Aktenzeichen 6 XIV 27/19 (B)
Leitsatz
Tenor
1. Gegen den Betroffenen wird Haft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet, §§ 58, 62 AufenthG.
2. Die Haft endet spätestens mit Ablauf des 29.03.2019.
3. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.
Gründe
I.
Der Betroffene ist ghanaischer Staatsangehöriger.
Er reiste eigenen Angaben zufolge im Jahr 2015 aus Italien kommend ohne einen gültigen Reisepass in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 18.07.2017 bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in B. die Anerkennung als Asylberechtigter (BAMF-Az. 7163026-238).
Mit Bescheid vom 22.08.2017 wurde der Antrag durch das BAMF als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Dem Betroffenen wurde unter Gewährung einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Ghana angedroht.
Dem Bescheid war der Hinweis auf die Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG in deutscher und englischer Sprache beigefügt. Der Bescheid wurde zugestellt/gilt als zugestellt am 09.09.2017. Weitere Belehrungen durch die ZAB B. nach § 50 Abs. 4 AufenthG in deutscher und englischer Sprache erfolgten am 17.07.2017 und 07.11.2018. Hierbei wurde der Betroffene ausdrücklich auf den Haftgrund des § 62 Abs. 3 Nr. 2 AufenthG hingewiesen.
Der Bescheid des BAMF vom 22.08.2019 ist seit dem 19.09.2017 bestandskräftig und die Abschiebungsandrohung vollziehbar.
Seitens der ZAB B. wurde am 20.09.2017 ein Antrag auf Beschaffung eines Passersatzpapieres (PEP) an die Regierung von Oberbayern, Zentrale Passbeschaffung Bayern, gerichtet.
Der Betroffene wurde in diesem Zusammenhang mit Bescheid vom 17.01.2018 verpflichtet, am 30.01.2018 einen Botschaftsvorsprachetermin zwecks Identitätsklärung und Passbeschaffung wahrzunehmen. Diesen Termin nahm er unentschuldigt nicht wahr.
Durch Änderungen im PEP-Verfahren Ghana konnte der Betroffene laut Mitteilung der Zentralen Passbeschaffung Bayern vom 02.05.2018 auch ohne Botschaftsvorsprache durch die ghanaischen Behörden identifiziert werden.
Noch am 02.05.2018 wurde zu dem Betroffenen ein Antrag auf Durchführung einer Luftabschiebung bei der Polizeiinspektion Schubwesen gestellt. Nachdem anvisierte Termine zunächst umgebucht werden musste, stand die Abschiebung des Betroffenen für den 11.02.2019 an.
Der Betroffene wurde am 11.02.2019 durch Polizeikräfte der Polizeiinspektion (PI) B.-Stadt an der Unterkunft angetroffen und zum Flughafen München verbracht.
Dort scheiterte die Maßnahme, nachdem der Betroffene nach dem Einsteigen in das Luftfahrtzeug verweigerte seinen Sitzplatz einzunehmen und den Anweisungen des Flugzeugpersonals nicht nachkam, sodass der Flugkapitän schließlich die Mitnahme des Betroffenen verweigerte.
Der Betroffene wurde durch die PI B.-Stadt in Gewahrsam genommen und der PI Erding übergeben und befindet sich seither im dortigen Polizeigewahrsam.
Die ZAB B. beabsichtigt, den Betroffenen unter Sicherheitsbegleitung nach Ghana abzuschieben.
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 AufenthG ist nicht erforderlich.
Die ZAB B. als zuständige Ausländerbehörde beantragte am 11.02.2019 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens bis zum 29.03.2019 anzuordnen.
Im Übrigen wird ergänzend auf die Angaben des Antrages vom 11.02.2019 Bezug genommen.
II.
Im Rahmen der heutigen Vorführung wurde d. Betroff. gemäß § 420 I 1 FamFG in der gebotenen Weise vor der Entscheidung rechtliches Gehör gewährt. Der Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde ist dem Betroffenen übersetzt und damit der gesamte Antragsinhalt bekannt gegeben worden. Ein Abdruck des Antrags ist dem Betroffenen überlassen worden. Der Betroffene war in der Lage, sich zu sämtlichen Angaben der beteiligten Behörden zu äußern. Es handelt sich vorliegend um einen überschaubaren Sachverhalt, den der Betroffene vor der Anhörung ausreichend erfassen konnte. Bei der mündlichen Anhörung am heutigen Tag gab der Betroffene an, dass er Einwände habe. Im Übrigen wird auf die Niederschrift vom heutigen Tag Bezug genommen.
III.
1. Die zuständige Ausländerbehörde hat den Haftantrag zulässig und ausreichend begründet.
Der vorliegende Haftantrag genügt den Darlegungsanforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung. Insbesondere werden verlangt – wie hier erfolgt – Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer, §§ 425 III, 417 II 2 Nr. 3-5 FamFG.
Das Gericht erachtet diese Voraussetzungen unter Bezugnahme auf I. für erfüllt.
Insbesondere hat die Ausländerbehörde auch schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, warum die Sicherungshaft in der beantragten Länge erforderlich und unverzichtbar ist. Sie trägt hierzu plausibel vor:
Die Bestimmung der beantragten Dauer der Sicherungshaft orientiert sich an der voraussichtlichen Dauer zur Organisation der Abschiebung des Betroffenen.
Im Anschluss an eine Anordnung von Sicherungshaft wird seitens der ZAB B. bei der Polizeiinspektion Schubwesen, welche bayernweit für die Organisation der Überstellungen auf dem Luftweg zuständig ist, ein Antrag auf Durchführung der Luftüberstellung mit Sicherheitsbegleitung gestellt und um Priorisierung des Antrages als Haftsache ersucht.
Die Flugbuchung erfolgt sodann durch die Polizeiinspektion Schubwesen über ein entsprechend ausgewähltes Reisebüro. Der Buchungsprozess kann bereits mehrere Tage in Anspruch nehmen und kann von Seiten der betroffenen Stellen nicht beschleunigt werden.
Nach heutiger telefonischer Rücksprache mit der Koordinierungsstelle des LfAR/PI Schubwesen kommt bei dem vorliegenden Fall der Einsatz von Sicherheitsbegleitern der bayerischen Landespolizei in Betracht. Für die Organisation einer solchen sicherheitsbegleiteten Maßnahme ist nach derzeitigem Stand eine Vorlaufzeit von 6 Wochen erforderlich, sobald alle erforderlichen Angaben der PI Schubwesen vorliegen.
Besonders zu berücksichtigen ist, dass aller Voraussicht nach kein Direktflug nach Ghana zur Verfügung steht und somit für die Durchführung eines Via-Fluges zusätzlich die Einholung einer Durchbeförderungsbewilligung des jeweiligen Transitstaates erforderlich ist. Für die Einholung und ggf. erforderliche Umbuchung eines Fluges wiederum Organisationszeit einzuplanen.
Unter Einrechnung eines zeitlichen Puffers für allfällige Verzögerungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2017 V ZB 144/15) ist eine Überstellung organisatorisch nach derzeitigem Stand bis spätestens 29.03.2019 durchführbar.
Sollte das Rücknahmeverfahren vor Ablauf der Frist abgeschlossen sein, so ist die Behörde aufgrund des Beschleunigungsgebots gehalten, d. Betroff. unverzüglich abzuschieben.
Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft ist nicht erforderlich.
2. Der Betroff. ist vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1).
Der Betroffene ist seit dem 19.09.2017 vollziehbar ausreisepflichtig und war in der Folgezeit in den Zeiträumen vom 01.09.2017 bis 08.10.2017 und vom 14.11.2017 bis 22.11.2017 unbekannten Aufenthalts.
3. Es bestehen die Haftgründe des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 AufenthG.
3.1 Nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft (Sicherungshaft) zu nehmen, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort gewechselt hat, ohne der Ausländerbehörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist.
Die Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG liegen vor. Der Betroffene war seit dem 19.09.2017 vollziehbar ausreisepflichtig und war in der Folgezeit in den Zeiträumen vom 01.09.2017 bis 08.10.2017 und vom 14.11.2017 bis 22.11.2017 unbekannten Aufenthalts. Nach § 50 Abs. 4 AufenthG hat ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen. Der Betroffene hatte den Bezirk der Ausländerbehörde in den vorgenannten Zeiträumen für mehr als drei Tage verlassen und seine Mitteilungspflicht nicht erfüllt. Der Betroffene wurde auf die Folgen dieses Unterlassens hingewiesen. Dies erfolgte zunächst mit Bescheid des BAMF vom 22.08.2017 und zusätzlich durch die ZAB B. am 17.07.2017 und 07.11.2018. Dabei wurde ausdrücklich auf den Abschiebehaftgrund des § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AufenthG hingewiesen. Mit seinem Verhalten hat der Betroffene deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist, freiwillig aus dem Schengen-Raum auszureisen. Von einer tatsächlichen Rückkehrbereitschaft ist aufgrund des Sachverhaltes nicht auszugehen. Durch sein Untertauchen trotz der Belehrung hat der Betroffene gezeigt, dass er seiner Wohnsitzzuweisung keinerlei Bedeutung beimisst und sich auch nicht für eine Abschiebung in der ihm zugewiesenen Unterkunft zur Verfügung halten wird.
3.2. Des Weiteren ist der Haftgrund des nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 AufenthG erfüllt, wenn der Ausländer sich in sonstiger Weise der Abschiebung entzogen hat.
Wie bereits vorstehend ausgeführt, wurde der Betroffene am 11.02.2019 durch Polizeikräfte der PI B.-Stadt an der Unterkunft angetroffen und zum Flughafen München zwecks Vollzug der Abschiebung nach Ghana verbracht. Nach Mitteilung der Bundespolizeiinspektion Flughafen München vom 11.02.2019 ist die Maßnahme am Flughafen gescheitert. Der Betroffene stieg zunächst in das Luftfahrzeug ein, weigerte sich dann jedoch seinen Sitzplatz einzunehmen. Darüber hinaus kam er auch den Anweisungen des Flugzeugpersonals nicht nach. Der Flugkapitän verweigerte daraufhin die Mitnahme des Betroffenen, sodass die Maßnahme seitens der Bundespolizei abgebrochen werden musste. Rechtfertigungsgründe für das Verhalten des Betroffenen sind der ZAB B. nicht bekannt und wurden, soweit aus der Mitteilung der Bundespolizei ersichtlich, auch nicht durch den Betroffenen während seiner Weigerung vorgetragen. Das Verhalten des Betroffenen kann daher nur dahingehend ausgelegt werden, dass dieser gezielt durch seine Weigerungshandlung eine Mitnahme durch den Flugzeugführer provozieren wollte, um sich der bevorstehenden Maßnahme zu entziehen.
Letztlich wird ergänzend auf die Gründe des Antrages Bezug genommen.
4. Gründe, die ein Absehen von der Abschiebehaft gem. § 58 Abs. 1, Abs. 3, 62 Abs. 3 S. 3 AufenthG rechtfertigen können, sind nicht ersichtlich bzw. nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen liegen Abschiebungshindernisse nicht vor.
Umstände, die einer Durchführung der Abschiebung innerhalb der nächsten 3 Monate aus Gründen, die d. Betroff. nicht zu vertreten hat, entgegenstehen, sind nicht erkennbar (§ 62 Abs. 3 S. 4 AufenthG).
5. Ein milderes Mittel als die Inhaftierung der Betroffenen im Sinne von § 62 Abs. 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Hinterlegung von Ausweispapieren bzw. eine Meldeauflage bzw. die Auflage, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, vorliegend nicht ausreichend. Derartige Auflagen sind nicht zielführend, da sich der Betroffene trotz Wohnsitznahmeverpflichtung in der Unterkunft in B. – zumal er aufgrund mehrmals erfolgter Belehrungen Kenntnis von der Anzeigeverpflichtung nach § 50 Abs. 4 AufenthG hatte – dort in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum nicht aufgehalten hat. Der Betroffene hat nicht glaubhaft dargetan, dass er sich einer Abschiebung nicht entziehen will. Im Gegenteil hat der Betroffene durch seine Weigerungshandlung den Abbruch der bereits laufenden Maßnahme herbeigeführt.
IV.
Das Verfahren beruht auf den §§ 416, 418, 419, 420, 421, 425 III FamFG. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung beruht auf § 422 Abs. 2 FamFG.