Aktenzeichen 1 C 17.1871
Leitsatz
1 Aufwendungen für private‚ nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind gemäß § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig‚ wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (hier verneint). Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess ist ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen‚ wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Die Prozesssituation muss das Gutachten erfordern und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein. Ob diese Umstände vorliegen, richtet sich danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 11 M 17.521 2017-07-27 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erstattungsfähigkeit privater Sachverständigenkosten. Der Kläger begehrte mit seiner Klage in der Hauptsache die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung einer landwirtschaftlichen Maschinenhalle als Getreide- und Strohlager. Mit Urteil vom 21. Januar 2016 hat das Verwaltungsgericht unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids den Beklagten verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen und dem Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 21. November 2016 hat der Urkundsbeamte des Verwaltungsgerichts die zu erstattenden Kosten festgesetzt, dabei jedoch die Kosten für den vom Kläger eingeschalteten Sachverständigen in Höhe von 3.730,66 Euro (drei Rechnungen der … … GmbH vom 22. Januar 2014 (2.950,61 Euro), 8. September 2014 (461,96 Euro) und 25. Januar 2016 (318,09 Euro)) als nicht erstattungsfähig behandelt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. Juli 2017 zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Klägers. Zur Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, die Sachverständigenkosten seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erstattungsfähig. Die Rechnungen vom 22. Januar 2014 und 8. September 2014 würden sich zwar auf Kosten beziehen, die im Verwaltungsverfahren vor Erlass des Versagungsbescheids entstanden seien, sie seien jedoch erstattungsfähig, weil das Gutachten zum Nachweis der tatsächlichen Voraussetzungen der Privilegierung im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Bezug auf den konkret drohenden Prozess oder dessen Vermeidung erstellt worden sei. Es habe sich um schwierige fachliche Fragen gehandelt, die ohne fachliche Hilfe nicht zu lösen gewesen seien. Auch die Anwesenheit des Gutachters bei der mündlichen Verhandlung sei zu Klärung der schwierigen Fachfrage der Notwendigkeit zusätzlichen Platzbedarfs erforderlich gewesen. Die Ausführungen des Sachverständigen seien durch das Verwaltungsgericht tragend berücksichtigt worden.
Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Streitsache dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.
Der Beklagte nahm mit Schreiben vom 22.Januar Stellung. Die vorgerichtlich erstellten Gutachten seien Gegenstand der Bauvorlagen. Es erschließe sich nicht, weshalb die für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblichen Fragestellungen nur unter Beiziehung eines Sachverständigen zu beantworten gewesen wären. Der Kläger sei mit der Beantwortung der zu seinem Betrieb aufgetretenen Fragen, die den Arbeitskräfteeinsatz, die vorhandenen Gebäudlichkeiten und deren Nutzung sowie das Betriebsergebnis betrafen, nicht überfordert gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Tätigkeit des von ihm eingeschalteten Sachverständigen verneint.
Aufwendungen für private‚ nicht vom Gericht bestellte Sachverständige sind gemäß § 162 Abs. 1 VwGO nur dann erstattungsfähig‚ wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in dem gemäß § 86 VwGO von der Untersuchungsmaxime beherrschten verwaltungsgerichtlichen Verfahren von Amts wegen der Sachverhalt zu erforschen und der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess ist ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen‚ wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Die Prozesssituation muss das Gutachten erfordern und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2.01 u.a. – NVwZ 2001, 919). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte (vgl. BVerwG‚ B.v. 8.10.2008 – 4 KSt 2000.08 u.a. – juris Rn. 4.; OVG NRW, B.v. 19.8.2015 – 16 E 370/14 – juris Rn. 3).
Nach diesen Grundsätzen sind die geltend gemachten Kosten für die Tätigkeit des Sachverständigen nicht erstattungsfähig. Es kann offen bleiben, ob die vorprozessual entstandenen Gutachterkosten schon wegen eines fehlenden Bezugs zum Gerichtsverfahren nicht erstattungsfähig sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.1998 – 20 A 93.40082 – BayVBl 1999, 762). Denn unabhängig davon waren die gutachterlichen Stellungnahmen angesichts der eigenen Sachkunde des Klägers nicht notwendig. Es ist vorliegend weder eine Fallkonstellation gegeben, die den Kläger durch das Nachvollziehen von Berechnungen oder technischen Zusammenhängen als einen mit der Materie nicht vertrauten Laien überfordern könnte (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.1992 – 4 B 39.92 – NVwZ 1993, 268), noch handelt es sich um ein besonders komplexes Verfahren, das bereits zahlreiche Sachverständigengutachten erforderlich gemacht hätte und daher ausnahmsweise die Erstellung eines Privatgutachtens rechtfertigen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2008 – 4 KSt 1008.07 u.a. – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 14.10.2016 – 1 C 16.1271 – juris Rn. 10). Vielmehr bedurfte es zur rechtlichen Klärung durch das Verwaltungsgericht lediglich tatsächlicher Angaben, die der Kläger als Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs auch ohne Hilfe des Sachverständigen hätte machen können. Das Verwaltungsgericht hatte zu beurteilen, ob das geplante Vorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb auch mit Rücksicht auf das zugleich betriebene Lohnunternehmen dient (vgl. UA S. 9). Die Frage des „Dienens“ ist eine rechtliche Beurteilung, die das Gericht selbst vorzunehmen hat. Um zu klären, ob es sich bei dem Lohnunternehmen noch um einen mitgezogenen Betriebsteil handelt, hat das Verwaltungsgericht dabei allgemein auf die Unterordnung dieses Betriebsteils und im Besonderen auf die Verteilung des Arbeitskräfteeinsatzes, das äußere Erscheinungsbild der Bebauung und den Umfang baulicher Veränderungen infolge der Angliederung des Betriebsteils abgestellt. Über die für diese rechtliche Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse und die Verteilung der Arbeitskraftanteile, konnte der Kläger selbst Auskunft geben. Dies wird auch bei näherer Betrachtung der gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2014 deutlich. Die darin zu den entscheidungserheblichen Fragen enthaltenen Angaben beruhen auf den vom Kläger zur Verfügung gestellten Buchführungsdaten und dessen Flächenaufstellungen (vgl. S. 2 der gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2014) und hätten dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (vgl. Stellungnahme vom 21.11.2014) und dem Gericht auch direkt zur Verfügung gestellt werden können. Soweit der Kläger für die Erstattungsfähigkeit ins Feld führt, das Verwaltungsgericht habe in den Urteilsgründen tragend auf die Angaben des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung abgestellt, belegt dies nicht, dass die das Begehren des Klägers tragenden Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens dargelegt werden konnten. Der Sachverständige ist insoweit als Auskunftsperson lediglich an die Stelle des Klägers getreten. Eine auf besonderen Fachkenntnissen beruhende gutachterliche Bewertung war dabei nicht vonnöten.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen‚ weil sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich‚ da der für entsprechende Beschwerden einschlägige Gebührentatbestand des Gerichtskostengesetzes (Nr. 5502 Anlage 1 GKG) für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr in Höhe von 60‚- Euro vorsieht.