Verwaltungsrecht

Klageabweisung mit Bezugnahme auf die Bescheidsbegründung

Aktenzeichen  M 8 K 18.33220

Datum:
8.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 51064
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 3e
AsylG § 4
AsylG § 77
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.  
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Asylgesetz – AsylG) keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter, keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Der streitgegenständliche Bescheid ist daher und im Übrigen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
Das Gericht folgt zunächst der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG), da er eigenen Angaben zufolge aus Italien kommend nach Deutschland eingereist ist. Denn gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG kann sich nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (bzw. Union) einreist (vgl. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG). Zudem liegt keine Ausnahme nach § 26a Abs. 1 Satz 3 AsylG vor. Der Kläger kann sich somit nicht auf das Asylrecht berufen.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylG.
2.1 Offen bleiben kann, ob der Vortrag des Klägers glaubhaft ist. Hiergegen spricht, dass bezüglich der Reformed Ogboni Fraternity keine Erkenntnismittel vorliegen, dass diese Personen zum Eintritt zwingt oder allgemein Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG vornimmt (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 11.9.2017 – W 4 K 17.31844 – juris Rn. 26 f. m.w.N.). 2.2 Jedenfalls bestünde für den Kläger die Möglichkeit internen Schutzes nach § 3e AsylG.
Der Kläger kann sich an anderen Orten in Nigeria niederlassen (§ 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG) und sich so dem möglichen Einfluss der Ogboni entziehen. Wie sich aus dem Lagebericht Nigeria des Auswärtigen Amts vom 10. Dezember 2018, S. 16 f., ergibt, besteht grundsätzlich in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil Nigerias auszuweichen. Der Kläger kann sich z.B. in einer Großstadt Nigerias (wie Lagos oder Abuja) niederlassen, wo er mit asylrechtlich hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht ausfindig gemacht werden kann. In einem Land mit einer Bevölkerung von ca. 188 Millionen bzw. einer Millionenstadt wie Lagos (mit einer Bevölkerung von über 18 Mio.; zu beiden Zahlen vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Nigeria.html?nnm=383178, zuletzt abgerufen am 11.1.2019) ohne funktionierendes Meldesystem (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 – Au 7 K 17.30060 – juris Rn. 47) lässt sich in keiner Weise nachvollziehen, wie den potentiellen Verfolgern ein Auffinden gelingen sollte. Speziell in Bezug auf Kulte gibt es keine Anhaltspunkt für die Annahme, dass diese Personen in der Lage sind in ganz Nigeria Personen zu verfolgen (vgl. österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Entscheidungen vom 24.1.2018 – I407 1431397-2 – und vom 8.6.2015 – W211 1409982-1; jeweils m.w.N.). Zudem hat der Kläger selbst angegeben, dass er nicht von den Ogboni gefunden werden konnte, als er bei einem Freund in O* … gelebt habe. Außerdem habe er zuletzt als er in Libyen (2015/2016) gewesen sei, also vor über 3 Jahren, davon gehört, dass er gesucht werde. Nach ex-Mitgliedern von Kulten wird jedoch selten gesucht und wenn doch, dann wird eine erfolglose Suche nach zwei oder drei Monaten abgebrochen (vgl. österreichisches Bundesverwaltungsgericht, Entscheidungen vom 24.1.2018 – I407 1431397-2).
Im Fall des Klägers sind auch die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfüllt. Insbesondere ist gemessen an der individuellen Situation des Klägers davon auszugehen, dass er auch in einem anderen Landesteil in der Lage sein wird, für sich eine existenzsichernde Lebensgrundlage aufzubauen. Er ist ein junger (26 Jahre alt), im Wesentlichen gesunder, gebildeter (u.a. 6 Jahre Schulbesuch auf der Secondary School; 3 Jahre Berufsausbildung) und bereits in Nigeria erwerbstätig gewesener (Schweißer) Mann. Mit seiner Arbeit konnte er sich in Nigeria versorgen. Nicht zuletzt durch seine Reise nach Europa hat der Kläger bewiesen, dass er sich in einer für ihn unbekannten Umgebung behaupten kann. So hat er auch in Libyen gearbeitet. Hinzu kommt, dass seine Großfamilie noch in Nigeria lebt, die ihn im Falle einer Rückkehr unterstützen könnte. Eine Kontaktaufnahme ist ihm im Falle einer Notlage zumutbar.
3. Auch ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG scheidet wegen der bestehenden internen Schutzmöglichkeit gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG aus.
4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Dem Kläger droht in Nigeria in Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG und Art. 3 EMRK keine auf Grund eines ganz außergewöhnlichen Falles ungewöhnlich schlechte humanitäre Situation. Ferner führt in Hinblick auf § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eine Rückkehr des Klägers nach Nigeria für ihn zu keiner extremen Gefahrenlage in Form des sicheren Todes oder schwerster Verletzungen (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2017 – 20 ZB 17.30750 – juris Rn. 5 und 9).
Die Tatsache, dass die Lebensbedingungen in Nigeria allgemein hart sind, stellt für sich gesehen keine lebensbedrohliche Situation und Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dar. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Abschiebung wäre nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“, also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 = NVwZ 2002, 101 m.w.N.). Das kann bei dem Kläger nicht angenommen werden (s.o.).
Daher kann von einer Verletzung von Art. 3 EMRK und damit dem Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG insoweit ebenfalls nicht ausgegangen werden.
§ 60 Abs. 5 AufenthG bezieht sich zudem lediglich auf zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach der EMRK (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1997 – 9 C 13/96105 – BVerwGE 105, 322; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – NVwZ 2013, 1167 Rn. 35). Abschiebungshindernisse, die sich etwa aus Art. 8 EMRK ergeben, wenn mit einer Abschiebung eine Trennung des Betroffenen von seiner Familie droht, sind inlandsbezogen und daher von der Ausländerbehörde zu prüfen (vgl. Koch in BeckOK AuslR, 18. Edition, Stand: 18.6.2016, AufenthG § 60 Rn. 36). Der Einwand des Klägers, er möchte bei seinem Kind (und der Kindsmutter) bleiben, ist im Rahmen der vorliegend zu prüfenden Abschiebungsverbote daher unbeachtlich.
5. Auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden.
6. Schließlich begegnet auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 6 des angegriffenen Bescheids keinen rechtlichen Bedenken.
Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, zumal die Klägerseite diesbezüglich keine substantiierten Einwendungen vorgebracht und insbesondere kein fehlerhaftes Ermessen gerügt hat. So wurde vor allem nicht vorgetragen, dass die angebliche Ehefrau des Klägers und dessen Tochter über einen deutschen Aufenthaltstitel verfügen.
7. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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