IT- und Medienrecht

Rechte für öffentliche Wiedergabe von Funksendungen

Aktenzeichen  22 B 17.1219

Datum:
25.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
GRUR-RS – 2019, 10280
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
UrhG § 22
UrhWahrnG § 11 Abs. 1, § 13, § 19 Abs. 1, Abs. 2 S. 2
VGG § 38 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Tarifaufstellung einschließlich der Ermittlung angemessener Tarife durch eine Verwertungsgesellschaft unterliegt der staatlichen Aufsicht nach § 19 UrhWahrnG (bzw. § 76 VGG). (Rn. 29)
2. Eine Verwertungsgesellschaft ist gesetzlich verpflichtet, vor Aufstellung eines Tarifs den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte hinreichend zu ermitteln. Beruft sich eine Verwertungsgesellschaft auf Rechte, welche ihren Vertragspartnern nur als abgetretene Rechte zustehen sollen, muss sie bei Bedarf den entsprechenden Nachweis für die Rechteinhaberschaft der betreffenden Urheber und für die Wirksamkeit erfolgter Abtretungen erbringen. (Rn. 34 und 38)
3. Nach allgemeinen Grundsätzen der materiellen Beweislast bei staatlichen Eingriffsmaßnahmen trägt die Aufsichtsbehörde die Folge der Unaufklärbarkeit von Tatbestandsvoraussetzungen einer aufsichtlichen Maßnahme (hier: Unangemessenheit eines Wiedergabetarifs). (Rn. 72)

Verfahrensgang

M 16 K 15.5333 2016-10-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2016 wird abgeändert.
II. Der Bescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. März 2015 in Nr. 1 und diesbezüglich auch der Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2015 werden aufgehoben. Die Berufung wird insoweit zurückgewiesen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet, soweit sich die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die unter Androhung von Zwangsgeld ergangene Anordnung des DPMA richtet, den Tarif „Wiedergabe von Funksendungen“ zurückzunehmen (dazu unter 1.). Betreffend die vom DPMA darüber hinaus getroffene Feststellung, wonach dieser Tarif unangemessen im Sinne des § 11 Abs. 1 UrhWahrnG sei, erweist sich die Berufung dagegen als unbegründet und ist daher zurückzuweisen (unter 2.).
1. Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Bescheid des DPMA vom 20. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2015 ist zulässig, jedoch unbegründet, soweit darin unter Androhung eines Zwangsgelds die Rücknahme des Tarifs „Wiedergabe von Funksendungen“ angeordnet wurde (Nrn. 2 und 3 des Ausgangsbescheids).
a) Gegenstand der Rücknahmeanordnung ist der am 12. April 2013 im Bundesanzeiger veröffentlichte Tarif „Wiedergabe von Funksendungen“ der Klägerin. Die Anordnung erstreckt sich dagegen nicht auf die späteren Fassungen des Tarifs, welche am 27. März 2015 bzw. am 8. Dezember 2015 veröffentlicht wurden. Zwar wird im Bescheidstenor nicht auf eine bestimmte Tariffassung Bezug genommen. Aus den Bescheidsgründen (vgl. S. 3 des Bescheides unter Nr. II.) ergibt sich jedoch, dass der am 12. April 2013 veröffentlichte Tarif deshalb beanstandet wurde, weil die Klägerin aus Sicht des DPMA ihrer Pflicht, bei der vorangegangenen Tarifaufstellung den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte zu ermitteln, nicht hinreichend nachgekommen ist. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch auf die im Dezember 2012 von der Klägerin durchgeführte Umfrage eingegangen. Im Bescheid wurde zudem ausdrücklich darauf hingewiesen (S. 3 unter I.), dass das DPMA der Klägerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2014 seine Absicht mitgeteilt hat, dass es beabsichtige, die Tarifprüfung auf die bislang vorgelegten Informationen zu stützen.
Wegen der angenommenen Pflichtverletzung im Rahmen der Aufstellung des Tarifs in der Fassung vom 12. April 2013 sollte die Klägerin diesen Tarif innerhalb der ihr gesetzten Frist zurücknehmen. Im Bescheid vom 20. März 2015 wurde eine Neuaufstellung des Tarifs nicht ausgeschlossen. Dort wurde nur ausgeführt (S. 6, Nr. II. 5.), dass eine Neuaufstellung in Anbetracht schutzwürdiger Interessen der Nutzer nicht abgewartet werden könne. Vor dem Hintergrund dieser Sichtweise des DPMA zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses wäre es folgerichtig, im Falle einer Neuaufstellung des Tarifs erneut zu prüfen, ob dabei die Pflicht zur Prüfung des Rechteumfangs hinreichend erfüllt werden würde.
Die geänderte Fassung des Tarifs vom 27. März 2015 wird zwar im Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2015 angesprochen (vgl. dort S. 2 unter Nr. I.1.) und bei der rechtlichen Bewertung zur Frage der Angemessenheit des Tarifs mit berücksichtigt (S. 19 unter Nr. II. 2. d) cc). Ausweislich seines eindeutigen Tenors beschränkt sich der Regelungsgehalt des Widerspruchsbescheids jedoch auf die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid des DPMA vom 20. März 2015. Es deutet nichts darauf hin, dass das DPMA in diesem Widerspruchsbescheid – über seine Entscheidung als Widerspruchsbehörde hinaus – als Ausgangsbehörde (erstmals) einen aufsichtlichen Verwaltungsakt in Bezug auf den Tarif vom 27. März 2015 erlassen wollte.
Die Rücknahmeanordnung ist ferner dahingehend auszulegen, dass der Tarif vom 12. April 2013 mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden sollte. Die Tarifaufstellung nach § 13 UrhWahrnG (nunmehr § 38 VGG) kann rückwirkend erfolgen (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 38 VGG Rn. 4 m.w.N.); gleiches muss für die Aufhebung eines Tarifs als actus contrarius gelten. Dem Bescheid vom 20. März 2015 ist nicht zu entnehmen, dass und gegebenenfalls aus welchem Grund der Tarif für die Vergangenheit Bestand haben sollte. Er zielt vielmehr erkennbar darauf ab, dass der beanstandete Tarif im Hinblick auf schutzwürdige Interessen der Nutzer insgesamt keinen Bestand haben soll.
b) Die Anfechtungsklage gegen die Rücknahmeanordnung und die dazu ergangene Zwangsgeldandrohung (Nrn. 2 und 3 des Bescheids vom 20.3.2015) ist zulässig. Zwar ist der davon betroffene Tarif vom 12. April 2013 durch den am 27. März 2015 veröffentlichten Tarif mit Wirkung zum 1. Januar 2015 ersetzt worden (vgl. Nr. II. 6. des Tarifs vom 27.3.2015). Die Beteiligten haben jedoch übereinstimmend erklärt, dass sich die Rücknahmeanordnung dadurch nicht erledigt hat. Es ist auch sonst nichts dafür ersichtlich, dass dieser Tarif für den Geltungszeitraum vom 12. April 2013 bis 31. Dezember 2014 keinerlei Wirkungen mehr hervorrufen würde und die davon betroffenen Sachverhalte bereits vollständig abgeschlossen wären.
c) Die Klage ist unbegründet. Die Rücknahmeanordnung und die Zwangsgeldandrohung sind rechtmäßig und verletzen deshalb die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
aa) Rechtsgrundlage der Rücknahmeanordnung ist § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG (entspricht § 76 Abs. 1 VGG). Danach kann die Aufsichtsbehörde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Verwertungsgesellschaft die ihr obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt. Das DPMA sieht eine Pflichtverletzung der Klägerin in einer unzureichenden Ermittlung des Umfangs der von ihr wahrgenommenen Rechte vor Aufstellung des Tarifs vom 12. April 2013. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 26. Oktober 2015 als letzter Behördenentscheidung (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 99 m.w.N.).
Entgegen der in der Berufungsverhandlung geäußerten Rechtsauffassung der Klägerin (vgl. Niederschrift vom 20.2.2019, S. 3, 2. Absatz) kann der Inhalt der Aufsicht des DPMA über die Verwertungsgesellschaften im Sinne des § 19 UrhWahrnG (bzw. § 76 VGG) nicht dahingehend verstanden werden, dass die Rechtmäßigkeit der Tarifaufstellung einschließlich der Prüfung der Angemessenheit von Tarifen der Aufsicht des DPMA entzogen sind. Für derartige Beschränkungen ergeben sich zum einen aus dem Wortlaut des § 19 UrhWahrnG keinerlei Anhaltspunkte. Sie folgen zum anderen auch nicht aus der Zuständigkeit der Schiedsstelle nach § 14 UrhWahrnG (bzw. § 124 VGG) für Streitfälle mit Beteiligung einer Verwertungsgesellschaft u.a. betreffend die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke oder Leistungen (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 a) UrhWahrnG bzw. § 92 Abs. 1 Nr. 1 VGG). Es ist nicht ersichtlich, weshalb die Aufsicht des DPMA und die Zuständigkeit der Schiedsstelle sich nicht auf vergleichbare Sachverhalte beziehen können sollen, in denen z.B. derselbe Tarif einer Verwertungsgesellschaft von Bedeutung ist. Vielmehr ergänzen sich die Funktionen des Schiedsstellenverfahrens einerseits und der Aufsichtstätigkeit andererseits. Während Beteiligte (z.B. Verwertungsgesellschaften und Nutzer) die Schiedsstelle anrufen können, um individuelle Rechte zu wahren und durchzusetzen, hat die Aufsichtsbehörde darauf zu achten, dass die Verwertungsgesellschaft den ihr nach dem UrhWahrnG (bzw. dem VGG) obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkommt (§ 19 Abs. 1 UrhWahrnG bzw. § 76 Abs. 1 VGG). Die Aufsichtsbehörde führt im öffentlichen Interesse (vgl. § 75 Abs. 2 VGG) eine objektivrechtliche Prüfung durch, die zugleich der Umsetzung von Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2014/26 dient. Entsprechendes gilt für das Verhältnis der Aufsichtstätigkeit zur Gewährung von Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte (vgl. § 16 f. UrhWahrnG bzw. §§ 128 ff. VGG).
Eine Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen ist nicht ersichtlich. Zum einen unterscheidet sich der Prüfungsgegenstand der Aufsichtsbehörde – die Frage von Pflichtverletzungen einer Verwertungsgesellschaft – von den möglichen Verfahrensgegenständen bei der Schiedsstelle und bei den Zivilgerichten. Zum anderen kann die Aufsichtsbehörde z.B. im Falle einer Ermessensentscheidung über aufsichtsrechtliche Maßnahmen mit Bezug auf einen Tarif gegebenenfalls mit berücksichtigen, dass Verfahren bei der Schiedsstelle bzw. bei Zivilgerichten anhängig sind, welche gleichfalls diesen Tarif betreffen und in denen mit Entscheidungen gerechnet wird. Im Übrigen würden Zweckmäßigkeitserwägungen im Falle denkbarer Überschneidungspunkte bei tatsächlichen oder rechtlichen Vorfragen es nicht rechtfertigen, die Reichweite der staatlichen Aufsicht entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut einzuschränken.
Eine Beschränkung der Aufgaben der Aufsichtsbehörde, die im Gesetz keine Stütze findet, allein aufgrund einer Interpretation von Gesetzesmaterialien würde grundsätzlichen rechtsstaatlichen Bedenken begegnen. Im Übrigen ist offensichtlich auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die Überprüfung der Tarifaufstellung zum Aufgabenbereich der Aufsichtsbehörde gehört; er hat lediglich angenommen, dass die aufsichtsrechtliche Tarifprüfung durch das DPMA aus tatsächlichen Gründen auf eine Evidenzkontrolle beschränkt ist. Mit dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Urheberrechts vom 24. Juni 1985 (BGBl I S. 1137) wurde im neugefassten § 14 Abs. 1 Nr. 1 UrhWahrnG die Möglichkeit geschaffen, dass jeder Beteiligte die Schiedsstelle anrufen kann, wenn ein Streitfall unter Beteiligung einer Verwertungsgesellschaft die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken oder Leistungen betrifft. In der Gesetzesbegründung vom 22. Dezember 1983 (BT-Drs. 10/837, S. 12) heißt es zur geplanten Erweiterung der Zuständigkeit der Schiedsstelle auf Streitigkeiten zwischen Verwertungsgesellschaften und Einzelnutzern: „Die Erweiterung der Zuständigkeit dient in erster Linie dem Ziel, eine einheitliche und sachkundige Beurteilung der von der Verwertungsgesellschaft aufgestellten Tarife zu ermöglichen. Zwar kann das Deutsche Patentamt als Aufsichtsbehörde schon nach geltendem Recht unangemessene Tarife beanstanden; eine abstrakte Überprüfung der teilweise äußerst komplexen Tarifwerke ist dem Patentamt jedoch kaum möglich, weil sich die Anhaltspunkte für die Beurteilung der Angemessenheit in der Regel erst aus dem konkreten Sachverhalt ergeben, auf den ein bestimmter Tarif angewandt werden soll.“
Im Übrigen ist der Gesetzgeber auch bei Erlass des VGG davon ausgegangen, dass sich die Aufsicht „wie bisher“ auf sämtliche Verpflichtungen, die sich für die Verwertungsgesellschaft aus dem VGG ergeben, bezieht (vgl. BT-Drs. 18/7223 S. 94 f.). Die Aufsichtsbehörde habe insbesondere auch darauf zu achten, dass die Verpflichtungen durch die Verwertungsgesellschaft eingehalten würden, die zugunsten von Dritten, beispielsweise Nutzern (§ 34 VGG), einen zivilrechtlichen Anspruch statuieren würden.
Anderes ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften der Richtlinie (EU) 2014/26. Es kann dahin stehen, inwieweit die Richtlinienbestimmungen im vorliegenden Fall überhaupt zur Auslegung des UrhWahrnG herangezogen werden können; die den Mitgliedstaaten gesetzte Umsetzungsfrist ist erst am 10. April 2016 (vgl. Art. 43 Abs. 1 der Richtlinie) und damit nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 26. Oktober 2015 als letzter Behördenentscheidung abgelaufen. Jedenfalls ist insbesondere aus Art. 36 dieser Richtlinie nicht zu schließen, dass die Tarifaufstellung durch Verwertungsgesellschaften nicht der staatlichen Aufsicht unterliegen sollte. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Einhaltung der nach dieser Richtlinie erlassenen nationalen Bestimmungen durch die in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Organisationen für die kollektive Rechtewahrnehmung durch die zu diesem Zweck benannten Behörden überwacht wird (Abs. 1 der Vorschrift). Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die zu diesem Zweck benannten staatlichen Behörden befugt sind, bei Verstößen gegen nationales Recht, welches zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassen wurde, geeignete Sanktionen zu verhängen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen (Abs. 3). Zudem haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass u.a. den Rechteinhabern und Nutzern Verfahren zur Verfügung stehen, mit denen sie die zu diesem Zweck benannten Behörden von Tätigkeiten oder Umständen in Kenntnis setzen können, die ihrer Ansicht nach einen Verstoß gegen nach dieser Richtlinie erlassene nationale Rechtsvorschriften darstellen (Abs. 2). Die letztere Vorgabe wurde in § 89 Abs. 2 VGG umgesetzt. Diese Vorschriften belegen gleichfalls, dass u.a. sämtliche gesetzlichen Verpflichtungen der Verwertungsgesellschaften gegenüber Dritten einschließlich der Tarifaufstellung grundsätzlich der staatlichen Aufsicht unterliegen. Ferner lässt sich auch dem Erwägungsgrund Nr. 50 zur genannten Richtlinie keine Einschränkung desjenigen Pflichtenkreises einer Verwertungsgesellschaft entnehmen, welcher der staatlichen Aufsicht unterliegt.
bb) Die Klägerin ist gesetzlich verpflichtet, vor Aufstellung eines Tarifs den Umfang der von ihr wahrgenommenen Rechte hinreichend zu ermitteln.
Eine solche Pflicht ist zwar im UrhWahrnG (bzw. im VGG) nicht ausdrücklich normiert worden. Sie ergibt sich jedoch aus den Normen betreffend die Tarifaufstellung und aus deren Sinn und Zweck. Eine Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen (§ 11 Abs. 1 UrhWahrnG bzw. § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG); sie hat weiter Tarife aufzustellen über die Vergütung, die sie aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte und Ansprüche fordert (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWahrnG bzw. § 38 Satz 1 VGG). Die Erfüllung dieser Pflichten setzt voraus, dass die Verwertungsgesellschaft zunächst den Rechteumfang ermittelt, um in einem nächsten Schritt angemessene Nutzungsbedingungen formulieren zu können. Die Beurteilung, ob ein von der Verwertungsgesellschaft gefordertes Nutzungsentgelt angemessen ist, lässt sich nur im Hinblick auf den Umfang der im Gegenzug eingeräumten Nutzungsrechte beurteilen. Auch die Ermittlung und Bewertung der Berechnungsgrundlagen für einen Tarif nach § 13 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 UrhWahrnG (bzw. § 39 Abs. 1 und 2 VGG) setzt die Kenntnis dieses Rechteumfangs voraus. Zudem bezieht sich der Wahrnehmungszwang für Verwertungsgesellschaften nach § 6 Abs. 1 UrhWahrnG auf die Rechte und Ansprüche der Berechtigten an konkreten Werken (vgl. BGH, U.v. 13.6.2002 – I ZR 1/00 – Mischtonmeister – juris Rn. 31).
Die Frage, welche Anforderungen an die Repertoireermittlung zu stellen sind, entzieht sich einer generellen Klärung. Hinweise auf die Anforderungen an diese Ermittlung ergeben sich wiederum aus den gesetzlichen Pflichten der Verwertungsgesellschaft. Diese muss sowohl gegenüber den Nutzern und Nutzervereinigungen wie auch im Verhältnis zu anderen Rechteinhabern bei der Verteilung der Erlöse sicherstellen, dass die von ihr geltend gemachten Rechte tatsächlich bestehen (vgl. BGH, U.v. 13.6.2002 – I ZR 1/00 – Mischtonmeister – juris Rn. 38). Mit der Recherchepflicht der Verwertungsgesellschaft korrespondiert die Pflicht des Rechteinhabers, bei Bedarf gegenüber der Verwertungsgesellschaft seine Urheberschaft und die Rechteinhaberschaft nachzuweisen (Schulze in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 6. Aufl. 2018, § 9 VGG Rn. 13). Die Verwertungsgesellschaft kann einen Anspruchsteller auf den Rechtsweg und die Beweisführung in einem Gerichtsverfahren verweisen, wenn sie begründete, nicht ausgeräumte Zweifel daran hat, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (BGH, U.v. 13.12.2001 – I ZR 41/99 – Klausurerfordernis – juris Rn. 41).
Zum Nachweis gegenüber Nutzern darüber, dass eine Verwertungsgesellschaft bestimmte Urheber vertritt, kann es grundsätzlich genügen, wenn die Verwertungsgesellschaft ihre Mitglieder spezifiziert bezeichnet; der Nachweis eines entsprechenden Wahrnehmungsvertrags in jedem Einzelfall wird nicht gefordert. Es ist dann Sache des jeweiligen Anspruchsgegners, unter Angabe von Gründen im Einzelnen vorzutragen, hinsichtlich welcher benannten Mitglieder er die Rechtszuständigkeit in Zweifel zieht (vgl. OLG Köln, U.v. 19.3.1980 – 6 U 213/79 – GRUR 1980, 913/915). Ein solcher Nachweis wird auch nicht durch die bloße Möglichkeit einer anderweitigen, prioritären Rechteübertragung erschüttert, für die keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. OLG Hamm, U.v. 4.9.2007 – 4 U 38/07 – juris Rn. 36). Der gegebenenfalls erforderliche Nachweis, dass Rechte zur Wahrnehmung regelmäßig übertragen wurden, kann grundsätzlich auch durch die Vorlage von fortlaufend verwendeten Vertragsmustern erbracht werden. Dem liegt der in der Rechtsprechung des BGH (vgl. U.v. 13.6.2002 – I ZR 1/00 – Mischtonmeister – juris Rn. 32) entwickelte Gedanke zugrunde, dass für eine Verwertungsgesellschaft der Erwerb von Rechten durch Wahrnehmungsverträge zum Zweck der treuhänderischen Wahrnehmung weitgehend ein Massengeschäft ist, das nur dann wirtschaftlich abgewickelt werden kann, wenn bei der Vertragsgestaltung in weitem Umfang typisiert und standardisiert wird.
Beruft sich eine Verwertungsgesellschaft auf Rechte, welche ihren Vertragspartnern nur als abgetretene Rechte zustehen sollen, gelten dieselben Grundsätze. Die Verwertungsgesellschaft muss bei Bedarf den entsprechenden Nachweis für die Rechteinhaberschaft der betreffenden Urheber und für die Wirksamkeit erfolgter Abtretungen erbringen.
cc) Die Klägerin hat vor diesem Hintergrund nicht hinreichend aufgeklärt, in welchem Umfang die Nutzungsrechte nach § 22 UrhG, die Gegenstand des Tarifs „Wiedergabe von Funksendungen“ vom 12. April 2013 sein sollen, ihren Vertragspartnern tatsächlich zustehen.
Die Klägerin macht zunächst geltend, ihre Vertragspartner hätten im Rahmen der Wahrnehmungsverträge nachgewiesen, dass diese Inhaber der Rechte seien, die sie auf die Klägerin übertragen würden (Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 31). Sie hat aber nicht konkret aufgezeigt, woraus sich der von ihr behauptete Nachweis einer Rechteinhaberschaft durch die Vertragspartner im Rahmen der Wahrnehmungsverträge ergeben sollte. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin (Berufungsbegründung vom 24.7.2017, S. 25), dass im Muster des Wahrnehmungsvertrags (Anlage BB 8, dort § 1 Nr. 4) davon die Rede ist, dass die jeweilige „Berechtigte“ der Klägerin die Rechte, über die sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht verfügen kann, der Klägerin für den Fall einräumt, dass der „Berechtigten“ die Verfügungsbefugnis „zufällt“. Gerade diese Klausel spricht dafür, dass ein genauer Umfang der Rechte aus § 22 UrhG, die von der Klägerin wahrgenommen werden sollten, vertraglich nicht festgelegt werden soll. Zwar versichert die jeweilige „Berechtigte“, die für die Ausschüttung nach § 4 Nr. 2 des Vertrags maßgeblichen Rechte „nicht in irgendeiner Form anderweitig, insbesondere zeitlich vorangegangen, eingeräumt“ zu haben (§ 4 Nr. 2 Satz 3 des Vertragsmusters). Diese Versicherung bezieht sich jedoch lediglich auf die Frage einer anderweitigen Verfügung der „Berechtigten“ über ihr zustehende Rechte; sie betrifft jedoch nicht die Frage, welche Rechte ihr überhaupt zustehen.
Auch die von der Klägerin durchgeführten Erhebungen im Dezember 2012 und im April 2013 lassen keine hinreichenden Rückschlüsse auf den von ihr wahrgenommenen Rechtbestand nach § 22 UrhG zu. Dies betrifft zunächst die Frage, in welchem Umfang den Vertragspartnern der Klägerin von angestellten und freien Mitarbeitern wirksam das Recht nach § 22 UrhG eingeräumt wurde.
In ihrer Stellungnahme gegenüber dem DPMA vom 17. Oktober 2013 (dort S. 3 unter I.1. d) hat die Klägerin für den Bereich des Hörfunks ausgeführt, eine Umfrage unter den Wahrnehmungsberechtigten habe u.a. ergeben, die Verträge der Sendeunternehmen mit den angestellten und freien Mitarbeitern sähen „nahezu durchweg“ eine ausschließliche Rechteeinräumung auch des Rechts gemäß § 22 UrhG vor (bei Angestellten 80%, bei freien Mitarbeitern 69%). Nur ein sehr geringer Anteil der Mitarbeiter (4,3%) habe einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abgeschlossen. Im Hinblick auf angestellte Mitarbeiter seien keine prioritären Vertragsabschlüsse mit der VG Wort mitgeteilt worden; hinsichtlich der freien Mitarbeiter werde unter Vornahme einer Pauschalierung der vorliegenden, „gegenwärtig nicht hinreichend repräsentativen“ Ergebnisse der Befragung „zur Zeit“ davon ausgegangen, dass nur 1,4% der Mitarbeiter, die Einzelurheber bzw. Rechteinhaber seien, mit der GEMA, 2,9% mit der GVL und nur 4,3% mit der VG Wort einen Wahrnehmungsvertrag geschlossen hätten. Für den Bereich des Fernsehens wurde angegeben (S. 6 unter Nr. I.2. d und e), nach der Befragung würden „nahezu sämtliche“ Verträge mit Angestellten und freien Mitarbeitern eine Einräumung des Rechts nach § 22 UrhG vorsehen (bei Angestellten 93%, bei freien Mitarbeitern 85%). Dabei habe laut der Umfrage der Klägerin nur ein sehr geringer Anteil von 2,6% der Mitarbeiter einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abgeschlossen. Auch 90% der zwischen Auftragsproduzenten und Urhebern geschlossenen Verträge würden eine vollumfängliche Abtretung von Verwertungsrechten an den Produzenten zur Weiterübertragung auf das beauftragte Sendeunternehmen vorsehen. Diesbezüglich dürfe auf die zu einem Schreiben vom 19. April 2013 bereits überlassenen Standardverträge verwiesen werden. Nach den Ermittlungen hätten nur wenige der von Auftragsproduzenten beauftragten Urheber prioritär einen Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen; insgesamt nur 2,6% der Mitarbeiter seien Mitglied bei der VG Wort. Mitgliedschaften in anderen Verwertungsgesellschaften seien nicht bestätigt worden. Der Anteil der Eigenproduktionen im Verhältnis zu den Auftragsproduktionen betrage nach der oben dargestellten Untersuchung ca. eins zu zwei (10,7% zu 21,2%). Die Klägerin habe keine weitergehenden Informationen darüber erhalten, dass im Bereich der Auftragsproduktionen Urheber Wahrnehmungsberechtigte in anderen Verwertungsgesellschaften seien.
Die Klägerin räumt ein (vgl. Klagebegründung vom 29.2.2016, S. 17, Bl. 91 der Akte des Verwaltungsgerichts), dass lediglich 40 von 65 Hörfunksendern (d.h. 62%) und 15 von 46 Fernsehsendern (33%) auf die Umfrage zur Rechtewahrnehmung geantwortet haben; die Frage nach einer Einräumung des Rechts nach § 22 UrhG an andere Verwertungsgesellschaften ist nur von 8 der 65 (12%) angeschriebenen Hörfunkunternehmen und von 6 der 46 (13%) angefragten Fernsehsender beantwortet worden. Hinsichtlich der Umfrageergebnisse zur Frage der Mitgliedschaft von Mitarbeitern in anderen Verwertungsgesellschaften hat die Beklagte bereits im erstinstanzlichen Verfahren nachvollziehbar dargelegt (Bl. 167 der Akte des Verwaltungsgerichts) und im Berufungsverfahren wiederholt (Berufungsbegründung vom 24.7.2017, S. 28 f.), die Rücklaufquoten zu den betreffenden Fragen könnten nicht seriös hochgerechnet werden, weil es sich nicht um Stichproben gehandelt habe, die mit Hilfe eines speziellen Auswahlverfahrens gewonnen worden seien; die Umfrageergebnisse seien deshalb nicht repräsentativ. Das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck S. 23) hat sich dieser Bewertung der Beklagten angeschlossen und ausgeführt, dass sich eine Hochrechnung aus diesen äußerst dürftigen Rücklaufen verbiete; geantwortet hätten nur sehr kleine Sendeunternehmen, während die großen Marktteilnehmer des privaten Rundfunks keine umfassende Antwort abgegeben hätten.
Soweit die Klägerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren (Bl. 91 f. und Bl. 246 der Akte des Verwaltungsgerichts) meinte, es komme für die Auswertung der Umfrage nicht auf die absolute Zahl der Rückmeldungen an, sondern auf die anhand der Marktanteile gewichtete Bedeutung der jeweiligen Rückmeldung, ist dies nicht überzeugend. Zum einen hat sie diese Gewichtung lediglich hinsichtlich der Rückläufe insgesamt (40 von 65 Hörfunksenden, 15 von 46 Fernsehsendern) näher begründet (vgl. Bl. 91 f. der Akte des Verwaltungsgerichts), nicht dagegen hinsichtlich der Rückläufe zur Frage einer prioritären Rechteabtretung an andere Verwertungsgesellschaften. Zum anderen konnte die Klägerin das zutreffende Argument der Beklagten, die gewonnenen Erkenntnisse seien wegen eines fehlenden Auswahlverfahrens nicht repräsentativ, nicht entkräften. Sie meint (Bl. 93 der Akte des Verwaltungsgerichts), auch unter Berücksichtigung der Rücklaufquoten zur Frage der Mitgliedschaft von Mitarbeitern in anderen Verwertungsgesellschaften würde es sich um eine ausreichende Stichprobe handeln; einer Hochrechnung der Ergebnisse stehe das fehlende vorangegangene Auswahlverfahren nicht entgegen. Woraus sich ergeben könnte, dass die Umfrageergebnisse zu dieser Frage trotz der geringen Rücklaufquoten repräsentativ sind, ergibt sich nicht aus den Ausführungen der Klägerin und ist auch sonst nicht erkennbar. Ferner ist anzumerken, dass die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 17. Oktober 2013 (dort S. 3, Bl. 226 der Behördenakte) selbst darauf hingewiesen hat, dass die damals vorliegenden Angaben zu freien Mitarbeitern im Bereich Hörfunk, die einen Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben, nicht hinreichend repräsentativ waren.
Selbst, wenn die antwortenden Sendeunternehmen möglicherweise einen relativ großen Marktanteil besitzen sollten, bedeutet dies im Übrigen nicht zugleich, dass von deren Antworten zum Vertragsbestand mit Mitarbeitern auf die entsprechenden Bestände der sonstigen Sendeunternehmen zu schließen wäre. Eine Sachverhaltsaufklärung der Klägerin wäre nicht schon dann ausreichend, wenn damit für die Unternehmen mit großem Marktanteil der Rechtebestand abschätzbar wäre. Insbesondere auch im Hinblick auf die Pflicht der Klägerin gegenüber den tatsächlichen Rechteinhabern bei der Verteilung der Erlöse ist es unabdingbar, dass der Rechtebestand derart ermittelt wird, dass die Ergebnisse hinreichend Aussagekraft in Bezug auf alle Vertragspartner besitzen.
Die bereits im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. Bl. 246 der Akte des Verwaltungsgerichts) vorgetragene Sichtweise der Klägerin, der Pflicht zur ausreichenden Ermittlung sei sie insbesondere dadurch nachgekommen, dass sie bei den Sendeunternehmen die Anzahl der beschäftigten Kreativen und die Verwendung von Total-Buy-Out-Klauseln abgefragt habe, ist nicht zu folgen. Wie die Klägerin selbst im Zusammenhang mit dem Rechtebestand der VG Wort zutreffend angemerkt hat (vgl. Bl. 91 der Akte des Verwaltungsgerichts), kommt es für den tatsächlichen Umfang des Rechterepertoirs darauf an, wem die Rechte prioritär eingeräumt worden sind. Der Abschluss von Total-Buy-Out-Verträgen durch angestellte und freie Mitarbeiter der Vertragspartner der Klägerin rechtfertigt keine tatsächliche Vermutung dafür, dass die betreffenden Mitarbeiter nicht zuvor Wahrnehmungsverträge mit anderen Verwertungsgesellschaften geschlossen haben.
Dies gilt insbesondere angesichts der tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass in größerer Zahl Mitarbeiter von Produktionsfirmen und Sendern Verträge mit der VG Wort abgeschlossen haben könnten. Die VG Wort hat dem DPMA mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 (vgl. Anlage BB 15) und mit E-Mail vom 5. Februar 2014 (Anlage BB 16) u.a. unter Bezugnahme auf ihren Geschäftsbericht 2012 mitgeteilt, dass sie im Bereich Hörfunk und Fernsehen im Jahr 2012 an insgesamt 17.042 wahrnehmungsberechtigte Autoren (davon 10.294 im Bereich Fernsehen und 6.734 im Bereich Hörfunk, dazu 14 Tonträgervergütungen) ausgeschüttet hat. Weiter hat die VG Wort ermittelt, wie viele Autoren, die einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort abgeschlossen haben, von dieser im Jahr 2012 eine Vergütung für die Ausstrahlung von Werken in einem von der Klägerin vertretenen Fernseh- und Hörfunksender erhalten haben. Bei dieser Auswertung wurden für den Bereich Fernsehen insgesamt 3.246 und für den Bereich Rundfunk insgesamt 253 Autoren ermittelt. Diese Autorenanzahl ist erheblich im Verhältnis zur Zahl von 9.935 Mitarbeitern der Vertragspartner der Klägerin, welche diese bei ihrer Umfrage im Jahr 2016 im Zusammenhang mit der Rechteübertragung auf diese Vertragspartner ermittelt hat (vgl. Bl. 281 der Akte des Verwaltungsgerichts). Der Hinweis der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 17.10.2017, S. 3), es sei auch denkbar, dass ein Großteil dieser Autoren ohne Beschäftigungsverhältnis bei den betreffenden Sendern an den von diesen ausgestrahlten Auftrags- oder Kaufproduktionen mitgewirkt haben, mag zwar zutreffen. Allerdings greift dieser Einwand nicht durch, da sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Tarif auch auf die Wahrnehmung von Rechten von Mitwirkenden an Fremdproduktionen beruft (vgl. z.B. Schreiben der Klägerin an das DPMA vom 17.10.2013, S. 5 – Bl. 238 der Behördenakte). Auch ist zutreffend, dass sich aus der Mitteilung der VG Wort nicht konkret ergibt, wie viele Autoren zunächst einen Wahrnehmungsvertrag mit der VG Wort und später einen Total-Buy-Out-Vertrag mit einer Produktionsfirma oder einem Vertragspartner der Klägerin geschlossen haben. Unabhängig davon bestand jedoch Veranlassung für die Klägerin, vor Aufstellung des streitgegenständlichen Tarifes den Sachverhalt zur Frage etwaiger prioritärer Abtretungen an andere Verwaltungsgesellschaften weiter aufzuklären. Die Klägerin hat diese Fragestellung auch bereits vor Aufstellung des Tarifs erkannt und versucht, diese mithilfe der Umfragen unter ihren Vertragspartnern zu beantworten, wenngleich mit inhaltlich nicht aussagekräftigen Ergebnissen.
Das Verwaltungsgericht (Urteilsabdruck S. 21 f.) hat gemeint, dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Angaben der VG Wort als Konkurrentin der Klägerin belastbar sind. Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, weshalb die VG Wort allein im Hinblick auf ein solches Konkurrenzverhältnis gegenüber der Aufsichtsbehörde unzutreffende Angaben gemacht haben sollte. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur für die Angaben, die dem Geschäftsbericht der VG Wort entstammen. Konkrete Hinweise darauf, inwieweit die vorgenannten Angaben der VG Wort unzutreffend sein könnten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Beklagte weist im Übrigen zutreffend darauf hin, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es in der Praxis vielfach zu mehrfachen Rechteeinräumungen durch Urheber kommt. Im Zusammenhang mit der Regelung in § 27 Abs. 2 VGG wurde angenommen (vgl. BT-Drs. 18/10637, S. 24), dass regelmäßig „beispielsweise die Wahrnehmungsverträge sowohl der Urheber als auch der Verleger, die mit der Verwertungsgesellschaft zustande kommen, eine Rechteeinräumung [… vorsehen]. Entsprechendes gilt für die Verlagsverträge von Urhebern und Verlegern. Auf welchem Weg ein Recht zur Verwertungsgesellschaft als Treuhänderin gelangt, hängt von den oft zufälligen zeitlichen Abläufen ab, da zivilrechtlich nur die erste Verfügung über ein Recht wirksam ist (Prioritätsgrundsatz).“ Derartige mehrfache Abtretungen durch einen Berechtigten sind auch wiederholt Gegenstand von Gerichtsentscheidungen (vgl. z.B. BGH, U.v. 21.4.2016 – I ZR 198/13 – Verlegeranteil – juris Rn. 82; U.v. 4.12.2008 – I ZR 49/06 – Mambo No. 5 – juris Rn. 29).
Allein die von der Klägerin angegebene Zahl sogenannter Total-Buy-Out-Verträge ist nicht geeignet, die Anhaltspunkte für eine möglicherweise erhebliche Zahl prioritärer Abtretungen an andere Verwertungsgesellschaften auszuräumen. Nach der Definition der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 31 f.) sind Total-Buy-Out-Klauseln Bestimmungen, in denen der jeweilige Urheber alle ihm zustehenden Rechte gegen ein pauschales Honorar dem Wahrnehmungsberechtigten überträgt. Die Klägerin meint (vgl. Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 41 f.), ein Total-Buy-Out könne nur dann wirksam vereinbart werden, wenn über das zu übertragende Recht nicht bereits verfügt worden sei; die betreffenden Rechteinhaber hätten keinen solchen Verträgen zugestimmt, wenn sie bereits zuvor Wahrnehmungsverträge mit anderen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen hätten. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist es juristisch betrachtet möglich, dass sich ein Rechteinhaber schuldrechtlich zu einer Rechteeinräumung verpflichtet, die er möglicherweise auf dinglicher Ebene (derzeit) nicht erfüllen kann. Zum anderen stützt sich die Behauptung der Klägerin, Rechteinhaber mit prioritären Wahrnehmungsverträgen mit Verwertungsgesellschaften würden einem Total-Buy-Out-Vertrag nicht zustimmen, nicht auf nachprüfbare tatsächliche Anhaltspunkte.
Es kann im Übrigen auch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass Rechteinhaber, die das Recht nach § 22 UrhG zuvor zur Wahrnehmung einer Verwertungsgesellschaft übertragen haben, die von Sendeunternehmen verwendeten Formularverträge mit Total-Buy-Out-Klauseln in der Regel nicht unterschreiben würden. Zwar mag dem Rechteinhaber bei der Zustimmung zu einer solchen Klausel bewusst sein, dass er die betreffenden Rechte „nicht gleichzeitig“ an eine Verwertungsgesellschaft übertragen kann, wie die Klägerin meint (vgl. Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 31 f.). Es ist jedoch fraglich, ob ein Rechteinhaber, der sich vertraglich zur Übertragung aller „ihm zustehenden“ Rechte verpflichtet, stets pflichtwidrig verhält, wenn er sein Recht aus § 22 UrhG bereits zuvor einer Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung übertragen hat; die zitierte Formulierung könnte sich – je nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere im Zusammenhang mit den sonstigen Vertragsbestimmungen – auf den aktuellen Rechtebestand beziehen, nicht auch auf bereits prioritär abgetretene Rechte. Auch dürfte juristischen Laien – insbesondere dann, wenn ausdrückliche Hinweise im Vertragstext oder im Rahmen des Vertragsabschlusses fehlen – nicht regelmäßig bewusst sein, dass eine prioritäre Abtretung an eine Verwertungsgesellschaft dem Abschluss des Formularvertrags in diesem Punkt widersprechen könnte. Vor diesem Hintergrund wird im Übrigen Arbeitgebern auch empfohlen, vor Vertragsschluss zu klären, ob der jeweilige Arbeitnehmer Mitglied einer Verwertungsgesellschaft ist, um mögliche Konflikte vor Abschluss eines Arbeitsvertrags zu vermeiden (vgl. Riesenhuber, NZA 2004, 1363/1368). Hinzu kommt, dass künftige Mitarbeiter eines Sendeunternehmens sich bei lebensnaher Betrachtung häufig nicht in der Verhandlungsposition sehen dürften, über den Inhalt vorgefertigter Formularverträge zu verhandeln.
Vor diesem Hintergrund merkt die Beklagte zutreffend an, dass es vorliegend nicht um die Frage geht, ob den betreffenden Rechteinhabern ein vorsätzliches vertragsbrüchiges Verhalten vorzuwerfen ist. Viel naheliegender erscheint die Annahme, dass oftmals entweder der Abschluss eines Total-Buy-Out-Vertrages trotz vorangegangener Rechteeinräumung objektiv kein solches Verhalten darstellt oder jedenfalls ein Vorsatz nicht anzunehmen ist.
Die Klägerin behauptet weiter (vgl. Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 32), neben der Total-Buy-Out-Klausel würden die Verträge „häufig“ noch weitere Bestimmungen enthalten, mit denen sichergestellt werde, dass die Urheber die Rechte nicht bereits zuvor an andere Verwertungsgesellschaften übertragen hätten; „regelmäßig“ würden die Urheber verpflichtet, im Rahmen des Vertrags die Rechtsinhaberschaft zuzusichern oder gar eine entsprechende Garantie abzugeben. Es sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass tatsächlich „regelmäßig“ in den betreffenden Verträgen der Rechteinhaber mit Sendeunternehmen die von der Klägerin vermuteten weitergehenden Garantien abgegeben wurden. Die von der Klägerin vor der Aufstellung des streitgegenständlichen Tarifs beauftragte rechtliche Bewertung solcher Verträge erfolgte anhand von acht Vertragsmustern (vgl. Gutachten in Anlage BB 14, dort S. 4), die auch dem DPMA zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Vorlageschreiben vom 19.4.2013, Bl. 28 der Behördenakte); in diesen Mustern ist die Rechteübertragung unterschiedlich ausgestaltet. So findet sich in einem dieser Vertragsformulare eine Garantieklausel zu den vom jeweiligen Rechteinhaber eingeräumten Rechten, wie sie die Klägerin beschrieben hat (vgl. Bl. 59 der Behördenakte, dort Nr. 4.7). Dort werden allerdings ggf. auf eine Verwertungsgesellschaft übertragene Rechte und Ansprüche ausdrücklich von dieser Garantie ausgenommen. Andererseits finden sich auch von einem Unternehmen verwendete Garantieklauseln ohne eine derartige Einschränkung (vgl. Bl. 75 und Bl. 116 der Behördenakte, dort jeweils Nr. 4.3; Bl. 86 und 97 der Behördenakte, dort jeweils § 8 Nr. 3; Bl. 108 der Behördenakte, dort § 8 Nr. 4). In einem weiteren Vertragsformular sichert die betreffende Produktionsfirma dem Sendeunternehmen zu, bestimmte Regelungen mit Urhebern und Leistungsschutzberechtigten im Sinne einer Buy-Out-Regelung zu treffen (vgl. Bl. 130 der Behördenakte, dort Nr. 4 Abs. 2). Ein anderes Formular für einen Auftragsproduktionsvertrag (Bl. 65 ff. der Behördenakte) beinhaltet der Sache nach wohl auch eine uneingeschränkte, „exklusive“ (vgl. Nr. 3.1 des Musters) Rechteübertragung, jedoch ohne eine ausdrückliche Garantieerklärung im vorgenannten Sinn. Im Übrigen hat auch eine von der Klägerin beauftragte Anwaltskanzlei in ihrem Gutachten vom 24. Mai 2012 (Anlage BB 13, dort S. 6) im Zusammenhang mit der Prüfung von umfassenden Rechteübertragungsklauseln festgestellt, Grundlage für die Beurteilung seien die vorliegenden Arbeits- bzw. Auftragsproduktionsverträge; für eine abschließende Bewertung müssten allerdings noch weitere Vertragsexemplare untersucht werden. In diesem Gutachten wird im Übrigen – dort auf S. 1 – dargelegt, dass zu vermuten sei, dass freie Mitarbeiter in aller Regel und angestellte Urheber nicht selten Mitglied einer Verwertungsgesellschaft seien. In Arbeitsverträgen enthaltene Verpflichtungen zum Hinweis auf eine solche Mitgliedschaft würden in der Praxis wohl nicht überprüft, und nicht offen gelegte Mitgliedschaften in Verwertungsgesellschaften würden toleriert; für genauere Angaben empfehle sich eine Nachfrage bei den Wahrnehmungsberechtigten.
Dieser Befund verdeutlicht im Übrigen auch, dass bei den von der Klägerin durchgeführten Umfragen unter ihren Vertragspartnern hinsichtlich abgeschlossener Buy-Out-Verträge ein eindeutiges Verständnis dieser Vertragstypenbezeichnung nicht sichergestellt war. So kann z.B. nicht ausgeschlossen werden, dass teilweise auch Vertragsmuster unter diese Typenbezeichnung gefasst wurden, in denen – entsprechend einem der vorgenannten Muster – Klauseln enthalten sind, welche an eine Verwertungsgesellschaft übertragene Rechte ausdrücklich ausnehmen. Im Informationsblatt (Bl. 31 f. der Behördenakte), das dem Musteranschreiben zur Umfrage im April 2013 (vgl. Bl. 29 f. der Behördenakte) beigefügt wurde, wurde die Zielsetzung betont, festzustellen, ob das Recht nach § 22 UrhG „in allen neueren Arbeits-, Dienstleistungs-, Werk- und Produktionsverträgen übertragen“ wird und wie viele Mitarbeiter eigene Wahrnehmungsverträge mit Verwertungsgesellschaften abgeschlossen hätten. Der Fragebogen zu Frage 1 enthält weiter folgenden Hinweis: „Bitte übersenden Sie uns exemplarisch Textbeispiele aller Rechteklauseln zum „TheaterKino- und Vorführungsrecht“, die in Ihrem Unternehmen verwendet werden, insbesondere wenn Sie sich bei der Bewertung der Klausel nicht sicher sind. Wir nehmen gerne selbst die Bewertung vor (dazu benötigen wir lediglich den Wortlaut der betreffenden Klausel und nicht etwa den gesamten Vertrag).“ Es ist jedoch bereits nicht erkennbar, dass die Klägerin von allen Vertragspartnern solche Muster erhalten hätte. Insbesondere im Hinblick auf die Verpflichtung gegenüber den Wahrnehmungsberechtigten zu einer sachgerechten Erlösverteilung wäre es erforderlich, dass alle Vertragspartner der Klägerin eine entsprechende Information vorlegen, um ihre Wahrnehmungsberechtigung nachzuweisen. Eine Vorlage nur durch einen Teil der betreffenden Sendeunternehmen im Rahmen der Umfragen 2013/2014 ist insoweit nicht ausreichend.
Im Übrigen erscheint es auch unzureichend, dass die Klägerin nur einzelne Vertragsbestimmungen mit dem undefinierten Begriff der „Rechteklausel“ abgefragt hat. Der Regelungsgehalt einer einzelnen Vertragsklausel kann erst dann abschließend bewertet werden, wenn das betreffende Vertragsmuster vollständig vorliegt. Auch kommt es für die Bewertung, welche Klauseln für die Frage der Rechteübertragung von Bedeutung sind und wie deren Reichweite zu bewerten ist, nicht auf die subjektive Auslegung der Vertragspartner der Klägerin an. Vielmehr ist der Inhalt der von den Sendeunternehmen verwendeten Formularverträge so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. BGH, U.v. 18.12.2008 – I ZR 23/06 – Klingeltöne für Mobiltelefone – juris Rn. 25). Deshalb kann auch die Prüfung solcher Vertragsmuster nicht deshalb unterbleiben, weil sich das betreffende Sendeunternehmen über seine Vertragsinterpretation „sicher“ ist, wie im vorgenannten Fragebogen nahelegt wird.
Auch die im Frühjahr 2016 von der Klägerin durchgeführte Umfrage stellt keine hinreichende Sachverhaltsaufklärung dar. Zwar sind in diesem Rahmen Antworten von 139 der angeschriebenen 141 Sendeunternehmen eingegangen; auch könnten die Ergebnisse unter Umständen auch im Hinblick auf die zwei Unternehmen als repräsentativ angesehen werden, welche nicht geantwortet haben. Allerdings wurden lediglich die Gesamtzahl der Mitarbeiter – aufgeschlüsselt nach Berufsgruppen und differenziert zwischen angestellten und freien Mitarbeitern – sowie die Zahl der abgeschlossenen Verträge mit „vollständiger Rechteübertragung“ („work made for hire / „Total-Buy-Out“) ermittelt (vgl. Fragebogen in Anlage K 7, Bl. 279 der Akte des Verwaltungsgerichts). Es ist wiederum fraglich, welches Begriffsverständnis einer solchen vollständigen Rechteübertragung die Sendeunternehmen bei der Beantwortung dieser Umfrage zugrunde gelegt haben; es wurde auch offensichtlich nicht um Vorlage von Vertragsmustern gebeten. Im Übrigen wurde auch mit dem betreffenden Fragebogen nicht abgefragt, bei wie vielen der Mitarbeiter mit Total-Buy-Out-Verträgen eine prioritäre Abtretung an eine andere Verwertungsgesellschaft erfolgt ist. Das Bestehen von Total-Buy-Out-Verträgen allein kann nach den vorstehenden Ausführungen die tatsächlichen Anhaltspunkte für das Bestehen einer erheblichen Zahl solcher prioritären Abtretungen nicht entkräften. Unabhängig davon sind die Umfrageergebnisse vom Frühjahr 2016 für den hier streitgegenständlichen Tarif, welcher für den Zeitraum vom 12. April 2013 bis 31. Dezember 2014 galt, ohnehin nicht aussagekräftig. Offensichtlich haben sich die Fragen der Klägerin nicht konkret auf diesen Zeitraum bezogen. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Angaben der betreffenden Sendeunternehmen den vorliegend nicht maßgeblichen Sachstand im Frühjahr 2016 wiedergeben.
Im Übrigen hat die Klägerin auch keine aussagefähigen und nachvollziehbaren Informationen dazu vorgelegt, welche Rechte nach § 22 UrhG von Produktionsfirmen auf die Vertragspartner der Klägerin übertragen werden. In ihrer Stellungnahme vom 17. Oktober 2013 (dort S. 6, Bl. 229 der Behördenakte) hat die Klägerin hinsichtlich ihrer Angabe, 90% der zwischen Auftragsproduzenten und Urhebern geschlossenen Verträge würden eine vollumfängliche Abtretung von Verwertungsrechten an den Produzenten zur Weiterübertragung auf das beauftragte Sendeunternehmen vorsehen, lediglich auf die als Anlage zum Schreiben vom 19. April 2013 vorgelegten acht Standardverträge Bezug genommen; es ist nicht ansatzweise erkennbar, inwiefern diese Standardverträge für alle betreffenden Produktionsfirmen repräsentativ sein könnten. Ebenso wenig ist ersichtlich, woher die weitere Angabe der Klägerin in dieser Stellungnahme stammen soll, dass insgesamt nur 2,6% der Mitarbeiter Mitglied bei der VG Wort sein sollen. Mit der Erhebung im Frühjahr 2013 zur Einräumung des Rechts nach § 22 UrhG (vgl. Fragebogen, Bl. 33 f. der Behördenakte) wurde nicht ermittelt, wie viele Angestellte und freie Mitarbeiter von Produktionsfirmen einen eigenen Wahrnehmungsvertrag mit einer oder mehreren Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben. Gegenstand der Frage 1 waren u.a. Verträge der Sendeunternehmen mit den Produktionsfirmen, nicht jedoch Verträge der Produktionsfirmen mit Mitarbeitern. Die Frage 2 betraf nur Angestellte und freie Mitarbeiter der angefragten Sendeunternehmen. Auch bei der Erhebung im Frühjahr 2016 (vgl. Fragebogen in Anlage K 7, Bl. 279 der Akte des Verwaltungsgerichts) hat die Klägerin lediglich Angaben zu Mitarbeitern der Sendeunternehmen erhoben. Auch damit bleibt ungeklärt, in welchem Umfang Produktionsfirmen Total-Buy-Out-Verträge einsetzen und prioritäre Abtretungen von Mitarbeitern an Verwertungsgesellschaften vorliegen. Das Verhältnis der Fremdproduktionen zu den Auftragsproduktionen beträgt nach den Ermittlungen der Klägerin ca. eins zu zwei (vgl. Stellungnahme vom 17.10.2013, Bl. 229 der Behördenakte). Gerade im Hinblick auf die demnach große Bedeutung der Fremdproduktionen müsste die Klägerin vor einer Tarifaufstellung hinreichend plausibel darlegen können, dass auch insoweit eine lückenlose Rechtekette von den Urhebern bis zu ihr besteht.
Die danach erforderlichen Ermittlungen der Klägerin zum Rechteportfolio ihrer Vertragspartner haben sich auch nicht durch den Abschluss eines Gesamtvertrags zwischen der Klägerin und dem BVMV im Dezember 2014 (Anlage BB 18, Bl. 124 ff. der Akte des Verwaltungsgerichts) erübrigt. Eine Verwertungsgesellschaft könnte im Hinblick auf das Erfordernis, eine sachgerechte Verteilung der Erlöse zwischen den Wahrnehmungsberechtigten sicherzustellen, auch dann nicht auf solche Ermittlungen verzichten, wenn ein solcher Gesamtvertrag als Indiz für eine angemessene Tarifhöhe anzusehen wäre. Im Übrigen besitzt der Vertrag vom Dezember 2014 schon deshalb keine solche Indizwirkung, weil in der dortigen Präambel ausdrücklich klargestellt wurde, dass die Vereinbarung kein Indiz für die Angemessenheit der dort „interimistisch“ vereinbarten Tarife darstelle. Ihr Abschluss sollte nach der dort wiedergegebenen Auffassung des BVMV ausschließlich dem Zweck dienen, für die Dauer einer etwaigen streitigen Auseinandersetzung ein für deren Mitglieder geordnetes Verfahren zu ermöglichen und Nachforderungen der Klägerin für die Vergangenheit bei den Mitgliedern zu verhindern.
dd) Es bestehen keine Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Rücknahme des Tarifs vom 12. April 2013. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entscheidung mit Ermessensfehlern behaftet wäre (§ 40 VwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren (Klagebegründung vom 29.2.2016, S. 22 f.) und auch im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 23.10.2017, S. bis 44) im Wesentlichen bemängelt, die Beklagte hätte als milderes Mittel entweder der Klägerin aufgeben können, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, um die Höhe des Tarifs zu verifizieren bzw. zu ermitteln, oder sie hätte diese Ermittlungen selbst vornehmen und die Klägerin auffordern müssen, den Tarif in bestimmter Höhe zu reduzieren.
Diese Einwände der Klägerin überzeugen nicht. Zum einen wären die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen nicht gleichermaßen geeignet, den streitgegenständlichen, ohne die rechtlich gebotene Rechteermittlung aufgestellten Tarif zu beseitigen. Dafür, dass es sich dabei um eine legitime aufsichtsrechtliche Zielsetzung handelt, spricht die bereits im Bescheid vom 20. März 2015 angestellte Erwägung, dass eine Neuaufstellung des Tarifs in Anbetracht schutzwürdiger Interessen der Nutzer nicht abgewartet werden könne. Dies gilt im Übrigen erst recht vor dem Hintergrund, dass die Klägerin geltend macht (vgl. Schriftsatz vom 12.4.2018, S. 181 f.), dass ihre Vertragspartner schon aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht zu einer weiteren Aufklärung zur Frage prioritärer Abtretungen ihrer Mitarbeiter in der Lage seien. Würde dies zutreffen, so wäre die Anordnung weitergehender Ermittlungen möglicherweise kein geeignetes Mittel. Zumindest könnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin in der Lage wäre, zeitnah die für eine rechtmäßige Aufstellung eines Tarifs betreffend die Rechte nach § 22 UrhG erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.
Zum anderen wären die von der Klägerin vorgeschlagenen Maßnahmen in rechtlicher Hinsicht weit schwerwiegendere Eingriffe, weil dadurch deutlich weitergehend in die Geschäftsführung der Klägerin eingegriffen würde als durch die streitgegenständliche Verpflichtung, den Tarif vom 12. April 2013 zurückzunehmen. Dies gilt insbesondere für den Vorschlag, das DPMA selbst solle gewissermaßen im Wege der Ersatzvornahme Ermittlungen zur Tarifhöhe durchführen und insoweit Festlegungen treffen. Es bedarf keiner Klärung, ob derart weitgehende aufsichtliche Maßnahmen auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG überhaupt zulässig wären. Im Falle der gerichtlichen Geltendmachung nach § 16 UrhWahrnG (bzw. § 128 VGG) bestehen Anhaltspunkte für eine gerichtliche Festsetzungsbefugnis (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 3 UrhWahrnG bzw. § 130 Satz 1 VGG) betreffend eine angemessene Tarifhöhe; in Bezug auf das aufsichtliche Verfahren fehlen solche Befugnisnormen. Allein auf die vorgenannte gerichtliche Befugnis bezieht sich im Übrigen die von der Klägerin zitierte Stelle im Urteil des BGH vom 29. Januar 2004 – I ZR 135/00 – (juris Rn. 23).
Weiter ist es im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu beanstanden, dass das DPMA jedenfalls derzeit wohl keine Tarife anderer Verwertungsgesellschaften wegen einer unzureichenden Ermittlung des Rechteumfangs beanstandet. Insbesondere stellt die Beklagte insoweit eine sachgerechte Erwägung an, wenn sie hierzu ausführt (vgl. Berufungsbegründung vom 24.7.2017, dort S. 36), andere Verwertungsgesellschaften würden schon seit vielen Jahren Rechte nach § 22 UrhG wahrnehmen und hätten Gesamtverträge mit Nutzervereinigungen über Vergütungssätze abgeschlossen, die von diesen akzeptiert würden; solche Gesamtverträge würden die Angemessenheit der bestehenden Tarife indizieren (vgl. zu dieser Indizwirkung BGH, U.v. 20.3.2013 – I ZR 84/111- Gesamtvertrag Hochschul-Intranet – juris Rn. 20). Zwar mag der Einwand der Klägerin (Schriftsatz vom 23.10.2017, S. 43), veränderte Rahmenbedingungen würden die Indizwirkung älterer Gesamtverträge abschwächen, unter Umständen berechtigt sein. Allerdings ist nicht überzeugend, wenn die Klägerin ein Entfallen der Indizwirkung annehmen möchte, solange die jeweiligen Vertragsparteien unverändert an den betreffenden Gesamtverträgen festhalten.
ee) Wenn die Klägerin geltend macht (vgl. Klagebegründung vom 29.2.2016, Bl. 87 der Akte des Verwaltungsgerichts), die Anforderungen an die Ermittlungsdichte dürften nicht überzogen werden, da ihr ansonsten eine effektive Wahrnehmung der übertragenen Rechte unmöglich gemacht werde, ist dem im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings muss der Nachweis des Rechtebestands – sowohl im Hinblick auf die Wahrnehmungsberechtigten der Klägerin wegen dem Erfordernis einer gerechten Erlösverteilung, wie auch gegenüber den Nutzern – in hinreichendem Umfang erbracht werden. In diesem Zusammenhang sind die Wahrnehmungsberechtigten der Klägerin auch vertraglich verpflichtet, der Klägerin sämtliche für die Wahrnehmung der Rechte erforderlichen Informationen bereitzustellen (vgl. § 3 Satz 1 des Vertragsmusters in Anlage BB 8).
ff) Die Klägerin hat vorgetragen (vgl. S. 23 der Klagebegründung vom 29.2.2016), die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheides vom 20. März 2015 sei deshalb rechtswidrig, weil sie auf einem seinerseits rechtswidrigen Grundverwaltungsakt beruhe; in diesem Zusammenhang nimmt sie auf die Nrn. 1 und 2 dieses Bescheides Bezug. Dem liegt möglicherweise ein unzutreffendes Verständnis der Zwangsgeldandrohung zugrunde. Diese dient dem klaren Wortlaut nach der Durchsetzung der in Nr. 2 des Bescheides ausgesprochenen Verpflichtung, den streitgegenständlichen Tarif zurückzunehmen. Der feststellende Verwaltungsakt in Nr. 1 des Bescheides besitzt ohnehin keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Den vorstehenden Erwägungen zufolge liegt der Zwangsgeldandrohung eine rechtmäßige Anordnung der Tarifrückname zugrunde. Sonstige mögliche Rechtsfehler der auf der Grundlage des § 21 UrhWahrnG i.V.m. § 11 und § 13 VwVG erlassenen Zwangsgeldandrohung hat die Klägerin weder konkret geltend gemacht, noch sind sie sonst ersichtlich.
2. Die Anfechtungsklage der Klägerin gegen den Bescheid des DPMA vom 20. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2015 ist zulässig und begründet, soweit sie die vom DPMA getroffene Feststellung betrifft, der am 12. April 2013 im Bundesanzeiger veröffentlichte Tarif „Wiedergabe von Funksendungen“ sei unangemessen im Sinne des § 11 Abs. 1 UrhWahrnG.
Zweifelhaft ist, ob – wie das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung meint und die Klägerin schriftsätzlich (vgl. Berufungserwiderung vom 23.10.2017, S. 12) vorgetragen hat – die aufsichtsrechtliche Prüfung der Angemessenheit des Tarifs im Sinne des § 11 Abs. 1 UrhWahrnG von Rechts wegen auf eine Evidenzkontrolle beschränkt ist. Derartige rechtliche Grenzen der Aufsicht lassen sich jedenfalls dem Gesetz nicht entnehmen (vgl. dazu oben unter 1. c) aa). Näher liegt die Annahme, dass die Aufsichtsbehörde aus rein tatsächlichen Gründen in der Regel nur zu einer Evidenzkontrolle in der Lage sein dürfte, wie offensichtlich auch der Gesetzgeber angenommen hat (vgl. oben bereits zitierte Gesetzesbegründung in BT-Drs. 10/837, S. 12).
Diese Frage ist vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich. Gleichfalls kann dahinstehen, ob dem DPMA auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 Satz 2 UrhWahrnG die Befugnis zustand, einen feststellenden Verwaltungsakt zu erlassen. Jedenfalls hat die Beklagte nicht aufgezeigt, dass der streitgegenständliche Tarif vom 12. April 2013 keine angemessenen Bedingungen im Sinne von § 11 Abs. 1 UrhWahrnG enthält.
Das DPMA selbst hat bereits im Bescheid vom 20. März 2015 (dort S. 3 unter Nr. II.) zutreffend ausgeführt, dass eine angemessene Tarifhöhe nur in Kenntnis des Umfangs der wahrgenommenen Rechte festgelegt werden kann. Allerdings kann auch umgekehrt die Feststellung, eine Tarifhöhe wäre unangemessen, ohne diese Kenntnis nicht getroffen werden. Der Umstand, dass bei einer Tarifaufstellung gewissermaßen ins Blaue hinein eine Festlegung der angemessenen Tarifbedingungen schwerlich gelingen kann, ändert hieran nichts.
Bloße Indizien dafür, dass eine Unangemessenheit vorliegen könnte, tragen die genannte Feststellung ersichtlich nicht. Dies gilt insbesondere für den Rechtebestand nach § 22 UrhG, der von der VG Wort im Bereich von privater Fernseh- und Hörfunksender wahrgenommen wird. Es ist in diesem Zusammenhang auch problematisch, wenn sich die Beklagte dabei auf die Umfragen der Klägerin stützt, welche sie gleichzeitig als unzureichend ansieht. Wie oben dargestellt ergeben sich aus den Angaben der VG Wort in Verbindung mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen der Klägerin zwar erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass in größerem Umfang prioritäre Rechteeinräumungen an die VG Wort vorliegen könnten, welche eine weitere Aufklärung geboten erscheinen lassen. Andererseits handelt es sich dabei nicht um gesicherte Hinweise auf eine unangemessene Vergütungshöhe. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass ungeklärt ist, inwieweit sich der von der Klägerin ermittelte Personenkreis von angestellten und freien Mitarbeitern der Sendeunternehmen mit dem Personenkreis der Vertragspartner der VG Wort tatsächlich überschneidet und welche Rechteeinräumungen prioritär erfolgten. Im Übrigen liegen derzeit wohl keine gesicherten Angaben über die Mitarbeiterzahlen der Produktionsfirmen vor; ohne diese Angaben dürfte erst recht nicht abschließend zu bewerten sein, in welchem quantitativen Verhältnis die von der VG Wort vertretenen Urheber im Bereich der Funk- und Fernseh-Sendeunternehmen einerseits und die von der Klägerin wahrgenommenen Rechte stehen. Ferner entzieht sich auch einer belastbaren Kenntnis der Beteiligten, in welchem Umfang gerade jüngere Mitarbeiter, die für Hörfunk- und Fernsehproduktionen tätig sind, möglicherweise verstärkt (zunächst) einen Total-Buy-Out-Vertrag mit einer Produktionsfirma bzw. einem Sendeunternehmen abschließen.
Dem Gesetz sind zudem auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass eine Vermutung der Unangemessenheit des Tarifs dann greifen würde, wenn eine Verwertungsgesellschaft die gebotene Aufklärung des Rechtebestands unterlassen hat.
Nach allgemeinen Grundsätzen der materiellen Beweislast bei staatlichen Eingriffsmaßnahmen (vgl. dazu Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 6) trägt die Beklagte die Folge der Unaufklärbarkeit der Unangemessenheit des streitgegenständlichen Tarifs. Gesetzliche Sonderregelungen betreffend die materielle Beweislast, die im vorliegenden Zusammenhang einschlägig wären, sind nicht ersichtlich. Die von der Beklagten herangezogene (vgl. Berufungsbegründung vom 24.7.2017, S. 21) zivilgerichtliche Rechtsprechung betreffend die Darlegungs- und Beweislast von Verwertungsgesellschaften in Gerichtsverfahren nach § 16 UrhWahrnG (bzw. § 128 VGG) ist auf das aufsichtliche Verfahren schon im Hinblick auf die genannten Grundsätze nicht übertragbar. Auch lassen die von der Beklagten herangezogenen gesetzlichen Vermutungsregelungen zugunsten einer Verwertungsgesellschaft (vgl. Berufungsbegründung vom 24.7.2017, S. 22) nicht den Umkehrschluss zu, dass die Verwertungsgesellschaften die materielle Beweislast im Zusammenhang mit aufsichtlichen Maßnahmen tragen. Dagegen spricht bereits entscheidend, dass die genannten Vermutungsregelungen nicht das Rechtsverhältnis zwischen der Verwertungsgesellschaft und der Aufsichtsbehörde betreffen. Eine Aufsichtsbehörde kann sich dieser materiellen Beweislast bezüglich der Voraussetzungen einer aufsichtlichen Maßnahme auch nicht mit dem Argument entziehen, ohne Mitwirkung des Betroffenen könne sie die Eingriffsvoraussetzungen nicht nachweisen. Die Aufsichtsbehörde ist in einem derartigen Fall darauf zu verwiesen, dass sie ggf. von gesetzlichen Auskunftsansprüchen (vgl. § 19 Abs. 2 UrhWahrnG bzw. § 85 Abs. 3 VGG) gegenüber dem Betroffenen Gebrauch machen kann, um sich erforderliche Informationen – soweit möglich – zu beschaffen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Umstand, dass das vorliegend anzuwendende UrhWahrnG mit Ablauf des 31. Mai 2016 außer Kraft getreten ist, steht dem nicht entgegen; die streitentscheidenden Normen sind weitgehend inhaltsgleich mit den einschlägigen, zum 1. Juni 2016 in Kraft getretenen Vorschriften des VGG (vgl. Art. 1 i.V.m. Art. 7 Sätze 1 und 2 Nr. 1 VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetz vom 24.5.2016, BGBl. I S. 1190).

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