des Bundesamtsbescheids aus asyltaktischen Gründen geändert hat. Zudem widerspricht ihr Vortrag, sei es beim Bundesamt oder in der mündlichen Verhandlung, mit dem suggeriert werden sollte, dass sie an Menschenhändler geraten sei, die sie zum Zweck der Prostitutionsausübung nach Griechenland gebracht haben, in maßgeblichen Punkten der Auskunftslage. Im Bericht des Informationszentrums Asyl und Migration, Nigeria, Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung von Frauen aus Nigeria, Dezember 2011, wird dargestellt, dass zwischen den jungen Frauen, die hauptsächlich aus dem Bundesstaat … stammen, und der Madame (Lady) noch in Nigeria ein schriftlicher Auswanderungsvertrag geschlossen wird, in dem sich die Frauen verpflichten, den von der Madame für ihre Leistungen geforderten Geldbetrag, üblicherweise zwischen 40.000 und 100.000 US-Dollar, zurückzuzahlen. Da die meisten Menschen im Bundesstaat … an Voodoo oder Juju glauben, müssen die Frauen in einer vom Voodoo-Priester durchgeführten Zeremonie einen entsprechenden Eid ablegen und es wird ihnen, für den Fall, dass sie den Eid brechen, mit schwerwiegenden Konsequenzen für sich selbst oder auch ihre Familie gedroht (vgl. Kapitel 4, 4.2 und 4.3). Ein derartiges Geschehen hat die Klägerin zu 1 mit keinem Wort erwähnt, auch nicht während ihrer ausführlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung. Vielmehr hat sie zu ihrem fünfmonatigen Aufenthalt in einem Haus in … angegeben, dass sie dort mit dem Vater und der Mutter der Lady bzw. deren Bruder … und seinen drei Schwestern gelebt habe, in dieser Zeit auch nichts habe arbeiten müssen, sondern nichts getan habe (vgl. S. 7/8 des Sitzungsprotokolls). Nach dieser Darstellung will sie in diesem Haus ohne jede Zwangsmaßnahme (Vertragsschluss, Voodoo-Ritual) wie in einem Hotel mit Familienanschluss gelebt haben, was völlig lebensfremd ist bzw. der Auskunftslage widerspricht. Dies gilt auch hinsichtlich ihrer Schilderung in der mündlichen Verhandlung zu ihrer Lebenssituation in …. Danach will sie mit der „Lady“, deren Mann und deren zwei kleinen Kindern (2 und 4 Jahre) in einem Appartement auf engstem Raum zusammen gelebt haben und von dort aus nachts auf die Straße gegangen bzw. morgens dorthin wieder zurückgekehrt sein. Zudem sollen, während sie monatelang gezwungenermaßen der Prostitutionsausübung nachgegangen sei, keinerlei Kontrollen von Seiten der Lady stattgefunden haben bzw. will sie entsprechende Kontrollen nicht wahrgenommen haben. Auch diese geschilderten Umstände können nur als frei erfunden gewertet werden und zeigen, dass die Klägerin zu 1 niemals zu dem Opferkreis gehört hat, der in Europa als Zwangsprostituierte arbeiten musste. Denn eine nigerianische Zwangsprostituierte wird zusammen mit anderen Prostituierten in einem sog. „Safehouse“ untergebracht und sie müssen bei der Arbeit in der Regel ein Mobilfunkgerät bei sich haben, um jederzeit für die Madame erreichbar zu sein. Die Madame hat in der Regel auch ihre „Black Boys“, die die Mädchen kontrollieren und es besteht zudem ein System der gegenseitigen Kontrolle, wobei die länger tätigen Mädchen die „Neuzugänge“ kontrollieren (vgl. Kapitel 4.5).
Die Schilderungen der Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung können nur insoweit als schlüssig angesehen werden, soweit sie zum einen ihren Reiseweg betreffen, nämlich den Flug nach … und ihre Schleusung von der Türkei nach Griechenland. Insoweit ist es bekannt, dass die erste Ausreise aus Nigeria sehr oft mit dem Flugzeug und einem gefälschten oder missbräuchlich genutzten Pass erfolgt und eine beliebte Flugroute u.a. diejenige von … nach … darstellt (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Stand: Oktober 2018 – vom 10. Dezember 2018 – Lagebericht – Nr. V.4.). Sehr detailliert und ohne Zögern (längeres Nachdenken) konnte die Klägerin zu 1 zum anderen schildern, wie die Wohnung beschaffen war, in der sie in … bei einer Familie gelebt hat. Da, wie oben ausgeführt, aber die behaupteten Familien- und Lebensverhältnisse der Klägerin zu 1 in Nigeria und die Gründe für ihre Reise bzw. ihren Aufenthalt in Europa sowie die Behauptung, in … als Zwangsprostituierte gearbeitet zu haben, zur Überzeugung des Gerichts nicht der Wahrheit entsprechen, ist davon auszugehen, dass die Klägerin mit (auch) finanzieller Unterstützung ihrer Familie Nigeria aus asylrechtlich nicht relevanten Gründen, um in Europa bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu finden, verlassen hat und hierzu in Athen bei einer bekannten oder verwandten Familie untergekommen ist. Hierfür sprechen auch ihre Angaben, die sie zu Beginn ihrer Anhörung beim Bundesamt gemacht hat, nämlich dass sie Griechenland aus eigenem Entschluss wegen der Wirtschaftskrise, weil es dort keine Arbeit für sie gab, verlassen habe (s. Frage 5, S. 3 des Bundesamtsprotokolls).
Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin zu 1, die in ihrem Heimatland keiner Beschneidung unterzogen wurde, Nigeria auch nicht deswegen verlassen hat, um ihrer Beschneidung im Zusammenhang mit einer Zwangsverheiratung zu entgehen, sondern dass sie aus einer Familie stammt, die die Beschneidung nicht (mehr) fordert oder erzwingt.
c) Der unverfolgt aus Nigeria ausgereisten Klägerin zu 1 und ihrer in Deutschland geborenen, nunmehr fast zweijährigen Tochter, der Klägerin zu 2, drohen auch im Falle der Rückkehr in ihr Heimatland keinerlei Verfolgungsmaßnahmen.
aa) Da der Klägerin zu 1 die Gefahr der Genitalverstümmelung bereits vor ihrer Ausreise nicht gedroht hat, ist schon nicht ersichtlich, warum ihr nunmehr im Falle der Rückkehr nach Nigeria eine solche Gefahr drohen könnte. Zudem ist die Klägerin zu 1 nunmehr Mutter einer Tochter. Für eine Frau, die bereits ein Kind entbunden hat, besteht die Gefahr, beschnitten zu werden, noch weniger. Die nigerianische Regierung hat im Jahr 2015 die Genitalverstümmelung landesweit unter Strafe gestellt. Auch einige Bundesstaaten, darunter … – den die Klägerin zu 1 als ihren Herkunftsstaat benannt hat -, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen. Am 7. Februar 2018 hat der Gouverneur von,, sich vehement gegen die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung ausgesprochen, deren Beendigung gefordert und die Medien aufgerufen, dieses Thema auf ihren Titelseiten zu behandeln (https://www.edostate.gov.ng/obaseki-seeks-intercontinental-action-to-eliminate-female-genital-mutilation).
bb) Auch der in Deutschland geborenen, nunmehr fast zwei Jahre alten Klägerin zu 2 droht im Falle der Rückkehr nach Nigeria nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Beschneidung. Zum einen folgt dies bereits daraus, dass ihre Mutter, die Klägerin zu 1, nicht beschnitten ist und nach Überzeugung des Gerichts aus einer Familie stammt, die die Beschneidung nicht (mehr) fordert oder erzwingt. Zum anderen ergibt sich aus der Auskunftslage Folgendes:
Die weibliche Genitalverstümmelung in allen bekannten Formen ist nach wie vor in Nigeria verbreitet. Schätzungen zur Verbreitung der weiblichen Genitalverstümmelung gehen jedoch weit auseinander und reichen von 19% bis zu 50% bis 60% (vgl. dazu etwa Lageberichte vom 21. November 2016, 21. Januar 2018 und 10. Dezember 2018, jeweils Nr. II.1.8). In Lagos gilt die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung als absolute Ausnahme (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44).
Es wird zwar teilweise von einem Rückgang der Beschneidungspraxis (Female Genital Mutilation – FGM) bzw. einem Bewusstseinswandel ausgegangen, dennoch verkennt das Gericht nicht, dass die Beschneidungspraxis noch in den Traditionen der nigerianischen Gesellschaft verwurzelt ist. Nach traditioneller Überzeugung dient die weibliche Genitalverstümmelung der Sicherung der Fruchtbarkeit, der Kontrolle der weiblichen Sexualität, der Verhinderung von Promiskuität und der Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Frauen durch eine Heirat. Angesichts des Umstandes, dass teilweise nur eine beschnittene Frau als heiratsfähig angesehen wird, kann der Druck auf die Betroffenen als auch auf deren Eltern zur Durchführung einer Beschneidung erheblich sein. Zur Erreichung der „Heiratsfähigkeit“ sind häufig gerade weibliche Familienmitglieder bemüht, die Beschneidung durchführen zu lassen und mitunter erfolge dies auch gegen den Willen der Eltern. Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass die weibliche Genitalverstümmelung besonders in ländlichen Gebieten und hierbei insbesondere im Süden bzw. Südwesten und im Norden des Landes verbreitet ist. In Lagos, dem modernsten und am meisten entwickelten Staat, sei FGM dagegen nicht verbreitet und „sterbe aus” (Immigration and Refugee Board of Canada, „Nigeria: Prevalence of FGM, including ethnic groups in which FGM is prevalent, particulary in Lagos State and within the Edo ethnic group; consequences for refusal; availability of state protection; the ability of a family to refuse a ritual practice such as FGM [2014-September 2016]“ https: …www.ecoi.net/en/document/ 1258187.html). Das Beschneidungsalter variiert von kurz nach der Geburt bis zum Erwachsenenalter und ist abhängig von der jeweiligen Ethnie. Einige Bundesstaaten, darunter auch … – der Herkunftsstaat der Mutter der Klägerin zu 2 -, haben Gesetze gegen die Genitalverstümmelung erlassen; allerdings sind Verfahren bislang nicht bekannt geworden; ein effektiver Schutz von Frauen und Mädchen durch diese Gesetze müsse bezweifelt werden, jedoch werde von einem Rückgang der Eingriffe berichtet (vgl. Auswärtiges Amt – Lageberichte – a.a.O.; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 18.7.2008 und vom 21.8.2008; vgl. auch Lageberichte vom 28. August 2013, vom 6. Mai 2012, vom 21. Januar 2018 jeweils Nr. II.1.8; zum Ganzen außerdem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010; ACCORD – Nigeria – Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsversorgung, 21. Juni 2011, S. 6 ff.; WHO, Eliminating female genital mutiliation – an interagency statement 2008, http://apps.who.int/iris/bitstream/10665/43839/1/978924159-6442_eng. pdf; VG Aachen, U.v. 16.9.2014 – 2 K 2262/13.A – juris, m.w.N.).
Zudem stammt die Mutter der Klägerin zu 2 nach eigenen Angaben aus … und gehört zur Volksgruppe der Esan, die neben den Edo/Bini die größte Volksgruppe in … darstellen. Dabei lässt sich in den edoiden Sprachen eine Kombination aus Edo-Esan-Ora feststellen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass nicht nur geographisch sondern auch kulturell eine enge Verwandtschaft zwischen diesen Völkern besteht. Bei den Edo/Bini ist die Durchführung einer Genitalverstümmelung bereits zweifelhaft. Das Bundesamt (Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44) zitiert eine Auskunft des Auswärtigen Amtes aus dem Jahr 2005 (vom 7.7.2005, Az.: 508-516.80/43807), nach der zweifelhaft ist, ob FGM bei den Edo überhaupt noch durchgeführt wird. Insoweit soll bei dieser Volksgruppe die „Praxis der weiblichen Beschneidung“ übereinstimmend als überkommener und bereits seit vielen Jahren als entgegenstehender Brauch zurückgewiesen worden sein. Aufgrund des mittlerweile eingetretenen Zeitablaufs und auch der staatlichen Bemühungen in, die Tradition der Beschneidung abzuschaffen, spricht viel dafür, dass diese Praxis aufgegeben wurde, zumindest stark zurückgegangen ist.
Nach den vorliegenden Auskünften wird/wurde die Beschneidung bei dem Volksstamm der Bini/Edo, dem der Volksstamm Esan nahesteht, in den ersten Lebenswochen zwischen dem 7. und 14. Tag nach der Geburt durchgeführt; dieses Alter hat die Klägerin zu 2 überschritten. Bei Erwachsenen wird keine Beschneidung durchgeführt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration – weibliche Genitalverstümmelung – Formen, Auswirkungen, Verbreitung, Asylverfahren – April 2010, S. 44).
Aufgrund dieser Erkenntnislage besteht zur Überzeugung des Gerichts eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Gefahr hinsichtlich der Durchführung einer Genitalverstümmelung bei der Klägerin zu 2 nicht. Dabei ist noch einmal zu betonen, dass die Gefahr, einer FGM unterzogen zu werden, insbesondere auch deswegen zu verneinen ist, da die Klägerin zu 1 nicht beschnitten wurde bzw. ist und ihre Verfolgungsgeschichte, Nigeria wegen einer drohenden Beschneidung im Zusammenhang mit einer Zwangsverheiratung verlassen zu haben, nicht der Wahrheit entspricht. Damit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für die Klägerinnen zu 1 und 2 im Falle einer Rückkehr nach Nigeria ein von der Familie ausgehender unausweichlichen Druck zur Beschneidung bestehen wird.
cc) Es bestehen auch keine Erkenntnisse darüber, dass abgelehnte Asylbewerber bei einer Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Asylantragstellung mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten (Lagebericht, Nr. IV.2).
2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Abschiebungsschutz nach § 4 AsylG bleibt ohne Erfolg, wofür ergänzend auf die zu § 3 AsylG erläuterten Gründe (siehe unter 1., b)) verwiesen wird.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben haben die Klägerinnen zu 1 und 2 keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Die Schilderungen der Klägerin zu 1 zur Gefahr sind unglaubhaft und unsubstantiiert (siehe hierzu unter 1., b)). Im Herkunftsstaat hat sie keine Gefahr erlebt. Weshalb ihr und ihrer Tochter, der Klägerin zu 2, bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden (siehe Ausführungen unter 1.).
Auch ein Schutzanspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG scheidet aus. Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und Bürgerkriegsparteien. Beim Konflikt im Nordosten handelt es sich um eine grenzüberschreitende jihadistische Insurgenz. Im Südosten handelt es sich noch um vergleichsweise beschränkte Konflikte zwischen einzelnen sezessionistischen Bewegungen und der Staatsgewalt (siehe Lagebericht, Nr. II.3.). Zudem stammt die Klägerin zu 1 nach ihren eigenen Angaben aus dem im Süden Nigerias gelegenen Bundesstaat, aus dem keine entsprechenden Konflikte bekannt sind. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen unter Punkt 3 (S. 8 /9) im angefochtenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Es sind auch keine (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar.
a) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Lagebericht, Nr. IV.2.) – und die damit zusammenhängenden Gefahren grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade den Klägerinnen drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – Rn. 22, 36).
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. Rn. 38).
b) Zur Überzeugung der Einzelrichterin gemäß § 108 VwGO kann ausgehend von der Erkenntnislage hier nicht angenommen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. Auch kann im vorliegenden Fall nicht von einer Extremgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für die Klägerinnen ausgegangen werden.
Von der schlechten wirtschaftlichen Situation ist zwar im besonderen Maße die Gruppe der alleinstehenden Frauen betroffen, da nach der derzeitigen Erkenntnislage die Situation für diese Gruppe besonders schwierig ist. Bereits der größere Teil der von Armut betroffenen Bevölkerung sind Frauen. Die alleinstehenden Frauen sind darüber hinaus vielen Arten von Diskriminierung ausgesetzt und durch das Merkmal „alleinstehend“ vielfach stigmatisiert. Sie finden meist nur schwer eine Unterkunft und eine berufliche Tätigkeit in Nigeria, dies umso weniger, je geringer die Schul- bzw. Berufsausbildung ist. Da es in Nigeria keinerlei staatliche finanzielle oder soziale Unterstützung gibt, sind alleinstehende Frauen meist von finanziellen Zuwendungen durch die Familien, Nachbarn oder Freunde abhängig. Zwar ist es auch für den Personenkreis der alleinstehenden Frauen nicht gänzlich unmöglich bzw. ausgeschlossen, sich eine wirtschaftliche Grundexistenz zu schaffen, so etwa im Südwesten des Landes und in den Städten, in denen alleinstehende Frauen eher akzeptiert werden. Mancherorts existieren auch Hilfseinrichtungen bei verschiedenen Kirchengemeinden oder Nicht-Regierungs-Organisationen, die verschiedene Hilfestellungen anbieten, deren Inanspruchnahme jedoch von dem persönlichen Wissen und Engagement der betroffenen Frau bzw. ihrer Zugehörigkeit zur dortigen Gemeinschaft abhängig ist. Auch in Lagos hängt die Situation alleinstehender Frauen ganz erheblich von deren persönlichen Voraussetzungen und existierenden Beziehungen zu Verwandten, Freunden, Kirche, etc. ab. Darüber hinaus sind alleinstehende Frauen an fremden Orten von Prostitution und Menschenhandel bedroht – letzteres ist gerade in Nigeria ein großes Problem. Frauen werden schließlich immer wieder Opfer von Vergewaltigungen, sogar durch staatliche Sicherheitskräfte (vgl. dazu insgesamt: AA, Lageberichte a.a.O., jeweils Nr. II 1.8 und 3.; SFH, Nigeria Update vom März 2010, S. 21, 22 m.w.N; ACCORD, Nigeria – Frauen, Kinder, sexuelle Orientierung, Gesundheitsvorsorge, vom 21.6.2011, S. 11).
Das Gericht geht allerdings nicht generell davon aus, das bei alleinstehenden Frauen eine Extremgefahr zu prognostizieren ist. Es gibt zwar gerade für alleinstehende Mütter soziale Schwierigkeiten in Nigeria, insbesondere in traditionell geprägten Landesteilen (vgl. Lageberichte a.a.O. jeweils II.1.8., II.3.). Jedoch ist in größeren Städten und im Süden des Landes die Akzeptanz vorhanden und steigend (vgl. Lageberichte a.a.O., II.1.8.). Es ist davon auszugehen, dass auch in Nigeria die Möglichkeit, ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben, gegeben ist. Allein in wenigen besonders gelagerten Einzelfällen kann dies deshalb zu einem Schutzstatus führen.
Zur Überzeugung der Einzelrichterin wird die Klägerin zu 1 hingegen in der Lage sein, in Nigeria wieder eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen und für sich und ihre Tochter, die Klägerin zu 2, zu sorgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1 gesund und arbeitsfähig ist und durch ihre Reise quer durch Europa auch gezeigt hat, das sie sich selbst in einer fremden Umgebung behaupten und ihren Lebensunterhalt sichern kann. Hinzu kommt, dass die Klägerinnen zu 1 und 2 zur vollen richterlichen Überzeugung auch auf die Hilfe eines Familienverbands in Nigeria zurückgreifen können (siehe hierzu unter 1.,b) Rn. 37), so dass davon auszugehen ist, dass dieser die Klägerin zu 1 zumindest hinsichtlich einer Kinderbetreuung unterstützt, so dass sie einer Erwerbstätigkeit in einem gewissen Umfang nachgehen kann und in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich und ihre Tochter (Klägerin zu 2) zu sichern. Eine mit überwiegender oder gar hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Extremgefahr ist für die Klägerinnen nicht zu prognostizieren.
c) Für die Klägerinnen liegt auch ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vor. Hierzu wurde nichts vorgetragen.
4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist damit ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
5. Gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Nr. 6. des Bescheids bestehen ebenfalls keine Bedenken. Die Klägerin zu 1 hat mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 12. März 2018 vortragen lassen, dass für die Vaterschaft ihrer Tochter zwei Männer in Frage kommen und sie mit keinem von beiden mehr zusammenlebt. Damit sind keine wesentlichen Bindungen im Bundesgebiet zu erkennen, zumal der Asylantrag des Herrn, der die Vaterschaft anerkannt hat (Bl. 64 der Bundesamtsakte), unanfechtbar abgelehnt wurde (VG Augsburg, U.v. 11.2.2019 – Au 7 K 17.32933). Über die Identität des weiteren Mannes, der als Vater der Klägerin zu 2 in Frage kommen soll, wurde nichts vorgetragen bzw. vorgelegt, insbesondere nichts, was dessen Vaterschaft belegen könnte.
6. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 159 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.