Sozialrecht

Stromkostenzuschuss für einen Elektrorollstuhl – Erhöhung der Stromkostenpauschale

Aktenzeichen  L 4 KR 146/16

Datum:
27.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 3324
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB I § 44
SGB V § 33 Abs. 1 S. 1
SGB X § 45

 

Leitsatz

1. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der Energiekosten zu, die zum Betrieb seines Elektrorollstuhls erforderlich sind.
2. Die Krankenkasse kann eine Kostenerstattung bzw. -übernahme in Form einer Pauschale vornehmen.
3. Zur Aufhebung von Verwaltungsakten.
4. Ein über eine angemessene Stromkostenpauschale hinausgehender Anspruch auf eine Erstattung bzw. Übernahme von Stromkosten in Höhe von hier 17,50 EUR setzt konkrete Darlegungen des Klägers zur tatsächlichen Höhe des Stromverbrauchs voraus. Allein ein Hinweis auf den allgemeinen Anstieg der Energiekosten ist nicht ausreichend.

Verfahrensgang

S 2 KR 77/15 2016-02-04 Urt SGMUENCHEN SG München

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 4. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser ordnungsgemäß geladen war und in der Ladung auf die Möglichkeit der Entscheidung auch im Fall des Ausbleibens hingewiesen wurde (§§ 110, 126, 132 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Der Kläger macht im Berufungsverfahren in erster Linie die Erstattung von Stromkosten für den Zeitraum ab dem 01.01.2014 sowie die zukünftige Kostenübernahme für die Versorgung mit Strom für die Benutzung seines Elektrorollstuhls geltend.
Die Berufung gegen das ordnungsgemäß zugestellte Urteil des SG ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG). Sie bedarf auch nicht der Zulassung gem. § 144 Abs. 1 S.1 Nr.1 SGG, da sie wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, § 144 Abs. 1 S.2 SGG.
Die Berufung ist aber, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 den Bescheid vom 05.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 insoweit zurückgenommen hat, als damit der Bescheid vom 03.07.2008 zurückgenommen worden war und eine Stromkostenerstattung auf Antrag in Höhe von 8,- Euro pro Monat als Pauschale oder auf Grund einer genauen Berechnung der Energiekosten geregelt worden war, und sich bereit erklärt hat, die aus der Vergangenheit zu erstattenden Beträge mit 4 Prozent für die Zeit ab 01.01.2014 zu verzinsen, nicht begründet.
a.) Zwischen den Beteiligten ist hierbei nicht streitig, dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der Energiekosten zusteht, die zum Betrieb seines Elektrorollstuhls erforderlich sind.
Der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung richtet sich nach § 33 Abs. 1 S.1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Der Anspruch auf ein Hilfsmittel umfasst nach der Rechtsprechung des BSG aber noch weitergehend alles, was erforderlich ist, um dem Versicherten den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen. Soweit zum Betrieb eines Gerätes, das als Hilfsmittel geleistet wird, auch eine Energieversorgung gehört, ist diese ebenfalls von der Krankenkasse zu übernehmen (vgl. BSG, Urteil vom 06.02.1997, 3 RK 12/96).
b.) Die Beklagte konnte auch, wie vom Kläger offensichtlich gewünscht, eine Kostenerstattung bzw. -übernahme in Form einer Pauschale vornehmen. Das BSG hat in dem zitierten Urteil ausgeführt, es bestünden auch in technischer oder abrechnungsmäßiger Hinsicht für eine Kostenübernahme durch die Beklagte keine unüberwindbaren Hindernisse. So lasse sich daran denken, dass die Beklagte einen besonderen Stromanschluss mit eigenem Zähler installieren lasse, der nur zum Aufladen des Rollstuhlakkus diene. Sofern dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern sollte, könne es der Beklagten im Rahmen der ihr obliegenden Wirtschaftlichkeitserwägungen unter Umständen auch nicht verwehrt sein, die durchschnittlichen monatlichen Kosten zu ermitteln und der Klägerin pauschal zu erstatten. Das grundsätzliche Sachleistungsgebot schließe das nicht aus.
c.) Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger über den 31.12.2013 hinaus Stromkosten für den Betrieb seines Elektrorollstuhls als Pauschale in Höhe von 10,- Euro monatlich zu gewähren und den für die Vergangenheit zu erstattenden Betrag mit vier Prozent zu verzinsen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 den Bescheid vom 05.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 insoweit zurückgenommen, als damit der Bescheid vom 03.07.2008 zurückgenommen (§ 45 SGB X) und eine Stromkostenerstattung auf Antrag in Höhe von 8,- Euro pro Monat als Pauschale oder auf Grund einer genauen Berechnung der Energiekosten geregelt werden sollte. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 03.07.2008 dem Kläger mitgeteilt, man beteilige sich an den Stromkosten für seinen Elektrorollstuhl ab dem 01.12.2007 in Höhe von 10,- Euro monatlich. Dieser Bescheid vom 03.07.2008 ist aufgrund der diesbezüglichen Rücknahme des Bescheides vom 05.02.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2014 wieder aufgelebt und hat damit über den 31.12.2013 hinaus Geltung.
Dem Kläger steht daher die Erstattung bzw. Übernahme einer Pauschale in Höhe von 10,- Euro pro Monat auch im Zeitraum ab dem 01.01.2014 zu. Die von der Beklagten vorgenommene Neuregelung ab dem 01.01.2014 ist nicht in Kraft getreten. Soweit dort neben einer Stromkostenerstattung auf Antrag in Höhe von 8,- Euro pro Monat als Pauschale auch eine Erstattung aufgrund einer genauen Berechnung der Energiekosten nach Vorlage der Stromrechnung, des Watt-Verbrauchs des Hilfsmittels und der Betriebsstunden des Hilfsmittels geregelt worden war, aus der sich – bei Nachweis höherer Kosten – ggf. eine höhere Erstattung ergeben könnte, hat der Kläger an dieser Form der Kostenerstattung offensichtlich kein Interesse. Der Aufforderung zur Vorlage entsprechender Unterlagen ist er weder im Verwaltungs- noch im gerichtlichen Verfahren nachgekommen.
Einer gerichtlichen Hilfe bedarf der Kläger, soweit er sich gegen die Rücknahme des Bescheides vom 03.07.2008 gewandt hat, nicht mehr, sein Rechtschutzbedürfnis ist insofern entfallen. Dies gilt auch für die sich bereits aus § 44 SGB I ergebende Verzinsung der für den Zeitraum ab dem 01.01.2014 zu erstattenden Stromkostenpauschale mit 4 Prozent. Die Beklagte hat diesbezüglich in der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 erklärt, die aus der Vergangenheit zu erstattenden Beträge mit 4 Prozent für die Zeit ab 01.01.2014 zu verzinsen.
d.) Dem Kläger steht ein darüber hinausgehender Anspruch auf eine Erstattung bzw. Übernahme einer Stromkostenpauschale in Höhe von 17,50 Euro jedoch nicht zu. Der diesbezügliche Antrag des Klägers auf Erhöhung der Stromkostenpauschale auf einen Betrag von monatlich 17,50 Euro ist von der Beklagten zu Recht abgelehnt worden. Der Kläger hat weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt, wie sich aus seiner Sicht eine Stromkostenpauschale in Höhe von 17,50 Euro zur Deckung des erforderlichen Stromverbrauchs für den Betrieb seines Elektrorollstuhls errechnen lässt. Auch auf mehrfache Bitte des Senats, die durchschnittlichen wöchentlichen Betriebsstunden seines Rollstuhls mitzuteilen und die Stromkostenrechnungen ab dem Jahr 2014 zur konkreten Berechnung vorzulegen, hat er keinerlei Unterlagen vorgelegt, sondern lediglich auf den allgemeinen Anstieg der Energiekosten hingewiesen. Dem Senat war daher eine konkrete Berechnung des individuellen Verbrauchs des Klägers nicht möglich. Ein tatsächlicher Bedarf an Strom im Wert von 17,50 Euro pro Monat war somit nicht nachvollziehbar, dies geht zu Lasten des Klägers. Die Gewährung einer Pauschale in Höhe von 10,- Euro ist somit zulässig und jedenfalls als nicht zu gering anzusehen.
e.) Bezüglich der Stromkosten für den Zeitraum vom 01.06.2008 bis 31.12.2013 hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 05.02.2014 eine Erstattung in Höhe von 670,- Euro und die Gewährung von Zinsen in Höhe von 81,82 Euro geregelt. Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 04.02.2016 entsprechend ihrem Anerkenntnis verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Juni 2008 bis Dezember 2013 einen Betrag von 670,- Euro und Zinsen in Höhe von 81,82 Euro zu bezahlen.
Soweit der Kläger mit seiner Berufung beantragt hat, die Berechnung der Zinsen transparent zu gestalten, fehlt ihm hierfür das Rechtsschutzbedürfnis. Die Beklagte hat ihm bereits im Verwaltungsverfahren eine genaue Übersicht der Berechnung der ihm zustehenden Zinsen in Höhe von 81,82 Euro übermittelt. Unrichtigkeiten in der Berechnung sind vom Kläger nicht geltend gemacht worden und sind im Übrigen nicht ersichtlich.
f.) Soweit der Kläger im Berufungsverfahren beantragt hat, die Beklagte durch Urteil zu verpflichten, die Zahlung kostenfrei an die Adresse des Klägers zu übermitteln, ist diese Frage nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Weder ist in dem angegriffenen Bescheid eine Regelung zu den Zahlungsmodalitäten geregelt, noch ist im erstinstanzlichen Verfahren hierüber entschieden worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu einem Fünftel zu übernehmen. Dies entspricht dem Anteil des Obsiegens des Klägers. Dieser hatte eine Übernahme bzw. Erstattung von Stromkosten als Pauschale in Höhe von 17,50 Euro statt der von der Beklagten zugesagten Pauschale in Höhe von 8,- Euro gefordert. Er hat damit zu einem Fünftel obsiegt. Die Kostenerstattung für den Zeitraum 01.06.2008 bis 31.12 2008 war bereits im Verwaltungsverfahren mit Beschied vom 05.02.2014 gewährt worden und ist damit für die Kostenentscheidung unbeachtlich.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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